Marschland
Ich wollte genau das machen: Traurige Akustikmusik.

Interview

Du nennst viele Künstler*innen als Einfluss für MARSCHLAND, wie z. B. TOWNES VAN ZANDT, TOM WAITS, CHELSEA WOLFE oder gar JOHN LEE HOOKER und den Bluesbrothers Soundtrack… Für mich klingen die Songs zumindest auf instrumentaler Ebene aber mehr wie ein verzweifelter Gaukler im tiefschwarzen Mittelalter. Auch die Sprache der Texte scheint manchmal aus der Zeit gefallen. Wie passt das alles zusammen?

Vielleicht gar nicht? Muss es das? Ich habe ein ziemlich genaues Bild im Kopf, bevor ich etwas anfange, das kann ich manchmal, na gut oft, nicht in Worte fassen, dafür sind dann aber auch die Texte da. Ob TOWNES VAN ZANDT, durch den mir klar wurde, in welche Richtung ich gehen will, TOM WAITS, der einem das Kompromisslose verdeutlicht, der Mut von „Rain Dogs“ oder CHELSEA WOLFE, die eine unvergleichbare  Atmosphäre mit ihrer Musik erschafft. Die ganzen Blueser und ihr Lebensstil. Das ist alles irgendwo eine Geisteshaltung. Ich will nicht klingen wie Townes, den gibt es ja schon. Ich will etwas eigenes schaffen. Da bin ich mit der EP noch nicht, ganz klar. Aber mit „Cholerik“ war es genau so.

Mit Krachmucker TV trittst Du als Sympathikus in Erscheinung, der zwar beobachtet und auch mal kritisiert, aber nie unter die Gürtellinie schlägt. Die Texte im Metal-Manifest zeigen Dich als humorvollen Poeten. Auf „Traurige Trinkerlieder“ zeichnest Du eine Art persönliche Weltuntergangsstimmung. Welche der drei Charaktereigenschaften beschreiben Dich als Mensch am ehesten?

Ja alle drei. Versteh mich nicht falsch, ich will dich nicht anpampen, aber der Mensch besteht doch nicht nur aus einer Eigenschaft. Ich hab einen lächerlichen Humor, bin in der Öffentlichkeit, wenn nicht auf der Bühne, endlos unsicher, auf der Bühne kein Stück. Ich kann mir bodenlos alberne Filme angucken, bei Musik komme ich mit Humor weniger klar. Ich liebe es zu lachen, aber ich hab nun einmal einige Probleme mit meiner psychischen Gesundheit. Manchmal laufe ich gackernd durchs Haus, manchmal könnte ich mich Wochen in den kalten, nassen Keller verkriechen. Ich weiß, dass ich polarisiere. Ein Selbstdarsteller bin. Ich mache das gar nicht immer bewusst, ich war in jungen Jahren und zu Schulzeiten fast immer allein und „komisch“. Es ist für mich eher irritierend, oder zumindest schwer das Kompliment anzunehmen, dass ich einigen Menschen da draußen, also jenseits von Familie und Freunden, was bedeute – oder mein Tun ihnen was wert ist. Weil die Realität einfach immer anders war.

Die Songs erstrahlen in ihrer Einfachheit teilweise – entschuldige den Ausdruck – schräg und ungeschönt. Hängt die LoFi-Ästhetik mit Deiner (ehemaligen) Leidenschaft für den Black Metal zusammen?

Nein, ich bin nur ein lausiger Gitarrist und kann nicht singen.

Wie bis Du darauf gekommen, mit „Höllenritt“ ein altes Gaukler-Lied (bekannt unter anderen Namen von den DIE STREUNER oder SANTIANO) zu „covern“?

Ich hab mich da mehr auf das Original bezogen, die von dir genannten Bands finden bei mir nicht statt. Ich wollte unbedingt ein Seemannslied machen, hatte diese Textzeile und eine kleine Hymne für Seebären und -bärinnen draus gemacht.

Ist die EP erstmal ein Experiment um vorzufühlen, wie die Musik darauf angenommen wird? Und ist ein Full Length denkbar?

Ein Album ist in Arbeit. Experiment natürlich, das Leben lebt von Herausforderungen. Ich hätte auch immer weiter FÄULNIS machen können, oder immer weiter Videos. Aber ich wollte genau das machen: Traurige Akustikmusik.

Wie und wo ist das Coverartwork entstanden? Du bist in einer degenerierten Erscheinung mit geschulterter Akustikklampfe abgebildet.

Das Cover hat der begnadete Lars Rubarth geschossen, mit einer uralten Kamera. „Kollodium-Nassplatte“ nennt sich die Technik, ist sehr spannend. Klar, das Cover ist nochmal dezent durchs Photoshop-Colourgrading gegangen, aber das Bild selbst ist echt, in all seiner Ungeschliffenheit.

Wird es Konzerte oder gar eine MARSCHLAND-Tour geben? Wenn ja: Wie viele Songs hast Du überhaupt für diesen Anlass im Gepäck?

Ab März 2025 spiele ich live, den Auftakt werde ich wohl in Bamberg haben, aber ich will auf die Bühne mit der Musik, ja. Wie, in welchem Umfeld, das wird sich zeigen. Ich schreibe bereits an neuen Stücken, habe auch eine Handvoll fertig, vielleicht cover ich ein, zwei Lieder, mal gucken.

Wird es „Edgar The Cat“ noch andere Künstler/Veröffentlichungen geben oder dient das Label nur dem Selbstzweck?

Mal gucken, da lege ich mich nicht fest.

Ich wünsche Dir in jedem Fall alles Gute für MARSCHLAND und allen anderen Projekten, bei denen Du die Finger im Spiel hast. Die letzten Worte gehören wie immer Dir…

Um auf den Prolog zurückzukommen: Es kommt heutzutage viel zu viel raus, als Hörer ist man vollkommen überfordert, keine Frage. Es gibt keinen Grund, zu mögen, was ich mache oder, auf dein Review angespielt, sich die Mühe zu machen, einen künstlerischen Wert zu suchen. Ich habe noch nicht mal ein Gegenargument zu „dilettantisch“. Je älter, grummeliger und eigenbrödlerischer ich werde, umso mehr aus Überzeugung mache ich mein eigens Ding. Nicht, um Leute abzufucken, einfach, weil es eine Herausforderung ist, etwas aus meinem Kopf zu realisieren. 2003 habe ich ein paar Kassetten und CD-R kopiert, ich wusste, dass es dilettantisch ist. Aber ich habe immer weiter gemacht – „unbelehrbar und unbeirrt“. Aber wenn du mich schon fragst, ob es mir gut geht: Es geht mir gut, wenn ich ich selbst sein kann. Oliver, danke, das hatte für mich mit dir, deiner Kritik, sogar angenehm Substanz!

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03.11.2024

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