Martin Kesici
Interview mit dem Sat1-Star-Search-Gewinner 2003
Interview
Vom Metaller zum Pop-Casting Gewinner – und wieder zurück? Verräter oder verlorener Sohn? Konsequent oder unglaubwürdig? Ausverkauf oder Aufrichtigkeit? Sitzt der Star Search Gewinner zwischen den Stühlen oder fest im Sattel? „Die Geister, die ich rief“, von Martin Kesici.
David: Von Sat 1 über MTV zum Metalmagazin metal.de. Was ist in letzter Zeit passiert?
Viel…viel Kampf. Ich kämpfe dafür, dass die Leute merken, dass ich doch nur der Rockmusiker bin, was ich am Anfang nicht zeigen konnte, weil ich in diesem Sog drin war. Ich war viel live unterwegs, denn ich glaube, dass man nur live die Leute überzeugen kann. Das Album ist der nächste Schritt, ein sehr guter meiner Meinung nach in die richtige Richtung, in meine einzige Richtung, die für mich logischerweise die Beste ist. Für andere vielleicht nicht, aber für die meisten Leute, die mich kennen und die Sachen von mir erwarten, ist es der richtige Schritt.
David: Du hast vor deiner Medienpräsenz in einer eigenen Band gespielt…
Das mach ich immer noch.
David: Was habt ihr da für Mucke gemacht?
Hehe, also wenn ich mal ganz weit ausholen soll: Ich habe angefangen mit Death Metal, als die ersten DEATH Scheiben rauskamen, „Leprosy“ und „Scream Bloody Gore“. Das waren die ersten Gehversuche an der Gitarre. Man wird flexibler, wenn man älter wird. Also ging es weiter mit normalem Metal. Da bin ich auf der Pantera, Sepultura/Soulfly Schiene hängen geblieben. Dann hab ich nebenbei mit Swing angefangen und bin an Soundgarden hängen geblieben. Chris Cornell war mein Vorbild in Sachen Schreien.
Mit den Jungs [seiner Band, Anm. d. Verf.] treffe ich mich, wenn ich kann alle eins, zwei Wochen. Wenn du mit so einer Band acht Jahre zusammen spielst, es über diesen klassischen Weg probiert hast mit Demos verschicken, in Kneipen vor zehn Leuten spielen, die auch noch alle besoffen am Tresen hingen, dann bin ich es auf jeden Fall den Jungs und mir schuldig zumindest – ich weiß nicht, ob es dieses Jahr klappt – eine EP zu machen. Da werden sich dann einige erschrecken – ihr nicht, haha. Auf dem Album hört man schon eine Bandbreite meiner Stimme. Aber da fehlt noch eine Bandbreite und das ist die extreme Hardcore Bandbreite, haha.
David: Was hörst du denn für Bands in der härteren Schiene?
Ich finde die letzte DAMAGEPLAN nicht schlecht. Es ist schade, dass Dimebag erschossen wurde – irgendwie krass. Im Moment höre ich auch die letzte EXODUS. Die hab ich auch gerade nebenbei laufen. Das war so eine favorite Band. Die neue KREATOR ist geil. Das schwankt. Im Moment höre ich doch ziemlich hart. Das ist für mich der Abreagierer, wenn ich unterwegs bin. Und sonst kann es auch passieren, dass ich THE PRODIGY höre, so was aus dem elektronischen Bereich oder Industrial Metal. Und ansonsten alles, was gerade „in“ ist. Auch die neue Anthrax hab ich bei mir im Auto.
David: Als Gecasteter liegt es nahe, dass man schnell zum Spielball der Sender und Plattenfirma wird. Hast du dich jemals ausgenutzt gefühlt?
Auf jeden Fall. Ich habe das Glück, dass ich älter bin. Ich bin kein 18jähriger, der vom Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Es gibt immer Leute, die versucht haben mich hierhin oder dahin zu schieben – nicht so direkt, wie bei anderen, weil ich schon eine große Schnauze habe. Aber die will ich mir auch bewahren. Ausgenutzt fühlt man sich schon, weil man sich nicht immer verwirklichen konnte, was ich aber auf dem neuen Album machen konnte, zum Glück. Sonst hätte ich da auch keinen Bock mehr drauf gehabt. Wenn du deine Musik nicht repräsentieren kannst, die du machen willst, dann fühlst du dich letztendlich nicht glücklich. Mein Anliegen ist es, wieder ein wenig Dampf zu machen und die Leute zu überzeugen. Das Lustige ist natürlich, dass viele Leute mich nur von „Angel“ [of Berlin, Anm. d. Verf.] kennen. Die kommen dann auf ein Konzert und erschrecken sich, weil da so harte Musik gemacht wird. Es ist für mich auch eigentlich ein Kompliment, wenn sie dann gehen. Dann weiß ich Bescheid, dass es nicht deren Musik ist (lacht). Dann müssen sie auch nicht zuhören. Ich kann ja nicht jeden bedienen. Ich bin doch keine Pop-Schlampe, haha.
David: Wie sieht denn deine Zielgruppe aus? Was stehen für Leute in deinem Publikum?
Ich bin echt erstaunt, dass ich noch so eine breite Masse erreiche. Auf den letzten Konzerten waren so 15-60jährige, die sogar bei den härteren Sachen nicht weggingen. Ich weiß nicht, ob die Leute dann auf verschiede Titel warten. Aber der O-Ton, den ich meistens so kriege, ist, dass ich auf der Bühne so bin wie ich bin. Ich versuche das Publikum – wie es sein muss – mit einzubeziehen in die Konzerte. Viele Bands gehen drauf, spielen ihren Sülz runter und hauen dann wieder ab. Das ist nicht Sinn der Sache. Die Eintrittspreise sind hoch genug heutzutage, Hartz IV, toller Staat, alle wollen Kohle haben (lacht). Ich bin gespannt, was dieses Jahr passiert. Mit diesem Album wird sich noch mal die Spreu vom Weizen trennen.
David: Wann war dir klar, dass dein Stern trotz großer Medienunterstützung nicht so hell leuchten wird, wie die Aufmachung des Sendekonzeptes damals intendiert hat?
Das war mir in dem Moment klar, als ich gewonnen hatte. Das lustige war, dass ich im Finale noch zu meinem…hier, zu dem Thomas, der auch im Finale war, dem Dicken, gesagt habe: Ey, gewinn das Ding bitte. Es war die ganze Zeit nur Spaß für mich. Doch, als ich den Vertag und alles gesehen habe, wurde mir bewusst: Muss ich mich verbiegen oder nicht? Es war ein schmaler Grat. Die Metalfan- oder Rockfangemeinde ist natürlich nachtragend. Da kommen viele und sagen: Hey, du bist doch ein Verräter und warum machst du so einen scheiß? Andererseits sag ich dann: Jungs, lasst mich doch. Ich bin der Erste, der es mal wieder schaffen kann den Rock und Metal wieder ein bisschen präsent zu machen – auch wenn es ein oder zwei Jahre dauert. Aber ich nehme alles mit. Ich werde euch schon nicht enttäuschen. Ich habe keine Verträge mehr mit Sat 1. Da pass ich eh nicht mehr ins Konzept. Meine jetzigen Verträge sind normale Künstler- und Managementverträge. Ich habe zwar noch Freunde bei Sat 1, aber die unterstützen mich auch nicht mehr so – ist aber auch ganz gut so für mich. Es war schon immer ein Bombardement von Meinungen, welches ich über mich hab ergehen lassen müssen. Damit ist aber Schluss. Und das neue Album ist der richtige Fingerzeig.
David: Sprechen wir doch mal über dein neues Album „so what…!?“…
„So what“ sagt es ja schon!
David: Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?
Ich bin eigentlich damit zufrieden. Ich habe den größten Teil mitgeschrieben. Das ist das wichtigste. Man ist als Musiker immer stolz, wenn man ein Album hat, bei dem man selbst mitgeschrieben hat. Es ist natürlich nur ein Schritt. Ich habe vor, dass das nächste Album… also ich konnte überall mitwirken. Wir haben auch drauf geachtet, dass der Sound fett ist und ein bisschen international klingt und sich ein wenig abhebt von den anderen Casting-Show Fuzzies, die da noch rausgekommen sind – so Nu Pagadi-Scheiße. Ich bin stolz drauf, ich stehe hinter dem Album. Ich glaube, sonst hätte ich da nicht mitgemacht. Wichtig ist, dass da schon mal – wie gesagt – eine Stimmbreite meiner Stimme vorhanden ist. Vor allem live kommt das ganze noch mal härter rüber.
David: Ich konnte mir das Album auch schon anhören. Ich würde sagen, es ist eine solide Rockscheibe…
…ja, ich habe nie gesagt, dass es Metal ist. Ich habe immer gesagt, dass es Rock ist. Metal kann man noch nicht erwarten.
David: Doch die Platte ist mir insgesamt zu glatt, ohne Ecken und Kanten…
Ich weiß, was du meinst: Hier könnte die Gitarre noch kommen, aber dann kommt sie nicht mehr…
David: Ja, aber auch einfach mal etwas Unkonventionelles, aus dir herausschreien…
Die Schreie sind da, wurden aber heruntergeregelt. Die Leute hier haben sich selbst erschrocken. Wenn du so etwas gewinnst, dann rechnen die Leute nicht damit, dass so ein Chris Cornell Schreier oder so ein Shouter, wie ich mich selbst auch genannt habe, dabei herauskommt. Aber, wie gesagt, der Schritt ist richtig. Wenn du das mit dem ersten Album vergleichst, wo ich absolut keinen Einfluss drauf hatte, außer, dass ich mir die Songs aussuchen konnte, ist es schon der richtige Riesenschritt.
David: Musst du Kompromisse eingehen was deine Musik angeht?
Auf diesem Album eigentlich nicht so. Weißt du, ich kann nicht sofort zu Metal wechseln. Ich bin einfach Rockmusiker, und mach auch Metal. Es gibt ja mittlerweile tausende von Sparten, das wisst ihr ja selber. Jeder steckt uns in eine andere Schublade. Was den Metal angeht, habe ich noch diverse Projekte. Ich möchte dieses oder nächstes Jahr ein Album releasen, das richtig hardcore ist – wo ich den ganzen Stress, den ganzen Shit, den ich erlebt habe hineinpacke. Aber unter meinem Namen werde ich auf jeden Fall bei Rock bleiben. Ziel ist es, dass das dritte Album, wie du sagst, noch mehr Ecken und Kanten hat und vielleicht nicht so megaproduziert ist, aber doch einen fetten Sound hat.
David: Siehst du ein gewisses musikalisches Identitätsproblem nach außen hin?
Eigentlich nicht. Ich sehe mich als extrem flexibler Rockmusiker. Die Metaller sagen dann: „Du bist doch Metaller!“ Nein, ich bin Rockmusiker. Und vom Rock kommt der Metal, Hardcore, Speed-, Death-, Thrash Metal, was auch immer. Ich mach hauptsächlich kein Metal, will aber auf jeden Fall noch Metal nebenbei machen. Aber ein Identitätsproblem habe ich mit dem Album nicht. Mit dem ersten hatte ich eins. Definitiv. Wenn mich jemand fragt: „Gibst du eins raus?“, dann sage ich: Nee, hab keins mehr. Weißt du, ich bin einfach nur stolz, dass so ein Typ wie ich überhaupt mal die Chance hat da oben reinzukommen. Euch kann ich das ja mal erzählen. Bei den anderen erzähl ich das natürlich nicht, denn die kriegen immer die Krise. Das Gute ist, dass die Plattenfirma komischerweise hinter mir steht. Ich habe gedacht, die machen den ganzen scheiß nicht mit, dass ich wieder zum Rock, Metal, Hardrock will. Aber die finden das wohl selber ganz gut. Die Gefahr besteht natürlich, dass ich nicht soviel verkaufe. Da haben wir wieder diesen Kommerzaspekt, den mir viele anlasten. Aber es geht doch im Endeffekt darum, dass man verkauft, ob jetzt bei Nuclear Blast oder Universal, da scheiß doch drauf. Mir geht es darum, dass ich vom Hobby, meiner Musik, leben kann. Millionär wirst du eh nicht mehr. Wenn du dir die Charts anguckst, ist da „Schnappi“ auf Nr. 1 mit 500.000. Es ist unglaublich. Da kannste doch nicht stolz drauf sein mit der Musik. Bei „Leaving You For Me“ mit Tarja bin ich schon froh, dass es im oberen Drittel der Charts einsteigt.
David: Für deine erste Single Auskopplung „Leaving you for me“ hast du dir ja, wie erwähnt, Nightwish Sängerin Tarja Turunen mit aufs Boot geholt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und wieso hast du dich für dieses Lied als Repräsentant für das Album entschieden?
Ich habe das gar nicht direkt entschieden. Das wurde schon entschieden, bevor das Album fertig war. Ich habe den Song in Schweden mit drei anderen Leuten bei einer Session, beim Bierabend geschrieben. Als ich die Melodien gemacht hatte, war mir aufgefallen, dass da auf jeden Fall eine Opernstimme rein muss. Ich wollte Klassik mit Rock verbinden. In Deutschland ist mir keine eingefallen, die so etwas kann, haha. Wir haben dann einfach eine Email an ihren Manager geschrieben und zum Glück kam eine positive Rückantwort. Ich bin also nach Helsinki gefahren, wo sie ihren Part eingesungen hat, aber auch mit Freiheiten, also so, wie sie es wollte. Es war keine sehr große Aktion.
Ein Duett macht man, glaube ich, nur einmal im Leben. Ich hätte auch „God Bless You“ vom Album nehmen können. Aber Tarja war schon bekannt, ich war bekannt und Duetts released man immer zuerst. Der Grund war nicht, dass sie jetzt bekannt ist und mich dadurch mitziehen könnte. Für Tarja ist es auch ein Anliegen, da sie ebenfalls Solokünstlerin ist. Sie ist bei Nightwish ja sozusagen ein Instrument. Sie ist eigentlich Opernsängerin und betont auch immer wieder in Interviews, dass sie eine Solokarriere starten will. So haben wir uns beiden geholfen – hoffe ich, haha. Sie hat ja auch ihre Weihnachtsscheibe im Dezember released. Da waren viele Metalfans enttäuscht. Sie ist zwar bei Nightwish die Frontfrau, singt aber auch Operetten. Die Freiheiten sollte man einem Musiker einfach lassen.
David: In Zeiten der Reizüberflutung, was hältst du von dem Satz: Es reicht nicht den Leuten auf die Schulter zu tippen, wenn du ihre Aufmerksamkeit willst. Du musst mit dem Vorschlaghammer draufhauen!
Das ist genau auf den Punkt gebracht. Meine Version von dem Satz ist: Du musst den Leuten heutzutage die CD in den CD-Player legen und auf „Play“ drücken. Ich bin ja in den 90ern in der Grunge-Szene groß geworden. In den 80ern bzw. 90ern hast du einfach nicht so viele Medien gehabt, die dich beeinflusst haben. Du bist in den Plattenladen gegangen, hast dir in Ruhe das Album angehört, vielleicht fandest du auch nur das Plattencover geil und hast dir das Album dann gekauft. Heutzutage schauen die Kids leider nur noch VIVA, wo kaum Rock läuft, außer auf VIVA 2 sonntags. Deshalb sind für mich auch die kleinsten Medien wichtig. Die meisten würden sagen: Mit metal.de oder mit anderen Portalen, die was weiß ich wie viele Leute haben, quatsch ich nicht – mit so kleenen. Doch ich bin der Meinung: Gerade die Leute erreichen die richtigen Menschen. Das sind die, die sich noch richtig informieren. Bei mir ist das Problem, dass die Leute mich aus dem Fernsehen kennen und dazu auch nur „Angel of Berlin“. Martin Kesici, Angel of Berlin, ach du scheiße, will ich mir gar nicht erst anhören. Da muss ich natürlich jedem, wie du gesagt hast, auf die Schulter tippen und sagen: Hör doch mal rein! Es stimmt schon, es ist ein Kampf.
David: Was ist a) die musikalische und b) die textliche Intention von „so what…!?“?
Musikalisch ist klar: Rock. Ich habe versucht ein ziemlich breites Album zu machen. Wenn du dir die Texte anschaust, dann ist da eine leichte Angepisstheit, die man raushört. Ich bin nicht der Mensch, der direkt Liebeslieder schreiben will, außer der letzte Song „Talk To The Wind“, den ich aber nicht geschrieben habe. Ich habe kein Problem damit von anderen Songwritern Songs zu übernehmen. Das macht jeder. Es ist überhaupt keine Schande. Bei mir kommt der sozialkritische Aspekt. Ich bin kein Mensch, der unbedingt wie… Queensryche ein „Operation: Mindcrime“ Album hinzaubern muss. Im meinem Album ist viel aus eigenen Erfahrungen mit drin. Bei dem Song „Dislike you“ sind schon einige Leute angesprochen, die mich ziemlich angepisst haben in der Zeit.
David: Bands wie Evanescence oder Nightwish haben einen riesigen kommerziellen Erfolg trotz oder vielleicht gerade wegen –sagen wir mal – alternativer Musik. Du warst damals der Exot unter den Popstars, mit langen Haaren, Kinnbart und Tatoos…
…oooh, das ist vielleicht beleidigend, aber ich versteh dich schon, haha.
David: Pseudo-Gothic–Rockbands wie Nu Pagadi oder Vanilla Ninja…
…oh, ah, Schmerz…
David: …springen auf diese Welle auf. Wieso, denkst du, funktioniert dieser Trend momentan?
Weiß ich nicht, aber ich denke, dieser Trend funktioniert nur bei den Jugendlichen. Evanescence waren die Ersten, dann kamen Within Temptation, Nightwish. Obwohl Gothic Rock immer schon so ein Trend war. Ich glaube, die Jugendlichen suchen sich alle 4-5 Jahre etwas, womit sie sich identifizieren können oder wo sie auch ein wenig rebellieren können. Da ist Gothic Rock dann optimal. Obwohl Gothic Rock früher etwas ganz anderes war. Das wissen wir beide. Ob das Gothic Rock ist, was Within Temptation machen, das wag ich mal zu bezweifeln. Oder so was wie Nu Pagadi ist ja nun der letzte Shit. Ich kenne zwar den Pat [ein Gruppenmitglied von Nu Pagadi, Anm. d. Verf.], er ist ein alter Kumpel. Aber die Musik ist…Das ist das beste Beispiel, dass die Medien den Trend sehen: Ja, da verkauft sich etwas. Machen wir also mal eine Band mit einer Mischung aus Oomph!, Rammstein, vielleicht ein wenig Nightwish mit einer Priese Chingis Khan, von der Optik (lacht). Und das verkauft sich komischer Weise. Aber diese Bands siehst du nach einem Jahr nicht mehr. Da sind ja auch zwei Mädels dabei, die vorher R’n’B gemacht haben und jetzt einen auf Rockbitches machen. Das funktioniert überhaupt nicht, da lach ich drüber! Als Musiker, der seit 15 Jahren Rock/Metal macht, fühlst du dich natürlich ein bisschen verarscht, irgendwie. Du kämpfst und kämpfst um jede verkaufte CD oder um jedes Konzert und die werden gepusht bis zum geht-nicht-mehr. Der Trend ist da, aber schau mal: Wir haben doch einen Vorteil bei Bands wie The Rasmus. Die elfjährigen Kids gehen mit ihren Eltern auf das Konzert und sehen mal wieder eine Band auf der Bühne statt irgendeiner Boy- oder Girlgroup. Sie sehen einfach mal Instrumente und Livemucke. Vielleicht können wir da ein bisschen ansetzen und den Kids wieder Rock’n’roll zeigen.
David: Meine nächste Frage hätte genau auf die Band Nu Pagadi gezielt…
Also, wer diese Band glaubwürdig findet, der muss einen an der Waffel haben. Wie gesagt, ich würde nie was gegen die Künstler sagen. Pat kenne ich seit drei/vier Jahren und wir haben auch öfters mal ein Bier zusammen getrunken. Wenn er sich das antut, bitte. Ich hätte das nicht gemacht. Wenn man im Fernsehen gesehen hat, wie der von diesem Tanzlehrer runtergemacht wurde, wäre mir da, glaube ich, das eine oder andere Mal die Faust ausgerutscht. So was muss man sich nicht bieten lassen. Ich glaube, da hat er sich doch etwas verkauft. Ich finde, die sehen aus wie Chingis Khan, haha. Kommt so was bei der Metalgemeinde an? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein echter Metaller oder Rockfan so etwas kauft.
David: Doch schon. Ich hab mir die Platte direkt gekauft und höre sie seitdem eigentlich jeden Tag an… NEIN!!! Natürlich nicht. Es wurde aber darüber diskutiert…
Na ja gut, über mich wurde auch viel diskutiert. Ich versuche langsam wieder den normalen Weg zu gehen. Aber diese Band hat es schwer, weil du zudem mit drei anderen Künstlern zusammenarbeiten musst, mit denen du vorher nie zusammengearbeitet hast. Ich bin zum Glück Einzelkünstler und kann für mich selber entscheiden – was die, glaube ich, nicht können. Wenn du mal Pat als Beispiel nimmst: Wenn der nächstes Jahr mal versuchen will, etwas solo zu machen, dann wird ihm das keiner abnehmen und der wird es noch schwerer haben.
David: Du musstest doch auch die Befürchtung haben, dass die Leute dich bzw. deine Musik nicht für glaubwürdig halten, oder?
Klar, am Anfang schon. Sagen wir mal so: Es gab ja zwei Lager, die Rock Fans und die normalen Popzuschauer Fans. Diese fanden das natürlich schön, hier und da, blaue Augen, alles toll. Die anderen dachten: „Was macht der denn da jetzt?“ Es war ein zweischneidiges Schwert. Ich wusste, dass du echt Geduld haben musst in dem Job. Ich wusste, dass ich in eins, zwei, drei Jahren wieder dahin gehe. Ich nutze den ganzen Misst nicht aus, sondern ich nutze alles, indem ich die Erfahrung mitnehme. Ich gehe so oder so wieder zu meiner Musik. Gut Ding will Weile haben, sag ich da immer.
David: Hast du schon mal dran gedacht dich als Solokünstler aufzugeben und unter dem Namen einer Band aufzutreten?
Ja, genau das habe ich mir auch schon gedacht. Bei Martin Kesici ist alles toll, aber da kannst du auch Alexander Klaws oder Daniel Küblböck nehmen. Die haben alle ihre Vornamen. Ziel ist es mit meinem Spitznamen EmKay, den ich schon seit 10 Jahren habe, nächstes Jahr eventuell weiterzumachen. Oder mit meiner ersten Band, Enrichment. Das weiß ich aber alles nicht. Aber ich werde auf jeden Fall den Namen irgendwann ablegen. Das bringt einfach nichts. Dieser Star Search Stempel ist immer noch drauf über Jahre und das ist einfach quatsch. Das muss ich irgendwie ablegen. Das dauert aber noch, das weiß ich selber. Da muss ich mit leben.
David: Hast du in letzter Zeit Konzerte besucht, selbst im Publikum gestanden?
Bei Nightwish in der Berliner Arena war ich logischer Weise mal kurz. Ansonsten hatte ich nicht mehr viel Zeit gehabt. Ich wollte mir Soulfly in Stuttgart letztens anschauen – auch nicht geschafft. Ich habe gesehen, dass System Of A Down… und ich habe gehört, dass Flotsam & Jetsam – alte Band von Jason Newsted – und Metal Church zusammen kommen werden. Die fand ich immer schon gut vom Gesang her und Metal Church war sowieso eine meiner Lieblingsbands. Das wird definitiv mein nächstes Konzert, wenn die kommen, ja genau!
David: Rückblickend und nach vorne schauend: War das Casting ein Fluch oder ein Segen und wie hat sich der Künstler Martin Kesici auch dadurch entwickelt und wie wird es in Zukunft weitergehen?
Es ist ein Fluch und ein Segen. Sehen wir das mal von oben: Der klassische Weg, den ich damals angefangen habe, mit den Demos und so, war eine mega Umleitung. Das hätte ein langer Weg sein können. Ich habe durch das Casting natürlich einen extremen Sprung gemacht. Der Segen ist: Ich wurde bekannt und konnte den Leuten die Musik präsentieren. Der Fluch war, dass viele den falschen Eindruck hatten und ich jetzt noch mehr kämpfen muss. Viele denken, du gewinnst so eine Show, alles ist schön und du kannst glücklich und zufrieden bis an dein Lebensende leben. Das ist aber gerade bei mir nicht der Fall, weil ich auch wieder in die andere Richtung gehe. Das Geile an der Sache ist noch, dass ich soviel Erfahrung mitgenommen habe, soviel hab hinter die Kulissen blicken können, habe so viele Menschen kennen gelernt, was man selten in dieser kurzen Zeit macht. Es ist ja gerade mal anderthalb Jahre her. Ich habe viel Erfahrung, Kontakte und vor allem Menschenkenntnis mitgenommen. Viele wollen dir ans Bein pissen – die lass ich aber nicht, haha. Im Grunde genommen ist es beides, aber ein Kampf ist es so oder so.
David: Wieso erzeugen diese Casting Bands deiner Meinung nach – trotz riesiger medialer Unterstützung – nur ein kurzes Strohfeuer in der Musiklandschaft?
Schau dir mal Bro’sis an. Nehmen wir mal Bro’sis als Beispiel: Die habe ich mal getroffen, als die eine Autogrammstunde gegeben haben. Da waren nur elfjährige Teenies. Stell dir vor, du willst als ernstzunehmender Künstler gelten und musst Autogramme und Interviews für elfjährige Teenies geben, die dich eigentlich nur gut finden, weil deine Musik bekannt ist. Da spielt deine Musik im Endeffekt nur eine zweite Rolle. Da hätte ich keinen Bock drauf. Die pubertierenden Kinder, wie wir es alle mal waren, werden älter und wechseln dann auch ihren Musikgeschmack. Deshalb sind solche Bands auf Dauer nicht glaubwürdig, nicht edgy genug. Die werden dann ausgelutscht bis aufs Letzte und die Leute sind sich solcher Bands bald überdrüssig. Deshalb bin ich auch nicht mehr so oft im Fernsehen.
David: Letzte Frage: Du bist auch bald auf Tour, aber wie ich sehe nicht in so großen Hallen…
Ja, im März. Es ist auch nur eine Klubtour. Auf der letzten Tour waren es im Durchschnitt auch so 1000 Leute – immer voll. Ich bin kein Megastar, ich würde mich auch nie Star schimpfen. Ich bin Künstler, ich bin Rockmusiker und das ist schön. Und die kleinen Locations machen immer noch mehr Spaß als die großen.
David: Da muss ich dir Recht geben. Vielen Dank für das Interview, Martin.
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