Mantar
"Du würdest nicht glauben, wie wenig Plan wir haben." – Hanno über "Ode To The Flame"
Interview
Es kam aus dem Nichts und hinterließ kaum mehr als ein Häufchen Asche: Im Jahr 2014 überrollten MANTAR mit ihrem Debütalbum „Death By Burning“ die gesamte Metalszene. Szene – ein Wort, mit dem Sänger und Gitarrist Hanno nicht wirklich viel anfangen kann. Was auf Platte Nummer zwei besser gelungen ist, warum Studioaufenthalte nerven und weshalb Bassspuren genauso unnötig sind wie eine lyrische Message – im Interview zu „Ode To The Flame“ lässt der bekennende DIY-Verfechter keine Punchline aus.
Deine persönliche Einschätzung: Was ist anders, was ist neu an Album Nummer zwei?
Insgesamt haben wir versucht, so wenig wie möglich zu ändern, ohne uns selber zu kopieren. Wir sind eine sehr eindimensionale Band, die mit sehr primitiven Mitteln arbeitet. Ich denke, wir haben durch die ganzen Liveaktivitäten gelernt, was wir besonders gut können und haben uns darauf konzentriert. Die Leute, die die Platte bisher gehört haben, behaupten, die Platte sei deutlich dunkler und böser geworden als das Debüt. Dem möchte ich mich anschließen. Grundsätzlich bleibt aber MANTAR genau die Band, die sie ist und war.
Du stehst bekanntlich nicht auf die Schubladisierung eures Schaffens, aber dennoch: Ist der Punk/Black/Sludge-Cocktail in deinen Augen auf „Ode To The Flame“ um neue Zutaten erweitert worden?
Wie oben erwähnt, glaube ich dass wir an manchen Enden noch mehr „Rock ’n‘ Roll“ spielen, jedoch am anderen Ende genau das wesentlich böser und schwärzer als zuvor. Alles ist wohl aber auch etwas epischer geworden. Wir sind keine klassische Metalband. Wir interessieren uns nicht allzu sehr für Metalklischees wie Blastbeats und Doublebass-Attacken. Wir sind eine einfache Band, die das tut, was sie am besten kann. Kloppen auf hohem Niveau und grooven. Viele Metalbands vergessen die Grundlagen hinter zu vielen Gimmicks. Wir haben Glück, dass wir durch unser Line-up eh stark limitiert sind und die meisten klassischen Metalsachen auch gar nicht spielen „können“. Wir lieben das Primitive. Und unsere Musik zielt auf primitive Instinkte ab.
Im damaligen metal.de-Interview zu „Death By Burning“ sagtest du: „Ich glaube die Magie von MANTAR liegt darin, einen musikalischen Moment zu zelebrieren.“ Nun habt ihr euch nach dem Release ja live in jeder Menge Gigs den Arsch abgespielt, bevor es wieder zurück ins Studio ging. Studio oder Bühne – wo funktionieren MANTAR besser?
Wir sind nicht besonders gern im Studio. Also ganz klar live. Studio ist langweilig und nervt und wir versuchen immer, so schnell wieder rauszukommen wie möglich. Deshalb versuchen wir auch, jeden Luxus und Komfort zu vermeiden. Wir haben keinen Produzenten und nehmen alles so auf, wie wir auch proben. Gleiches Equipment.
Wir sind eine Live-Band und das ist, was die Intensität und Energie von MANTAR ausmacht. Deshalb schreiben wir auch nicht zwei Jahre lang neue Songs, sondern schreiben in zwei bis drei Monaten zwölf neue Songs und nehmen sie so schnell wie möglich so rau wie möglich auf. Viele Songs entstehen erst komplett während der Aufnahme. Wir gehen ins Studio, wenn die Songs zu 80% fertig sind, um den Überraschungseffekt auf unserer Seite zu haben. Wir sind keine Band für Experimente. Wir wollen Stress und keine Kunst machen.
Wie viel Material ist denn
Für sowas hast du vielleicht Zeit, wenn du im Nightliner unterwegs bist, wenn du aber die meiste Zeit so wie wir in Schrottautos sitzt und auf Sofas pennst, hast du weder Zeit noch Bock, dich hinzusetzen und einen neuen Song zu schreiben. Nein, das Material entsteht entweder beim Jammen zu Hause oder ich bringe ein Riff mit, was mir, wenn überhaupt, morgens nach dem Aufstehen in drei Minuten einfällt.
Es hat keinen Sinn, für MANTAR groß im Vorfeld zu komponieren, denn unsere Mittel zur Umsetzung sind klar limitiert und das ist auch gut so. Sprich, der Song muss mit nur einer Gitarre und Drums zu 100 Prozent funktionieren. Und das weißt du erst, wenn du zusammen das Ding probierst.
Spielst du die Bassspuren im Studio separat ein oder nutzt du – wie auch live – nur deine Gitarre?
Es gibt keine Bassspuren. Wo kommen wir denn dahin?! Wir nehmen die Platte exakt mit dem gleichen Equipment auf, welches wir auch im Proberaum und auf der Bühne benutzen. Auch Overdubs machen wir nicht allzu viele. Uns ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass alles, was du auf der Platte hörst, zu 100 Prozent von Gitarren und Drums erzeugt wurde. Dass es fett klingt, liegt in erster Linie daran, dass wir gut als Band eingespielt sind und als Maschine perfekt funktionieren. Es gibt kein Netz und keinen doppelten Boden. Kein riesiges Budget und keinen Produzenten. DIY. All the way.
SPIEGEL ONLINE konstatierte 2014: „Mantar haben mit ‚Death By Burning‘ eines der besten deutschen Metal-Alben des Jahres veröffentlicht.“ Kannst du dir mit etwas zeitlichem Abstand erklären, warum euer Debüt verhältnismäßig so durch die Decke ging?
Nein. Nicht wirklich. Meine Erklärung wäre wohl am ehesten, dass die Leute, egal ob Journalisten oder potenzielle Fans, es erfrischend finden, wenn eine Band sich nicht wirklich dafür interessiert, Anforderungen einer bestimmten „Szene“ oder „Subkultur“ zu entsprechen. Wir waren nie daran interessiert, irgendjemanden im Speziellen ganz besonders zu gefallen und sind insgesamt musikalisch zu ungebildet, um andere Bands zu kopieren. Wir wollten einfach nur kloppen.
Und ganz bestimmt ist MANTAR nicht die originellste Band der Welt, doch ich glaube, dass wir recht authentisch sind und uns nicht anbiedern, jedoch auch niemanden ausschließen. Wir spielen einfach nur das, was wir können. Und das so gut, wie es uns eben möglich ist. Vielleicht ist es somit ein Segen, dass weder Erinc noch ich groß an neuen Bands, Platten oder Konzerten interessiert sind. Unsere Freude am Musikerdasein liegt einfach woanders. Du würdest nicht glauben, wie wenig Plan wir eigentlich haben.
2014 war es „Burn the witches, one by one“, jetzt ist es „This is Era Borealis, this is death über alles“. Wie wichtig sind euch solche catchy Hooklines, wie kommen sie zustande? Mittel zum Zweck oder natürliche Ausgeburt des Songwriting-Prozesses?
Spontane Eingebung im Studio innerhalb von 30 Sekunden. Ich kann mich nicht hinsetzen und sowas planen. Sowas passiert eben, oder eben nicht. Ich schreibe die Texte original am Tag der Aufnahme. Im Proberaum und beim Jammen für neue Ideen haben wir normalerweise nicht mal ein Mikrofon aufgebaut, da ich nur wissen muss, wie ich die Vocals phrasieren muss und Erinc kennt mich so gut, dass er es sich beim Spielen vorstellen kann. Und dass die Hooklines catchy sind, ist Zufall. Oder Talent. Ich weiß es nicht. Allerdings versuchen wir zu keinem Zeitpunkt einen „perfekten Song“ zu schreiben. Das geht nur nach hinten los, sowas.
Oben genannte Zitate sprechen eine deutliche Sprache, Songtitel wie „Cross The Cross“ tun es auch. Wie wichtig ist es für aufstrebende Bands heute noch, eine Message zu vermitteln?
Das siehst du etwas falsch. Wir haben keine Message. Unsere einzige Message ist die Kraft der Musik. Das ist der Grund, warum wir angetreten sind. Nicht um irgendwem irgendwelche Werte zu vermitteln. Das sollen andere machen. Ich interessiere mich nicht dafür, was Leute denken. Natürlich haben unsere Texte Inhalt und sind dunkel und drastisch, aber ich möchte nicht predigen. Auch nicht von der musikalischen Kraft ablenken. Hätte ich wirklich was zu sagen, würde ich andere Wege als Musik wählen. Oder zumindest andere Musik.
Und jede Band, die behauptet, ihre Texte seien ja ach so wichtig, sind zu 99 Prozent Spinner mit Profilneurosen. Entweder erzählen sie jungen Leuten wie intensiv und wichtig ihre Texte seien, um sie zu beeindrucken oder sie versuchen, erlebnisorientierten Jugendlichen ihre sogenannten „politischen Botschaften“ zu vermitteln, die eh schon so denken wie sie selbst. Gähn… Am besten auf als Konzerte getarnten Parteitagen. Bitte versteh mich nicht falsch, natürlich haben unsere Texte Inhalt und ich gebe mir Mühe damit, aber die Texte sind in erster Linie für mich. Nicht für andere. Und ganz ohne Frage gibt es Bands mit großartigen, wichtigen Texten und Botschaften. Aber wir sind das nicht. Und dass wir keine Faschoscheiße anbieten, sollte sich ja wohl von selbst verstehen. Ich möchte unsere erste Platte zitieren: „They serve one master and that is destruction.“
Unsere Review zu „Ode To The Flame“ folgt in der nächsten Woche.