Masterplan
Roland Grapow im großen Interview

Interview

Es wäre ein Understatement, Roland Grapow als deutsche Musiklegende zu bezeichnen. Der Hamburger prägte nicht nur lange Zeit den Sound von HELLOWEEN, sondern lieferte mit seiner eigenen Band MASTERPLAN ein Projekt, welches zwar von Line-Up Schwierigkeiten und anderen Problemen geplagt war, aber dennoch einen wichtigen Platz im Herzen der Schwermetall-Gemeinde einnimmt. Anlässlich der kommenden Tour mit FIREWIND trafen wir den sympathischen Gitarristen und waren äußerst erfreut darüber, dass sich aus einem geplanten kurzen Talk, ein karriereumspannendes und hochinteressantes Gespräch entwickelt hat. Wer Lust auf eine kleine Zeitreise hat, findet hier nicht nur einen Rückblick auf essenzielle Kapitel der Geschichte des Metals, sondern auch noch viele kuriose Anekdoten.

Viel Spaß mit dem Interview!

 

Ich hatte so viele Fragen, dass ich gar nicht wusste, wie ich dieses Interview beginnen sollte. Fangen wir also damit an: Wo befindest du dich gerade und wie läuft der Interviewmarathon?

Roland: Ich bin in der Slowakei. Seit 2007 wohne ich offiziell hier. Ich fühle mich hier ganz wohl, obwohl ich Hamburg und Deutschland relativ oft vermisse. Aber als Musiker muss man eben dort wohnen, wo man finanziell überleben kann. Hier ist alles etwas günstiger, was einer der Gründe war, warum ich hierher gezogen bin. Ich entspanne mich gerade in meinem Haus und habe jeden Tag Interviews. Wenn man so ein Anniversary Album rausbringt, rechnet man eigentlich mit 2-3 Gesprächen. Doch ich habe seit zwei Wochen mindestens zwei Interviews täglich. Ich habe manchmal sogar relativ Angst davor. Es gibt diesen „Bild-Zeitungs-Effekt“, den ich nicht mag.

Also, du meinst die Angst davor, dass man etwas aus dem Zusammenhang reißt?

Roland: Genau und dann gibt es diese Headlines, wie zum Beispiel beim „Sweden Rock“.

 Oh ja, die waren wohl ganz schön auf Clicks aus!

Roland: Deren Chef ist ein super Freund von mir, doch dann sah ich so etwas wie „Helloween didn’t like Yngwie Malmsteen“ oder etwas Ähnliches aus dem Zusammenhang gerissenes. Ich habe das in einem Nebensatz erwähnt und dann wird daraus eine große Überschrift gemacht.

Wenn dir eine Frage nicht passt, musst du es mir nur sagen. Wie gesagt: Ich wusste erst mal gar nicht, wo ich anfangen sollte, weil euer letzter Release etwas länger her ist. Euer Sänger ist ja bekanntlich aus Schweden und euer Bassist aus Finnland. Wie schaffst du es, MASTERPLAN bei einem so internationalen Line-Up zu organisieren und zusammenzuhalten?

Roland: Ich glaube, wir sind schon im 11. Jahr mit Rick und Jari zusammen. Kevin kam, glaube ich, zwei Jahre später dazu. Das ist relativ lang. Es gibt einfach keine Machtkämpfe zwischen uns. Wann immer wir auftreten müssen, schicke ich eine Rundmail, in der ich frage, ob die Jungs Zeit haben. Das ist auch wichtig, weil jeder von den Jungs Jobs hat. Es wird alles momentan etwas schwieriger, weil unser Trommler mittlerweile fertig studiert hat und als Lehrer arbeitet. Im Endeffekt heißt das, dass er nur in den Ferien oder am Wochenende kann.

Er arbeitet doch auch als Session-Drummer, wenn ich mich nicht irre?

Roland: Ja, wenn Bands ihn fragen, macht er immer gerne mit. Aber ich denke, dass es live jetzt manchmal schwierig werden könnte. Doch auch Rick hat einen Job. Im Grunde verdienen drei von fünf Mitgliedern ihren Lebensunterhalt mit der Musik – jedoch nicht ausschließlich von MASTERPLAN, sondern unter anderem mit Studioproduktionen. Axel macht beispielsweise viel mit dem MDR, schneidet Videos und schreibt Fernsehmusik. Wenn ich meine Rundmail geschickt habe, hoffe ich einfach immer, dass sie Zeit haben und sich rasch zurückmelden. Meistens kommt dann immer „Ja, kein Problem.“ Im Grunde ist es supereinfach.

Also kann man sagen, dass die geografische Entfernung ein Grund ist, warum es bei MASTERPLAN ein bisschen dauern kann?

Roland: Ja, aber es ist vorteilhaft, wenn man nicht immer jeden Tag zusammenhängt. Wir sehen uns nur, wenn wir miteinander spielen. Wir proben auch nicht wie eine normale Band aus den 70ern oder 80ern. Wir haben es im Grunde nur einmal gemacht, als unser Line-Up neu war. Vor der „Novum Initium“ Tour. Trotzdem bin ich überrascht, wie gut es immer klappt und wie gut eingespielt wir sind. Wir vertrauen uns blind. Wenn uns Fehler passieren, dann kommen sie eher von mir und das kommt bei jeder Show mal vor.

Als Hobbymusiker wird mir bei dem Gedanken Angst und Bange. Ihr seid also so aufgestellt, dass es kein Problem für euch ist?

Roland: Es kam eigentlich ein bisschen aus der Not heraus. Die Band jedes Mal irgendwo hinzufliegen, wäre logistisch schwierig. Man müsste vier Leute einfliegen, einen Proberaum besorgen und sich um Hotels kümmern. Solche Schwierigkeiten wollen wir vermeiden. Wir hatten unsere heutige Methode einmal ausprobiert und sie hat auf Anhieb geklappt. Zuhause probe ich mit einem Tape, auf dem Drums und Keyboards drauf sind. Es ist fast so, als würde ich mit der Band zusammenspielen, doch es sind nur die CD-Tracks. Ich habe die originalen Aufnahmen der Songs und kann die Gitarre dann quasi zum Proben herausnehmen.

Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt, die anderen einfach zu dir zu fliegen?

Roland: (lacht) Nö, das wären zu viele.

Du hast es vorhin schon angesprochen, doch das MASTERPLAN-Debut hat vor kurzem sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Ich interessiere mich normalerweise gar nicht für Re-releases, doch das Ding kommt mit einem geilen Live-Video aus seiner Zeit. Mit welchen Emotionen verbindest du dieses Album, die damalige Zeit und den ganzen Release?

Roland: Ich bin auch kein großer Fan von diesen ganzen „Anniversary“ und „Remastered“ Geschichten. Unser Jubiläum wäre eigentlich Ende Januar gewesen, doch AFM-Records hatte Probleme mit seinem Vinyl und es gab viele Mitarbeiterwechsel. Ich hatte die Herrschaften im August für einen Release Ende Januar kontaktiert und ihnen Folgendes vorgeschlagen: „Hey, ihr habt was mit euren Jubiläumsvinyls vor und ich habe hier einen alten Liveauftritt, der fast 20 Jahre bei mir im Studio herumlag.“ Ich konnte mir das Ding aus technischen Gründen nicht anschauen, doch hatte eine VHS-Version des Auftritts vorliegen. Wir hatten damals HAMMERFALL supportet und das damalige Kamerateam hat ihren Auftritt gefilmt. Man kam auf uns zu und fragte uns, ob wir wollen, dass man auch unseren Auftritt aufnimmt. Ich habe Jorn (Lande, damaliger Sänger) und die anderen Jungs gefragt und sie waren begeistert. Das Problem war, dass das Ganze natürlich Geld kostete. Ich habe noch spät abends bei AFM angerufen und es gab eine Absage. „Das ist zu früh! Nach dem zweiten oder dritten Album könnt ihr das machen“. Ich entgegnete nur: „Ja, aber die sind ja jetzt schon hier und nehmen uns auf.“ Es lief auf eine Diskussion hinaus, dass wir nicht genug Songs hätten usw. Doch Jorn meinte nur „Nö, das nehmen wir jetzt auf und bezahlen es vom Merchandise.“ Die Tour lief gut und wir hatten viel vom T-Shirt -Verkauf eingenommen. Wir bezahlten es, woraufhin ich die Tapes bekam. Ich machte daraufhin eine weitere Anfrage, wo es hieß „Vielleicht releasen wir es in ein paar Jahren“. Nach dem zweiten Album stiegen Jorn und Uli (Kusch, Ex-Drummer von MASTERPLAN)  allerdings aus, weshalb ich dachte, dass es jetzt eh keinen Sinn mehr macht, es zu releasen.

Du saßt die ganze Zeit auf so einen Schatz?

Roland: Ja und ich hatte schon an ihm herumgebastelt. Ich kam allerdings nie zum Punkt, weil eine Kickdrum nicht gescheit aufgenommen wurde. Man konnte sie auf dem Channel nicht wirklich gut hören. Doch durch die moderne Technik konnte ich sie restaurieren.

Klingt wie Millimeterarbeit.

Roland: Das waren 12 Stunden Arbeit – nur für die Kickdrum. Ich hatte das Ding gemischt und kurz darauf Uli Kusch kontaktiert, damit er es absegnet. Nicht, dass er das sieht und sich denkt „Neeeee, bist du wahnsinnig!“. Aber er war superhappy. Dann hatte ich schon das Video editiert und die Zusage von AFM bekommen. Bis Weihnachten hatte ich es fertig, doch das war dann schon etwas zu spät für einen Januar-Release. Um noch mal auf die Emotionen zurückzukommen: Für mich ist die Hauptsache des Re-releases, dass die Fans die Stimmung von vor 20 Jahren greifen können. Sie sollen die Euphorie, die auch innerhalb der Band herrschte, spüren können. Die Magie war da. Wir waren ein zusammengewürfelter Haufen, der merkte, dass hier etwas ganz Großes abgeht. Wir hatten Spaß und das merkt man im Video. Auch das Bonusmaterial – Moment… War es in Göteborg oder Oslo aufgenommen?

Oslo, Malmö, Orebrö…

Roland: Alles das Gleiche, hahaha

Irgendwo da oben eben, hahaha

Roland: Genau bei den Wikingern. Auf jeden Fall hatten wir über 9 Stunden Bonusmaterial aufgenommen. Das habe ich dann zu einer Story zusammengeschnitten. Uli war glücklich, dass ich auch ihn so oft gezeigt hatte und ich nicht einfach nur mich in den Vordergrund gestellt habe. Weil unser Keyboarder so fantastische Fähigkeiten im Video Editing hat, hat er schnell gemerkt, dass ich nicht das richtige Format verwendet habe. Also rückte er es wieder gerade. Der Axel hat es wirklich noch mal veredelt.

Hat dich die damalige Resonanz überrascht, oder hättest du es dir nach der „The Dark Ride“ denken können?

Roland: Wir waren sehr überrascht. AFM fragte uns, ob wir HAMMERFALL supporten könnten. Wir bejahten dies – obwohl das Album erst eine Woche nach Tourstart herauskam. Niemand im Publikum kannte die Songs, wir hatten lediglich vorher „Enlighten Me“ als Single herausgebracht. Mit jeder voranschreitenden Woche wurde die Stimmung besser. In Göteborg haben die Leute die Texte schon mitgesungen. Das Publikum war einfach klasse! Wir waren eine komplett neue Band und Jorn kannte zu dieser Zeit fast keiner. Natürlich waren da zwei Ex-HELLOWEEN Jungs auf der Bühne, doch das alleine ist kein Garant dafür, dass man Erfolg hat. Wir haben uns sehr viel Mühe mit dem Album gegeben, merkten allerdings erst ein Jahr später, wie viel wir verkauft hatten. Nachdem die Zahlen durchsickerten, gewannen wir den European Border Breakers Awards in allen Kategorien. Wir wurden auf eine dicke Party in die Bordeaux geladen, bekamen jeder ein teures Hotelzimmer und fühlten uns wie kleine Stars. Das Album war einfach nur ein guter Start.

Der gute Start wurde ja auch von Andy Sneap als Produzent begünstigt. Er war damals noch keine so große Nummer. Hast du dir während der Zusammenarbeit gedacht „Der Junge wird eines Tages durch die Decke gehen“ ?

Roland: Ich war immer noch sehr von der „The Dark Ride“ inspiriert. Zur damaligen Zeit gab es immer noch sehr viele Promo-CDs, von denen man uns täglich stapelweise brachte. Uli und ich hörten sie auf Tour aus Langeweile immer durch. Drei Monate bevor wir HELLOWEEN verlassen hatten, bekamen wir so übrigens ein Album von ARK in die Finger. So hielten wir uns den Namen Jorn im Hinterkopf, obwohl wir ihn noch nicht als Sänger eingeplant hatten. Eine weitere dieser Promo-CDs war von KILL II THIS. Ich dachte mir einfach nur „Alter, was ist das denn für eine tolle Produktion?“ Speziell die Gitarren haben mir gefallen. Eins der letzten Festivals, welches wir damals gespielt hatten, war in England. KREATOR spielten dort und dieser langhaarige Typ sprach mit Mille. Ich ging auf ihn zu und fragte, „bist du Andy Sneap?“ er so: „Ja.“ Ich: „Are you cheap?“ Das fand er damals so witzig, dass er es sich bis heute im Kopf behalten hat. Wir hatten unsere Nummern ausgetauscht und ihm gesagt, dass wir eventuell ein neues Projekt haben. Nachdem wir nicht mehr bei HELLOWEEN waren, meldete ich mich bei ihm. Weil wir damals kein Label hatten, habe ich die Produktion finanziert und ihm gezeigt, welches Equipment mir zur Verfügung stand. Er war direkt begeistert und kam im Oktober. Im November waren dann schon Drums, Rhytmusgitarren und der Bass fertig. Im Dezember haben wir Jorn eingeflogen, welchen wir in der Zwischenzeit schon kontaktiert hatten. Zuvor haben wir eine ganze Woche gebraucht, nur um den idealen Gitarrensound auszutüfteln. Ich hatte eine Garage, die ich zum Drum-Raum umfunktionierte. Dieser hatte eine Wand, die eine Bassfalle war. Als ich den Verstärker davor stellte, klang es gut. Vorher gab es einfach zu viele Reflektionen…

Ganz penibel! Kommen wir direkt zur nächsten Frage: Ich kannte damals schon die ersten beiden Alben. Die Stimmung war gerade bei der Aeronautics extrem euphorisch. Es gab viele Titelseiten und die Presse jubelte. Alle dachten: „Jetzt gehts durch die Decke“. Warum glaubte euer damaliger Sänger, dass es bei eine gute Idee wäre zu gehen?

Roland: Beim Album war ja noch alles relativ in Ordnung. Auf der Tour auch. Eines Tages hat er dann gemeint, dass er nicht mehr so hoch singen möchte. Er hatte zu der Zeit einen Umbruch in seiner Stimme. Bei den Aufnahmen fühlte er sich nach 4-5 Songs nicht so gut. Zu dem Zeitpunkt hat er noch geraucht und hatte eines Tages das Gefühl, dass er einen Herzinfarkt bekommen hatte. Ich brachte ihn an einem Samstag Mittag in ein Krankenhaus in Jenfeld. Am Wochenende ist natürlich alles chaotisch und es dauerte 6-8 Stunden, bis wir da überhaupt reinkamen. Er war richtig bleich und fühlte sich wirklich nicht gut.

Schrecklich.

Roland: Sie checkten ihn durch und meinten, dass er körperlich an seiner Grenze war und viel Ruhe bräuchte. Ich buchte ihm am nächsten Tag direkt den Rückflug nach Norwegen. Erst nach 3-4 Wochen holten wir ihn zurück, um das Album zu beenden. Zu dem Zeitpunkt machte er sich viele Gedanken und hörte mit dem Rauchen auf. Er merkte, dass es nicht gut für ihn ist, diese ganzen hohen Sachen zu schreien, die vermehrt auf unserem ersten Album vertreten waren. Wenn man da an „Back For my Life“ denkt, was ja ganz tief gesungen ist…

Sehr bluesig für eure Verhältnisse.

Roland: Ja! „Falling Sparrow“ sollte eigentlich eine Oktave höher gesungen werden. Wir sagten es Jorn und er meinte direkt „no no no.“ Die Diskussionen fingen da schon an. Er hat dachte über seine Zukunft nach: Wenn er wirklich noch 20-30 Jahre singen wollte, muss er etwas an seiner Performance ändern. Es ist sehr leicht für ihn, höhere Mitten zu schreien, doch die wirklich hohen Sachen musste er vor allem auf der Bühne seine Technik ändern. Für einen Sänger ist das blöde. Deswegen haben wir damals darüber diskutiert, dass das nächste Album noch extremer in die von ihm bevorzugte Richtung gehen müsse. Aber Uli und ich wollten nicht, dass alles zu poppig und AOR wird. Jorn ist übrigens sowieso kein Fan von Power Metal.

Er mag kein Geballer!

Roland: No. Er mag keinen Doublebass und keinen „German Power Metal“. Was komisch war, denn mit dem ersten Album sind wir super angekommen.

Andere Frage: Mike DiMeo klang auf der MK II wirklich super. Warum hat es mit ihm nicht geklappt?

Roland: Mit Mike habe ich im Studio wirklich super gearbeitet. Ich schickte ihm im Vorfeld ein paar Ideen, zu denen er etwas beisteuern durfte. Als er mir die Songs zeigte, fand ich sie viel zu bluesartig. Wir arbeiteten dennoch wirklich gut zusammen und schon nach 10-14 Tagen waren wir damit fertig, Gesangslinien und Texte umzugestalten. Mein Studio war nagelneu und es war wirklich kalt darin…

Ist doch gut für die Lungen eines Sängers, oder?

Roland: Klar und es hat super funktioniert. Doch auf Tour merkte ich, dass er nicht die Art Frontmann war, die ich so gewohnt war. Andi Deris und Michael Kiske hatten immer alles im Griff. Ihn musste ich immer dazu animieren, mal eine Ansage zu machen. Wir haben ihn aus Spaß immer „das scheue Bambi“ genannt. Er wirkte immer etwas schüchtern auf der Bühne. Doch bei der letzten Show, die in Korea stattfand, war er richtig gut. Er war so klasse, dass ich ihn darauf ansprach. „Was ist denn heute los? Du singst so super und deine Bühnenpräsenz ist auch optimal.“ Er entgegnete nur, dass es die letzte Show der Tour wäre und er deswegen alles geben sollte. Ich dachte nur „Das kann nicht wahr sein.“ Doch weil Uli und Jorn weg waren und ich schlechte Dinge von der Presse gehört hatte, war ich frustriert. Ich machte ein halbes Jahr musikalisch nichts und Mike war sehr verunsichert. Wir merkten beide, dass es nicht funktioniert hat und trennten uns im Guten.

Es ist natürlich frustrierend, wenn man schlechte Presse bekommt. Ich fand viele Reaktionen auf das „PumpKings“ Album auch sehr doof. Manche betiteln es als „Coveralbum“, obwohl du der originale Künstler bist.

Roland: Oh ja, das ist ein Phänomen. Dem einem wird alles erlaubt und der andere wird gefragt, warum er HELLOWEEN covert. 

Aber es sind deine Songs.

Roland: Es gibt darauf zwei Songs, deren Text jeweils von Andi Deris und Michael Kiske geschrieben wurde. Der Rest ist von mir und wurde auch von mir alleine arrangiert, weil wir damals getrennt gearbeitet haben. Manche der Songs waren sogar von meiner früheren Band Rampage.

Darunter „The Chance“ oder?

Roland: Nein. Zum Beispiel Music, Step Out of Hell, welcher damals noch „Victims Of Rock“ hieß. Und noch einen glaube ich. Ich fand es interessant, dass GAMMA RAY immer HELLOWEEN-Titel spielten, die Kai Hansen geschrieben hat. Nur darüber hat sich keiner aufgeregt und von „Covern“ gesprochen. Wenn ich es mache, heißt es, ich mache „Coversongs“.

Diese Kritik hat auch nichts mit der Qualität des Albums zu tun. Ich fand es großartig.

Roland: Es war für mich einfach eine schöne Erfahrung, meine Babys zurück ins Körbchen zu holen. Ich finde es superschade, dass sie so tun, als wäre ich nie in der Band gewesen und versuchen mich zu ignorieren. Sie spielen die Songs von Uli und mir nicht mehr – was der hauptsächliche Grund dafür ist, dass ich es gemacht habe. Zeitgleich kamen natürlich die Pläne zur HELLOWEEN-Reunion auf. Dass ich schon zwei Jahre mit AFM über das Album gesprochen hatte, glaubt mir natürlich keiner. Man glaubte halt, dass es eine Trotzreaktion von mir gewesen war – was absoluter Quatsch ist.

Wir sprechen es gleich noch mal an. Doch noch eine Frage zur Mk II: Du bist wie ich, ein großer YNGWIE MALMSTEEN Fan. Hast du dir deswegen Mike Terrana als Schlagzeuger für das Album ausgesucht?

Roland: Mike und ich sind eh Freunde. Diesen Gedanken hatte ich bei meinem zweiten Solo-Album „Kaleidoscope“, weswegen er darauf trommelt. Ich fragte Mike, worauf er entgegnete, dass er eh bald nach Europa kommen würde, da er ein Mädel aus Holland kennengelernt hatte. Kurz darauf hatte ich ihn an AXEL RUDI PELL und GAMMA RAY weiterempfohlen. Dann gab es noch RAGE… Insgesamt habe ich ihm zu drei Bands verholfen. Er hatte viel mehr Arbeit als in Amerika, weswegen er sich hier sauwohl fühlte. Nach dem Ausstieg von Uli fragte ich ihn, ob er uns aushelfen könnte. Er meinte nur „Ich steige aber fest bei euch ein.“

Ist das nicht ein voller Terminkalender? Ich sehe ja an seinen Credits wie viel er macht. Wie kann er dann noch sagen, „ich steige bei euch ein“. Wie hat das funktioniert?

Roland: Es war chaotisch. Weil immer eine Band ihn gebucht hat, hatte er relativ wenig Zeit. Ich sagte ihm, dass es so nicht funktioniert und wir unseren eigenen Trommler brauchen. Dann entdeckte ich den Martin Skaroupka von CRADLE OF FILTH, der hammergeil und ein klasse Typ ist. Das Problem wiederholte sich allerdings auch bei ihm, weshalb beide jeweils nur auf einem Album zu hören sind.

Du hattest es vorhin angesprochen. Hast du dir die Reunion-Sachen von HELLOWEEN angehört, oder hast du dir von Anfang an gesagt „die Kiste lasse ich zu“ ?

Roland: Ja, ich habe „Skyfall“ gehört. Und „Pumpkins United“. Ich hab ersteren aber nicht durchgehört, es war nicht so meins.

Es ist ja so, dass dein Material damals für eine gewisse Würze gesorgt hat. Du warst nie eine Kai Hansen-Kopie.

Roland: Ich glaube, Weiki hat vorausschauend agiert. Er fand meine Stage Performance gut, weil ich damals noch etwas jünger und wilder war. Ich bin mit freien Oberkörper aufgetreten und habe eine richtige Show abgezogen. Ich bin ganz naiv eingestiegen, ich kannte HELLOWEEN noch nicht einmal und habe Weiki über das „Musikfachblatt“ kennengelernt. Kennst du das noch?

Da war ich noch nicht auf der Welt.

Roland: Irgendwann hieß es „Gitarre und Bass“.

Ah, das kenne ich.

Roland: Ich telefonierte also mit Weiki und hatte ein Bild der Band vorliegen. „Wer von denen bist du überhaupt?“ Dann sagte er: „Der Hässliche.“

Wie man sieht, hat der Herr Weikath einen speziellen Humor. Wie war es für dich, einer etablierten Band beizutreten? Fühlt man sich da als Außenseiter? Musstest du da die Ellenbogen ausfahren?

Roland: Gar nicht. Ich bin eingestiegen, weil ich den Kontakt zu Weiki hatte. Im Dezember 1988 kam ich zu den Proben. Wir hatten uns danach alle in einer Kneipe unterhalten und Michi Kiske war sehr nett zu mir. Er meinte, dass ich gut gespielt hätte und auch den passenden Look hätte. Der einzige, der ein bisschen reserviert war, war Ingo. Er war der beste Freund von Kai und hat sich am meisten darüber Gedanken gemacht, wer privat oder auf Tour mit ihm abhängen kann. Da war ich nicht die optimale Person für ihn, weil ich ziemlich scheu gewesen bin – obwohl ich der Älteste war.

Sieht man auf der Bühne aber gar nichts von, dass du scheu bist…

Roland:Auf der Bühne ging das. Ich bin Privat eigentlich sehr ruhig. Außer man macht Interviews oder ist in der Kneipe mit mir. Dann quatsche ich gerne. Ansonsten bin auch gerne alleine mit meiner Frau und gehe mit dem Hund spazieren. Ich bin nicht der Typ, der in die Stadt geht und viel Party macht.

Was interessant ist, ist dieses „steh-auf- mäßige“: Die meisten wären weggewesen, nachdem sie von einer Band wie HELLOWEEN gechasst wurden. Doch du kamst direkt mit MASTERPLAN wieder und konntest die Leute begeistern. Dann hattest du da 2-3 unangenehme Situationen mit euren Sängern und hast trotzdem weitergemacht. Woher bekommt man die Power, da neu anzufangen, wo andere aufhören?

Roland: Ich denke da eigentlich nicht drüber nach. Für mich ist es keine Option aufzugeben.

Das ist geil.

Roland: Ich gebe zu, dass das heutige Musik-Business superhart ist. Ich hatte erwähnt, dass manche von uns Jobs haben. Ich im Grunde auch: Vor 15 Jahren bekam ich vermehrt Studioanfragen. Bands wollten hier bei mir gerne aufnehmen. X-CORE und DAEDALUS waren die Ersten. X-CORE waren mehr Thrash-Metal und DAEDALUS eher Prog-Rock/Metal. Ich merkte, dass man gut Geld damit verdienen konnte. Das war sehr wichtig für mich, um auch weiterhin gut von der Musik leben zu können. Denn die Pirat… Pirater… (er beginnt das korrekte Wort zu suchen)

Piraterie!

Roland: Haha, man merkt, dass ich nur noch Englisch spreche.

Verliert man ein wenig seine Deutschkenntnisse, wenn man in der Slowakei wohnt?

Roland: Nicht direkt, aber mir fehlen manchmal die Worte. Mit meiner Frau spreche etwas Englisch, was mit Fetzen aus dem Deutschen angereichert wird. Es ist im Grunde eine Fantasiesprache (lacht)

Mischmasch.

Roland: Ich fang immer mit Englisch an, nutze ein paar deutsche Worte und lachen beide oft darüber, was wir da überhaupt reden, haha

Lernst du auch Slowakisch?

Roland: Ne. Ich hatte damals sogar Probleme, Englisch zu lernen. Ich stieg bei HELLOWEEN ein und konnte kaum Englisch. Meine Aussprache war gut, weil auch Sänger bin. Ich konnte allerdings im Alltag keine Sätze bilden. Ich fühlte mich… ashamed. (lacht) Ich wollte keine Fehler machen. Michael Kiske konnte mit 21 schon super Englisch und ich war 30. Ich dachte nur: „Mein Gott, wie sehe ich aus?“ Aber es wurde immer besser. Wir hatten dann auch eine englische Crew von Sanctuary Management…

Ah, von Rod Smallwood. (Manager von IRON MAIDEN und Co.-Gründer von Sanctuary Management)

Roland: Genau. Mein persönlicher Roadie war Engländer und ich musste auch mit ihm kommunizieren. Nach drei Jahren hat es klick gemacht.

Wenn man eine andere Sprache spricht, ist man meist sehr reserviert. Aber wenn der Schalter umgelegt ist, dann fließt es.

Roland: Ich habe es versucht, slowakisch zu lernen, doch irgendwann den Faden verloren, weil mein ganzes Umfeld Englisch oder Deutsch spricht. Auch die meisten Musiker, die zu mir kommen können Englisch. Wenn ich hier einkaufen gehe, kann ich allerdings die Floskeln.

Um auf MASTERPLAN zurückzukommen: Die erste Single des „Novum Initium“ Albums hieß „Keep Your Dream Alive.“ Reflektiert dieser Text die Einstellung, das Aufgeben nicht als Option zu sehen?

Roland: Ja. Ich habe allerdings vorhin noch 2-3 Texte geschrieben, die nicht ganz so optimistisch sind. In den Refrains möchte ich allerdings generell immer eine positive Message haben. Es fing schon beim ersten Album an. „Kind Hearted Light“ und „Sail On“ im besonderen. Ich wurde in einem Interview schon mal gefragt, ob wir eine „Christian Band“ sind.

Ich finde diese Kategorisierung schwachsinnig. Dave Mustaine ist ein Christ. Sind MEGADETH jetzt „Christian-Thrash-Metal“ ? Das sagt musikalisch überhaupt nichts aus.

Roland: Deswegen habe ich dem Interviewer gesagt: „Neee, wir sind einfach so. Meine Persönlichkeit ist in den Texten.“ Du hast schon recht, wenn du mich als Person siehst, die immer versucht die Situation ins Positive zu wandeln. Eigentlich bin ich auch ein guter Teamplayer, obwohl man mir oft das Gegenteil vorwirft. Irgendetwas mache ich wohl verkehrt. Es gibt immer wieder Ex-Mitglieder, die eifersüchtig reagieren und mir vorwerfen, dass ich nicht während der Interviews nicht genug über die anderen Mitglieder spreche.

Du reagierst ja nur auf meine Fragen. Es liegt also nicht an dir.

Roland: Du siehst halt, wie kompliziert es ist. Die Presse sieht dich so, die Mitglieder sehen dich anders. Du musst versuchen, die Situation im Griff zu haben, wie eine Art Lehrer. Es ist manchmal sehr anstrengend.

Das passiert wahrscheinlich, wenn man wie du in der Öffentlichkeit steht.

Roland: Ja, ich habe natürlich auch meinen Humor, den ich nicht abstellen kann. Wenn ich Leute treffe und einen sarkastischen Spruch mache, reagieren sie sofort mit „Oh my God“ usw.

Humor scheint nicht gut zu reisen. Er scheint immer auf die eigene Region beschränkt zu sein. Jemand, der in Deutschland lacht, ist in Schweden oder Italien vielleicht beleidigt.

Roland: Ich ging mal zu einer Dame von EMI und machte einen Witz. Ich sagte „I learned my english in your country“. Sie guckte mich an und ging weg.

Hä?

Roland: Betonung liegt auf „Cunt“

Ooohhh…

Roland: Wer hat mir diesen Witz beigebracht? Ein Englischlehrer.

Ist direkt nach hinten losgegangen, was?

Roland: Sie hat den ganzen Abend nicht mehr mit mir gesprochen.

Zurück zu MASTERPLAN: Euer letzter richtiger Release war das „PumpKings“ Album mit Re-recordings. Welcher dieser Songs liegt dir am meisten am Herzen und warum wolltest du ihn zu MASTERPLAN holen?

Roland: Das ist eine schwere Frage. Jeder dieser Songs liegt mir irgendwo am Herzen. Doch vielleicht ist „The Chance“ der ausschlaggebendste. Wir haben damals an „Pink Bubbles Go Ape“ gearbeitet und ich hatte ihn als ersten geschrieben. Ich spielte es dem Weiki vor und er war begeistert. Seine Ex war auch dabei und fand ihn auch klasse. Es war immer eine schöne Erinnerung. Ich bin stolz auf das Solo, denn ich hatte gerade begonnen, mich von YNGWIE MALMSTEEN beeinflussen zu lassen. Ich spielte damals noch nicht so viel Fender, doch da begann ich meine Malmsteen-Strat zu nutzen, die ich hier noch stehen habe. Die, die ich auch im „Kids Of The Century“ Video spiele.

Ach, die?

Roland: (Holt die Gitarre aus der Ecke)

Ist das Griffbrett dort auch ausgehöhlt?

Roland: (Neigt sie zur Seite) Ja, doch man muss sich daran gewöhnen. Für den Rest der Songs nutzte ich allerdings meine Valley Arts-Gitarre, weil ich ein großer Fan von STEVE LUKATHER bin. Ich war von den Details seiner Solos inspiriert, was man bis heute hört. Der Einfluss von Yngwie kam relativ spät dazu, dafür aber sehr intensiv.

In den 90ern hast du dein von YNGWIE MALMSTEEN beeinflusstes Soloalbum veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen?

Roland: Ich habe so viel Yngwie gehört, dass mein Songwriting zweigeteilt war. Vieles passte einfach nicht zu HELLOWEEN. Nachdem ich hörte, dass Andi Deris ein Soloalbum veröffentlicht, fragte ich unser Management, ob sie mir nicht auch einen Deal besorgen könnten. Dann legte ich los.

…Ist das auch der Grund, warum auf der „Better Than Raw“ kein von dir geschriebener Song ist?

Roland: Ja, ich bin abgedriftet, weil ich immer mehr in die Richtung Yngwie ging. Das kam bei den Jungs nicht gut an. Manche von den Songs sind dann auf der „Kaleidoscope“ gelandet. Bei der „Better Than Raw“ hatte ich trotzdem viel Input.

Solos und Arrangements?

Roland: Genau. Bei „Push“ zum Beispiel. Das Intro-Riff ist von Uli, aber das, was bei 0.18 – 0.27 kommt, spiele ich. Ich finde das Album ziemlich klasse und meine Soloparts sind auch super. Es gab auch Vorwürfe aus der Band, dass ich nicht genug Songs für das Album beigesteuert hätte. Doch es gab auch Bandmitglieder, die keine oder nur sehr wenige Songs geschrieben haben. Egal ob es jetzt Ingo oder Markus war, dessen Stücke meisten als Bonustracks benutzt wurden. Es kommt ja nicht auf die Zahl der Songs an, sondern darauf, ob man einen guten Input hat. Mein Held ULI JON ROTH hat ja auch nicht so viel geschrieben.

Haha, darauf habe ich Gus G. bereits angesprochen. Er meinte, dass ihr beide vor 20 Jahren im Bus gesessen habt und die ganze Zeit SCORPIONS gehört habt.

Roland: Genau, gerade die Phase mit ULI JON ROTH liebe ich. Es war egal, wie viele Songs er geschrieben hat, wenn er seine Solos spielte, war ich happy. Das war für mich dann die Hauptsache. So sah ich es damals auch. Ich war nicht versessen darauf, möglichst viele Songs zu haben. Ich schrieb generell meistens das, was die Band brauchte. Meisten Dinge, die etwas Neues und einen Stilbruch repräsentierten. Etwas, was das Interesse weckt und das Album runder macht.

Die Phase von „Master Of The Rings“ bis hin zu „The Dark Ride“ ist ganz klar die beste HELLOWEEN-Ära. Ohne dich und deinen damaligen Kollegen Uli, wäre dies NIEMALS so gewesen. Dennoch war das Timing schlecht. Wie schwer waren die 90er für eine richtige Metalband?

Roland: Ich kann mich an vieles nicht erinnern. Du spielst wahrscheinlich auf NIRVANA und Co. an?

Genau und auch auf Sachen wie NINE INCH NAILS.

Roland: Ich fand es damals eigentlich nicht so extrem. Doch wir merkten Ende der 90er, dass die Verkaufszahlen schlechter wurden. Japan war eigentlich der Hauptmarkt. Alle Gold- und Platinum-Alben die ich hier hängen habe, sind aus Japan. Eine weitere ist aus Korea. Die sinkenden Zahlen hatten aber nicht mit den damals modernen Musikrichtungen zu tun. Die Japaner sind sowieso nicht so auf diesen Seattle-Sound abgefahren.

Ich find es furchtbar. Ich höre lieber 10 Mal „The Time Of The Oath“ als einmal NIRVANA.

Roland: Bei dem Album habe ich an die Stilrichtung von DREAM THEATER gedacht. Ich habe nichts kopiert, doch ich wollte die Sachen ein kleines bisschen komplizierter gestalten.

Hast du deswegen den längsten Song auf dem Album?

Roland: Für mich war es unmöglich, ihn kürzer zu machen. Er war einfach zu dramatisch dafür. Die Keyboards verleihen dem Ganzen eine gewisse Mystik.

Das Cover mit diesem mysteriösen „Keeper“ soll dies reflektieren, oder?

Im übrigen ist es erstaunlich, dass meine Songs als Albumtitel bei „The Dark Ride“ und „The Time Of The Oath“ genommen wurden. Geplant war es nicht. Die Jungs merkten einfach „Wow, was ist das denn?“ Dann haben sie sich dafür entschieden und das Cover wurde anhand dessen gestaltet.

Escalation 666“ ist einer deiner markantesten Songs. Er passt hervorragend zu MASTERPLAN und Rick Altzis Stimme. Kannst du unseren Lesern noch einmal seine Entstehungsgeschichte erzählen?

Roland: (Lächelt wohlwissend) Ich bin nicht so der typische Power Metal Typ. Ich höre am liebsten die Art Power Metal, die ich selber kreiere. Ich will mein eigenes Rezept einbringen. Ich mochte nie diesen klischeehaften Stil. In der Phase, wo wir die „The Dark Ride“ gemacht hatten, habe ich das erste Mal mit tiefer gestimmten Gitarren hantiert…

Auf dem Lied ist eine Les Paul zu hören, nicht wahr?

Roland: Auf dem Album haben wir nur meine Les Paul benutzt, auch auf „If I Could Fly“. Ich mag keine siebensaitigen Gitarren, da bin ich zu alt für, deswegen wollte ich nicht damit anfangen. Roy Z meinte, dass wir die tiefen Sounds auch mit meiner Sechssaiter machen könnten. Dazu haben wir die hohe E-Saite weggelassen und die anderen nach oben versetzt. Untenrum haben wir dann eine tiefe Basssaite hinzugefügt.

Eine tiefe Basssaite?

Roland: Genau. Eine 065er. Die Gitarre habe ich auch immer so gelassen. (Er geht wieder in die Ecke und holt die Gitarre hervor)

Wow, hier wird einen echte Metal-Geschichte offeriert…

Roland: Ja, haha. Das ist auch dir Gitarre, mit der ich „Bleeding Eyes“ von MASTERPLAN spiele. Wir haben im Grunde nur diesen einen, der so tief gestimmt ist. Die Gitarre wurde in Hamburg bei Boris Dommenget gemacht, dem Gitarrenbauer der SCORPIONS. Er hatte mir die Gitarre für 3500 anstatt 5000 angeboten, weil sie hinten ein paar Kratzer hatte.

Fällt dir was auf? Alles läuft irgendwie immer auf die SCORPIONS hinaus.

Roland: Ich liebe die SCORPIONS, weil ich sie mir 16-17 zweimal gesehen habe – mit Uli Jon Roth. Ich und mein Kollege waren damals noch Kfz-Mechaniker und riesige Fans.

Auch Rudi Schenker ist der Hammer. Er ist jetzt kein Virtuose, aber was für Hits der rausballert… Meine Güte.

Roland: Mit ihm habe ich erst relativ spät den Kontakt gefunden. Ich wurde zu seiner Geburtstagsparty bei Hannover eingeladen. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben. Ich besuche ihn immer, wenn es ein Konzert in Wien oder Bratislava gibt.

Wenn ich Klaus Meine oder Rudolf Schenker treffen würde, würde ich zittern. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.

Roland: Das sind natürlich Persönlichkeiten. Vor allem, wenn sie da mit ihrem Stage Outfits stehen. Ich bin nicht nervös, doch es ist schon was anderes, als wenn ich einfach nur einen Kumpel um die Ecke treffe.

Die meisten kennen dich nur als Gitarristen und Songwriter, wissen aber nicht, dass du eine gute Gesangsstimme hast. Singst du die MASTERPLAN-Demos selber ein?

Roland: Ja. Das habe ich bei HELLOWEEN schon so gemacht. Teilweise war es echt filigran und die Harmonien schon ausgearbeitet. Besonders bei „I Don’t Wanna Cry No More“. Ich habe ihn für meinen kurz vorher verstorbenen Bruder geschrieben und da schon die Chöre arrangiert. Dazu wollte ich Michael Kiske ein wenig beeindrucken. Es hat mir Spaß gemacht. Bei manchen Songs war allerdings der Chorus schwer zu singen. Also sang ich einen Teil und beispielsweise Andi Deris den anderen.

Ich hatte mir vorhin die Live Version von „Steel Tormentor“ reingezogen. Deine Backing Vocals sind da sehr stark.

Roland: Bei meinem ersten Soloalbum wollte ich die Michael Kiske-Technik probieren. Das hat aber nicht jedem gefallen. Das hat mich schon sehr zurückgeworfen. Kennst du noch Götz Kühnemund?

Klar, vom Rock Hard.

Roland: Der meinte, „das Album ist stark, doch Roland sollte nicht singen“. Bei so eine Kritik bin ich doch nicht so stark. Gesang ist eine persönliche Geschichte, es ist nicht ein Instrument im eigentlichen Sinne. Wenn jemand deine Stimme nicht mag, kannst du nichts dran ändern. Ich habe die Technik auch nicht so super beherrscht. Viele mochten es, aber es gab halt auch die Meinungen, die mich davon abgeturnt haben. Deswegen habe ich seitdem kaum noch gesungen, sondern meist nur Harmony Vocals auf der Bühne. Aber wenn ich für MASTERPLAN arbeite, singe ich alle Demos, damit Rick weiß, was gemeint ist.

Machst du dir eigentlich jetzt schon Gedanken um die Setlist für die Tour im März?

Roland: Ja. Viele Fans meinten schon, dass wir unsere Setlist ein bisschen umändern sollten. Kam mir ein bisschen komisch vor, weil schon mache Songs rein und andere rausgenommen haben. Wir werden ein paar ältere mit reinnehmen, zum Beispiel „I’m Not Afraid“, einen meiner Lieblingssongs. Den hatten wir zuletzt vor 5-7 Jahren gespielt. Vielleicht werden wir auch die kommende zweite Single spielen, einen sehr brutalen und schnellen Song. Mit der Single-Auswahl wollten wir übrigens diesmal ein bisschen was anderes machen. Du hast vorhin unsere Single „Keep Your Dream Alive“ angesprochen…

Ja.

Roland: Unsere Singles waren oft radiotaugliche Midtempo-Nummern, worauf ich damals Wert gelegt habe. Aber das Thema ist meiner Meinung nach durch, deswegen wollen wir diesmal auf die Glocke hauen. Die erste Single kommt Ende Januar und erhält ein Lyric-Video. Ich bin gerade am Mixen und habe sie gestern an den Videomacher geschickt. Es handelt sich um eine eher untypische MASTERPLAN-Nummer. Eher groovig. Die zweite Single ist allerdings eher ne „Brutalo-Nummer“ und geht richtig ab.

Rick Altzi ist wirklich der konstanteste Sänger, den ihr je hattet. Wo findet man einen Typen wie ihn?

Roland: Das war gar nicht so einfach. Wenn du mit Jorn anfängst, hast du nicht viele Chancen, dich zu steigern. Mike DiMeo kam und danach hatten wir eine Phase, in der wir lange gesucht hatten. Es gab sehr viele Talente, die dann aber beispielsweise aus Südamerika kamen. Teilweise waren es Leute, die mittlerweile für Frontiers arbeiten.

Die italienische Plattenfirma?

Roland: Genau. Die Firma, die halt die Sänger castet und ne Band drumrum baut. Ich habe einige gefunden, aber es hätte im Endeffekt nicht gepasst. Irgendwann bekam ich eine Mail von Rick. Wir hatten 1-2 Jahre Kontakt, doch er war damals noch relativ neu unterwegs. Die Stimme war definitiv da, doch irgendwas fehlte mir noch. Doch als ich dann nach dem zweiten Jahr einen Song von AT VANCE gehört hattee, war ich begeistert. „Mensch, der klingt ja richtig geil. Dem gebe ich eine Chance.“ Ich schickte ihm einen Song, um ihn zu testen. Ich habe nämlich einen, den ich als Test für alle potenziellen Sänger verschicke. Er war der Beste von ungefähr 15 Sängern, die ich getestet habe.

Kann man sagen, dass er das gut findet, was euer erster Sänger nicht mag? Dieses brutale?

Roland: Nein, was Jorn weglassen wollte, war die cleane hohe Stimme.

Dieser „Kiske-Style“ hauptsächlich?

Roland: Wenn Jorn hoch sang, klang das wie KANSAS. Er kann das, macht es aber nicht mehr.

Beeinflusst dich deine Arbeit mit anderen Künstlern in deinem Studio?

Roland: Zuletzt habe ich an der aktuellen LORDS OF BLACK gearbeitet. Ronnie Romero ist jetzt natürlich in aller Munde. Ich hatte das aktuelle Album gemixt, was zum Zeitpunkt des Gesprächs noch gar nicht draußen ist. Doch die eigene Identität ändert sich ja nicht nur weil man älter wird und andere Bands produziert. Die meisten Bands habe ich ja eh nur aufgenommen oder gemixt und gemastert. Manche wollten keinen Einfluss bei der Produktion haben – andere schon. Da wird man gefragt, ob ich denke, dass diese oder jene Idee oder Melodie gut ist oder nicht. Doch die Arbeit als Produzent ist manchmal ehrlich gesagt nicht so kreativ.

Viele vergleichen den Job allerdings mit dem, eines Filmregisseurs, der alles kreativ leitet.

Roland: Dafür zahlen die Leute eigentlich auch. So war es auch auf der „The Dark Ride“ mit Roy Z. Sein Einfluss war sehr groß. Er hat wirklich Ideen gehabt. „Nimm doch mal diese oder jene Gitarre.“ Er brachte ständig Dinge ein, die ich dann auch umgesetzt habe. Bei ihm war es wirklich ein kreativer Prozess. Er hat nicht einfach nur auf „Aufnahme“ gedrückt und fertig.

Wenn man einen schönen Mix oder ein tolles Mastering von dir will, wie kontaktiert man dich dann am besten?

Roland: Die meisten kontaktieren mich auf der normalen Roland Grapow-Page auf Facebook, oder der Grapow Studio-Page. Meine Mailadresse ist auch kein Geheimnis, die findet man auf https://masterplan-theband.com/ .

Wie ist es dir überhaupt gelungen, das momentane Line-Up so stabil zu halten? Angesichts eurer Geschichte ist das eine echte Leistung.

Roland: Ich bin kein Diktator. Ich lasse den Jungs ihre Freiheit. Wir sind ein lockerer Haufen, der gerne zusammen abhängt. Wenn Rick mit einem Elvis-Shirt auf die Bühne gehen will, sage ich ihm natürlich auch, dass er ein schwarzes anziehen soll (lacht) Ansonsten haben wir einfach nur unseren Spaß. Es fühlt sich an wie eine Klassenfahrt. Es ist kein Job für uns. Wenn wir uns nicht mögen würden, würde es uns keinen Spaß machen. Ich habe ein Line-Up, auf das ich sehr stolz bin. Gerade Kevin ist so easy going Typ der nicht nur superklasse spielt, sondern mit dem man sich auch gut unterhalten kann. Zudem sind Axel und ich schon so lange zusammen, dass wir Family sind.

Die nächste Frage ist ein bisschen spezifisch: Kannst du etwas zu der Entstehung von „Through Your Eyes“ von dem „Novum Initium“ Album sagen? Der Song hat so schöne majestätische Melodiebögen.

Roland: Balldeske Songs sind immer etwas Spezielles. Wenn es gute Melodien gibt, finde ich Balladen toll. Ich bin kein Typ, der hundert Stimmen verwendet, um eine langweilige Melodie aufzupumpen. Ich lege Wert darauf, dass es auch einfach funktioniert – obwohl wir schon viele Orchestrierungen haben.

Hast du die Karriere von FIREWIND eigentlich verfolgt?

Roland: Ich kenne jetzt nicht jeden Song oder jedes Album. Immer wenn etwas auf YouTube gab, habe ich es mir angehört. Ich kenne den Gus durch die Tour damals und er ist ein netter Kerl. Ich habe auch geschaut, was er bei OZZY OSBOURNE gemacht hat. Ich finde auch, dass der Stil von FIREWIND eh nicht so weit weg von MASTERPLAN ist.

Die Frage ist ein bisschen frech, doch kannst du uns etwas über das neue Album verraten und wann es vielleicht rauskommen könnte?

Roland: Das ist schwierig. Wir haben jetzt drei Songs in der Mache, doch das gesamte Album ist bereits geschrieben. Die Aufnahmen sind fertig und nur die Gesänge und manche Texte fehlen. Ich hoffe, dass wir bis zur Tour ein Release-Date haben. Das ist auch für AFM relativ wichtig, weil so ein Release halt seine Zeit dauert. In der Zwischenzeit werden wir viele Singles und Videos rausbringen.

Ist der Januar-Release der Single strategisch zu verstehen?

Roland: Ich hab gedacht, dass es blöde wäre, auf Tour zu gehen, ohne irgendetwas Neues zu haben. Dann habe ich mit AFM drüber gesprochen, das wir 3-4 Singles vor Release machen. Wir haben 14 Songs, von denen wir 10 auf das reguläre Album packen werden. Ich hoffe, dass wir es zum Sommer draußen haben.

Es ist bei den meisten Bands so, dass die Abstände zwischen Releases immer größer werden. Ist das eine Beobachtung, die du so teilen kannst?

Roland: (Wie aus der Pistole geschossen) Ja! Wenn du meine Lieblingsbands anschaust, stimmt es einfach. GRAND FUNK RAILROAD haben Ende der 60er/Anfang der 70er angefangen und zwei Alben pro Jahr herausgebracht. Frühere Bands releasten ein Album im Frühjahr, gingen auf Tour und nahmen im Herbst direkt das nächste auf. So hatten manche Künstler in 5 Jahren 10 Alben. Heute braucht es 6-8 Monate ein Album zu releasen, egal ob es schon fertig aufgenommen ist.

Als Produzent musst du es wissen: Begünstigt die neue Technologie nicht, dass man als Künstler öfter und ständig veröffentlicht?

Roland: Theoretisch ja. Wir haben eine lange Pause nach „Novum Initium“ gemacht und danach „PumpKings“ veröffentlicht, was ja kein reguläres Studioalbum ist. Ich denke mal, dass wir so weiter machen. Ich habe relativ viel gutes Songmaterial übrig –vielleicht mache ich sogar ein Soloalbum, wer weiß- aber auch Rick meinte, dass wir alle paar Monate konstant einen Song rausbringen und den Namen MASTERPLAN so im Gespräch halten sollten. Darin sehe ich unsere Zukunft. Man wird also keine 5 Jahre mehr auf etwas Neues warten müssen, sondern es werden konstant Songs und Videos veröffentlicht. Die Leute kaufen heute eben anders als früher.

Es gibt nicht unwenige Musikfans, die sich nicht mit Spotify anfreunden können. Hörst du auch noch Vinyl und CD oder nur noch Spotify?

Roland: Ich habe kein Spotify. Ich kaufe immer noch CDs, aber nur die, die mich interessieren. Die neue JUDAS PRIEST werde ich mir kaufen.

Oh ja, ich auch!

Roland: Ich besuche meinen Freund Andy Sneap auch auf Tour. Es ist eine legendäre Band, mit der ich aufgewachsen bin. Ich habe sie auch 1980 zweimal in Hamburg gesehen. Mit SAXON!

Das muss doch die „British Steel“ Phase gewesen sein. Da warst du doch noch halbstark, oder?

Roland: Ne, so 23. Gerade aus dem halbstarken Alter raus. SAXON kaufe ich auch noch immer. Es muss gut produziert sein. Und bei Andy Sneap kann man sich immer darauf verlassen.

Das war es schon. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schön lang und ausführlich würde. Wenn du magst, kannst du uns noch ein schönes Closing Statement geben.

Roland: Wir kommen bald auf Tour und haben 2024 ein neues Album. Ich freue mich darauf, euch zu sehen und alles Gute!

MASTERS OF FIRE TOUR 2024

29.02.2024        GER     – Frankfurt, Das Bett
01.03.2024        GER     – Bochum, Matrix
11.03.2024        GER     – Munich, Backstage Halle
17.03.2024        GER     – Leipzig – Hellraiser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16.12.2023

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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