Machine Head
Interview mit Robb Flynn zum neuen Album "Unto the Locust"
Interview
Vier Jahre sind seit MACHINE HEADs Meilenstein „The Blackening“ vergangen. Die meiste Zeit davon befand sich die Band auf Tour. Umso erstaunlicher der Donnerschlag, mit dem sich die Oaklander Thrasher nun zurückmelden. „Unto the Locust“, welches am 27. September erscheint, wird sicherlich eine tiefe Spur in der Landschaft des modernen Metals hinterlassen. Möglicherweise sogar mehr als der Vorgänger.
Um so viel wie möglich über das neue Machtwerk herauszufinden, sprach metal.de mit einem von Jetlag geplagten Robb Flynn. Bei einem schwarzen Tee mit Milch erzählte uns der Frontmann, wieso er nicht mehr gerne auf „The Blackening“ angesprochen werden will, was sich hinter dem „Locust“ verbirgt und wieso er das W:O:A so großartig findet.
Robb – Glückwunsch zu eurem neuen Album. Bist du mit dem Ergebnis deiner Arbeit zufrieden?
Total. Es war verdammt viel Arbeit, und wir sind sehr glücklich damit.
Mit „The Blackening“ seid ihr fast drei Jahre lang getourt. Wann geschah das Songwriting für das neue Album?
Das Meiste haben wir im Studio geschrieben. Einige Dinge, wie den Beginn des Songs „This Is The End“, habe ich auf Tour gemacht. Während wir 2008 mit Slipknot unterwegs waren, entstanden einige Teile von „I Am Hell“.
Es gab also keine Reste von den Blackening-Sessions?
Nein. Wir wollten einen sauberen Schnitt. Manchmal, wie auf „The More Things Change“ kommt man auf alte Ideen zurück und greift sie wieder auf. Manchmal überspringen einige Ideen sogar ein paar Alben. Diesmal jedoch nicht.
Hat die Tatsache, dass du das Album selbst produzierst, deine Herangehensweise an das Songwriting irgendwie beeinflusst?
Nein, nicht wirklich. Ich habe die letzten drei Alben selbst produziert. Wenn wir schreiben, denke ich nicht an die Produktion. Ich habe die Dinge in meinem Kopf und versuche mir vorzustellen, wie man sie am besten umsetzen könnte. Soll es eine Gitarre sein, ein Basslauf oder Streicher? Als wir dabei waren „Who We Are“ aufzunehmen, habe ich beispielsweise sofort die Streicher und Trompeten gehört. Auf der Demo habe ich sie einfach eingesungen, um mich daran erinnern zu können. Solche Kleinigkeiten halt. Ich höre die Sachen schon produziert in meinem Kopf.
Okay. Erzähl mir von dem Albumtitel. Ist es eine Metapher?
Das Lied „Locust“ und der Titel des gesamten Albums sind miteinander verbunden. Im Song geht es um einen bestimmten Typ Mensch, der manchmal in dein Leben tritt und den Effekt eines Heuschreckenschwarms mit sich bringt. Dieser Mensch kann ein Freund, eine Geliebte oder eine Regierung sein. Wir haben das Ganze bewusst so vage gehalten, um genügend Interpretationsspielraum zu lassen. Für uns war das Coole daran, dass es tatsächlich eine Metapher für etwas anderes ist. Selbst mit dem Cover, auf dem eine Heuschrecke zu sehen ist, ist die Bedeutung für jeden anders.
Sieht man sich das Artwork und die Songtitel an, macht das Ganze einen recht düsteren Eindruck. Liest man sich aber die Lyrics durch und gibt dem Album einige Durchläufe, ändert sich diese Sicht. Vor allem Songs wie „Be Still And Know“ scheinen voller Hoffnung zu sein. War es eure Absicht? Quasi ein Statement, dass man durch harte Zeiten gehen muss, bevor alles gut wird?
Na ja, es ist einfach die Art, wie wir uns manchmal fühlen. Ich denke, Hoffnung konnte man bisher auf die eine oder andere Weise auf allen unseren Alben finden. Wenn dies hier stärker herauskommt, so hat es keinen bestimmten Grund. Vielleicht ist es einfach das, was die Welt gerade braucht. Als ich „Be Still And Know“ geschrieben habe, gab es gerade das furchtbare Erdbeben in Japan. Ich wurde ausgeraubt und einige andere schlimme Dinge waren passiert. So sehr ich das Lied also in einem „Wir-Sinn“ singe, singe ich es auch für mich selbst.
Also gab es auch Ereignisse in der Welt, die dich beeinflusst haben?
Erinnerst du dich noch an dieses Land im Nahen Osten, das seine Regierung umgestürzt hat? Ich weiß gerade nicht mehr, welches genau es war. Es war ein großartiger Sieg. Ein unglaublicher Moment, in dem Menschen Hoffnung gezeigt haben. Ich habe es über das Internet mitverfolgt, und es hat mich sehr inspiriert.
MACHINE HEAD sind dafür berühmt, in ihren Songs Spannung aufzubauen, die dann in sehr harten Mosh-Parts entladen wird. Dies findet man auf jedem Album, und das aktuelle macht da keine Ausnahme. Gibt es eine Art Formel, die diesen unverwechselbaren Stil bewirkt? Etwas wie 40% Thrash, 40% Melodie und 20 % Überraschung?
[Lacht] Alles geht, Mann! Natürlich kannst du sagen – ich will dieses oder jenes machen. Aber sobald du anfängst zu schreiben… Manche Songs gehen in eine bestimmte Richtung, auch wenn du es selbst gar nicht so wolltest. Nur um dir zu zeigen wie die Dinge manchmal laufen: Der Anfang von „I Am Hell“ war ursprünglich für „Who We Are“ vorgesehen. Dann fiel mir aber auf, dass das Intro überhaupt keinen Sinn für den Rest des Lieds macht. Also haben wir überlegt, was wir machen könnten. Ich saß da und spielte die Akkorde, während meine Kinder draußen im Garten gesungen haben und herumgetobt sind. Und ich dachte mir – wow! Wie cool wäre es, wenn sie zu Beginn des Songs singen würden! So geschieht das manchmal, wie durch magischen Zufall. Man merkt plötzlich – das ist die Richtung, in die wir gehen sollten.
Du wirst also manchmal von den Songs selbst überrascht?
Yeah, sicher. Auf „The Blackening“ wollten wir unbedingt ein Anti-Kriegslied haben. „Beautiful Mourning“ sollte es ursprünglich werden. Ich hatte tolle Lyrics und habe versucht, dass sie mit dem Song funktionieren. Und nach Monaten des Probierens, musste ich den Text über Bord werfen und etwas Neues ausprobieren. Selbst wenn du dir etwas konkret vornimmst und sagst „In diesem Song geht es um Krieg!“, passiert es manchmal, dass die Musik selbst dies nicht zulässt.
Euer Gitarrist Phil Demmel sagte kürzlich in einem Interview, dass das neue Album eine große Veränderung sei. Denkst du, die Fans von den alten MACHINE-HEAD-Sachen werden hier Probleme kriegen? Oder ist es ein weiteres Glied einer Kette?
Ja, ich denke es so. Wir veränderten unseren Stil ein wenig auf jeder Platte. An diesem Punkt, an dem wir jetzt angelangt sind, könnten wir eigentlich alles Mögliche veröffentlichen, und es würde für unsere Fans keine große Überraschung sein. Und das ist eine tolle Position! Für einen Songwriter ist es ein guter Ausgangspunkt, der einem viel Freiheit gibt. Unsere Fanbasis war uns in all den Jahren treu und ist sogar gewachsen. Die Leute haben schon immer unsere Musik gehört, weil wir sie auf eine Reise mitnehmen. Es ist nicht einfach Thrash mit 100 km/h, und das fünfzig Minuten lang. Aus kompositorischer Sicht würde ich sogar sagen, dass wir einen klassischen Pop-Song-Aufbau haben. Wir haben Strophen und Refrains und all das Zeug. Nur gibt es zwischen all dem eine Reise – ob Richtung Thrash oder Melodie oder was auch immer. Ich denke, genau darum mögen uns unsere Fans.
Also werdet ihr nicht mit Sprüchen wie „Schreibt noch ein „Davidian“!“ genervt?
So etwas habe ich schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr gehört. [Lacht] Was ich öfter zu hören bekomme, ist: „Wie wollt ihr ein neues „Blackening“ schreiben? Wie soll das getoppt werden?“. Das hören wir in den letzten sechs Monaten fast jeden Tag. Die Frage taucht früher oder später in jedem Interview auf. Garantiert. Wir sind ein bisschen genervt davon. „The Blackening“ war eine unglaubliche Erfahrung für uns. Die Grammy-Nominierung, die Tour mit METALLICA – es war großartig. Aber als wir uns an das neue Album machten, haben wir uns auf die Zukunft gefreut. Wir sind nicht froh gewesen, dass der alte Abschnitt zu Ende ging, aber wir freuten uns auf diese neue Reise.
Apropos Zukunft – haben junge Bands, mit denen ihr auf Tour wart, euch irgendwie beeinflusst? Ich denke da an ALL SHALL PERISH oder SUICIDE SILENCE und das Ende von „Pearls Before The Swine“. Das hört sich ziemlich nach Deathcore an.
Nun ja – mit ALL SHALL PERISH haben wir leider nicht gespielt, da sie die ganze Tour absagen mussten. Was schade war, denn sie sind eine tolle Band. Ansonsten fanden wir, dass es einfach ein Arschtritt-Riff ist. Mehr nicht.
Im Moment fragen sich viele Metal-Fans, was passiert, wenn Legenden wie JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN oder OZZY in zehn bis fünfzehn Jahren nicht mehr aktiv auf der Bühne sein werden. Wer soll dann die Stadien füllen? Dabei fallen einem Namen wie KILLSWITCH ENGAGE, LAMB OF GOD oder eben auch MACHINE HEAD ein. Meint ihr, dass ihr bereit seid, einen Generationswechsel einzuleiten?
Vor einigen Jahren haben wir als Vorband von METALLICA in Stadien gespielt, und es war unglaublich. Ich will dort immer wieder spielen. Und ich fühle mich dazu in der Lage, ich denke, wir sind soweit. Wir sind besser als die meisten Metal Bands dort draußen. Mir fällt keine andere Formulierung ein, aber ich denke, wir waren einfach dümmlich-furchtlos, was einige musikalische Entscheidungen betrifft. Und ich glaube, dass die Leute das respektieren. Wir fordern uns als Musiker immer selbst heraus und versuchen nicht einfach die verdammt härteste oder schnellste Band zu sein. Natürlich spielen wir heavy und thrashig. Aber da ist auch viel mehr. Es ist größer als nur das. Darauf sind wir wirklich stolz.
Als wir damals in der Lanxess Arena gespielt haben, hatten die Leute keine Ahnung, wer wir waren. Nach der Hälfte der Show konnte man hier und da einzelne Grüppchen erkennen, die Interesse zeigten. Als wir fertig waren, hatten wir alle auf unserer Seite. Also ist die Antwort ja – wir sind bereit für diese Shows. Werden wir diesen Platz einnehmen? Das hat die Welt zu entscheiden.
Wie sehen die aktuellen Tourpläne aus?
Da wird viel passieren. Wir spielen auf Festivals, ab November machen wir einige Headliner-Shows. Das wird unsere erste Headliner-Tour in Amerika seit vier Jahren sein. Wir werden uns einfach die Ärsche aufreißen und das tun, was wir schon immer getan haben. Wir sind keine Radio- oder MTV-Band. Unsere Leute erreichen wir nur live.
So wie auf dem Wacken-Gig?
[Begeistert] Oh yeah! Das war verdammt noch mal unglaublich. Einfach killer! Eine absolut geniale Show. Es ist ein tolles Festival. Wirklich toll organisiert – die Leute sind mit Herzblut dabei. Es ist wie eine kleine Welt – alles hat ein Wacken-Logo, alles ist Teil davon. Ich liebe diesen Vibe und diese Kultur. So wollen wir es auch mit der Band halten. Es soll als Ganzes Sinn ergeben. Artwork, Musik, Lyrics. Auf „The Blackening“ war es der Holzschnitt, jetzt haben wir die Heuschrecke. Wir versuchen das auch auf die Bühne zu übertragen.
Ihr habt bereits einige neue Lieder live gespielt. Wie waren die Reaktionen?
Bisher war es nur „Locust“. Und die Reaktionen waren sehr gut. Wir hatten den Song bis dato nur auf iTunes hochgeladen – trotzdem sind die Leute total steil gegangen.
Robb – vielen Dank für das Gespräch. Die letzten Worte kannst du direkt an unsere Leser und deine Fans richten.
Ähm… Ihr Leute seid der Hammer. Ich weiß nie genau, was ich sagen soll.