Madder Mortem
Interview mit Agnete und BP M. Kirkgevaag zu "Red In Tooth And Claw"

Interview

Mit „Red In Tooth And Claw“ haben MADDER MORTEM wieder einmal schwer begeistern können, vor allem nach dem ebenso positiv aufgenommenen Vorgänger „Eight Ways„. Doch die Norweger um die Geschwister Kirkevaag haben glücklicherweise nicht zwei mal das gleiche Album aufgenommen und überzeugten mit einer Produktion wie aus dem Lehrbuch und dem durchweg fesselndem Songwriting. Wir haben uns Agnete und BP M. Kirkevaag mal zur Brust genommen und nachgehakt, wie ihnen das gelungen ist.

Madder Mortem – Red In Tooth And Claw

Agnete und BP M. Kirkevaag von MADDER MORTEM redeten…

…über die lange Zeit, die zwischen „Eight Ways“ und „Red In Tooth And Claw“ vergangen ist

Agnete: Um es mal kurz und knapp zu formulieren: Wir haben zweimal unseren Gitarristen und einmal unser Label gewechselt. Das hat wahnsinnig viel Zeit für sich in Anspruch genommen. Als Band waren wir in der gesamten Zeit aktiv, keine Auflösungserscheinungen. Wir schrieben Songs, probten und hatten hier und da auch vereinzelte Gigs. Wirklich weg waren wir nicht, auch wenn ich verstehen kann, dass einige Leute das so wahrgenommen haben…

…über das zweite 10/10-Album in Folge und das generelle Feedback

A.: Ja, darauf kann man sich schon mal was einbilden. (lacht) Mir kommt es vor, als wären wir eine von den Bands, die man entweder liebt oder hasst. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Und so gefällt es uns eigentlich am liebsten. Darüber hinaus ist es immer schön, zu hören oder zu lesen, dass unsere Musik jemandem so viel bedeutet. Wir haben Herz, Seele und natürlich auch eine Menge Zeit und Geld in jeden einzelnen Song hineingesteckt. Und es freut uns wirklich sehr, zu sehen, wie diese Arbeit aufgenommen wird. Das Feedback war großartig und ich bin froh, dass unsere Hörer an den Details und Eigenheiten unserer Songs so viel Freude haben können, anstatt nur einen riesigen Aufriss darum zu machen, dass da eine Frau singt. (lacht)

…über die Produktion

BP: Es freut mich, zu hören, dass die Produktion so gut bei euch angekommen ist. Genau das war unsere Absicht. Wie auf „Eight Ways“ haben wir das alles selbst gemacht. Den größten Beitrag in puncto Tontechnik habe ich geleistet. Ich würde sagen, dass ich allein durch die Arbeit an „Eight Ways“ viel gelernt habe via Versuch und Irrtum. Diese Erfahrungen habe ich dann angewandt in der Produktion von „Red In Tooth And Claw“. Sprich: Ich wusste eigentlich schon von Anfang an ziemlich genau, wo ich mit dem Sound hinwollte. Und ich bin glücklich, sagen zu können, dass das Ergebnis dieser Vorstellung im Großen und Ganzen entspricht.

Wir wollten einfach einen organischeren Sound, der nicht so sehr nach künstlichem HiFi klingt. Gleichzeitig wollten wir einen Klang, der Ärsche tritt, erzielen und die vielen Details herausarbeiten. Ich habe sehr viel Zeit mit der Planung und Vorbereitung der Aufnahmen verbracht, mir Gedanken gemacht, welche Mikrofone bzw. welche Ausrüstung ich dafür verwenden sollte. Wie bereits gesagt: Weniger Versuch und Irrtum, mehr Erfahrung.  Zum Beispiel nahmen wir das Schlagzeug live auf, während jeder von uns anwesend war, sodass wir ständig zwischen Instrument und Aufnahmebutton hin und her rannten. Wir haben auch zum ersten Mal seit „All Flesh Is Grass“ keinen Click Track verwendet. Dabei wurde uns schließlich klar, dass wir in Zukunft auch genauso aufnehmen sollten. Es fühlt sich nicht so steif an, gleichzeitig groovt es, wie es sollte.

Die rohen Aufnahmen klangen großartig, was eine gute, hilfreiche Basis für die Produktion darstellte. Ich habe wahnsinnig viel Zeit damit verbracht, die Gitarren zu justieren und das Album abzumischen, vor allem weil ich immer wieder von vorne begann, wenn ich mit einem Ansatz nicht zufrieden war. Zum Ende hin aber erreichte ich den Sound den ich beabsichtigt habe, glaube ich. Mir war wichtig, die Gitarren mit ausreichen Kernigkeit und Tiefen zu versehen, ihrer Präsenz wegen. Aber letztendlich, was dieses Album in meinen Augen so groß macht, ist das Menschliche. Du hörst eine Band spielen, keine Magie von Tontechnikern kann dir das ersetzen. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, den Hörer mit unserer Musik direkt anzusprechen.

…über das Songwriting

A.: Eine meiner Lieblingsbands sind FAITH NO MORE. Und die Vielfalt an Songs, die auf ihren Alben zu finden sind, ist eine der Dinge, die ich so sehr an ihnen liebe.

Unser Songwriting ist tatsächlich weit weniger durchdacht und zielgerichtet, als viele das annehmen mögen. Wir haben einfach ein paar Ideen und arbeiten diese dann gemeinsam aus, so einfach ist das. Gelegentlich machen wir uns auch Gedanken, was für eine Art Song wir aufnehmen wollen. Möglicherweise entscheiden wir uns dann auch für oder gegen einzelne Ideen, immer mit dem Album als Ganzes im Hinterkopf. Aber wenn wir fertig damit sind, die Songs für das Album auszuwählen, verbringen wir einiges an Zeit, die Trackliste zusammenzustellen. Das scheint in Zeiten der Albumstreams redundant, aber ich glaube, dass Metal-Fans im Gegensatz zur übrigen Hörerschaft da schon wert drauf legen, wie ein Album strukturiert ist.

Ich denke, was bei uns im Gegensatz zu manch anderen Bands anders läuft, ist, dass wir – eben – als Gruppe arbeiten. Bei MADDER MORTEM sind praktisch fünf Co-Songwriter zugange. Und das kann sehr kompliziert und schwierig werden. Aber wir sind uns ziemlich sicher, dass wir unsere Musik nur so dort hin bringen können, wo sie eben ist, dass wir sie nur so derart vielfältig und interessant halten können. Wenn du fünf grundverschiedene Blickwinkel anstatt eines einzelnen für einen Song zu Verfügung hast, ist das praktisch unausweichlich. Es bringt sicher eine Menge Strapazen mit sich, aber es steckt auch viel Liebe und Freude in der Arbeit. Wir albern zum Beispiel gerne mit unserer Musik herum. (lacht)

…über das positiv gestimmte „Pitfalls“…

A.: Es war tatsächlich eine Frage der Stimmung. Ursprünglich hatten wir die Idee gehabt, etwas im Sinne Achtziger zu machen. Der finale Song klingt natürlich ganz anders. Das mit den Dur-Akkorden stand dabei allerdings von Anfang an. Wir hatten eingangs Sorge, dass der Song vielleicht zu sehr hervorstechen würde. Daher schraubten wir an den Grooves und fügten ein wenig Grunge bei,  und ich liebe, wie der Song sich am Ende entwickelt hat. Und da wir ja meistens eher im „gloom’n’doom“ (sic) beheimatet sind, ist das eine nette Abwechslung. (lacht)

…und das sperrige „All The Giants Are Dead“

A.: Tatsächlich denke ich, dass der Song einen der rockigeren Einstiege hat. Einige der Parts haben wir zunächst in jeweils anderen Kontexten ausgetestet und waren eher skeptisch. Wir wussten nichts mit diesen Elementen anzufangen. Dann aber haben wir frei Schnauze all diese Ansätze in einen Topf geworfen und der Song ist dabei herausgekommen. Ich denke, dass hierin eine beeindruckende Melange aus Zorn und Sarkasmus drin steckt, und ich liebe diese dunklen Sludge-Gitarren. Langsam und tief muss es sein. (lacht)

…über das Live-Potential der neuen Stücke

A.: Wir haben einige Songs schon live ausgetestet. „If I Could“ kommt ganz gut an und „All The Giants Are Dead“ macht so viel Spaß, live zu spielen. Die meisten der neuen Lieder müssen den Bühnentest aber noch über sich ergehen lassen. Daher freuen wir uns umso mehr, dass wir mit SOEN um März/April herum durch Europa touren werden. Hoffentlich sieht man sich da.

…über das neue METALLICA-Album „Hardwired… To Self-Destruct

BP: Muss sagen, dass ich da nicht ganz unbefangen bin. Ich bin ein großer Fan von ihrem Werk, im Grunde schon seit ich klein gewesen bin. Ich hatte sogar durchaus meine Freude mit „St. Anger“. Was ich bislang von der neuen Platte gehört habe, gefällt mir. Vor allem die gelegentlichen Gesangsharmonien haben es mir angetan. Klingt vielversprechend. Es wird wohl kaum ein zweites „Master Of Puppets“ oder „…And Justice For All“ sein, aber warum sollte es das auch sein? Diese Alben haben sie doch schon vor langer Zeit aufgenommen und das ist gut so. Und mal ehrlich: Wenn du wann, wie, wo auch immer einen Song auflegst, auf dem James Hetfield die Rhythmusgitarre spielt, zauberst du mir damit meistens ein Lächeln ins Gesicht. Meistens jedenfalls. (lacht) Ich habe mir das Album natürlich gekauft, in physikalischer Form, wohlgemerkt. Und ich kann es kaum erwarten, es mir anzuhören.

30.11.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version