Magenta
Interview mit Anders Odden
Interview
Gut sieben Jahre hat es gedauert, bis MAGENTA, die Band um Anders Odden und Vilde Lockert, endlich ein neues Album vorstellen konnten. Ein harter, beschwerlicher Weg, den man so nicht noch einmal gehen möchte. Was in all den Jahren geschehen ist, über die vielen Änderungen und Neuerungen bei MAGENTA und warum sich die Band nun dort sieht, worauf sie in den ganzen 14 Jahren ihrer Existenz hingearbeitet hat – darüber sprach ich mit Anders.
Was für ein Gefühl habt ihr denn jetzt, da das Album endlich draußen ist und „nur“ noch die Promoarbeit erledigt werden muss?
Es ist wohl wie am Ende eines Schuljahres, wenn man dem Lehrer seine Arbeit zur Bewertung abgibt. Man weiß, dass man sein Bestmögliches getan hat und dass man nichts mehr daran ändern kann, wenn der Lehrer irgendwelche Fehler finden sollte. Was bleibt ist, sich auf das nächste Jahr vorzubereiten.
Man könnte bei MAGENTA von einer „Rückkehr“ oder gar einem „Comeback“ sprechen, weil so viele Jahre seit dem letzten Album vergangen sind. Andererseits habt ihr aber auch nie aufgehört, sondern wart seit 2003 mit den Arbeiten zu „Art And Accidents“ beschäftigt. Ist es womöglich eher das Ende einer langen Reise?
In einem anderen Interview habe ich zum Scherz mal das Wort „Comeback“ fallen lassen, aber irgendwie scheint es heutzutage so zu sein, dass man ein „Comeback“ hat, wenn man mal länger als ein Jahr weg war. Da die meisten Leute, die das Album nun hören, bisher nichts anderes von uns kennen, ist es auch irgendwie eine Art neues Debüt.
Ich werde für das nächste Album auf jeden Fall nicht wieder soviel Zeit verstreichen lassen, das ist sicher. Unsere kreativen Quellen sprudeln förmlich, und seit Daniel in der Band ist und an neuem Material mitschreibt, befindet sich der Nachfolger von „Art And Accidents“ bereits im Demostadium. MAGENTA sind wieder da!
Soweit ich das einschätzen kann, lief es damals mit „Little Girl Lost“, das 2002 auf Re:POP rauskam, ziemlich gut. Es hatte fast den Anschein, als ob sie das Label nur für euch gegründet haben, aber irgendwie sind sie dann ein paar Jahre später von der Bildfläche verschwunden. Was denkst du jetzt im Nachhinein über „Little Girl Lost“? Wie einflussreich war es für euren späteren Weg?
„Little Girl Lost“ war ein sehr wichtiges Album für uns. Damals wollten wir alle Grenzen ausloten, experimentieren und mit den unterschiedlichsten Gastmusikern arbeiten. Es war sehr kreativ, aber das Label hat leider nie unsere Ziele und Visionen verstanden. Sie haben das gesamte Artwork zerstört, in die Reihenfolge der Songs eingegriffen und sogar an ihnen herumgebastelt. Es war ein schreckliches aber ebenso prägendes Erlebnis, aus dem ich meine Lehren gezogen habe. Niemals wieder werde ich meine Musik in die Hände von jemanden geben, der sie nicht versteht.
Es ist schön zu sehen, dass das neue Album eine so positive Resonanz einfährt. Es ist ein schönes Gefühl, das mir sagt: „Verdammt nochmal, ich hatte recht!“
Was ist in der Zeit zwischen den beiden Alben alles geschehen, welche anderen Projekte habt ihr verfolgt?
Nach „Little Girl Lost“ bin ich wieder bei APOPTYGMA BERZERK eingestiegen um „You And Me Against The World“ mitzuschreiben und mit Stephan Groth aufzunehmen. Das allein hat fast zwei Jahre gedauert, und ich habe aus diesem Prozess vieles an Erfahrung für die Arbeit am neuen MAGENTA-Album mitgenommen. Nach unserer zweiten Deutschland-Tour 2006 haben sich aus heiterem Himmel plötzlich CELTIC FROST bei mir gemeldet. Als ich noch Teenager war, übten sie zusammen mit METALLICA, SLAYER, VOIVOD und KREATOR den größten Einfluss auf mich aus. Tom G. Warrior ist ein großer Fan von APOPTYGMA BERZERK und hat uns beim Konzert in Zürich gesehen – Und nun wollte er mich auf ihrer Comeback-Tour dabeihaben!
Es war ein ziemlich einschneidendes Erlebnis, schließlich musste ich die harte Entscheidung treffen, APOPTYGMA BERZERK erneut zu verlassen, da sich unsere Tourneen zeitlich überschnitten. Bei CELTIC FROST blieb ich bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2007. Während dieser Zeit kam auch das meiste MAGENTA-Material zusammen, daher kann man sagen, dass ich die ganzen Jahre im Prinzip mit nichts anderem als Musik, Aufnahmen und Tourneen verbracht habe. Nun ist MAGENTA wieder meine Hauptband, aber ich habe trotzdem noch andere Projekte am Laufen. Es gibt ständig was zu tun.
MAGENTA können sich auf jeden Fall auf eine loyale Fanbasis verlassen. Welche Erfahrungen habt ihr mit euren Fans bisher gehabt, vor allem in der langen Zeit ohne neues Album? War die Nachfrage nach dem neuen Alben sowie den älteren Veröffentlichungen groß?
Wir sind so dankbar für all unsere Fans! Ich werde natürlich nie wissen, wieviele uns wirklich kennen und unsere Musik hören, aber wenn man sich z.B. auf Myspace verlassen kann, haben wir 14287 Freunde.
Wir wollen noch viel mehr für unsere Fans da sein und sind auch gerade dabei, eine richtige Tour für das Album zu planen. Aktiver wollen wir werden und unsere Fans nicht so lange warten lassen.
Soweit ich mich erinnere, habt ihr irgendwann 2007 die ersten Songs vom neuen Album auf Myspace vorgestellt, inklusive „Darkest Dream“. Wie war die Resonanz auf das neue Material?
Sehr positiv, durch die Bank. Ich glaube, wir haben uns endlich selbst gefunden, und die Fans erkennen das in unserem Sound.
Im November vergangenen Jahres gab es dann die Möglichkeit, eurer Album vorab als Download-Version zu erwerben. Ähnlich wie bei RADIOHEAD durften die Fans den Preis selbst bestimmen. Welchen Schluß kannst du jetzt, drei Monate später, aus der Aktion ziehen? Sind eure Erwartungen bestätigt worden?
Nun ja, RADIOHEAD hatten eine riesige Medienkampagne hinter sich, um diesen Stunt zu vollbringen. Uns hat keiner angeschrieben, der das Album für lau haben wollte, im Gegenteil: jeder wollte dafür bezahlen. Das sehe ich als gutes Zeichen, und von daher kann man von einem Erfolg sprechen.
Die CD ist seit 9. Februar erhältlich, veröffentlicht habt ihr auf eurem eigenen Label All This & Music Too. Die erste Veröffentlichung war vor 12 Jahren euer Debüt „The Secret Sky“, Nummer zwei ist nun „Art And Accidents“, womit sich der Kreis irgendwie schließt. Was hat euch letztlich dazu bewegt, es auf eigene Faust durchzuziehen?
Wie schon angerissen hatten wir einige schlechte Erfahrungen mit Labels, und ich möchte einfach nicht, dass uns ein paar Idioten in die Musik reinpfuschen, nur weil sie denken, sie wüssten es besser. Wir haben mit Indie Distribution einen guten Vertriebsdeal ausgehandelt. Sie vermarkten unser Album in Europa bzw. läuft es in Großbritannien über Plastichead. Wir haben eine unabhängige Promoterin, und da wir die Kontrolle über alles haben, kommt auch das Geld wieder direkt zurück zu uns. Ich hoffe, dass wir unsere Ausgaben irgendwann reinkriegen, und bis jetzt sieht es ziemlich gut damit aus. Ich bin ziemlich glücklich damit, mich um alles selbst kümmern zu können, da jedes kleine Label nur ein Mittelsmann wäre, der dir möglicherweise dein Vorhaben und deine Ideen versaut.
Manche Bands kommen von einer Tour nach Hause und setzen sich dann hin, um ein neues Album zu schreiben. „Art And Accidents“ hingegen wirkt auf mich wie ein großes Fotoalbum, welches sorgfältig über die Jahre hinweg zusammengestellt wurde.
Wann stand eigentlich fest, dass ihr eine neue Platte machen wollt und was kannst du uns über ihre Entstehung erzählen?
Mit den neuen Kompositionen fingen wir 2003 an. „To Die For“ war der erste Song, den wir geschrieben hatten, und der letzte, mit dem wir fertig wurden. Wir waren in vielen Studios und haben von manchen Songs viele verschiedene Demos aufgenommen, bis sie ihre endgültige Form erreichten. Einige Leute, mit denen wir arbeiteten, zeigten leider nicht die nötige Hingabe, und so mussten wir uns von vielen Ideen trennen, bevor wir in die heiße Phase einsteigen konnten.
Ende 2007 habe ich dann mein Heimstudio aufgerüstet und damit auch die besten Voraussetzungen für die Aufnahmen geschaffen. Ohne unseren Gesangsproduzent Jonas Groth hätten wir das Album allerdings nie fertigstellen können. Durch ihn klingt Vilde [Lockert / Sängerin, Ed.] einfach wundervoll, und eigentlich ist er unser geheimes viertes Bandmitglied.
Das Album vereint viele Elemente eurer früheren Werke, ist aber auch durch neue Klänge angereichert. In meiner Rezension spreche ich von einer gelungenen Fusion von New Wave, Electro, Synth Pop und Gothic Rock, durch den der MAGENTA-Sound eine ganz neue Färbung bekommt.
Was für Einflüsse und Ideen habt ihr in die Kompositionen eingeflochten, und inwiefern hat die Zeit an den Songs „gearbeitet“?
Ich war nie der Typ für Synths, aber eben ein Gitarrist, der mit elektronischer Musik in Kontakt kam. Es macht mir nichts aus, wenn wir als Gothic Rock bezeichnet werden, auch wenn ich nicht so der Gothic-Typ bin. Ich bin ein Metal-Gitarrist, der sozusagen die Popmusik macht, für die ich andere Leute begeistern möchte. Würde es nach mir gehen, dann wäre ‚Pop‘ genau das, was MAGENTA machen.
Mich inspirieren eine Menge Dinge, aber was unsere Songs mehr als alles andere formt und entstehen lässt sind Gitarrenriffs und Klangmotive. Im Kern sind wir eine gitarrengesteuerte Band. Jedes Stück, das zu einem Synth-Song geworden ist, begann als Gitarrensong. Die Zeit war insofern hilfreich, dass wir den roten Faden finden konnten und irgendwann an dem Punkt waren zu sagen: „Das ist es, das Album ist endlich fertig.“
An den Stücken haben sich eine Menge Gastmusiker beteiligt, darunter besondere Gäste wie GOTHMINISTER, Stu Manx, Jonas Groth und andere Leute von APOPTYGMA BERZERK. Daniel Hill ist ebenfalls als neues Mitglied zu euch gestoßen. Was kannst du uns über die einzelnen Beiträge sagen?
Daniel ist seit 2005 bei uns. Vilde hatte mit ihm ein neues Projekt begonnen, FEMME BRUTALE, als ich unterwegs auf Tour war. Als ich wieder zuhause war, hörte ich mir einige der Songs an und merkte, dass sie sich eigentlich auch gut als MAGENTA-Songs machen könnten und fragte die beiden dann einfach, ob wir uns nicht zusammenschließen wollten. Eine frühe Version von „Wasted Heart“ kann man sich auf ihrer Myspace-Seite anhören: www.myspace.com/femmebrutale
Geir von APOPTYGMA BERZERK ist seit 1996 als Live-Keyboarder bei uns, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Eher greifen wir auf Samples zurück, als ihn durch jemand anderen zu ersetzen, hehe. Geir hat die Demos von „To Die For“ und „In Your Arms“ produziert, und einiges von dem Material ist dann später auf dem Album gelandet, z.B. ein paar coole Streicherklänge.
Angel (APOPTYGMA BERZERK) war zu Besuch da, und ich brachte ihn dazu, die Leadgitarre auf eine Weise zu spielen, wie er es zuvor noch nie gemacht hatte! Ich bin froh, ihn endlich mit seinen Solis auf einem Album zu haben.
GOTHMINISTER ist ein alter Freund von uns, und wir hatten schon immer vorgehabt, mal was zusammen zu machen. Dieses Mal war das Timing perfekt, genauso wie sein Gastspiel bei „To Die For“.
Von Stu Manx hab‘ ich mir einen Bass geborgt, um zu üben, als ich 2007 der letzte Bassist bei MINISTRY werden sollte. Nachdem Paul Raven vor ihrer Abschiedstour gestorben war, war ich für zwei Wochen MINISTRYs Bassist. Länger ging es leider wegen Bürokratie und Papierkrieg nicht, so dass ich Stu den Bass irgendwann zurückgeben musste. Ich fragte ihn gleichzeitig, ob er an einem Song mitarbeiten würde und er war erfreulicherweise sehr angetan von dieser Idee.
Jonas Groth ist die wichtigste Person für uns überhaupt, da er Vildes Gesangstrainer ist. Seine Arbeit mit ihr bringt unserem Sound einfach den entscheidenden Schliff. Für „Untouchable“ hat er sogar einen Kinderchor engagiert und mit ihnen für den Song geprobt – das ist doch beeindruckend, oder?
Mit den ersten Hörproben bekam man 2007 einen guten Eindruck, was man auf dem neuen Album erwarten konnte. Es jetzt in seiner vollen Pracht zu sehen und zu hören bestätigten den ersten Eindruck, nämlich dass MAGENTA auf „Art And Accidents“ düsterer und intensiver als je zuvor klingen, auch wenn die Atmosphäre und die Themen ja nicht durchgängig schwarzgetüncht sind. Was kannst du über das Konzept des Albums hinsichtlich der Musik, Texte und der graphischen Gestaltung erzählen?
Ein Punkt war es, die Musik und den visuellen Aspekt zusammenzuführen, so dass MAGENTA in gewisser Weise verständlicher und fokussierter werden. Wir haben genug herumexperimentiert um nun zu wissen, was wir wirklich wollen, und genau das reflektiert das neue Album.
Die Texte stammen sowohl von Vilde als auch von mir, und das ist auch der Punkt, an dem wir uns am meisten voneinander unterscheiden. Ich schreibe eher über Dinge, die mir durch den Kopf gehen, Vilde hingegen schreibt Geschichten und Erzählungen. Ein festes Konzept steht eigentlich nicht hinter den Texten, aber sie sollen dem Hörer natürlich etwas mitteilen können.
Der Titel „Art And Accidents“ hat auch etwas Interessantes an sich, ist doch Kunst oftmals ein Ergebnis von Zufällen oder „Unfällen“, spontanen Ideen, die unerwartet das Bewusstsein streifen, oder Träumen. Was sind deine Gedanken dazu?
Das ganze Album hat einen dermaßen langen Entstehungsprozess hinter sich, dass es sich angefühlt hat, als wäre es am Ende ein großer Zufall. Wir sind die Songs durchgegangen und merkten, dass das Album stand, wenn auch die einzelnen Stücke sehr unterschiedlich sind. Wir dachten, dass es „Kunst per Zufall“ war, und dieser Gedanke stand dann auch Pate für den Titel. Außerdem bedeutet „AAA“ auch „Access All Areas“…
Den Fans dürfte es mittlerweile nach Live-Action dürsten – wann und wo sind die nächsten Gigs geplant?
Wir haben vor, auf Tour zu gehen und verhandeln derzeit mit verschiedenen Promotern, um das auf die Beine zu stellen. Es wird großartig sein, die neuen Stücke live zu spielen, weil es sich wie ein neuer Anfang anfühlt. Wir hoffen natürlich, dass es die Fans genauso mögen werden – also, wir sehen uns auf Tour! Vielen Dank für das Interview!
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