Marshall Ar.Ts
"Spread Diversity!"

Interview

Sicher eines der interessanteren Projekte der heutigen Zeit, die man im weiteren Sinne in die Sparte „Crossover“ stecken kann, dürften MARSHALL AR.TS sein. Das Berliner Kollektiv beackert das Feld mit den klassischen Grundzutaten, namentlich Rock/Metal und Rap, unterfüttert diese jedoch vor allem mit einer Mannigfaltigkeit von Samples, die den Sound definitiv in der Moderne platziert. Hier steckt massig Potential drin zum Experimentieren und zum Ergründen der Genre-Grenzen, vielleicht sogar, um diesen Sound wieder zurück ins Rampenlicht zu bringen. Wir haben uns die Jungs jedenfalls einmal schnappen und zu ihrer EP „… The Pallid Mask Is Talking …“ befragen können.

Marshall Ar.Ts

Hallo zusammen, etwas verspätet aber: Gratulation zum Release von „… The Pallid Mask Is Talking …“. Wie geht es euch?

Marshall: Hallo, danke erstmal für die Einladung und es geht uns gut, wir sind bis jetzt unbeschadet durch die Pandemie gekommen und klopfen auf Holz…

Wie haben sich die Aufnahmen gestaltet? Ihr habt sicherlich wie andere Bands auch mit Beschränkungen kämpfen müssen, aber für eine Band aus dem Untergrund ist das ja noch mal was anderes, oder?

Burn: Ja, das hatte natürlich Auswirkungen auf den Recording-Prozess. Wir haben uns dazu entschieden alle Instrumente separat aufzunehmen und haben die Mixes dann per Telko besprochen. Ich denke dass wir als Untergrundband aber auch relaxter mit der Situation umgehen konnten als kommerzielle Bands. Wir müssen halt nicht Geld einspielen…

Stammt ihr aus der Nintendocore-Szene? Oder hat das andere Gründe, dass zb. eure Bandcamp-Präsenz „Nintendoom“ heißt?

Defkis: Nein, aus der Nintendocore-Szene stammen wir nicht aber ja, das hat Gründe. „Nintendoom“ steht für unseren Musikstil, weil abgesehen von Crossover keine Genre-Bezeichnung auf unsere Musik passt. Die Zusammensetzung aus „Nintendo“ und „Doom“ stellt die musikalischen Pole dar, zwischen denen wir uns bewegen. Auf der einen Seite stehen Synths, „Chiptune“-Sounds, was auch in unserer frühen Bandgeschichte neben elektronischen Beats sehr maßgeblich war. Auf der anderen Seite stehen gedroppte High-Gain-Gitarren, Einflüsse aus dem Groove-Metal bis hin zu Sludge Doom von CROWBAR oder DOWN. Die Kombination drückt aber auch die Stimmung unserer Musik aus.

Marshall: Und ich fand das Wortspiel witzig…

Wie ist denn die Platte so generell angekommen?

Burn: Überwiegend sehr gut, Fans lieben Sie und wir haben auch viele positive Kritiken bekommen. Es gibt natürlich auch Leute, die mit dem Style nichts anfangen können aber ich denke das ist immer so, wenn man sich etwas abseits der klassischen Genres bewegt. Aber das ist völlig ok und ein geringer Preis dafür, das machen zu können, was wir wollen…

Marshall: Wir selbst sind sehr stolz auf die Platte, weil sie klingt wie wir sie uns vorgestellt haben. Wir konnten mit der EP unseren Liveklang einfangen. Das liegt natürlich vor allem daran, dass wir „…The Pallid Mask Is Talking…“ im Gegensatz zu „Dance Of The Undead“ aus 2014 in voller Bandstärke aufgenommen und die EP mit Alex an den Drums und Burn am Bass eingespielt haben.

Ist mit „The Pallid Mask“ MF DOOM gemeint?

Defkis: Nein, jetzt wo du das sagst, liegt das natürlich nahe aber die Parallele war nicht beabsichtigt. „The pallid Mask“ also die „fahle Maske“ ist meine Maske und spielt, ebenso wie der gelbe Windbreaker auf den Lovecraft/Chambers-Kosmos an. Wir sind thematisch stark vom Lovecraft-Kosmos beeinflusst und das Bild zeigt den „King in yellow“ bzw. „Hastur“ in Carcosa. Die Maske selbst ist eine Abwandlung der Maske von „Casey Jones“ aus dem TMNT-Film „Turtles“. Aber wir schätzen MF DOOM als Musiker sehr…

Wie schätzt ihr seinen Einfluss auf euren Sound ein oder generell auf moderne Musik?

Defkis: MF DOOM war ein großartiger Musiker, und ein noch größerer Lyriker. Seine Reime und Lyrics sind unvergleichbar. Auf unseren Sound hatte seine Musik keinen direkten Einfluss aber die Rapflows sind auf jeden Fall prägend für mich bei der Entwicklung unserer Reimschemata. Allgemein denke ich, dass MF DOOM verdient als einer der großen Rapper in die Geschichte eingehen wird.

Wie hat euch denn sein Tod getroffen? Oder der Tod von DMX, den ihr ja glaube ich auf dem Song „W.G.G.I.T.Y.“ gesampled habt?

Marshall: Richtig, unter anderem haben wir DMX in „W.G.G.I.T.Y.“ gesampled. Natürlich hat uns das mitgenommen, gerade weil die Nachrichten ja in so kurzer Zeit gekommen sind… Ich dachte auch immer DMX wäre unzerstörbar und würde der Ozzy Osbourne des Rap werden, gerade mit seiner Energie…

Ich verglich in meiner Rezension den Rap-Style mit den BEASTIE BOYS. Würdet ihr da mitgehen oder sehr ihr eure Vocals woanders?

Defkis: Wir sehen das auch eher anders aber natürlich haben die BEASTIES Einfluss auf unsere Musik. Ich meine die „Intergalactic World Tour“ war mein erstes Konzert als Teenager. Sie haben aber weniger auf die Vocals Einfluss aber dafür umso mehr auf unseren Bandsound aber auch für den Ansatz Musik zu machen und sich immer wieder neu zu erfinden. Einfluss auf die Vocals haben da eher GHOSTMANE, Zack de la Rocha, CYPRESS HILL oder Dennis Lyxzén aber wie erwähnt auch MF DOOM.

Sampling im Crossover ist etwas, das zumindest mir in dieser Intensität eher selten begegnet. Wie seid ihr zu diesem Sound gekommen?

Defkis: Wir lieben Sampling und nutzen die Samples als Instrument und Zitat. Ich fand es immer spannend den Ursprung von Samples und die damit verbundene Botschaft rauszufinden. Und das gibt es ja auch nicht nur bei Hip-Hop, sondern auch bei Metal-Alben wie z.B. von WHITE ZOMBIE. Ich spiele in den Lyrics eh häufig auf andere KünstlerInnen an und Samples helfen natürlich das zu verdeutlichen. Das drückt auch jeweils unseren Respekt für die gesampleten InterpretInnen aus. Sampling ist aber auch Teil des Songwritings. Teilweise jammen wir und samplen z. B. die aufgenommen Gitarren zu neuen Riffs, die wir dann einspielen. Samples sind ein elementarer Teil der Komposition und nicht einfach nur „Schnipsel“.

Man hört aber auf jeden Fall bei MARSHALL AR.TS auch klassische Crossover-Einflüsse. Ich meine aus „Mad Man Sin“ beispielsweise die ganz frühen SUCH A SURGE heraushören zu können. Wie sehr fühlt ihr euch überhaupt mit dieser Szene verbunden?

Marshall: An sich fühlen wir uns mit vielen „Szenen“ verbunden aber dieses Denken in „Szenen“ geht uns etwas ab. Es ist schon allgemein schwierig, „Crossover“ als einheitliche „Szene“ zu sehen und für uns ist das halt auch eher eine Schublade für das, was nicht in eine andere Schublade passt. Aber klar, was Neues ist immer gut und Crossover hatte da definitiv einen Einfluss auf uns.

Defkis: Die Kombination von Scratching und Heavy-Gitarren bei „Under Pressure“ war für mich beim ersten Mal hören ein „Wow“-Erlebnis. Ich meine der Song könnte so auch auf dem aktuellen RISE OF THE NORTH STAR-Album sein. Bei „Mad Man Sin“ schwingt aber auch der Einfluss von Fat Boy Slim mit. Darauf spielt auch der Titel an … Allgemein sind uns aber Kreativität und Entwicklung wichtiger als Szenezugehörigkeit. Aber sicher hat der 90er- Crossover auch was in unsere DNA eingebrannt.

Könnt ihr euch vorstellen, dass Sampling in naher (oder ferner) Zukunft richtig über die Spitze zu treiben, so in die Region eines JPEGMAFIA oder DEATH GRIPS?

Defkis: Kann es sein, dass wir gerade den Rekord geknackt haben, was die meisten Hip-Hop-Fragen die in einem Interview auf metal.de oder in einen Interview eines Metal-Zines allgemein angeht?

Marshall: DEATH GRIPS haben natürlich einen brutalen Sound und besonders „The Powers that B“ habe ich seinerzeit rauf und runter gehört. DEATH GRIPS ist wild! Das irgendwann mal etwas surreal Abgefahrenes passiert, das auf jede Regel schießt ist nicht auszuschließen. Who knows? Ob wir den Weg mit Samples gehen oder der Sound anders generiert wird, wird sich zeigen…

Wie sehen die Live-Shows von MARSHALL AR.TS aus?

Burn: Ich habe die Shows vor meinem Einstieg bei MARSHALL AR.TS ja selbst ein paar Mal erlebt. Das war schon beeindruckend, weil Marshall Ar.ts nicht einfach nur Musik spielen, sondern auch das ganze drum herum mit gestalten. Das hat seinen Anfang bei Defkis Maske, bis hin dazu, dass das die Konzerte komplett von projektzierten Videos untermalt werden und so das Publikum mit allen Sinnen auf die Reise genommen wird.

Marshall: Es gibt auch immer viel Strobo für alle und volle Power.

Alex: Checkt mal das Video zu „Black Dogs“. Genau so läuft das…

Habt ihr schon neue Auftritte geplant? Oder wartet ihr angesichts der Situation erst einmal ab?

Alex: Wir planen schon ab Herbst wieder Gigs zu spielen aber müssen halt auch schauen was die Situation zulässt. Wir haben aber richtig Bock wieder auf der Bühne zu stehen aber in Zeiten einer Pandemie halt auch nicht um jeden Preis.

Wie geht es denn jetzt generell weiter für MARSHALL AR.TS?

Defkis: Wir haben ne Menge vor. Als nächstes wollen wir natürlich wieder Gigs spielen, es wird auch mal Zeit für die Record-Release-Party von „… The Pallid Mask Is Talking …“ Ende 2021/Anfang 2022 wird mit „Carcosa Nostra“ unsere neue EP erscheinen, die definitiv anders sein wird als „… The Pallid Mask Is Talking …“ Es liegen auch noch haufenweise neue Tracks rum, also wird es da auch reichlich Output geben…

Irgendwelche, abschließenden Worte für unsere Leser?

Defkis: Wir danken dir erstmal für die richtig guten Fragen. Ansonsten checkt die EP auf nintendoom.de und wir freuen und euch bald wieder auf und vor der Bühne zu sehen. Habt euch lieb, bleibt gesund und negativ. Und um es den Worten von Bass Sick Shit zu sagen: Spread diversity!

21.07.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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