Lunar Shadow
"Diese Art der Anonymität, dieses Verschwinden in der Masse, das war für mich eine absolute Offenbarung."

Interview

“Es gibt keine super schnellen Shred-Soli mehr, ich wollte mal ausprobieren, ob ich auch ohne Gefrickel etwas bedeutsames hinbekomme.”

Eine der auffälligsten Neuerungen ist der Sound, der dem Material die perfekte Atmosphäre gibt. Wieder habt ihr mit Max Hermann in Leipzig aufgenommen. – Die ideale Arbeitspartnerschaft?

Unbedingt. Wir sind einerseits persönlich befreundet, aber es bietet mir auch die perfekte Arbeitsumgebung. Wir wohnen 15 Gehminuten voneinander entfernt, wir können schnell und spontan Zeug aufnehmen oder austauschen.
Max hat auch einfach ein super Gehör und, lapidar ausgedrückt, Geschmack. Er weiß, was man an einer kleinen Stelle vielleicht noch anders machen könnte, ein Snareschlag, eine etwas anders gezupfte Bassnote. Viele kleine, aber wertvolle Ideen stammen immer aus seinem Fundus.

Er hat außerdem viel Geduld mit mir Vollidiot. Ich kann anstrengend sein. Ich gehe halt auch gerne mal ins Studio, verkünde, dass ich ein Solo neu einspielen will, mache das 30 Minuten, nur um dann zu beschließen, dass wir doch den ersten Take nehmen. Er trinkt dann einen Orangenschnaps und weiter geht’s.

Konzertfoto von Lunar Shadow auf dem Hammer and Iron 2020

Lunar Shadow auf dem Hammer and Iron 2020

Apropos Sound: Hast du dein Equipment verändert, um ihn so zu erreichen, wie er ist? Wenn ich mich richtig erinnere, hattet ihr ja bisher extra das gleiche Equipment, das auch auf „The Jester Race“ zum Einsatz kam, benutzt, um diesem Sound nahezukommen. Hattet ihr wieder Referenzen anderer Alben oder Bands, denen ihr nahekommen wolltet?

Ja, habe ich tatsächlich. Alle Musik von LUNAR SHADOW wurde bis dato auf meiner 2004 gekauften Jackson SLSMG (“Siren”) eingespielt. Die passte jetzt nicht mehr zur aktuellen Musik und kann nun langsam mal in wohlverdienten Ruhestand. Benutzt habe ich diesmal überwiegend eine umgebaute Greco-Strat von 1979, die hat mir netterweise Martin von PROWLER geborgt. Einige Rhythmusspuren habe ich mit einer Telecaster eingespielt.

Wir haben diesmal kein festes Setting gehabt, wie beim letzten Album. Ich gebe Max ein paar Referenzen, was den Gitarrensound angeht (BEASTMILK, CHAMELEONS) und die Drums (WHITE LIES) und dann bauen wir was eigenes draus. Die Amps waren diesmal ein alter Marshall und ein Fender Tone Master.

Auch euer Sänger Robert Röttig passt inzwischen noch besser ins Gesamtbild. Natürlich ist er jetzt schon länger in der Band, ich glaube aber auch, dass die Musik seiner Stimme mehr entgegen kommt, als das bisher der Fall war.

Stimmt. Robert war auf “The Smokeless Fires” noch relative neu in der Band, hatte noch nie professionell aufgenommen oder sowas wie Overdubs eingesungen. Wir haben diesmal erstmals richtige Pre-Production gemacht und uns alle Gesangsspuren schon mal so gut es ging zurecht gelegt. Das sollte Zeit sparen, mit Betonung auf “sollte”. Leider mussten wir dann unsere Gesangssessions aus diversen Gründen arg verkürzen und wurden nicht fertig. Diverse Sachen musste Robert also noch daheim mit Equipment von Max einsingen.

Bei „I Will Lose You“ singst du zum ersten Mal selbst und ich muss gestehen, es wäre mir fast nicht aufgefallen. Wie kam es dazu?

Jeder hat Stärken und Schwächen als Sänger. Robert ist technisch stark und geht eher nach vorne. Mir fehlt etwas die Technik, ich kann aber ruhige, emotionale Stellen teils etwas besser, auch, da ich die Texte schreibe und der Bezug viel stärker ist. Der Song “I Will Lose You” ist mir persönlich sehr wichtig und ich musste diesen Part am Ende einfach singen. Es geht um Liebe, kann man nicht erklären. Musste einfach so sein.

Ich habe ja ein ganz gutes Selbstbewusstsein, aber wenn ich singen muss, zum ersten Mal allein, da hatte ich auch etwas kalte Füße. Erstaunlicherweise wird das in Rezensionen wirklich kaum erwähnt. Ich war total baff. Merken das die Leute wirklich nicht? Ich habe da vielleicht einen anderen Blick drauf, aber das hört man doch? Da singen doch zwei völlig unterschiedliche Leute? Verrückt.

Fast allen neuen Songs ist gemein, dass sie weniger Parts haben und eingängiger sind. Auch die Lead-Gitarren sind deutlich reduziert. Ist es dir schwerer gefallen, solche Stücke zu schreiben als bei den komplexeren, epischeren Nummern der Vergangenheit?

Ja, richtig erkannt. Da steckt in der Tat Absicht dahinter. Ich habe mich diesmal reduziert. Es gibt keine super schnellen Shred-Soli mehr, ich wollte mal ausprobieren, ob ich auch ohne Gefrickel etwas bedeutsames hinbekomme. Zudem habe ich den Fokus mehr auf die Rhythmusgitarre gelegt. Auch die Drums sind bewusst etwas einfach gehalten, alles, um dieses beruhigte, geradlinigere zu betonen.
Ich habe mich damals beinahe ein bisschen gegen “Eingängigkeit” gewehrt, das ist aber im Grunde unsinnig. Eingängigkeit kann auch etwas Gutes sein, so lange sie nicht in die Trivialität abrutscht.

Ihr schließt den Kreis wieder mit „The Darkness Between The Stars“, der einerseits sehr episch ist und andererseits Blast Beats, DISSECTION-Melodien und den ersten Screams von Robert aufwartet – auch ein älterer Song?

Nein, der Song ist auch neu. Relativ “klassisch”, es passiert viel in dem Track. Sicher erst einmal ziemlich verwirrend für die Hörerschaft. Hier singe ich übrigens auch, nämlich die kompletten letzten drei Minuten. Auch der Song handelt von einer ganz besonderen Person, der Text ist mir sehr wichtig und das Ende konnte nur ich singen, da durfte kein anderer ran.

Die Screams von Robert sind in der Tat cool geworden. Wir sind da drauf gekommen, weil Robert mit unserem Basser Sven nebenbei eine Powerviolence-Band betreibt, daher wollte ich das mal an dieser einen Stelle einbauen.

Ziemlich überragend finde wieder die visuelle Gestaltung. Nicht nur das Artwork passt sehr gut zur irgendwie eskapistischen Musik, die Fotos sind auch sehr stimmungsvoll. Auf einem davon verlässt du deinen Körper.

Die Fotos hat mein guter Freund Sebastian Wünsche gemacht, den ich in einer düsteren Nacht vor Jahren in der Zwille zu Leipzig kennenlernte. Die Fotos sind jedoch eher aus der Not geboren, ich hatte durchaus vor, klassische Gruppenfotos zu machen. Ich bin ja auch sowas wie der künstlerische Leiter in spe, ich dirigiere die Fotos, Posen, Outfits. Herrlich, das ist jedes Mal ein Fest. Wir konnten uns aber wegen Corona einfach nicht treffen, zumal wir mittlerweile fast alle komplett verstreut leben. Also habe ich entschlossen, dieses Problem halt künstlerisch zu lösen. Die Jungs haben Porträtaufnahmen von sich selbst gemacht, ich habe sie ausgedruckt und gerahmt und Wünsche hat dieses wundervolle Setting aufgebaut, mit viel Liebe zum Detail. Alles analog und durch Doppelbelichtung. Ich bin auch sehr happy mit den Bildern.

Das Artwork von Denis Forkas Kostromitin habe ich beim Stöbern entdeckt. Ich interessiere mich ja persönlich sehr für Kunst und habe seine Malerei schon seit einigen Jahren verfolgt. Als ich dann über seine Traumstudie gestolpert bin, hat mich das Bild regelrecht angesprungen und ich wusste sofort, dass das unser Albummotiv werden muss. Die perfekte Repräsentation des Albums. Isolation, Verlangen, Bemühen, Fallen, Kämpfen, Verwirklichen.

Lunar Shadow - Wish To Leave Cover Artwork

Für das Artwork griffen LUNAR SHADOW auf die „Traumstudie“ von Denis Forkas zurück.

Galerie mit 11 Bildern: Lunar Shadow - Party.San Metal Open Air 2022

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Quelle: Max "Savage" Birbaum / Live Fotos: Janine Ulbrich (metal.de) / Promo Foto: Sebastian Wünsche; Anette Feller
29.03.2021

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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