Lunar Aurora
Interview mit Aran zu "Hoagascht"

Interview

Lunar Aurora

2007 haben LUNAR AURORA vorerst das Ende ihres Schaffens verkündet. Das ist jetzt mehr als fünf Jahre her und bereits im vergangen Sommer hatte Kollege Alboin das Vergnügen, mit einer der bedeutensten Black Metal-Bands Deutschlands über ihre Wiederkehr zu sprechen. Nun ist Anfang 2012 und mit „Hoagascht“ haben die Oberbayern neben einem eindrucksvollen neunten Album auch ihre Rückkehr musikalisch untermautert. Wir sprachen mit Aran über das Album, eventuelle Widerveröffentlichungen vergriffener Werke und warum die Band wohl nicht mehr auf die Bühne zurückkehren wird.

 

Hallo, erst einmal hoffe ich, ihr seid wohlauf?!

Man lebt, danke!

LUNAR AURORA lag ja einige Zeit auf Eis und ziemlich lange war unklar, ob ihr wirklich noch einmal etwas aufnehmen werdet. Dann kam im Sommer die Ankündigung eines neuen Albums, das nun seine Veröffentlichung findet. Wie fühlt es sich an, nach einer doch recht langen Pause wieder ein Album fertigzustellen?

Wir machen seit jeher die Musik in erster Linie, weil es eine freie Ausdrucksform für uns ist. Von Album zu Album sind die äußeren Voraussetzungen dafür unterschiedlich. Wir sind es also gewohnt, eher experimentell und improvisierend zu arbeiten. Somit fühlt es sich gut an, wenn aus den Wirren der Zeit wieder ein Album das Licht der Welt erblickt.

Ohne Forendiskussionen jetzt überzubewerten, aber wenige Alben im Black Metal-Bereich wurden in den letzten Jahren vor einer Veröffentlichung, allein anhand von Samples und ähnlichem, so sehr diskutiert wie „Hoagascht“. Fühlt ihr euch als Musiker eher geehrt oder lässt euch sowohl das Lob, als auch die gespannte Haltung eurer Hörerschaft und die sicherlich vorhandenen kritischen Bemerkungen eher kalt?

Durch Internet-Foren wird es in der Musikwelt wie im Fußball: es gibt die Spieler und rundherum tausende Hobby-Schiedsrichter. Jeder weiß es besser oder zumindest anders. Natürlich ist es schön, wenn die Leute über unsere Musik reden, aber im Großen und Ganzen macht das für uns keinen Unterschied. LUNAR AURORA ist ein recht fließender Prozess. Erwartungen sind sicher da, aber wenn man alle erfüllen möchte, müsste man für jeden Hörer ein eigenes Album aufnehmen. Wir erschaffen die Musik in ruhigen Momenten im eigenen Kämmerlein. Dabei geht kein einziger Gedanke an die Außenwelt. Somit arbeiten wir eher unbewußt gegen jegliche Strömungen oder Einstellungen. Vielleicht in unserer heutigen Zeit ein schönes Gut, wenn man unaufgeregte Musik macht. Säbelrasseln und Wichtigtuerei gibt es schon genug.

Daran gleich anschließend. Ich hatte weder auf „Andacht“ noch jetzt auf „Hoagascht“ Probleme mit dem Drumcomputer, ich finde ihn tatsächlich äußerst organisch. Dennoch war das oft genug der Anstoß für Kritik. Kannst du das nachvollziehen, oder denkst du, es liegt eher daran, dass bekannt ist, dass das Schlagzeug aus der Dose kommt und man es erst deshalb überhaupt wahrnimmt?

Das ungeübte Ohr hätte vermutlich nicht realisiert, dass es ein „Drumcomputer“ ist. Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle sagen, dass es eigentlich kein Drumcomputer im herkömmlichen Sinne ist. Man baut sich Schlag für Schlag eine „Noten-Matrix“ und anschließend sampelt der Rechner reale, analoge Audiofiles. Was man auf „Hoagascht“ hört, sind analoge Klänge, die gewisse Programme in ihrer (kostspieligen) Sound-Library anbieten. Das sind hochwertige Programme, die wir uns da angelegt haben und keine billigen Drumcomputer mit irgendwelchen digitalen Dosenklängen.
Im Prinzip ist es der umgekehrte Weg zum „Triggern“. Wir haben zuerst Daten und anschließend analoge Audiospuren. Beim Triggern hat man zuerst analoge Quellen und anschließend (fast) nur noch Digitales.
Natürlich geht nichts über einen echten Schlagzeuger, aber wir haben das Beste aus unserer Situation gemacht. Es soll sich also keiner über einen Drumcomputer beschweren, wenn er nicht weiß, wo die Unterschiede liegen.

Aber jetzt mal wirklich ans Album. Ihr habt diesmal komplett auf Blast Beats verzichtet und auch sonst hat „Hoagascht“ einen komplett eigenen Charakter. Ich empfinde es als ziemlich einnehmend und ruhig, aber trotzdem erdig und kraftvoll. Musik zum Versinken, wenn man so will. Wie würdest du die Stimmung der acht Stücke beschreiben?

Das Album ist in der Tat sehr erdig und „verwurzelt“. Verwurzelt im wahrsten Sinne, denn bei der Entstehung des Albums spielte hauptsächlich die innere Auseinandersetzung mit unserer oberbayrischen Heimat eine Rolle. Die acht Lieder transportieren eine Zentriertheit und Rückbesinnung, die man hoffentlich als Aussenstehender etwas erspüren kann. Aber in deiner Frage lese ich genau diese stimmige Assoziation.

Du hast ja bereits im Sommer (im Interview mit Kollege Alboin) davon gesprochen, dass das Album nicht in Richtung „Andacht“ gehen wird, sondern eher mit etwas früheren Werken verglichen werden kann. Hat sich diese Aussage deiner Meinung nach bestätigt oder ist es doch etwas ganz und gar Eigenes?

Beides. Es ist etwas Eigenes, und zugleich hat es Anleihen an ältere Alben. Stimmungsmäßig wollte ich sogar einen Bogen bis zurück zu den Demos spannen. Ist zum Teil gelungen, was ich als Musiker aber sicher anders sehe als der Hörer.

LUNAR AURORA wurde trotz allen eigenen Ansätzen immer in die Black Metal-Schublade verfrachtet und wird es vermutlich auch diesmal. Da ihr euch Interviews aber immer davon distanziert habt, einer Szene anzugehören (was natürlich nicht zwangsläufig etwas mit der eigenen Musik zu tun haben muss) würde mich interessieren, wie viel Black Metal eurer Meinung nach in LUNAR AUROA steckt. Ist die Band – und vor allem „Hoagascht“ – überhaupt so leicht in eine Schublade zu stecken?

Um das eindeutig zu beantworten, müsste man klären, was Black Metal ist. Und da scheiden sich bekanntlich die Geister. Aber lassen wir die Erbsenzählerei beiseite. Im Allgemeinen zeichnet sich Black Metal durch gewisse stilistische Eigenheiten aus und diese findet man eben auch bei LUNAR AURORA. Rein musikalisch kann man uns somit in diese Ecke stellen, aber ideologisch nicht. Wir halten seit Bestehen der Band nichts – aber auch rein garnichts – vom Satanismus! Und noch peinlicher wird es in meinen Augen, wenn die Leute anfangen, den Satanismus unterschiedlich auszulegen. Wir lehnen zudem jegliche einschlägigen okkulten Schriften und deren Vordenker ab! Gleiches gilt für das ganze heidnische Gedöns. Vor allem dann, wenn es mit Satanismus gekoppelt wird. Alles, was in eine destruktive und lebensverachtende Richtung geht, findet bei LUNAR AURORA keinen Platz. Natürlich behandeln wir abgründige Themen, aber diese sind nicht polemisch oder lebensfeindlich. Wir leuchten in unser eigenes Dunkel. Und manches Dunkel ist nicht dunkel im Sinne von negativ, sondern im Innersten sehr licht.
Man kann uns gerne in eine Schublade stecken, aber was das Thematische anbelangt, nicht.

Lunar Aurora

Ihr habt diesmal alle Texte in Oberbayrisch verfasst, was sich meiner Meinung nach gut in die Musik einfügt und einen ganz eigenen Charme entwickelt. Worin lag für euch der Reiz eure Texte in dieser Form zu gestalten. War das eine einmalige Sache oder ist für die Zukunft ähnliches zu erwarten?

Das war eine einmalige Sache. Im Falle von „Hoagascht“ hat es einfach gepasst. Die Musik entwickelte sich in eine erdige Richtung, die Idee mit den bayrischen Texten schwebte rum… so fand eines zum anderen. Der Reiz lag zudem darin, sich einmal in dem Dialekt auszudrücken, mit welchem man aufgewachsen ist. Die Sprache beeinflußt meiner Meinung nach schon auch das Denken. Beziehungsweise die ganze Kultur, aus der man stammt, beeinflußt durch die Sprache auch das Denken. In unserem Fall wollten wir einmal so schreiben, wie uns der Schnabel gewachsen ist.

Um kurz bei den Lyrics zu bleiben. Es würde ja naheliegen, dass „Hoagascht“ ein Konzeptalbum über eure Heimat ist. Soweit ich das bislang verstanden habe, ist dem aber nicht so. Daher die Frage: Was erwartet den Hörer in den Texten und hältst du es für schwierig für nicht-Bayern, die Texte zu verstehen?

Aran: Die Texte sollten in Deutschland recht gut verständlich sein. Inhaltlich ist es kein klassisches Konzeptalbum. Konzeptionell befasst es sich mit Bayern, aber nicht mehr. Den Hörer erwarten in den Texten unsere eigenen Assoziationen mit unserer oberbayrischen Heimat. Keine alten Sagen oder alte Geschichten, sondern unsere Verbindung und Spiegelung. Wer ländlich aufwachsen konnte, weiß vielleicht ein wenig, was ich meine. Vertraute Wälder, Wege, Bäche, Berge… all das verbindet sich mit Erinnerung, mit Bildern hinter den Bildern. Landstriche haben ihre eigene Seele und ihre eigenen „Bewohner“. Unsere Texte sind diesmal sehr leicht zu verstehen… den Rest darf jeder selber heraushören- und lesen.

Mit einem gewissen Maß an Enttäuschungen habe ich mitbekommen, dass es wohl keine Liveauftritte von LUNAR AURORA mehr geben wird. Liegt es daran, dass es zu umständlich wäre, ein komplettes Line Up auf die Beine zu stellen oder stehst du Konzerten ohnehin eher ablehnend gegenüber?

Wir haben einige Besetzungswechsel hinter uns und haben nun einfach keine Lust mehr, noch großartig Leute anzulernen. Darüber hinaus zieht es mich mit LUNAR AURORA nicht mehr auf die Bühne. Vielleicht eines Tages mit einer anderen Band, aber mit LUNAR AURORA ist für mich das Thema durch.

Ihr seid aktuell nur zu zweit, nach dem Whyrhd zurückgekehrt ist und Sindar die Band verlassen hat. Wird Sindar eventuell in Zukunft wieder dazustoßen bzw. gibt es überhaupt Bestrebungen, das Line Up zu erweitern, um einen Drummer eventuell?

Wie sich das in der Zukunft gestaltet, kann ich nicht sagen. Es gibt zur Zeit keine Pläne bezüglich Besetzung. Ein Session-Drummer für eine Studioaufnahme kann ich mir vorstellen. Aber dann auch „nur“ für ein neues Album. Ansonsten haben wir im Moment echt nichts geplant.

Es halten sich ja hartnäckig die Gerüchte, dass eure ersten Alben, die längst vergriffen und horrende Preise auf diversen Internetplattformen erzielen, neu veröffentlicht werden, unter anderem auf Vinyl. Wie viel ist da dran und wenn ja, gibt es da schon konkreteres zu vermelden?

Im Moment ist „Of Stargates and Bloodstained Celestial Spheres“ als LP geplant. In diesem Jahr sollte auch noch die Split mit PAYSAGE D’HIVER auf CD veröffentlicht werden. Weitere Wiederveröffentlichungen sind im Gespräch, weil in der Tat noch genug Nachfrage besteht und weil Online-Verkäufe nicht maßlos werden sollen. Genaueres sollte sich noch in diesem Jahr ergeben.

Zu guter Letzt bleibt ja immer die Frage, wie es nun weitergeht. Im Sommer sagtest du all eure Konzentration liegt auf dem Album, nun steht es kurz vor der Veröffentlichung. Daher also die Frage, werdet ihr in Zukunft weiter mit LUNAR AURORA musizieren und gibt es noch andere Projekte, an denen ihr aktuell werkelt?

Sindar hat KAMERA OBSKUR, wobei ich nicht sicher bin, ob da von vornherein ein zweites Album geplant war. Ansonsten arbeite ich mit einer Bekannten an einer Musik, die sich eher mit leisen Klängen den Grimms Märchen widmet. Aber das wird eher nächstes Jahr konkret. Tja, und ein weiteres LUNAR AURORA Album ist in Planung. Aber es stehen erstmal nur ein paar Ideen im Raum.

An dieser Stelle bleibt es mir nur noch, dir vielen Dank für das Interview zu sagen und dir die abschließenden Worte des Gesprächs zu überlassen.

Danke für die Fragen und alles Gute! Servus!

Lunar Aurora

03.03.2012

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