Machine Head
Machine Head
Interview
Ein wenig mulmig war mir vor dem Interview mit Machine Head-Kopf Robb Flynn schon zumute gewesen. Einerseits wusste ich nicht, wie ich meine Begeisterung über deren neues Werk "Through The Ashes Of Empires" einigermaßen gemäßigt rüberbringen sollte, andererseits hatte ich keine Ahnung, wie mein Gegenüber drauf sein würde, da man ihm ja ab und an eine etwas launenhafte Arroganz nachsagt. Aber schon nach den ersten Sekunden waren alle Zweifel ad acta gelegt, denn Robb sprudelte sofort unheimlich freundlich, redselig und gut gelaunt los. Kein Wunder bei einem solchen Killeralbum in der Hinterhand!
Hmm…nicht viel! Habe ein cooles Party-Wochenende in Berlin verbacht und gehe jetzt wieder meinem Job nach, wie du siehst. Und selbst?
Hmm…genauso viel. Habe ein cooles Party-Wochenende in Frankreich verbracht und gehe jetzt auch wieder meinem Job nach, wie du siehst.
Ok, dann lass uns mal jobben! 🙂 Als ich vor etwa zwei Jahren im Zuge der „Supercharger“-Veröffentlichung ein Interview mit Bassist Adam gemacht habe, wollte er nicht mit mir übereinstimmen, dass dieses Album schon ein wenig back to the roots ging. Wie sieht es jetzt bei „Through The Ashes Of Empires“ aus? Songs wie „Imperium“ oder „Bite The Bullet“ haben mich regelrecht weggeblasen.
(klingt unerwartet überrascht) Wirklich? Wow, dankeschön! Diesmal ist es mit Sicherheit eine Ode an unsere Wurzeln, ganz klar. Aber ich höre auch eine Menge neuer Einflüsse und Elemente. Nehmen wir mal den Song „Descend The Shades Of Night“. Er wäre nie und nimmer auf unserem ersten Album gewesen und hätte dort auch nicht drauf gepasst. Aber es lässt sich natürlich nicht verleugnen, dass auf unserem neuen Album mehr „Burn My Eyes“ durchscheint als auf unseren letzten Outputs.
Und wie kam es dazu? Ich hatte immer gehofft, dass ihr wieder solche Songs schreibt, es aber nicht wirklich erwartet.
Bevor ich das beantworte, lass mich noch eines klar stellen: Diese Platte ist NICHT „Burn My Eyes Part 2“. Das war nie unsere Absicht. Wir haben während der letzten Alben immer versucht, von diesem „Fluch“ wegzukommen. „The More Things Change“ war unser Versuch, unser Debüt zu wiederholen, aber wir und auch viele andere finden, dass wir es nicht besser gemacht haben. Wir haben uns dadurch nur selbst in eine Ecke gedrängt, aus der wir dann unter Einbindung diverser Risiken wieder ausbrechen mussten. Jetzt sind wir an einem Platz, an dem wir ähnlich heftige Musik spielen, daran aber auch wieder Spaß haben.
Wenn mich jemand fragen würde, wie ich TTAOE beschreiben würde, würde ich folgendes antworten: Die Energie und Kraft des Debüts ist zurück, aber mit wesentlich reiferem, komplexerem Songwriting. Ist dies im Sinne des Erfinders?
Absolut und definitv!
Sei mal ehrlich: War es in den letzten Jahren nicht nervig, immer und immer wieder auf „Burn My Eyes“ angesprochen zu werden?
Wir wurden gar nicht immer und immer wieder danach gefragt. Es gab nur eine kleine Minderheit, die das gemacht hat. Die große Mehrheit hat eigentlich immer hinter dem gestanden, was mir gemacht haben. Aber das sind halt die Leute, die nicht ständig auf Message Boards im Netz posten, weil sie mit dem, was wir ihnen abgeliefert haben, glücklich waren und es für sich selbst genossen haben.
Was erwartest du für Reaktionen bezüglich des neuen Albums?
Ich erwarte, dass die Leute sehr überrascht sind. Sie erwarten mit Sicherheit ein „Burn My Eyes Part 2“, aber das ist es ja nicht, weil wir viele Dinge anders gemacht haben. Es sind sehr verschiedenartige Songs auf dieser Platte. Wir wollten diese freudige Aufregung und die Frische des Debüts wieder einfangen, ohne sie zu kopieren. Ich denke, das ist uns ganz gut gelungen. Irgendwie ist es witzig, denn viele Leute, mit denen wir gesprochen haben, redeten immer von Rückbesinnung oder Comeback. Der coolste Kommentar, den ich bisher zu TTAOE gehört habe, kam von einem Fan, der gesagt hat: ‚Ich habe nie daran gezweifelt, dass ihr immer noch fähig seid, ein Album wie dieses zu schreiben. Ich habe nur nicht daran geglaubt, dass ihr es wirklich macht.‘ Diese offene Meinung hat mich ziemlich weggeblasen.
Meine erste Assoziation, als ich den Albumtitel samt Coverartwork und den Songs betrachtet habe, war ein völlig zerstörtes Schlachtfeld. Und genau das bleibt zurück, wenn die CD fertig ist. Was steckt für dich hinter dem Titel und dem Gesamtpaket?
Fuck, diese Version gefällt mir viel besser als meine, weswegen ich sie jetzt nicht mehr erzählen werde. Ich bleibe in Zukunft bei deiner. Cool! (lacht)
Thx! 🙂 Aber das Artwork ist trotzdem eher Machine Head-untypisch, oder?
Ja, auf eine gewisse Weise schon. Aber das zieht sich durch das gesamte Album. Es geht um Gegensätze wie Leben/Tod, die Unschuld und deren Verlust, Sonne/Mond. Noch dazu ist der Aspekt, dass aus dem Tod neues Leben entsteht, sehr wichtig. Dies alles soll das Coverartwork symbolisieren, auf dem ein Engel auf einem Friedhof zu sehen ist. Das Reinste, was der Mensch kennt, trifft auf etwas, wovor er sich ungemein fürchtet.
Kommen wir auf deine einmal mehr sehr persönlichen und harten Texte zu sprechen. Worum geht es im gegen das System der Gesellschaft gerichteten „Imperium“ genau?
Es geht darum, dass ich kein Sklave der Dinge sein will, die mir die Gesellschaft diktiert. Ich sollte Sklave des Internets oder Sklave meines Jobs oder Sklave von sonstwas sein. Die Leute werden durch die Medien gebrieft. Jeden Tag rufe ich meine Mails ab und jedes gottverdammte Mal sind mindestens zehn Werbungen für Pillen zur Penisvergrößerung dabei. Es wird einem Glauben gemacht, dass ist ungeheuer wichtig sei, denn Größe bedeutet ja bekanntlich alles, weil dich sonst deine Frau oder die Fauen nicht mehr wollen. Hier wird jeder Mann durch seine Unsicherheiten und Ängste zum Sklaven gemacht. Verdammt nochmal, ich hasse das! (mittlerweile wirklich angepisst klingend) It’s just fucking totally lame! Genau dieselbe Paranoia-Taktik wird in den Nachrichten angewandt. Nimm mal diese ganze SARS-Scheiße von vor ein paar Monaten. Die Nachrichten überschlugen sich fast stündlich mit neuen Horromeldungen: ‚SARS ist DIE neue Plage! SARS ist DIE neue Epidemie! 2004 wird jeder auf diesem Planeten tot sein!‘ Und jetzt stehen wir hier, ein paar Monate später, und wo bitte ist diese Epidemie? Wo bitte ist SARS geblieben? Die Menschen wurden völlig ohne Grund auf paranoid getrimmt. Deswegen schaue ich generell schon kaum noch TV, weil mich das dort Gezeigte wirklich die Wände hoch gehen lässt. Genau dieses Gefühl, dieses Verwehren gegen das Sklavendasein, drückt „Imperium“ aus. Ich brauche keine verfickte Pille, die meinen Schwanz drei Inches länger macht, und deswegen werde ich meine Frau garantiert nicht verlieren.
Wahre Worte! Wieviel dir an diesem Sachverhalt liegt, zeigt auch „Elegy“, das dieses Thema und den unerfreulichen Zustand der gesamten Welt etwas genereller abhandelt.
In diesem Stück geht es eher darum, dass es auf dieser Welt Leute gibt, die immer nur nehmen, ohne zu geben. Dabei steht die Umwelt im Vordergund. „Elegy“ ist quasi unser erster „Natur“-Song, den wir geschrieben haben. Er drückt meine Meinung über dieses Thema aus. Ich werde nie auf ein Podium steigen und von dort aus predigen. Ich erledige das auf meine eigene, „ruhige“ Art und Weise. Ich rede nicht oft darüber. Ich unterstütze diverse Projekte, die versuchen, unserer Erde wieder etwas zurückzugeben. Ich unterstütze diverse Farmen, von denen ich ausschließlich mein Fleisch kaufe. Ich bin bei einigen Charity-Organisationen dabei. Namen werde ich hier jetzt keine nennen, weil das eigentlich nichts zur Sache tut. Das ist einfach mein Teil, den ich der Welt zurückgeben möchte, ohne dafür im Gegenzug wieder etwas zu erwarten. Darum geht es in „Elegy“. Und wenn die Kids dazu einfach nur headbangen und sich um die Lyrics nicht kümmern…auch cool!
Wer ist Lawrence Mathew Cardine, den du während „Left Unfinished“ erwähnst?
Ich wurde nach meiner Geburt zur Adoption frei gegeben. Mit sechs Monaten bin ich dann adoptiert worden. In diesem ersten halben Jahr meines Lebens war Lawrence Mathew Cardine mein Name.
Würdest du zustimmen, wenn ich sage, dass „Days Turn Blue To Gray“ auf eine gewisse Weise musikalische Parallelen zu „Blood Of The Zodiac“ aufweist?
Hey, ich habe jetzt schon zig Interviews hinter mir und du bist der erste, der das endlich mal bemerkt. Fuckin‘ excellent job! Der transportierte Vibe unterscheidet sich sicherlich ein wenig von „Blood Of The Zodiac“, aber der Beat samt der monströsen Gitarrenwände war schon in diese Richtung ausgelegt, ja.
Adam hat vor zwei Jahren auf meine Frage nach damaligen Line-up hin gesagt: „Das ist die Besetzung, mit der wir überleben können.“ Warum hat es nicht geklappt?
Das lag einfach daran, dass Ahrue Luster (ex-Gitarrist, jetzt bei Ill Nino – Anm. d. Verf.) keine Lust mehr hatte, richtig harte Musik zu spielen. Sein Herz schlug im Gegensatz zu unseren nicht mehr für Songs wie „Davidian“ oder „Bulldozer“. Wenn jemand nicht mehr voll hinter unserer Musik steht, kann auch nichts Produktives dabei herausspringen. Es gab keinen „Clash of Egos“ oder etwas in diese Richtung. Es lag nur an diesem Grund. Er geht jetzt seinen Weg und wir unseren.
Das sind gemäßigte Worte von dir. Bei ihm sieht das anders aus. Er hat kürzlich auf blabbermouth.net Machine Head als eine „Robb Flynn-Diktatur“ bezeichnet.
Hat er? Es ist eine Schande, dass er sich auf ein solch niedriges Niveau herablässt. Mehr sage ich dazu nicht.
Es gibt aber auch positive Dinge auf die Besetzung bezogen zu vermelden. Was ist es für ein Gefühl, deinen alten Vio-Lence-Kumpel Phil Demmel wieder mit an Bord zu haben?
It’s killer, man! Wir waren zu Vio-Lence-Zeiten schon ein richtiges Gitarren-Team. Dieses Gefühl wieder zu verspüren, ist einfach großartig. Letztens haben wir beide erst wieder unsere Judas Priest-Alben hervorgekramt, die uns verbinden. (lacht) Wir fahren einfach diese pure Gitarren-Attacke mit Harmonie-Leads, die erstmals in der Geschichte von Machine Head auftreten. Es ist aufregend, wenn eine dermaßen begabte Person wie er auf einmal Part unserer Band ist und seinen Teil zum Gesamten beitragen kann.
Wieviel dieses Vorwärts-zu-den-Wurzeln-Vibes hat er mit in die Band gebracht?
Die meisten Songs waren schon geschrieben, als er dazu stieß. Bei einigen brachte er sich noch als Co-Writer ein. Aber allein die Tatsache, dass er dabei ist, eröffnet uns so viele neue Möglichkeiten. Wir verwenden z.B. wieder Soli in den Songs, wobei seine tausendmal besser sind als meine. He’s rockin‘!
Du hast die Platte selbst produziert. Warum habt ihr euch keinen teuren Produzenten gegönnt?
(schmunzelt) Im Prinzip hast du dir deine Frage gerade selbst beantwortet. Warum einen teuren Produzenten anheuern, wenn man es selbst genauso gut kann? Aber anfangs wollte ich das gar nicht machen. Wir hatten Colin Richardson ins Auge gefasst. Er arbeitete dann aber gerade an einem Projekt eines Freundes, was für uns Verzögerungen bedeutet hätte. Also wollten wir auf Andy Sneap ausweichen, der aber auch beschäftigt war. Dann standen nur noch Leute zur Auswahl, die wir nicht richtig kannten und denen wir deswegen auch nicht 100%ig vertrauten. Also dachten wir uns: ‚Warum sollen wir einem dieser Kerle Geld in den Rachen stopfen, nur damit er Sachen aufnimmt, die wir geschrieben haben?‘ Wir wissen selbst ganz genau, was wir wollen. Ich hatte eine glasklare Vision, wie die Platte klingen sollte und die Jungs haben mir vertraut. Andy Sneap kam nur am ersten Tag rein und stand mir ein wenig zur Seite. Noch dazu hatte ich einen Sound Engineer namens Mark Keaton zu Hilfe, mit dem ich immer meine Ideen austauschen konnte. Er hat während der Produktion eine große und wichtige Rolle gespielt. Besonders, als ich meine Vocals eingesungen habe, hat er mich immer wieder angestachelt. Am Ende kam nur noch kurz Colin Richardson ins Studios und hat unsere Fehler korrigiert. (lacht)
Vor kurzem ist auch euer erstes Livealbum, „Hellalive“, erschienen. Wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Verdammt zufrieden. Es fängt perfekt unseren Vibe und diese vorherrschende „Elektrizität“ auf der Bühne ein. Einige Stücke von „The Burning Red“ und „Supercharger“ haben im Original eine etwas andere Produktion, die vielleicht in manchen Fällen nicht an die Intensität des Livealbums herankommt. Irgendwie sind sie auf „Hellalive“ erst lebendig geworden. Aber sogar ältere Sachen wie z.B. „Ten Ton Hammer“ kommen auf dieser CD viel heftiger.
Im November/Dezember verschlägt es euch wieder nach Europa. Weißt du schon, mit welchem Covermedley ihr diesmal die Massen anheizt?
(lacht) Nein, das ist noch nicht sicher. Wir haben uns wohl schon ein paar Mal darüber unterhalten, aber eine wirkliche Songauswahl ist noch nicht getroffen.
Dann lassen wir uns mal überraschen. „Through The Ashes Of Empires“ ist euer fünftes Album, das euch in absolut wiedererstrakter Verfassung präsentiert. Man wird noch viel von euch hören, oder?
Fuck yeah! Fuck yeah!!
Ich bedanke mich für dieses ausgesprochen coole Interview. See you on tour! Die letzten Worte gehören dir.
Leute, wir kommen im November zu euch, um euer Bier und euren Wodka zu trinken! Come on down, join us and lose your minds!