Magnum
Das Monster brüllt weiter.

Interview

Die britische Pomp-Rock-Legende MAGNUM veröffentlicht noch immer im Zweijahrestakt hochwertige Alben. Auch das soeben veröffentlichte “The Monster Roars” hält den qualitativen Standard. Mit 50 Jahren Bandgeschichte und 22 Studioalben auf dem Konto, war das ein guter Grund, sich der Herausforderung zu stellen und mit Gitarrist und Chefdenker Tony Clarkin in nuscheligem Birminghamer “Brummie”-Slang am Telefon über das Album und die Bandgeschichte zu sprechen.

Dieser macht auf der Bühne häufig einen introvertierten, fast schon grimmigen Eindruck, stellt sich aber als charmant-bescheidener Musiker heraus, dem man weder seinen Legendenstatus noch sein begonnenes 76. Lebensjahr anmerkt.

“Hi, hier ist Tony von MAGNUM”, tönt es putzmunter und freundlich aus dem Hörer.

Hi Tony, ich freue mich sehr, dich zu hören. Hat dein neues Jahr soweit gut begonnen?

Ööööhm… ja, doch, sehr. Unser neues Album ist Platz 5 in den deutschen Charts, das ist großartig. Ein guter Start ins Jahr, hehe.

Deutschland war eh immer ein wichtiger Markt für euch, oder?

Ja, ein stets wichtiger und großer Markt.

Wie bei den vorigen Alben schon, habt ihr “The Monster Roars“ nach zwei Jahren Wartezeit erneut im Januar veröffentlicht. Habt ihr die Routine mit der Zeit zu schätzen gelernt oder passiert das ganz natürlich?

Es ist eigentlich, wie du sagst, ganz natürlich. Normalerweise starte ich mit den neuen Songs direkt, wenn wir von einer Tour wiederkommen. Von da weg geht es direkt ins Studio und wir entscheiden uns für eine Songreihenfolge und veröffentlichen die Platte. Ja, wir mögen es, so zu arbeiten, aber es passiert auch einfach so.

Das winterliche und leicht weihnachtliche Cover, das eine Krampus-Figur abbildet, passt zudem gut in diese Jahreszeit. Aber soweit ich im Bilde bin, hast du zuerst das Bild ausgesucht, ohne von der Krampus-Sage zu wissen. Vielleicht erzählst du uns ein bisschen was über die Verbindung aus Titel, Bild und dem gleichnamigen Song.

Nun, es war so, dass ich Kontakt mit einem Mädel namens Kelly Odell kam. Sie ist vorrangig Make-up- und Maskenkünstlerin. Ich habe mir ihre Website angeschaut und sie dann gefragt, ob sie etwas für uns machen würde. Sie hatte so etwas maskenartiges schon angefertigt und ich fragte sie, ob wir genau so etwas bekommen können und sie sagte ja.

Das Artwork stammt von Kelly Odell.

Irgendjemand hatte mich dann angerufen und gefragt, “Hast du bemerkt, dass das die Krampus-Figur ist?” Und ich dachte: “Krampus? Was für ein Krampus? Was zur Hölle ist ein Krampus?” Ich hatte noch nie davon gehört, es dann natürlich aber nachgeschlagen. Es passte dann letztendlich so gut zu dem Song! Es geht um Kinder, wenn sie ins Bett gebracht werden. Was sich in ihrem Kopf abspielt, ihre Ängste, und so weiter, weißt du. Der Krampus kommt um die unartigen Kinder zu bestrafen, also passt er zum Titel und mir gefiel diese Verbindung.

Es war also keine Entscheidung gegen Rodney Matthews (Künstler, der die meisten und legendärsten MAGNUM-Artworks designte – Anm. d. Red.), sondern eine Entscheidung für das Artwork, wie es jetzt ist und die Künstlerin.

Also ich war sogar bei Rodney zu Hause und habe mit ihm über eine andere Idee, die ich im Kopf hatte, gesprochen. Ich konnte sie ihm aber nicht so gut erklären. Also sagte ich zu ihm: “Lass mich noch mal losziehen, und ein Foto von dem aufnehmen, was ich meine.” Ich wollte es ihm dann schicken und er sollte schauen, was er damit anfangen könnte.

Währenddessen traf ich eine andere Make-up-Künstlerin, der ich meine Vorstellung beschrieb. Aber nach vier oder fünf Tagen signalisierte sie mir, dass sie nicht umsetzen könnte, was mir vorschwebte. Sie empfahl mir aber Kelly Odell. Rodney habe ich dann angerufen und ihm mitgeteilt, dass wir die Fotografie einer Maske nehmen werden. Er war okay damit, er arbeitete eh gerade an einem Kinder-Comic. Rodney kann glücklicherweise mit sowas umgehen, wir sind seit vielen Jahren gute Freunde.

Eines der Highlights auf dem Album ist der zweite Song “Remember”. Für MAGNUM ist das ein sehr klassischer Song und ich denke, viele Fans können sofort eine Verbindung zu ihm aufbauen. Was kannst du uns über den Song und seinen Text erzählen?

Nun, unsere Anfänge liegen in einer Band, die regelmäßig in einem Club namens “Rum Runner” in Birmingham auftrat. Bob (Catley, MAGNUM-Sänger, Anm. d. Red.) war schon dabei, ich bin sozusagen seiner Band beigetreten. Wir haben gewissermaßen in diesem Club gearbeitet, meist bis 7 Uhr morgens. Im Song wird der DJ erwähnt – dieser DJ ist Bob (lacht schelmisch). Ich habe das eingebaut, ohne ihn das wissen zu lassen.

In dem Song geht es im Grunde ums Zurückschauen auf Zeiten, in denen Menschen wirklich noch miteinander getanzt haben. Heutzutage tanzen die meisten Menschen zwar gemeinsam in einem Raum, aber im Grunde ist jeder mit sich beschäftigt. Wie es damals üblich war, spielten MAGNUM in diesem Club etwa zwei Jahre lang Top-20-Hits, bis wir angefangen hatten, einige meiner Songs zu spielen und rockiger und rockiger wurden. Wir haben aber auch viele US-Künstler wie DEL SHANNON als Live-Band unterstützt, wenn sie in Großbritannien auf Tour waren.

In “Remember” geht es letztendlich um diese Zeiten, sich daran zu erinnern und wie großartig sie waren.

Ich mag die erste Single “I Won’t Let You Down” wirklich, weil sie ein bisschen untypisch für euch ist. Sie hat mich an große Tanzclubs und romantische Schwarz-Weiß-Filme aus den Fünfzigern und Sechzigern erinnert – zumindest ist das mein naiver Eindruck; ich bin viele Jahrzehnte später geboren.

Yeah, das passt auch. Ich verstehe das.


Wieso habt ihr “No Steppin’ Stones” als zweite Single ausgewählt? Das recht leichtfüßige Stück kontrastiert den – meiner Meinung nach – eher melancholischen Rest des Albums sehr deutlich.

Nun, wenn du ein Album machst, ist das immer eine Summe verschiedener Zutaten, aus denen du auswählst: Härter, weniger hart, traurig, heiter und so weiter. Es sollte eine Ansammlung von Musik sein, die melodisch, inhaltlich und dynamisch abwechslungsreich ist. Als ich das Riff schrieb, war Rick (Benton, Keyboarder – Anm. d. Red.) anwesend. Er war zunächst skeptisch, aber ich habe ihm dann gesagt, er solle das Riff mal mit einem Blechbläser-Sound probieren. Zwei Typen kamen dann ins Studio und haben auf Trompete und Posaune letztlich umsetzen können, was mir vorschwebte. Sie haben das nur ein paar mal probiert und dann gleich einspielt.

Ein weiteres Highlight ist “Come Holy Men”. Der Song hat ein gewisses “Wings Of Heaven”-Feeling und es passiert sehr viel aufregendes bis dann der große Chorus kommt. Fiel es dir leicht, das zu schreiben? Ich bin sehr gespannt, was du mir über diesen Song erzählen kannst.

In dem Song geht es um Menschen, die sehr viel Verantwortung auf sogenannte ‘heilige Männer’ schieben. Sie erwarten, dass ihnen von diesen ‘Heiligen’ geholfen wird, ohne dass das wirklich Heilige sind.

Ich weiß gar nicht mehr, ob es leicht war, diesen Song zu schreiben. Ich weiß noch, dass ich zeitig das Gefühl hatte, es wird ein wirklich starker Song. Und ich hatte keine Probleme bei den Lyrics. Die waren sozusagen schon vorher in meinem Kopf.

Nach so vielen Jahren und Platten mit MAGNUM bin ich ohnehin beeindruckt, dass du textlich immer noch viel zu sagen hast. Ist das mit der Zeit für dich einfacher geworden, weil du älter und weiser bist? Oder ist es immer schwieriger, weil man immer mehr Ideen braucht?

(Brummt vielsagend.)

Lange Zeit hatte ich etwas Angst vor den Texten, es war einfach der mir unliebsamste Part des Songwritings. Seit vier oder fünf Jahren freue ich mich aber richtig auf das Schreiben der Texte, weil ich mich inzwischen freier fühle. Ich spüre einfach mehr Freiheit, die Themen anzusprechen, die ich möchte und habe mich in der Vergangenheit stärker eingeschränkt. Solange ich das Gefühl habe, irgendjemanden könnte es interessieren, was ich sage, schreibe ich darüber. Ich genieße Musik und das Erschaffen von Musik sowieso heute mehr als je zuvor, deswegen genieße ich auch das Texten.

Da ihr nunmehr euer 50. Jubiläum begehen könnt: Wofür bist nach so vielen Jahren mit MAGNUM am meisten dankbar?

Ich glaube, am dankbarsten bin ich dafür, wie Bob und ich miteinander funktionieren. Wenn Bob etwas singt, das ich mir ausgedacht habe und es zum Leben erweckt und es einfach das ist, was ich mir vorgestellt habe … Wir haben offensichtlich auch viel Arbeit in MAGNUM all die Jahre gesteckt. Nach einigen Gelegenheiten, bei denen wir das Ziel auch komplett verfehlt haben, wissen wir heutzutage offenbar, was wir tun. Dafür bin ich auch dankbar.

Perfekt harmonierendes Duo seit 50 Jahren: Bob Catley und Tony Clarkin.

(Irrsinnig, diese charmante Bescheidenheit. – Anm. d. Red.) Ist deine Freundschaft mit Bob etwas seltenes in der Rockwelt, in der sich die Besetzungen häufig ändern und vieles auch ein bisschen oberflächlich glamourös erscheint?

Ja. Häufig, wenn zum Beispiel Geld oder so im Spiel ist, gibt es viele Dinge, die eine Band verderben können. Egos können Bands zerstören. Wir hatten solche Probleme in der Vergangenheit auch. Jetzt haben wir ein tolles Line-up mit Rick Benton (Keyboards), Dennis Ward (Bass) und Lee Morris (Drums). Sie sind tolle Musiker und ebenso nette Leute und das tut der Band gerade sehr gut. Und ich hoffe nichts und niemand zerstört das (lacht).

Zu guter letzt: Habt ihr noch besondere Pläne für euer diesjähriges Jubiläum?

Wir wollen natürlich auf Tour gehen und einige Songs ausgraben, die wir lange Zeit nicht gespielt haben. Ich bin nur noch nicht sicher, welche das sein werden. Eine vorläufige Setlist haben wir aber schon und die übe ich gerade wieder. Bald werden wir uns dann auch wieder zum gemeinsamen Proben treffen. Darauf freuen wir uns alle und das macht uns froh.

Quelle: Tony Clarkin (Magnum)
23.02.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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