Lunar Aurora
Lunar Aurora

Interview

Zwölf Jahre, acht Alben, zwei Demos und einiges an Vinyl. Das ist die beeindruckende Bilanz von LUNAR AURORA, die sich nach dem Release ihres letzten Albums "Andacht" am 8. Januar 2007 für unbestimmte Zeit verabschieden. Metal.de hatte die große Ehre des letzten Interviews mit Aran, der die Band seit einem Jahr fast im Alleingang anführt. Während eines entspannten Telefongespräches gab es ausreichend Gelegenheit, über alle offenen Fragen noch einmal in Ruhe und ausführlich zu sprechen. Heraus gekommen ist dabei unter anderem: nichts, aber auch wirklich gar nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das Interview ist, auf Grund seiner beträchtlichen Länge, in die Kapitel ANDACHT, DER ANFANG und DAS ENDE unterteilt. Zum besseren Verständnis empfehle ich, die Rezension zu "Andacht" vor dem Interview zu lesen.

ANDACHT

Guten Abend Aran! Ist bei Dir gerade Sonnenaufgang?

Es ist generell ein Wandlungspunkt, sagen wir es mal so. Es ist ein Neubeginn – das bezieht sich auf die Musik und generell auf das gesamte Leben.

Ich finde, diese Metapher hat doch etwas durchaus Aufklärerisches, man tritt aus dem Dunkel heraus ins Licht…

Das mit Sicherheit auch, ja. Es kann gut sein, dass sich das in Zukunft auch auf meine Musik auswirken wird, das weiß ich aber noch nicht. Dieses ganze ruppige, düstere, verschrobene Blackmetallige würde ich für die nächste Zeit dabei aber wirklich erstmal ausschließen. Das ist keine generelle Abkehr von der bisherigen härteren Musikrichtung, mehr eine Gefühlssache. Ich möchte in der nächsten Zeit einfach einiges ausprobieren, im wahrsten Sinne des Wortes andere Akkorde anschlagen.

Ist das also Dein „Werdegang“ für die nächste Zeit?

Für mich privat vielleicht schon. Dieser Satz in der Digipack-CD ist aber natürlich nicht nur von mir und auf mich bezogen, sondern auch allgemein auf die Band. Ich weiß, dass es anderen aus der Band gerade jetzt auch so geht, dass dort auch viele Dinge im Umbruch sind. In meinem konkreten Fall ist es aber wirklich so, dass ich gerade aus einem gewissen Schatten heraustrete, das ist schon wichtig.

In gewisser Weise ist der heutige Tag, der Erscheinungstag des neuen und vorerst letzten LUNAR-AURORA-Albums „Andacht“, aber doch ein besonderer Tag, an dem ein neues Kapitel für Dich beginnt, oder?

Nicht unbedingt der heutige Tag, weil das Album bei uns natürlich schon etwas früher angekommen ist, vor ein oder zwei Wochen. Ich bin aber schon auf die Reaktionen gespannt, ich gehe mal davon aus, dass sich die Lager noch mehr teilen werden mit diesem Album, dass noch mehr Leute „Buh!“ schreien und andere es um so mehr loben werden.

Hast Du schon Reaktionen bekommen?

Nein, gar nichts. Nur Marcel von NOCTE OBDUCTA meinte „hey, das ist ja Dark Rock“… oder so was in der Art.

Das sieht ihm ähnlich… wer sammelt sich bei dieser „Andacht“, der Musiker oder der Hörer?

In erster Linie der Musiker. Wenn der Hörer es dann auch schafft, sich dabei zu sammeln, dann ist schon ein gewisses Ziel erreicht. Wir streben aber natürlich nicht an, dass der Hörer sich die Scheibe an hört und sofort in stille Meditation verfällt, das ist wohl klar.

Spielt Stille eine gewisse Rolle bei diesem Album, auch wenn es sehr laut ist?

Vielleicht nicht unbedingt Stille, aber Ruhigwerden, eine gewisse Meditation vielleicht – wenn man sich die Musik anhört und sich nicht mit anderen Dingen nebenher beschäftigt, das alles einfach auf sich wirken lässt… dann in gewisser Weise schon.

Hat das, was Du auf diesem Album ausgedrückt hast, zu einer gewissen Stille in Dir geführt? In dem Sinne, dass Du etwas ausgesagt und abgeschlossen hast, das Dich vorher unruhig hat sein lassen?

Die Stille war eher vorher vorhanden. Es war eher so, dass die Gemütsverfassungen, die bei mir eine Rolle gespielt haben, um das Album zu erstellen, mit dem Album einen Abschluss gehabt haben. Ein Album ist für mich eine Art akustisches Tagebuch, und in dem Moment, wo es veröffentlicht wird, ist es auch schon ein Kapitel für mich.
Um auf Deine Frage zurück zu kommen: das war eher ein Prozess „währenddessen“. Das, was das Album aus macht oder trägt ist nicht mehr unbedingt das, was mich heute noch bewegt.

Würdest Du denn sagen, „Andacht“ ist noch ein Black-Metal-Album? Ich finde das nicht (mehr), unter anderem auch wegen solcher Zeichen wie den Bandfotos, die Euch das erste Mal ungeschminkt und sehr neutral zeigen, im Grunde wegen der ganzen unblackmetalhaften Ästhetik.

Das ist schon richtig so, ja. In einem vorigen Interview habe ich bereits gesagt, dass es kein Black-Metal-Album mehr ist. Zwar war das mit einem zwinkernden Auge gesagt, aber es ist schon etwas daran, ja. Jetzt würden einige wieder an fangen mit „jaaaa, aber was ist denn Black Metal, definiere mir das mal bitte!“, aber im größeren Kontext gesehen ist es für mich kein Black-Metal-Album.

Was ist es dann? Ist es überhaupt ein Metalalbum?

Jetzt kommen wir in den Bereich der Musikkategorien… Metalalbum… Black-Metal-Album. Ich weiß es nicht. Ich kann nur soviel sagen, dass es für mich Musik ist und schon immer war, solange wir Musik machen, in der ich nur die Musikstile verwende, die meine Gefühle ausdrücken können. Wenn meine Gefühle durch Pop ausgedrückt werden wollten, würde ich Pop machen. Die Musik ist für mich Mittel zum Zweck, aber natürlich auch noch mehr! In diesem Fall ist es so ausgefallen, auf den Alben davor ebenso, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Es hat auch nicht den Flair, denke ich…

So hätte ich es vielleicht auch zu erklären versucht. Das fängt schon bei den Texten an, finde ich… da kann man zwar auch wieder fragen, was Black-Metal-Texte eigentlich sind, aber mir sind sie doch zu fernab von „typischen“ Black-Metal-Texten. Wir waren da zwar schon immer auf einer anderen Schiene, aber diesmal sind sie noch privater ausgefallen als sonst. Ich bin auch ganz froh darüber, dass ich selten zu den Texten befragt werde. Zwar könnte ich ein bisschen darauf ein gehen, aber diesmal sind sie schon sehr privat ausgefallen, was es dann noch umso schwerer machen würde, sie auch noch zu erklären.

Das trifft sich gut, ich habe auch keine einzige Frage dazu…

Ja ja, schnell ’rausreden… 😉

Wirklich nicht. Zwar gibt es ein paar Themen die ich interessant finde, zum Beispiel den Einfluss von Otfried Preußlers „Krabat“ auf „Findling“…

Stimmt, tatsächlich… aber es ist eher ein emotionaler Einfluss. Wir greifen kein Thema aus dem Buch auf.

… oder „Das Ende“, über das man gar nicht diskutieren muss…

Das bezieht sich gar nicht unbedingt auf die Band, falls Du das meinst. Das hat sich eher zufällig ergeben.

… alles in allem finde ich die Texte aber durchaus, nun, nicht unbedingt „durchschaubar“, aber doch klar und verständlich.

Das stimmt, ja.

Trotzdem hat das Album einige wirklich überraschende Momente. Mit programmiertem Schlagzeug hat sicherlich nach sieben Alben mit Drummern aus Fleisch und Blut niemand mehr gerechnet. Wie kam es dazu, trotz eines doch eigentlich bis zu den Aufnahmen kompletten Line-Ups?

Das war eine Notlösung. Im Laufe des Jahres 2006, so etwa ab Mai oder Juni, haben wir festgestellt, dass wir langsam Zeitprobleme bekommen würden. Wir wollten hier und da live spielen, haben das auch getan, und hatten dann ein simples Zeitproblem. Entweder konnten wir im Proberaum alte Stücke einstudieren, dann blieben aber neue Songs zwangsläufig auf der Strecke – oder aber, wir legen den Schwerpunkt auf die neuen Lieder und können dafür nicht so oft live spielen.
Für unsere Verhältnisse haben wir dann aber doch recht viele Konzerte gespielt, und nebenher sind zu Hause die neuen Stücke entstanden, hauptsächlich aus meiner Hand und der meines Bruders Sindar. Irgendwann haben wir fest gestellt, dass wir das alles nicht unter einen Hut kriegen würden. Dann kam das Zeitproblem unseres Schlagzeugers dazu (er ist selbstständig und hat zwei Kinder), weswegen er es nicht immer regelmäßig in den Proberaum geschafft hat. Wir haben uns dann intern abgesprochen und entschieden, dass wir das Schlagzeug programmieren, weil wir schon so weit mit den Songs und so kurz vorm Studioaufenthalt waren. Zwar hätten wir auch erst Mitte oder Ende 2007 das Album auf nehmen können, aber das widerstrebte mir einfach. Wenn ich Lieder habe, dann müssen sie auch schnellstmöglich vertont werden können, sonst liegen sie ewig in meinem Kopf oder auf dem Rechner herum und verstauben. Es handelt sich also um eine Notlösung.

Keine Streits und keine Unfähigkeiten also…

Nein, überhaupt nicht.
Dazu kam ab Mitte 2006 der Umstand, dass sich viele Dinge die Hand gegeben haben: auf der einen Seite das zeitliche Problem, auf der anderen, gerade bei mir, das Gefühl einfach irgendwo auch einen Schnitt machen zu wollen. Ich sah mich auf Dauer limitiert in der Proberaumarbeit. Das hat schon 2004 oder 2005 angefangen. Ich wollte Dinge umsetzen, für die ich immensen technischen Aufwand hätte betreiben müssen, bis zum Rechner-in-den-Proberaum-Schleppen, Sampler kaufen und dergleichen. Das hat sich dann alles die Hand gegeben, so dass ich die Möglichkeit genutzt, den Schnitt gemacht und zu Hause das Schlagzeug programmiert habe.
Das möchte ich übrigens auch auf dem neuen TRIST-Album verstärkt einfließen lassen, wo überraschenderweise auch Gitarre und Schlagzeug zu hören sein werden.

Ich finde allerdings, dass Ihr diese Aufgabe sehr gut gemeistert habt. Der ungeübte Hörer wird den Unterschied zu einem menschlichen Drummer, vor allem mit dem recht sterilen Drumsound von „Mond“ im Hinterkopf, vermutlich nicht hören. Habt Ihr sonst alles um setzen können, was Ihr für die Produktion im Kopf hattet?

Für mich ist ein Album seltenst perfekt. Im Nachhinein sehe ich schon ein paar Punkte, die ich gerne verbessern würde. Trotzdem ist „Andacht“ ein Album, das ich mir noch längere Zeit werden anhören können. Bei früheren Alben war das nicht der Fall, weil ich mir dachte „nein, es geht noch besser“ und gleich nach vorne geschaut und weiter gearbeitet habe. Alben wie „Mond“ oder „Zyklus“ habe ich mir bis heute nicht mehr an gehört.

Auch die älteren Alben nicht mehr, vielleicht im Zuge der Wiederveröffentlichungen?

Auch kaum, muss ich sagen. Das mit den Wiederveröffentlichungen hat auch nur den Grund, dass es einfach noch Nachfrage danach gibt. Auch im Zusammenhang mit dieser leidigen Internetversteigerei. Wir wollen da einfach ein bisschen entgegenwirken.
Hin und wieder höre ich mir die Alben natürlich noch an, aber doch sehr selten.

Whyrhd ist im Booklet als Gastsänger an geführt, obwohl er ja Ende 2005 aus der Band ausgestiegen ist. Der Gesang ist meiner Meinung nach auch komplett anders als auf den vorigen Alben. Wer hat jetzt was gesungen?

Das erste Stück, „Glück“, hat Sindar komplett alleine gesungen. Der Text ist von ihm, und da dies eine sehr persönliche Angelegenheit ist, wollte er das gerne selbst machen. Den Rest habe hauptsächlich ich gesungen. Whyrhd hat den einen oder anderen Satz zugeteilt bekommen, aber mehr auch wirklich nicht – keine Gitarren, kein einziges Riff, keine einzige Melodie.

Konsequent…

Schon. Aber auch das war ein Charakter der Zeit, des Jahres 2006. Er hat sich vorgenommen, sich zurück zu lehnen, sich auf sein Label Cold Dimensions zu konzentrieren und sich das alles von außen an zu schauen. Lange Zeit war es ja auch klar, dass wir in neuer Bandformation weiter machen würden. Mit den späteren Problemen konnte Whyrhd auch nicht rechnen. Hinterher hat er auch oft gesagt, wenn er gewusst hätte, dass es sich so entwickeln würde, hätte er doch mehr beigesteuert. Nun hat es sich so ergeben, und das ist auch in Ordnung.

Hat sich vom Gefühl her denn vieles in der Band verändert, seit er nicht mehr dabei ist? Immerhin habt Ihr über zehn Jahre zusammen bei LUNAR AURORA gespielt.

Nein, das ist mir nicht direkt aufgefallen. Das liegt aber ebenfalls daran, dass ich in einer Phase war, in der ich sehr vieles in sehr kurzer Zeit herunterreißen wollte, weil ich hungrig danach war, etwas Neues zu machen. Das wirkt negativer als es ist. Das ist einfach alles im Fluss der damaligen Zeit untergegangen. Wir hatten eine Zeitlang genügend Angebote, um fast jedes Wochenende live zu spielen, und diese Zeit verging so schnell, dass mir das nicht mehr auf gefallen ist.
Die Arbeitsaufteilung hat sich ganz natürlich neu gebildet… natürlich fehlte mir Whyrhd, aber mehr als Person, denn die Musik läuft immer irgendwie weiter.

Stört es Dich als Perfektionist, dass das Booklet leider ein paar kleine Fehler hat?

Das ist mir wirklich ziemlich sauer aufgestoßen, weil das schon peinliche Fehler sind. Es geht da um Anführungsstriche in einer Schriftart, die das Presswerk wohl nicht erkannte. Das war wieder so ein Tritt hinterher, wo ich mir dachte „na, das musste wohl wieder sein…“.
Das ist aber schon wieder bezeichnend für dieses Album, das teilweise mit letzter Kraft und mit Ach und Krach ins Studio herübergewuchtet wurde. Das Grundflair des Albums ist für mich auch etwas kraftlos… das Jahr war für mich sehr hart, und ich habe teilweise doch mit etwas zu wenig Kopf gearbeitet. Es fiel mir schon manchmal sehr schwer, das alles umzusetzen, sich aufzurappeln, das alles zu bearbeiten, aufzunehmen, abzumischen, immer dabei zu sein, immer aufmerksam zu sein. Für mich selbst, ich kann nicht für die anderen sprechen, ist das Album wirklich mit letzter Kraft fertig geworden. Da ist es gar nicht so ungewöhnlich, dass sich da Fehler einschleichen, das sind schlichte Konzentrationsschwierigkeiten.
Ich glaube, bei solchen Fehlern würde sich jeder auf regen, im Großen und Ganzen würde ich mich aber schon als Perfektionist bezeichnen – wobei ich meist an mir selbst scheitere, weil es einfach unmöglich ist etwas auf die Beine zu stellen, das vollkommen gelungen ist.

Ich habe gesehen, Ihr hattet einen Videotrailer zum Album vorab gemacht. Wie rockstarmäßig!

Ja genau. Eigentlich wollten wir das auch richtig toll machen! (lacht)
Der Trailer ist in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entstanden, das hat genau eine Stunde gedauert. Ich hab’ einfach das Bildmaterial zusammengestellt, was zusammengebastelt… eine kleine Spielerei. Am Schluss dachte ich mir, das könnte man ins Netz stellen. Der Trailer war vier Tage online, und dann haben wir ihn wieder runter genommen.

Tja, wenn man sich’s leisten kann… hehe.

Ursprünglich ist diese Traileridee übrigens deswegen entstanden, weil wir die wirklich noch in weiter weiter, fiktiver Ferne liegende Idee hatten, einmal ein Album in Form eines Films, mit Impressionen und anderen Bildern zu erstellen. Aber das kann wirklich noch einige Jahre dauern, falls es überhaupt irgendwann passiert. Dieser Trailer war also ein Test dafür, wie manche Bildern mit Musik kombiniert wirken.

„Andacht“ hat viele Parallelen zu den alten Alben, finde ich. Einige Worte in den Texten erinnern daran, auch das Cover, das „Elixir Of Sorrow“ nicht ganz unähnlich ist. Ist das auch ein Resümee für Dich selbst?

Ja, ich sehe da auch Parallelen zu dem „Of Stargates And Bloodstained Celestial Spheres“-Album und zu „Elixir Of Sorrow“, das ist richtig. Von der Stimmung und Melancholie aus „Elixir…“ und der düsteren, sumpfigen Atmosphäre von „Of Stargates…“ her ähneln sich die Alben schon sehr.
Dieser Resümee-Effekt ist nicht geplant gewesen, wir haben ihn aber auch festgestellt, als wir im Studio fast kurz vor dem Mastern standen und der endgültige Klang feststand. Das ist aber unbewusst geschehen.

Ist die Eingängigkeit, mit den vielen Strophe/Refrain-Schemata und klaren Strukturen, dem Ohrwurmcharakter, auch unbewusst?

Eher ungewollt. Als wir anfingen das Schlagzeug zu programmieren, hatten wir einfach noch nicht die Sicherheit, das alles am Rechner umzusetzen. Wir sind die Sache einfach etwas vorsichtiger angegangen und haben die Stücke zunächst simpler gestrickt. Inzwischen sind wir etwas sicherer bei der Programmierung. Das ist eben nicht wie im Proberaum, wo man einfach drauflosspielen kann und Übergänge, Breaks, Läufe, Riffs aus Situationen heraus entstehen. Zu Hause am Rechner klingt das alles erst einmal wie mit angezogener Handbremse gespielt.
Allerdings haben wir darauf geachtet, das Schlagzeug wirklich durchgehend zu programmieren und nichts einfach zu kopieren.

DER ANFANG

Wie bist Du zum Black Metal gekommen?

Das hat bei mir mit 14 oder 15 angefangen mit der damals normalen Metal- oder Death-Metal-Musik. Whyrhd habe ich mit 17 kennengelernt. Eines Tages bin ich in sein Auto eingestiegen und habe dort die EMPEROR/ENSLAVED-Split gehört. Da wusste ich vom Fleck weg, dass es das ist, was ich gesucht hatte. Das war kein langsames Hinführen. Vorher hatte ich zwar schon DARKTHRONEs „Under A Funeral Moon“ gehört oder die ersten BATHORY, aber das hat mich noch nicht wirklich gepackt.

Und Ihr habt noch im Auto zusammen LUNAR AURORA gegründet? 😉

Genau. (lacht) Ich habe damals schon in einer Band gespielt. Wir hatten genau ein Lied. Ich habe den Schlagzeuger rausgeworfen und zusammen mit Whyrhd weitergemacht, den Namen in LUNAR AURORA geändert, und dann ging es erst richtig los. Das ging alles innerhalb eines Jahres, sehr schnell also.

1994 gab es, korrigiere mich bitte, außer DESASTER, UNGOD und vielleicht MARTYRIUM keine ernst zu nehmende Black-Metal-Band in Deutschland. Was war das für eine Zeit damals?

Ich glaube, MARTYRIUM gab es gerade nicht mehr. Eventuell noch EMINENZ?! Und MOONBLOOD natürlich.
Auch wenn das jetzt nach Klischee klingt und viele das gerne so hoch halten, aber für mich hat das wirklich einen sehr mystischen, entrückten Flair. Das ging auch mit der Musik einher. Alles war sehr verträumt. Das ist aber keine Vergangenheitsverklärung. Es war damals für mich wirklich so. Man hat damals kaum Leute gefunden, mit denen man das teilen oder sich austauschen konnte. Wir haben uns hier und da getroffen, nicht unbedingt nur im Proberaum, sondern auch auf Wanderungen, zu denen wir Musik mitgenommen haben zum Beispiel. Das war schon etwas sehr Zurückgezogenes, sowohl der Flair des Ganzen als auch das persönliche Umgehen damit.

Vielleicht spielte da auch eine Rolle, dass Ihr in Bayern – nichts gegen Bayern… – ziemlich fernab lebt?

Das stimmt schon. Gerade was Bayern anbelangt, auch heute noch, hat man viel weniger Musiker um sich herum. Im nördlicheren Deutschland ist das ein kleineres Problem, eine Band auf die Beine zu stellen, einen Metalclub zu finden oder dergleichen.
Damals konnte ich mich schon nicht so recht damit identifizieren, wie im Black Metal Texte geschrieben, Logos dargestellt, mit dem ganzen übergeordneten Thema „Dunkelheit“ umgegangen wird. Das hat sich bis heute durchgezogen. Ich mache die Musik, weil ich damit das ausdrücken kann, was ich ausdrücken möchte, nicht umgekehrt. Diese ganzen erzwungenen Standards brauche ich nicht.

Wir haben uns schon oft über gewisse Missstände in der „Szene“ unterhalten. Was hat sich im Umgang der Menschen mit dieser Musik und miteinander geändert, wenn Du 1994 einmal mit heute vergleichst? Schätzt jemand eine Veröffentlichung noch, wenn er sie sich innerhalb von fünf Minuten als MP3 im Netz besorgt, anstatt sie über Umwege aus Norwegen per Post als Cassettendemo zu bestellen?

Das ist eine zweischneidige Sache. Ich finde es in Ordnung, dass die ganze Sache durch das Internet ein bisschen zugänglicher oder leichter verfolgbar wird. Die andere Seite der Medaille ist, was ich allerdings ebenfalls gut finde, dass sich viele Leute (wohl meist unfreiwillig) schneller entlarven als früher. Man kriegt viel schneller mit, was hinter einer Band steckt, wie sie sich präsentiert, was sie in Interviews sagt. Sicher ist es auch 1997 oder 1998 schon so gewesen, dass gerne mehr Leute Musik gemacht hätten, aber es nicht konnten, weil sie zu Hause nicht die technischen Möglichkeiten dazu hatten. Heute kann jeder Hinz und Kunz mal schnell ein Demo zusammenzimmern. Es ist aber nicht so leicht, wie sich das einige Leute vorstellen.
Wie gesagt, eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite ist es interessant, auf der anderen Seite steht die Schnelllebigkeit, die Beliebigkeit. Jeder kann überall herumwirken, auf sich aufmerksam machen, aber dadurch merkt man eben auch, dass Klasse nicht durch Masse wett gemacht werden kann.
Allgemein gesagt haben wir es aber auch mit einer zunehmenden Verblödung zu tun, so abgedroschen das klingt. Es ist ein Unbewusstsein unterwegs, es ist erschreckend. Das zieht sich eben auch bis in diese Musikkreise hinein. Die Menschen, die diese Musik machen kommen ja nicht aus dem Nichts, sondern stehen natürlich auch in gewisser Weise in dieser Gesellschaft. Ich will nicht unfair gegenüber anderen Generationen klingen (ab zehn Jahren Unterschied kann man da von einer Generation reden), aber ich finde schon, dass da eine Menge tumber Leute nach kommen. Da wird über gewisse Feinheiten einfach hinweg gegangen.

Inwiefern lebt für Dich im Black Metal auch ein Stück Rock’n Roll? Ist nicht auch diese Musik ein Stück weit Rebellion?

Mit Sicherheit. Nun war das bei uns aber nie stark vertreten und kam eher zu Tage, wenn wir live gespielt haben. Riffs, die auf einem Album eher sphärisch oder getragen wirken, kommen auf der Bühne dann schon ein bisschen schmissiger ’rüber. Prinzipiell ist dieser Rock’n-Roll-Aspekt natürlich vorhanden und auch wichtig. Immerhin hat sich diese Musik auch irgendwo daraus entwickelt. So verklärt und vergeistigt sich Black Metal auch oftmals zeigt, er hat, wie Du schon sagtest, auch einen rebellischen Charakter.

Ihr hattet über Jahre immer wieder Probleme mit dem Line-Up. Im Kern bestand LUNAR AURORA dabei immer aus Whyrhd, Sindar und Dir. Was waren das für Probleme, und welchen Einfluss hatten sie auch auf Deine heutigen Entscheidungen?

Das kann ich nicht pauschal sagen, weil wirklich jeder, der irgendwann einmal in der Band mitgewirkt hat, ganz eigene Persönlichkeiten mitgebracht hat, die dann auch wieder dazu geführt haben, dass sie auch wieder verschwunden sind – teils freiwillig, teils unfreiwillig. Einmal waren das banale Gründe, wie dass jemand zu weit weg gezogen ist, das andere Mal haben wir gemerkt, dass es einfach an Einfühlungsvermögen mangelt. Das reichte also von ganz banalen bis zu grundlegenden Einstellungsgründen. Uns hat schon gewundert, was daran so schwer sein soll…
Sicher hat das auch das jeweilige Flair jedes Albums zusätzlich unterstützt und verstärkt dafür gesorgt, dass jedes Album anders klingt. Wenn man zum Beispiel mit einem anderen Schlagzeuger spielt, färbt das schon sehr ab.
Diese Probleme waren auch ein Grund, ganz klar. Die Leute sind zwar immer noch da, wir haben immer noch den Proberaum und unsere Sachen dort stehen, obwohl wir das Kapitel demnächst auch abschließen und unser Zeug abholen werden. Theoretisch könnten wir zwar jetzt, 2007, wieder anfangen zu proben. Die Leute sind da, die Einstellung ist noch da, und vielleicht wäre mittlerweile auch wieder mehr Zeit da. Ich habe aber einfach keine Lust mehr.
Proberaumatmosphäre ist zwar durch nichts zu ersetzen, aber momentan ist Heimarbeit einfach mehr mein Geschmack.

Warum war Skoarth als einziger aus dem letzten Live-Line-Up auf dem Album noch mit dabei? Ist LUNAR AURORA eigentlich der Grund, warum er ODEM ARCARUM verlassen hat?

Weil er doch von allen noch das meiste Engagement gezeigt und die meiste Zeit dafür geopfert hat, um auch eigene Ideen und Vorstellungen mit einfließen zu lassen. Er war einfach noch an der Entstehung des Albums beteiligt.
Ich denke, dass wir mit ein Grund waren, aber nicht der Hauptgrund. Er hat selbst noch eine eigene Band, das waren dann zu dem Zeitpunkt drei, und das war ihm zuviel. Wie gesagt, es haben sich im Jahr 2006 so viele Dinge die Hand gegeben. Er hätte sowieso bei ODEM nicht mehr spielen wollen, die anderen hatten keine Zeit, ich hatte dann auch keine Lust mehr und viele andere, neue Ideen, auch mein Geschmack hat sich ein bisschen geändert. Das hat zu einer recht natürlichen und harmonischen Entwicklung geführt, es gab nie dicke Luft, auch wenn manche Leute uns das von außen einreden möchten.

Woher nimmt man die Kraft, über zwölf Jahre all die Labelwidrigkeiten und Line-Up-Wechsel wegzustecken und eine Band auf so konstant hohem Niveau so stark zu führen?

Das ist einfach der unbedingte Drang, diese Musik machen zu müssen. Wir waren bei „Zyklus“ an dem Punkt, dass wir wirklich alles alleine gemacht haben und soweit waren, dass wir die Musik nur noch für uns gemacht haben. Zwar wird man immer einen Tonträger in der Hand haben, auf den man stolz sein kann. Aber wir waren wirklich an dem Punkt, an dem wir das alles nur noch so rausgebracht hätten, damit wir zufrieden sind mit dem, was wir für uns verwirklichen können.
Es ist dann aber doch eine zwiespältige Angelegenheit. In dem Moment, wo man etwas veröffentlicht, und sei es nur für Dich und einige nahe stehende Leute, ist der Schritt, es mehreren Leuten zugänglich zu machen, naheliegend und logisch. Ich möchte dann einfach auch gewisse Leute erreichen. Es kann mir niemand weismachen, er würde Musik wirklich nur für sich machen und andere nicht daran Teil haben lassen. Jeder Mensch braucht Bestätigung und wenn er eine „Botschaft“ hat, dann muss die raus!!!

Was machen Eure ehemaligen Mitglieder heute? Nathaniel und Profanatitas, zwei alte Schlagzeuger, haben gerade unter dem Namen MORTUUS INFRADAEMONI zeitgleich mit „Andacht“ ein Album veröffentlicht. Aber was treibt der Rest, Eure erste Keyboarderin Biil beispielsweise? Habt Ihr noch Kontakt?

Überhaupt nichts. Von Biil habe ich gar nichts mehr gehört, seit mindestens zehn Jahren keinen Pieps. Sie ist damals Mutter geworden, das weiß ich noch, mehr nicht.
Mit dem Schlagzeuger von „Of Stargates…“ und „Ars Moriendi“ habe ich noch etwas Kontakt. Er fühlt ein ganz normales Leben, hat geheiratet, plant ein Kind, hat einen Hund usw. Er kam aber nie aus der Black-Metal-Richtung, er war einfach nur ein guter Schlagzeuger. Ich kannte ihn schon aus Schulzeiten, seit ich zehn oder elf war.

Wie wichtig ist Dir spielerische Fähigkeit, nicht nur bei Deinen Mitmusikern? Hört man beispielsweise das erste und das letzte Album im Vergleich, so trennen die beiden spielerisch keine Welten. Ist Können am Instrument für Dich nur Mittel zum Zweck?

Bisher war ich schon der Ansicht, dass ich nur so viel können muss wie ich brauche, um das auszudrücken, was ich möchte. Wenn ich an einen Punkt komme, an dem ich noch etwas mehr Können und Geschicklichkeit brauche, um etwas umsetzen zu können, würde ich mich aber auch reinhängen und schauen, dass ich sicherer an der Gitarre werden.
In den letzten Tagen habe ich mir allerdings gedacht, dass ich zwar seit 15 Jahren Gitarre spiele, aber noch auf keinem hohen Stand bin. Das möchte ich in nächster Zeit wieder intensivieren und mich selbst fordern, auch Musik machen, die in höhere Schwierigkeitsgrade vorstößt. Nicht um der Schwierigkeitsgrade Willen, aber ich möchte einfach nach längerer Zeit für mich selbst wieder technisch anspruchsvoller werden.

DAS ENDE

Kommen wir nun, in mehrerlei Hinsicht, langsam zum Ende. Was natürlich die meisten Leser dieses Interviews interessieren wird: warum? Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Zufall ist, dass sich die einflussreichste Black-Metal-Band Deutschlands jetzt zurück zieht, nach NAGELFAR und NOCTE OBDUCTA die dritte und vielleicht wichtigste Größe. Das ist doch schon so etwas wie ein Zeichen.

Die Gründe lagen wirklich, wie eben schon besprochen, nur innerhalb der Band und bei mir, das ist meine persönliche Entscheidung. Ich habe zu keinem Zeitpunkt nach außen geblickt und mir gesagt, wir haben an diesem Zeitpunkt eine musikalische Entwicklung in der Szene erreicht, die mir nicht mehr entspricht. Diese Entscheidung hatte keine äußerlichen Gründe.
Es scheint dann eher ein günstiger oder ungünstiger Zeitpunkt zu sein, nachdem sich schon andere Bands aufgelöst haben. Das mag gewollt aus sehen, als ob wir hier noch einmal ein Zeichen setzen wollten. Das ist aber nicht so!!! Es ist für jeden Einzelnen persönlich einfach ein Punkt gekommen, an dem wir eine Pause machen möchten. Das klingt jetzt nicht sehr abenteuerlich, aber das ist der Grund.
Natürlich kann es einen ärgern (und das tut es auch), was „draußen“ passiert, aber das würde mich nie in meinem musikalischen Schaffen beeinflussen. Das wäre ja äußerst schwach! Ich habe mich nie um das Gerede irgendeiner Szene gekümmert, warum sollte ich jetzt damit anfangen? Ich lebe die Musik in mir und in meinem stillen Kämmerlein, und alles außerhalb davon beeinflusst mich nicht im Geringsten.

Gab es früher schon Momente, wo Du nahe daran warst aufzuhören?

Sicher, über die Jahre gab es immer mal wieder Phasen, wo wir am untersten Punkt waren. Trotzdem schien wohl der Zeitpunkt nicht gekommen zu sein aufzuhören.

Whyrhd hat vor ein paar Wochen anklingen lassen, dass Ihr Euch zu dritt (er, Sindar und Du) sicher zusammensetzen würdet, um zu Hause weiterhin Musik zu machen. Wird man also doch noch von LUNAR AURORA hören?

Momentan gibt es kein Konzept. Zwar habe ich immer wieder Gespräche mit Whyrhd, dass wir uns im Laufe oder am Ende des Jahres 2007 einmal zusammensetzen und schauen wollen, ob das Entstandene überhaupt zusammenpasst. Wir lassen uns dann aber überraschen, ob das, was wir da getrennt voneinander vor uns hingebastelt haben überhaupt zusammen zu schmieden ist, geht es ineinander oder passt es nicht? Wenn nicht, dann nicht!
Das ist die für mich momentan befreiendste Art und Weise Musik zu machen. Wie ich vorhin schon sagte, habe ich mich früher schon oft limitiert gesehen, weil ich Dinge im Proberaum einfach nicht so um setzen konnte, wie ich es gerne gehabt hätte. Diese Möglichkeit habe ich eben jetzt am Rechner.
Ich merke gerade, dass ich mir selbst widerspreche. Vorhin habe ich mich noch darüber beschwert, dass jeder Hinz und Kunz zu Hause am Rechner Musik macht, und jetzt betone ich das bei mir selbst. Ohne arrogant klingen zu wollen: es gehört aber dann doch eine gewisse Geschicklichkeit und Erfahrung dazu, um das dann auch umsetzen zu können…

Konzerte wird es aber keine mehr geben?

Ich denke nicht, ich kann mir das mit den momentanen Leuten nicht vorstellen. Zwar hätte ich schon Lust, eines Tages mal wieder auf einer Bühne zu stehen, aber unter welchem Namen und in welcher Konstellation weiß ich wirklich noch nicht. Der Reiz ist schon noch da. Allerdings habe ich durch die letzten Auftritte schon recht schnell wieder die Lust daran verloren.

Vielleicht hören wir also auch von einer neuen Band mit Dir?

Wir machen das davon abhängig, inwieweit das, was jetzt entsteht, noch zu LUNAR AURORA passt.

Vorher steht aber die Veröffentlichung des neuen TRIST-Albums „hin-fort“ an. Was erwartet uns da?

Das Album wird Schlagzeug und Gitarre enthalten und sehr primitiv gehalten sein. Ich taste mich langsam daran, wie gut es möglich ist, Dark-Ambient-Klänge und Black Metal miteinander zu verbinden. Das möchte ich ihn Zukunft ausbauen. Ob sich das noch als LUNAR AURORA bezeichnen lässt wird sich zeigen. Uns schweben auch andere Bandnamen vor, die dann ein ganz anderes Gefühl transportieren würden.
Andererseits trägt unsere Musik natürlich auch unsere Handschrift. Wir hatten als LUNAR AURORA immer eine gewisse Ausdrucksfreiheit, so dass wir auch ein ganz anders klingendes Album unter diesem Namen veröffentlichen können. Ich lasse mich da überraschen.

Welcher Stil, Dark Ambient oder Black Metal, hat für Dich mehr Potential, das auszudrücken, was Du in Dir trägst?

Beides, deswegen versuche ich es auch zu kombinieren. Tendenziell geht das für mich persönlich aber in Richtung Dark Ambient. Man kann damit Tiefen erreichen, die man mit Black Metal niemals erreicht.

Dir ist sicher bewusst, dass Ihr als Band eine große Vorbildfunktion für jüngere Musiker habt. Was ist der Schlüssel dazu, so intensive Musik zu machen?

Das höre ich immer wieder, aber ich bin da sehr vorsichtig und lasse das nicht so an mich heran. Natürlich ist das schmeichelhaft. Ich war aber nach jedem Album noch unzufrieden, wollte alles noch besser machen und konnte nie verstehen, was alle daran immer sooo toll finden und warum keiner wie ich hört, dass manches total vergeigt ist.
Diese Frage, wenn auch kurz formuliert, ist sehr umfassend. Das ist ganz schwer zu sagen. Man muss, auch wenn es pathetisch klingt, fühlen können. Nicht nur was die Musik angeht, sondern auch, wie man als Mensch gestrickt ist. Es gibt keine Rezepte. Gefühle lassen sich nicht vorreden.
Mir fällt gerade ein: manchmal hilft es schon, die Gitarre zu stimmen. (lacht) Vor kurzem habe ich ein Demo bekommen… die Musik ist ganz in Ordnung, aber das komplette Demo hindurch ist die Gitarre verstimmt. Man kann sich das nicht ’reinziehen. Unglaublich…
Eines, das mir dazu noch einfällt ist: man muss immer bei sich selbst nachhaken. Man sollte Riffs nicht einfach so hinknallen, gleich aufnehmen und dann nie mehr überdenken. Oft habe ich bei neuerer Musik das Gefühl, dass bei 60 Minuten Musik genau 20 Sekunden eine gewisse Tiefe erreichen. Das muss ein Musiker doch auch selbst merken und sich selbst sagen, dass er diese Momente ausweiten muss… sofern sie kein Versehen waren! Bei diesem Nicht-Dranbleiben an seinen eigenen Vorstellungen kommt so eine Bequemlichkeit zu Tage, die der Mensch heute vielleicht allgemein hat. Dieses Schnelllebige, Lieblose… man braucht auch Zeit und Muße, um Musik zu machen. Bei vielen fängt es schon damit an, dass sie nicht einmal ruhig werden können.

Kannst Du das immer, hast Du in Deinem Leben die Möglichkeit dazu?

Teilweise schon zu oft, ja. Ich arbeite von zu Hause und bin nicht darauf angewiesen, jeden Tag vor die Tür zu gehen und mich mit Menschen zu konfrontieren. Das ist schon manchmal, gezwungenermaßen, mit sehr viel Stille verbunden.

Lebst Du von Deiner Grafikarbeit?

Von der Hand in den Mund, ja. Ich hatte schon Vollzeitjobs und verschiedene Berufe und habe dort immer wieder gemerkt, dass ich einfach nicht „im Team“ arbeiten kann. Das ist allein ein absolutes Brechreizwort für mich. Auch das klingt wieder nach Klischee, aber es geht einfach nicht…

Du könntest im Keller Post sortieren…

(lacht) Ja, man merkt dann aber auch wie die Musik nachlässt, wenn man zwölf Jahre im Keller Post sortiert. „The Cult“ war wieder ganz in Ordnung, aber die letzten Alben davor, „Plaguewielder“ und so, fand ich ziemlich schwachsinnig.

Ist dieses Dein letztes Interview?

Für mich persönlich ist es das letzte Interview, ja. Wenn sich jetzt herumspricht, dass wir aufhören, kommen sicher noch viele Anfragen für „letzte Konzerte“ und auch Interviews, aber für mich ist es das letzte. Dann ist wirklich Schluss, Schicht im Schacht. Für mich ist immer die Essenz gewesen: Musikmachen und Klappehalten… also halte ich jetzt auch die Klappe!

09.01.2007
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