Mayhem
Interview mit Attila Csihar zu "Life Eternal"
Interview
In diesen Tagen erscheint „Life Eternal“, der Rough Mix des Black-Metal-Klassikers „De Mysteriis Dom Sathanas“, das MAYHEM-Sänger Attila Csihar auf seinem eigenen Label veröffentlicht. Während in der finalen Version des „De Mysteriis“-Album die originalen Bassspuren von Varg Vikernes heruntergeregelt oder entfernt wurden, sind diese auf „Life Eternal“ nunmehr vorhanden. Was es mit diesem Release sonst noch auf sich hat und was es außerdem aus dem Lager von MAYHEM zu berichten gibt, erklärt Attila selbst, den wir telefonisch irgendwo in Ungarn erwischen. Zwar ist die Verbindung miserabel, doch Attila ist bester Laune und plaudert munter drauflos.
Hi Attila, über Dein Label Saturnus Productions wird dieser Tage unter dem Titel „Life Eternal“ ein Rough Mix von „De Mysteriis Dom Sathanas“ veröffentlicht. Was hat es mit dieser Veröffentlichung auf sich?
Ich hatte es schon sehr lange vor, diese Aufnahme mit den wirklichen Die-Hard-Fans zu teilen. „Life Eternal“ hat einen etwas unterschiedlichen Mix gegenüber dem “De Mysteriis”-Album, und viele Leute halten dieses Album einfach für sehr wichtig. Es gab aber immer wieder Probleme mit den Rechtefragen. Die Leute, die auf der anderen Seite im Business arbeiten, waren sehr ablehnend und eiskalt. Daher hat es einige Zeit in Anspruch genommen, dieses Projekt zu verwirklichen. Ursprünglich hatte ich vor, mit diesem Release mein eigenens Label Saturnus Productions starten, aber durch die ganzen Verzögerungen ist dies jetzt mein zweiter Release. Vorher habe ich auf meinem Label bereits “Anno Domini” von meiner alten Band TORMENTOR veröffentlicht. Und durch die Kooperation mit Season Of Mist ist das jetzt ein sehr schönes Package geworden, mit Poster und Sticker. Es ist ein schönes Sammlerstück, für all diejenigen, die total auf meine Band abfahren. Deshalb ist „Life Eternal“ auch strikt auf 3000 Stück limitiert und handnummeriert. Es hebt sich dadurch sehr von Bootlegs ab.
Für mich ist dieser Rough Mix die Version, die ich zuerst gehört hatte, 1995 oder sogar erst 1996, weil nach den Aufnahmen der Kontakt zur Band vollkommen abgebrochen war. Ich finde diesen Mix aber viel besser, weil es eigentlich schade war, dass die Basslinien sehr runtergemischt oder sogar gelöscht wurden. Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, weil ich beim Mix nicht anwesend war. Was ich aber sicher weiß, ist, dass die Aufnahme von „Life Eternal“ die Originalaufnahme vom 1993er Line-Up ist, also mit dem Bass von Varg Vikernes. Genauso interessant ist aber, dass der ursprüngliche Mix viel rauher ist, mit weniger Effekten und Kompressionen. Mein Gesang ist absolut clean, und bei den Instrumenten sind auch ein paar kleinere Unterschiede zu hören. Natürlich ist das immer noch die gleiche Aufnahme, aber der Mix unterscheidet sich in vielen kleineren Sachen vom finalen Mix. Ich mag diesen Mix wirklich lieber, weil er rauher ist.
Und Hellhammer und Necro Butcher haben ihr Okay zu dieser Veröffentlichung gegeben?
Ja, es gab einen Haufen Probleme mit diesem Release. Sie haben es mir erlaubt, damit ich damit vielleicht ein wenig Geld verdiene, hahaha! Weißt Du, viele Leute meinen, dass ich unglaublich reich sein müsste, weil das “De Mysteriis”-Album immerhin ein Black-Metal-Bestseller ist. Ich kann Dir sagen, dass das alles vollkommener Blödsinn ist, da Euronymous die Rechte innehatte, als er ermordet wurde. Mein Name taucht auf dem originalen Release überhaupt nicht auf. Und durch einige Leute im Business habe ich nie einen Cent gesehen, obwohl Euronymous selbst ein Schriftstück unterzeichnet hatte, auf dem mein Anteil festgehalten wurde. Aber darauf kommt es mir auch nicht an, denn Musik hat für mich immer mit Selbsterfahrung und Magie zu tun, ich denke da nicht ans Geldverdienen. Es ist etwas sehr Überirdisches und Mehrdimensionales.
Aber in diesem Fall hätten wir auch nie gedacht, dass das Album mal so groß werden würde. Natürlich wussten wir, dass wir ein großartiges Stück Musik erschaffen hatten, aber wer gibt nicht sein Bestes? Aber daneben ist es einfach auch sehr wichtig, ein Auge auf dem Geschäftlichen zu halten, wie ich schmerzlich lernen musste. Wenn Du Dich aber nur auf Deine Kunst und Musik konzentrierst und nicht auf einen vernünftigen Vertrag achtest, wirst Du am Ende ausgenommen. Und die Leute freuen sich sogar noch, dass sie Dich ausnehmen. Diese fettärschigen, reichen Businesstypen kümmern sich doch einen Scheißdreck um deinen Arsch, sondern haben nur ihren Profit im Blick, weißt Du? Und das war uns mit diesem Album passiert, aber ich weiß auch, dass wir damit nicht alleine dastehen. Vielen Black-Metal-Bands der ersten Stunde ist genau dasselbe passiert. Wir waren ja noch sehr jung und für mich war es das erste richtige Album, das veröffentlicht werden sollte. Und nachdem Euronymous ermordet wurde, der ja die ganze geschäftliche Seite geregelt hatte, versank alles im Chaos. Es wurde eine Art Rip-Off. Auf der anderen Seite gibt es ja von jedem Album von MAYHEM immer so viele unterschiedliche Versionen, Bootlegs und so ein Kram. Diese Veröffentlichung erscheint nun mit dem Segen aller Mitglieder von MAYHEM, so dass ich hoffe, dass die Fans damit viel Freude haben und sie nicht nur ins CD-Regal stellen.
Warum hast Du „Life Eternal“ als Titel für die CD gewählt?
Ich habe den Titel gewählt, weil ich glaube, dass “Life Eternal” ein sehr signifikanter Song auf dem Album ist, wie ein Eckpfeiler. Außerdem ist es eine Widmung an alle MAYHEM-Mitglieder, vor allem diejenigen, die gestorben sind. Der Text enthält eine Art Vision, es ist ein wenig selbstmörderisch, oder besser gesagt: Es geht um die Anziehung von der anderen Dimension. Und deswegen dachte ich, dass es perfekt zu dieser Veröffentlichung passen würde.
Was war das für ein Gefühl, als das Album damals endlich veröffentlicht wurde?
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das Album das erste Mal in Händen hielt, aber ich glaube, dass Samoth von EMPEROR mir eine Promo-Kopie vom Album gesendet hatte. Das war eher 1995. Wir waren in Kontakt gekommen, weil er die alten TORMENTOR-Aufnahmen über Nocturnal Art Productions veröffentlichen wollte. Ich war wirklich stolz darauf, das fertige Album als CD zu sehen, auch wenn die Promo-Kopie kein fertiges Booklet hatte. Weißt Du, damals war das für Leute in Ungarn noch keine Selbstverständlichkeit. Auf der anderen Seite war ich sehr traurig, nachdem das alles passiert war. Jetzt konnte ich zwar die Musik hören, aber wir waren keine Band mehr. Es ist wie ein Fluch.
Als ich dann später die CD sah, die in den Handel gekommen war, merkte ich, dass da was schief gelaufen war: Zum Beispiel war das Line-Up in der Innenhülle nicht genannt. Es gab nur die Namen von Hellhammer und Euronymous, sonst von niemandem, der am Album mitgewirkt hat. Für mich war das natürlich etwas merkwürdig, da ich ja mit den Auseinandersetzungen und den ganzen kriminellen Machenschaften gar nichts zu tun hatte. Damit musste ich irgendwie klarkommen. Ich hatte mir einfach nichts vorzuwerfen, sondern habe immer mein Bestes für MAYHEM gegeben. Insofern war ich ziemlich überrascht, meinen Namen nicht im Booklet zu lesen. Aber auf der anderen Seite heißt das Album „Mysteriis“ und mein Name bleibt mysteriös. Und die Leute werden sich Gedanken gemacht haben, wer das Album eingesungen hat. Inzwischen wissen es ja alle Leute, dass ich das gemacht habe, aber am Anfang noch nicht.
Aber ich war dann doch sehr stolz darauf, die fertige CD in Händen halten zu können. Man muss dazu wissen, dass die Metal-Szene damals noch gar nicht so groß war, eigentlich gar nicht existent. Die Black-Metal-Jünger waren so etwas wie Staatsfeinde oder Terroristen. Und wenn man all diese Fakten berücksichtigt, dann war es doch eher ein Phänomen, dass die CD überhaupt veröffentlicht wurde.
Wie war es eigentlich, die Lyrics von jemand anders zu singen?
Ja, das ist sehr interessant, weil es das erste mal war, dass ich Texte interpretieren musste, die jemand anders geschrieben hatte. Erstmal: Ich mochte die Lyrics und fand sie einfach cool. Zum zweiten war das, was ich über Pelle [Per Yngve Ohlin, Dead] gehört habe, dass er ein toller Typ war. Ich habe ihn leider nicht kennengelernt. Aber letztlich ist die Story, warum ich bei MAYHEM gelandet bin, etwas seltsam. Die anderen mochten meine Band TORMENTOR sehr. Dead hatte unsere Demokassetten, und die Jungs sind vollkommen auf unsere Musik abgefahren. Wie ich gehört habe, war ich einer der Lieblingssänger von Dead. Außerdem besitze ich einen der ersten Briefe von Euronymous, worin er mir in seiner sehr vornehmen Art seine Wertschätzung für meinen Gesang darlegt. In diesem Brief sagte er mir auch, dass er mich für den besten Sänger für MAYHEM hält. Diese ganzen Umstände, der Respekt gegenüber meiner Person und meiner Band, brachten mich einfach zur Überzeugung, dass diese Band es verdient hat, dass ich die Gesangslinien übernehme.
Ich hatte keine Probleme damit, dass Dead durch seine eigenen Hände aus dem Leben geschieden ist. Jemand musste ja Gesang übernehmen, denn die Stücke waren bereits fertig. Ich fühlte aber auch, dass Dead in einer spirituellen Verbindung mit mir stand. Nach all dem, was ich über ihn gehört hatte, konnte ich diese Energie fühlen, die von ihm ausging.
Für mich war es aber auch eine interessante Herausforderung, seine Lyrics zu singen. Zwar standen die Arrangements der Vocals, aber andererseits wollte ich auch keine Kopie oder Replik seiner Stimme abgeben. Als ich also die „Live In Leipzig“-Aufnahme hörte, die damals noch nicht veröffentlicht war, dachte ich, dass ich seine Stimme mit meinem Gesangsstil verbinden könnte. Ich wollte aber einen Schritt weiter gehen, und so kam es zu diesem eher dunklen Gesangsstil anstelle des eher traditionellen Black-Metal-Kreischens. Und Euronymous mochte diese Idee. Es entspricht auch eher meinem Selbstverständis, neue Sachen auszuprobieren, anstatt alte, einmal erfolgreiche Formeln zu wiederholen. Und ja, wenn ich mir heute die Texte durchlese, denke ich immer noch, dass sie brillant sind und dass Dead wirklich talentiert war.
Um von der Vergangenheit in die Gegenwart zu kommen: Bei MAYHEM ist dieser Tage auch einiges los. Was genau?
Wir kommen gerade aus Südamerika, und wie Du sicherlich gehört hast, hat Blasphemer die Band verlassen. Auf der Tour hatten wir jetzt Morfeus von LIMBONIC ART dabei, der wirklich cool ist und seine Sache gut gemacht hat. Es ist aber immer sehr stressig, wenn jemand die Band verlässt, weil in meinen Augen jeder eine wichtige Rolle innerhalb der Band innehat. Deshalb ist es gar nicht einfach, jemanden zu ersetzen. Es hat sich aber gezeigt, dass es nicht die ganz große Katastrophe ist, wie zunächst gedacht. MAYHEM hat in der Vergangenheit so viele Dinge überlebt, insofern wird sie auch dieses vergleichsweise kleine Problem überleben.
Ich kann Dir aber sagen, dass noch nichts entschieden ist. Wir proben immer noch mit verschiedenen Gitarristen, und es kann noch lange dauern, bis wir das finale Line-Up präsentieren. Wir werden auf jeden Fall den Namen erst preisgeben, wenn wir das neue Album einspielen.
Im Februar sind wir in Finnland und wir werden sogar zwei Gitarristen ausprobieren, unter anderem einen Kerl aus Frankreich, der Hoffnung macht – mal sehen, wie das klappt. Weißt Du, mit einem Gitarristen kann man besser Musik schreiben, aber zwei Gitarristen sind besser für die Live-Shows: Dadurch kann man den Sound noch komplexer und näher am Album halten. Es ist also noch nichts entschieden, aber eine Sache ist klar: Wir werden nicht aufhören! Dafür ist der Name MAYHEM einfach zu stark und kraftvoll. Auch wenn wir zur Zeit nur zu dritt in der Band sind, treibt uns doch der Name der Band immer weiter an.
Aber die Medaille hat immer zwei Seiten: Es ist einerseits wirklich traurig, einen solch talentierten Musiker und Komponisten ziehen lassen zu müssen. Andererseits kann es aber ein Neuanfang mit neuen Möglichkeiten sein. Der Ausstieg von Blasphemer kam ja auch nicht plötzlich, sondern deutete sich schon lange an. Er ist nicht mehr gerne aufgetreten und die Musik konnte ihn nicht mehr hundertprozentig zufriedenstellen. Insofern war es auch ein bisschen eine Erlösung.
Im Februar werden wir also nach Finnland kommen, im Mai durch Amerika touren und im Sommer werden wir hoffentlich für ein paar kleinere Festivals nach Deutschland kommen.
Welche Projekte hast Du derzeit neben MAYHEM laufen?
Ja, es gibt auch noch zwei kleinere Sachen, die ich mache. Ich mag ja experimentelle Musik und von mir gab es vor kurzem eine Soloshow, eine wirklich sehr frische Sache. Ich habe das Projekt „Void Ov Voices“ genannt, denn die Show bestand nur aus Stimmen. Meine Inspiration habe ich vom Track „Danse Macabre“ vom CELTIC-FROST-Album „Morbid Tales“. Das war die erste experimentelle Musik, die ich jemals gehört habe, abgesehen von den Intros auf den BATHORY-Alben. Die Gemeinsamkeit mit den Sachen, die ich bei MAYHEM mache, ist die, dass sie sich alle mit dunklen Formen der Energie beschäftigen.
Und diese Sache wird in Berlin aufgeführt werden. Das Festival findet Ende Januar statt und heißt „club transmediale“. Also, wenn jemand daran interessiert ist, ich werde dort auf der Bühne stehen.
Danke für das Interview!
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