Massgrav
Interview mit Ola, Johan und Indy zu "A Blaze In The Northern Sky"
Interview
Aus Schweden kommt nicht nur genialer Death Metal und pechschwarzer Black Metal, sondern auch Hardcore der alten Schule macht sich immer noch und immer wieder einen Namen. Gemeint sind an dieser Stelle jedoch nicht Grind-Granaten wie NASUM oder GADGET, sondern Hardcore-Truppen wie SKITSYSTEM, DISKONTO, oder eben die ultimative Abrissbirne MASSGRAV. Grund genug, die drei verkrusteten Krachmaten Ola, Johan und Indy mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Bevor ich euch weitere Antworten aus den Fingern kitzele, erzählt doch mal bitte kurz etwas über die Entstehung von MASSGRAV und wie ihr Typen überhaupt zusammen kamt.
Johan: An einem verkaterten Sonntag irgendwann im Jahr 1996 hingen Ola und ich in Skövde ab, so ein kleines Nest im mittleren Westen von Schweden, in dem wir zu der Zeit wohnten. Uns war wie immer langweilig, und wir entschieden uns eine Band zu gründen, mit dem Ziel, so schnell zu spielen wie wir konnten. Gesagt, getan – eine Woche später hatten wir unsere erste Probe; in der Woche fanden wir auch unseren ersten Schlagzeuger, Erlando. So war MASSGRAV geboren…
Nach vielen Jahren mit beschissenen Schlagzeugern, dem Umzug nach Stockholm, dort keinen Proberaum zu haben, etc., und vielem mehr, fanden wir Indy und die Dinge kamen ins Rollen…
Wir nahmen ein Rehearsal-Tape auf, welches uns einen Vertrag mit Escorbuto Records einbrachte und veröffentlichten 2003 die EP „Hatfylld & Nerpissad“… dann hat Ken Pollution ein Exemplar davon in die Hände gekriegt, und ist fast ausgeflippt. Er machte uns ein Angebot, was wir unmöglich ausschlagen konnten und veröffentlichten 2005 unsere Debüt CD „Napalm Over Stureplan“.
Danach wollte fast jede Band der Welt mit MASSGRAV verbunden sein, und wir bekamen eine Menge toller Angebote, aber entschieden uns, mit einer unserer Lieblingsbands zusammen zu arbeiten – DISKONTO. Gemeinsam veröffentlichten wir 2006 das Meisterwerk „A Blaze In The Northern Sky“ und jetzt sind wir hier, und werden von metal.de interviewt…
Wie man eurer Hälfte der aktuellen Split-CD mit DISKONTO entnehmen kann, seid ihr ein Haufen wilder Punks, die sich einmal durch die Hölle und zurück bolzen. So eine abgefuckt geile Hardcore/Crustcore-Veröffentlichung habe ich ja schon lange nicht mehr gehört.
Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass ihr die geilsten Crust-Tracks des Jahres 2006 abgeliefert habt?
Ola: Streiche „Crust“ und ich stimme Dir vollkommen zu. Wir sind auf jeden Fall ein Haufen wilder Punks.
Johan: Yeah, wir mögen es nicht, als Crust bezeichnet zu werden. Hardcore/Fastcore/Thrash ist ein wesentlich besserer Terminus, um unsere Musik zu beschreiben.
Indy: Oder warum nicht Scandinavian Terrorcore, wie ein helles Köpfchen irgendwann geschrieben hat…
Euch dürfte sicher bekannt sein, dass die Black Metaller DARKTHRONE den Titel der Split-CD bereits viele Jahre zuvor für sich beanspruchten. War euch das Schnuppe, oder denkt ihr, dass die Stile ohnehin zu unterschiedlich sind, als dass da jemand auf dumme Gedanken kommen könnte?
Indy: Wir hatten erst vor, den Titel „The Number Of The Beast“ zu benutzen, aber dann dachten wir, es würde mehr Spaß machen, die Black-Metal-Szene zu verarschen. Wir hassen jeden gleichermaßen, niemand kommt lebend davon. Dass einige Leute durch den Titel irritiert wurden, ist genau das, was wir vor hatten… Und es passt wunderbar ins Konzept von MASSGRAV, welches „Hass und Humor“ ist.
Fenriz (DARKTHRONE) besitzt beide unserer Alben und mag sie sehr, es gibt also keine Fehde zwischen uns. DARKTHRONE sind eine meiner Lieblings-Black-Metal-Bands, und für mich ist es ein Tribut an ein Album, welchem jeder ab und zu mal huldigen sollte.
Ola: Der Titel würde besser passen, wenn wir die ursprüngliche Idee zum Cover realisiert hätten – wir wollten ein Foto vom total besoffenen TB von UNCURBED nehmen, den Engel, den wir auf dem Backsleeve auf jeder Seite benutzt haben, aber wir konnten leider kein gutes Foto finden, also mussten meine Urlaubsbilder für eine halbgare Collage herhalten.
Wie waren denn bisher die Resonanzen zu „A Blaze In The Northern Sky“ und was mich besonders interessieren würde, wie habt ihr im Gegenzug zu euren Split-Kumpels DISKONTO abgeschnitten?
Ola: Ich denke, die Leute scheinen es soweit zu mögen, ich habe bisher keine schlechten Reviews gelesen. Aus irgendeinem Grund fahren die Leute ein bisschen mehr auf unsere Seite ab, als die von DISKONTO, was komisch ist – ich finde ihre Tracks wirklich sehr, sehr gut.
Johan: Das einzig schlechte, was ich gelesen habe, war von einem Typ der meinte, wir sollten unsere Texte in Englisch drucken, damit er verstehen könne worüber wir singen. Wir sagten ihm, er kann uns mal kreuzweise, und er wird uns gewiss nicht mehr auf den Sack gehen.
Wie steht’s denn mit Bands wie SKITSYSTEM oder MARTYRDÖD, die ebenfalls äußerst hochkarätige Crustcore-Alben auf den Markt geschmissen haben… Seid ihr mit ihnen bekannt/befreundet oder fühlt ihr euch in einer anderen Liga? Wie findet ihr denn die Musik der eben genannten Bands?
Indy: Wir haben ein paar Gigs mit SKITSYSTEM gespielt und sind gut mit ihnen befreundet. Was MARTYRDÖD betrifft, kenne ich nur deren Sänger, da er ebenfalls bei SKITSYSTEM mitmischt, von daher…
Ich denke, es sind beide sehr gute Bands, aber ich glaube nicht, dass MASSGRAV auch nur annähernd ähnlich klingen. Andererseits klingen die beiden Bands sehr ähnlich.
Was die Liga angeht… SKITSYSTEM sind die wohl bestbekannte Crust-Band der Welt. Wir sind’s nicht. Aber das kümmert uns nicht… Scheiß auf die Liga, klingt ja wie Sport. Ich hasse Sport.
Ola: Wie Indy schon sagte, SKITSYSTEM sind viel berühmter und legendärer, und das nicht von ungefähr, schließlich waren sie schon von Anbeginn dabei und immer ziemlich beständig. Ich hab keine Ahnung von MARTYRDÖD, oder in welcher „Liga“ sie spielen, aber ich stimme zu, dass unsere Musik sich sehr von ihrer unterscheidet – wir sind schneller und machen viel kürzere und einfachere Songs, und wir haben nicht diesen heruntergestimmten Metalsound. Desweiteren sind wir, auch wenn Du das vielleicht nicht wissen kannst, völlig anders, was die Texte angeht.
Was denkt ihr über Begriffe wie Hardcore, Crustcore oder von mir aus auch Grindcore? Ich meine, dass eine Band nicht gern in eine Schublade gesteckt wird ist klar, aber es hilft dem Hörer oftmals, wenn er die Musik stilisiert, um etwas Greifbares, Definiertes zu haben. Besonders Musik-Journalisten sind (leider) auf Schubladen angewiesen.
Ola: Es ist offensichtlich schwer, uns einzuordnen, da die Leute unseren Kram als alles Mögliche bezeichnen. Wir werden oft als Crust bezeichnet, was ich nicht sonderlich mag – teils, weil die Crusties nicht unbedingt zu den Leuten gehören, mit denen ich was zu tun haben möchte, und teils, weil ich denke, dass wir viel schneller (und deshalb besser) als die meisten Crust-Bands sind. Manche bezeichnen uns auch als Grind, aber wir spielen äußerst selten Grind, deshalb kann ich das nicht recht verstehen. Ich meine, wir sind zwar schnell, aber das ist kein Grindcore. Ich persönlich denke, dass „Fastcore“ oder „Thrashcore“ unsere Musik am besten beschreibt (wenn Du es in einem Wort brauchst, andererseits wäre es besser zu sagen „Blistering fast, ultra-catchy, intelligent and fun hyperspeed Punk Rock“ aber das wäre ein bisschen zuviel des Guten, und keine andere Band würde in dieses Genre passen), aber diese Bezeichnungen scheinen ziemlich unbekannt zu sein.
Mir ist bekannt, dass ihr nicht sonderlich angetan seid vom ursprünglichen Hardcore aus England, und das, obwohl es durchaus etliche Parallelen in eurer Musik gibt. Woher bezieht ihr denn eure Einflüsse? Habt ihr Vorbilder, Idole, Wichsvorlagen?
Ola: Im Prinzip alles, was die Musik betrifft. Viele meiner Songs sind eigentlich nur das, was ich mir von völlig anderer Musik geklaut habe. Nur wenn ich LOS CRUDOS höre, lasse ich mich auch dazu hinreißen, ganz offensichtlich zu kopieren. Ich kann nicht sagen, dass ich viele Idole habe, die was mit MASSGRAV zu tun haben, ehrlich.
Johan: Es gibt einfach zu viele Bands, die ich mag, und die man mit MASSGRAV verbinden könnte. HELLNATION, KRIGSHOT, INFEST und YACOPSAE haben alle großen Einfluss auf mich. Aber ich bin auch sehr von Rock’n’Roll-Bands angetan, wie z. B.: ROCKET FROM THE CRYPT, NEW BOMB TURKS und SUPERSUCKERS. Wenn ich also einen Song schreibe, versuche ich immer, etwas von den beiden unterschiedlichen Punkrock-Stilen zu vereinen. RAMONES + DROPDEAD = MASSGRAV.
Ihr steht bei Sound Pollution unter Vertrag. Was erwartet, bzw. erhofft sich eine Band wie MASSGRAV von ihrem Label? Sehr viel Promotion erhaltet ihr ja leider nicht, denn auch ich bin eher durch einen Zufall auf euch gestoßen.
Ola: Wir kriegen ziemlich viel von dem, was wir uns wünschen, von Sound Pollution – sie veröffentlichen unseren Kram und wenn du willst, kannst Du es von ihnen bestellen (oder über Mordam). Das einzige Schlechte ist, ja, dass es manchmal schwer ist, in Europa was davon zu finden; es ist ein amerikanisches Label und für kleinere Label ist es ziemlich teuer, von Mordam zu bestellen. Wir haben aber noch keine Alternative, die uns besser gefallen würde. Wir sind aber bemüht, uns mehr um europäische Labels zu kümmern, und es wird hoffentlich bald eine Split mit uns und YACOPSAE auf einem deutschen Label (Regurgitated Semen) geben, was uns hoffentlich etwas bekannter macht. Was die Promotion betrifft… ich weiß nicht, gibt es Indie-Labels, die sich ausgiebige Promotion leisten können? Ken hat einige echt hässliche Poster drucken lassen, keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat, vielleicht hätte er stattdessen lieber irgendwo inseriert, naja… Wir versuchen, gute Musik rauszubringen und gute Shows zu spielen, lass das unsere Promotion sein.
Habt ihr einen vernünftigen Proberaum, oder ist das eher ’ne ausrangierte Kifferhöhle, die ihr euch mit 50 anderen versifften Bands teilen müsst?
Ola: Wir teilen uns den Raum mit nur einer anderen Band, aber das Problem (abgesehen von der teuren Miete) ist, dass es sich um Christen handelt, was uns dazu gezwungen hat, überall umgedrehte Kreuze auf unsere Amps zu malen, um sie zu ärgern. Der Raum ist in Ordnung, und unsere Ausrüstung verbessert sich stetig – wir haben einen langen Weg hinter uns, begonnen mit der Miefhöhle, in der wir damals anfingen zu proben. Unser ehemaliger Schlagzeuger hat dort gewohnt, und hatte ziemlich viele Probleme… „Kifferhöhle“ trifft es in der Tat. Wir haben dort unser „Total Jävla Masslakt“ Demo aufgenommen.
Ihr geht allen regulären Jobs nach, soweit ich mich erinnere, da scheint es mit Live-Aktivitäten nicht so einfach bestellt zu sein. Wann bekommen wir mal die Chance, eure musikalische Zerstörungswut in Deutschland genießen zu können?
Ihr wärt der ideale Opener für NAPALM DEATH auf deren mittlerweile beendeten Tour gewesen…
Ola: Nun ja, wir waren ein Mal in Deutschland. Wir haben dieses Yellow Dog Fest in irgendeiner ausgebombten Farm in Ostdeutschland gespielt – war richtig spassig. Ich fänd’s toll, ’nen Döner zu essen, also… jederzeit! Und so sieht’s aus: Wir arrangieren unsere Gigs nie selbst, sondern spielen nur, wenn wir von den Leuten danach gefragt werden, somit wissen wir nie im Voraus, was wir in der Zukunft machen werden. Aber wie Du schon sagtest, touren wir nicht wirklich, wir bevorzugen es eher für ein paar Shows zu kommen, und dann wieder zurück zu fliegen – Billigflieger machen’s möglich, scheiß auf die Umwelt!
Johan: Natürlich werden wir in Zukunft in Deutschland spielen, am liebsten würde ich das mit YACOPSAE tun.
Mögt ihr CARCASS? Da steht eventuell im kommenden Sommer eine (Teilzeit-?) Reunion an. Gut, nicht gut oder vollkommen egal?
Indy: Ich vergöttere CARCASS absolut!! Die ersten beiden Alben waren der hellste Wahnsinn, hör Dir nur „Reek Of Putrefaction“ bei voller Lautstärke an und sing mit, hehe… Pure Magie und total bahnbrechender Stoff (zu der Zeit, als es herauskam). „Symphonies Of Sickness“ ist eins meiner Lieblingsalben, hat extrem geile Songs! Das „Necrotism“-Album ist auch cool, für meinen Geschmack aber zu aufpoliert und gutklingend… „Heartwork“ ist eigentlich nicht CARCASS, wenn Du mich fragst, aber dennoch ein tolles Album mit wirklich hasserfüllten Texten, guten Songs (aber viel zu viele Gitarrensoli!) und coolem Gesang. Den Scheiß, den sie danach verzapft haben, kannst Du abhaken.
Reunions… wozu zum Geier sollen die gut sein? Aber hey, einige der besten Gigs, bei denen ich war, waren solche Reunion-Gigs… z. B. ROLLINS, der alten Black Flag Kram vor drei Jahren gezockt hat, POISON IDEA vor zwei Jahren, und so weiter. Ich glaube, das mit CARCASS wird ’nen Rohrkrepierer, aber ich werde dennoch ganz vorne dabei sein… die alten CARCASS sind Götter für mich.
Ola: Absolut nicht mein Fall, ist mir scheißegal, ob sie tot sind, oder sich wieder zusammenrotten.
Johan: Ich stehe auf gute Gitarrensoli, deshalb mag ich sowohl „Necrotism“ als auch „Heartwork“. Der alte Kram ist auch ziemlich geil, aber trotzdem sind CARCASS nicht das Größte für mich.
Ich möchte an dieser Stelle ein kleines Spielchen wagen und ein Thema oder einen Begriff vorlegen, zu dem ihr mir etwas sagt, ok?
Here we go…
NAPALM DEATH:
Indy: Scum!!!
Ola: Wir haben ein NAPALM DEATH Cover aufgenommen und ich hab vorher das Original nicht gehört, und danach war es einfach nur zum KOTZEN!
Johan: Suffer the Children!
Black Metal:
Indy: Pinguine!
Johan: A blaze in the northern sky
Ola: Tolle Unterhaltungsquelle
Politik:
Indy: Swastika!
Ola: Lügen!
Johan: Langweilig!
Das Sozialsystem in Schweden:
Indy: Glatzköpfige Idioten, die mich unterdrücken wollen..
Ola: Eine bröckelnde Ruine einer einst großartigen Festung
Johan: Scheiß drauf.
Deutsches Bier (schreibt jetzt bloß nix falsches):
Indy: Kotz-Alpträume…
Ola: Übelster Scheiß. Ach ne, Hasseröder kann man gut trinken!
Johan: Deutsches Bier? Hab ich ja noch nie gehört… klingt komisch. Bier = Budweiser
Frau und Kind:
Indy: Ola.
Ola: Hell Yeah!
Johan: Ola.
Ihr sägt reihenweise Schädel ab, und das nicht nur auf der aktuellen Split, sondern bereits geschehen mit eurem letzten, kompletten Album „Napalm Over Stureplan“. Was können wir als Nächstes erwarten?
Ola: In ein paar Monaten kommt eine neue Vinyl-EP – extrem limitiertes Zeug, also ran an die Buletten! Und dann hoffentlich eine Split mit RUIDOSA IMMUNDICIA irgendwann nächstes Jahr, wofür wir schon was aufgenommen haben, und dann schreiben wir zur Zeit auch an neuem Material, ohne wirklich Ahnung zu haben, was als nächstes kommen wird. Es scheint, dass wir es etwas langsamer angehen müssen, ich werd wahrscheinlich diese bescheuerten elektronischen Handschellen verpasst bekommen, und damit kann man sich nicht grad frei bewegen.
Ich erlöse euch nun. Vielen Dank für das geduldige Beantworten meiner Fragen und ich drücke die Daumen, dass ihr euch einen Teil der Szene erobert!
Die letzten Worte gehören MASSGRAV!
„Fuck off and die in fire!!!“ (zitiert von Pollution)
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