Lost World Order
Lost World Order
Interview
Aus SPECTRE DRAGON entstanden, machen die Bielefelder LOST WORLD ORDER mit ihrer aktuellen Platte "This Apparatus Must Be Earthed!" ordentlich Stunk und beweisen, dass Thrash Metal made in Germany immer noch verdammt geil sein kann. Sänger und Gitarrist Mätty gab Einblicke, in eine verlorene Weltordnung…
Zugegeben, vom Timing her war das nicht besonders glücklich. Andererseits gründet die Umbenennung gerade auf der Tatsache, dass wir mittlerweile auch viel überregional spielen. Wir haben schon seit Jahren über den Namenswechsel nachgedacht, und solange sich alles noch mehr oder weniger lokal abspielt, ist ein Namenswechsel noch machbar. Ich denke zwar nicht, dass wir in Sachen Popularität in nächster Zeit durch die Decke gehen, aber so haben wir wenigstens hinsichtlich der Namensgebung Klarheit geschaffen.
Die eigentlichen Gründe für den Namenswechsel liegen jedoch woanders. Wir konnten uns mit SPECTRE DRAGON einfach nicht mehr identifizieren. Die Band war zu ihrer Gründung 1990 noch irgendwo im Classic Metal/Speed Metal verwurzelt und hatte dementsprechend Fantasy-lastige Texte. Mit dem Ausstieg unseres alten Sängers vor mittlerweile immerhin zehn Jahren haben wir uns musikalisch in eine andere Richtung entwickelt, und ich wurde nicht nur Sänger, sondern auch Texter.
Zunächst habe ich mich auch an Fantasy-Texten versucht, aber das liegt mir einfach nicht. Mein Interesse an diesem Genre ist auch mittlerweile weitgehend verloschen, obwohl ich früher gern mal entsprechende Bücher gelesen und Rollenspiele gespielt habe. Heutzutage lese ich höchstens mal Terry Pratchet oder ziehe mir einen alten Conan-Film rein.
Die Texte gründen mittlerweile auf realen Themen und lassen auch Krieg und soziale Themen nicht außen vor. Für das letzte SPECTRE DRAGON-Album „Beyond Creation“ hatten wir uns als zentrales Thema Endzeit gesetzt, und dieses Thema setzt sich mit LOST WORLD ORDER zumindest teilweise weiter fort. Wir interpretieren die „Neue Weltordnung“ eben auf eine relativ negative Art und Weise. Meiner Meinung nach ist die Menschheit nicht mehr weit davon entfernt, sich selbst zugrunde zu richten. Und dazu schreiben wir den Soundtrack, musikalisch und textlich.
Ist LOST WORLD ORDER eine komplett neue Band, sprich mit neuen Musikern? Oder ist LOST WORLD ORDER einfach SPECTRE DRAGON, nur eben umbenannt?
Letzteres. Wir sind dieselben vier Chaoten, spielen dieselbe Art von Musik und quälen uns weiter durch die Weltgeschichte, haha
„This Apparatus Must Be Earthed!“ klingt herrlich nach der alten 80er Schule, natürlich erweitert um neuere Elemente. Beabsichtigt ihr dies beim Songwriting? Wollt ihr auf Teufel komm raus nicht wie eine moderne Thrash-Metal-Band klingen?
Witzig, dass Du das sagst, die ganz harte Thrash-Basis wirft uns nämlich vor, zu modern zu sein! Wir wollen jedenfalls um keinen Preis auf der Retro-Thrash-Welle mitschwimmen. So gut ich Bands wie BONDED BY BLOOD, WARBRINGER oder GAMA BOMB auch finde, so sehr bin ich davon überzeugt, dass dieser Trend in einigen Jahren wieder vorbei sein wird. Diese Bands haben eine Menge Energie und schreiben teilweise wirklich tolle Songs, aber auch die Retro-Welle geht eines Tages vorbei. Letztlich werden die meisten dieser Bands wahrscheinlich eine Randnotiz in der Metal-Geschichte bleiben, denn der Markt dafür ist nicht eben riesig. Als Referenz werden in Zukunft weiterhin die Originale herhalten.
Damit will ich nicht sagen, dass wir in den Köpfen der Leute eher hängen bleiben, wahrscheinlich eher im Gegenteil, aber wir sind nicht Teil einer Retro-Welle.
Wir spielen seit Jahren das, was uns in den Sinn kommt. Wir lieben Thrash Metal, aber es macht keinen Sinn, verkrampft irgendeinen Sound kopieren zu wollen. Wir leben im Hier und Jetzt und spielen die Musik, die uns hier und jetzt Spaß macht. Auf “This Apparatus Must Be Earthed!“ gibt es ja auch ungewöhnliche Stücke wie „My Will Be Done“, „Await The Reaper“ oder „Slow Death Of A Serial Killer“, und wir weichen auch oft von den üblichen Songstrukturen ab.
Der Sound mag vielleicht ein wenig old-fashioned klingen, das war jedoch nicht unbedingt Absicht. Unser Ziel war es, einen dynamischen Sound zu schaffen, der nicht völlig überkomprimiert ist, wie das bei vielen modernen Produktionen der Fall ist. Wenn das nach Old School klingt, habe ich damit sicher kein Problem, ich bin ja selbst ein Metalhead der alten Schule. Wir sind halt nicht solche Dogmatiker wie viele andere neue Bands und auch Fans, für uns sind auch nach 1983 noch gute Alben erschienen, haha.
Was ich sagen muss ist, dass die Tracks auf „This Apparatus Must Be Earthed!“ auch nach mehrmaligem Hören nicht langweilig werden. Zieht ihr euch die Stücke denn „privat“ auch rein? Oder werden die Stücke abseits von Studio, Proberaum und Bühne ad Acta gelegt?
Danke für die Blumen! Direkt nach den Aufnahmen will ich erst mal ne Weile nichts mehr von dem Zeug hören, aber nach einigen Wochen lege ich die jeweilige Scheibe wieder auf. Wir machen Musik ja in erster Linie für uns – deswegen haben wir auch eine Vinyl-Version von „This Apparatus Must Be Earthed!“ pressen lassen – und hören sie uns auch mal gern an. Außerdem ist es sehr wichtig, das eigene Schaffen zu reflektieren und die Erkenntnisse beim nächsten Album anzuwenden. Es gibt auf jedem Album einige Sachen, die ich im Nachhinein gern anders machen würde, und das ist auch gut so. Wenn man nichts an einem Album findet, das aus eigener Sicht verbessert werden kann, kann man im Grunde genommen aufhören, Musik zu machen, dann wird man nämlich nie wieder mit seinem eigenen Material zufrieden sein.
Wer ist denn bei euch für die Songs hauptsächlich verantwortlich? Gibt es einen kreativen Kopf, der die Songs ausarbeitet? Oder erledigt ihr das in Gemeinschaftsarbeit?
Die Riffs stammen von uns Gitarristen, und oft kommen wir auch mit komplett fertigen Stücken in den Proberaum. Unsere Rhythmussektion prägt den Stücken jedoch ihren eigenen Stempel auf. Unser Basser McZ ist ein extrem kreativer Bassist und hat zudem einen sehr hohen Anspruch an sich selbst und die Songs insgesamt. Unser Drummer Draconiz ist ein ausgezeichneter Arrangeur und spielt die Stücke grundsätzlich anders, als wir uns das im Vorfeld gedacht haben. Meistens klingt das Ergebnis dann sogar besser als geplant.
Zuweilen kommen wir auch nur mit einfachen Riffs in den Proberaum und arbeiten dann gemeinsam an den Stücken. Das sind meist die, die ein wenig ausgefallener sind, weil man als einzelner Komponist doch ein wenig straighter denkt, wenn man nicht gerade Mikael Akerfeldt (OPETH, Anm. d. Red.) heißt.
Sobald die Stücke ausgearbeitet sind, nehmen wir meist ein Demo auf, anhand dessen ich mir Gesangslinien ausdenke und wir unsere Soli erarbeiten. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Stücke noch mal deutlich verändern. Wir haben übrigens gerade ein Rehearsal mit vier neuen Stücken aufgenommen.
Wie Objektiv geht ihr an neue Stücke ran? Lasst ihr alles auf euch zukommen oder gibt es einen gewissen Plan, bevor ihr mit dem Songwriting beginnt?
Der Plan lautet: all killers, no fillers! Die Beurteilung, ob das immer so klappt, ist letztlich dem Hörer überlassen, aber wir versuchen, aus jedem Song einen Killer zu machen. Ich denke, bei der aktuellen Scheibe ist uns das auch weitgehend gelungen. Allerdings sind wir der Ansicht, dass sie wieder einmal ein wenig zu lang geraten ist. Das nächste Album wird also weniger Stücke beinhalten. Trotzdem bin ich von den aktuellen Songs extrem begeistert und stehe besonders auf die abwechselnden Stakkato-Rhythmen, die wir hier und da mal eingestreut haben.
Wo seht ihr eure Wurzeln? Thrash, Death oder ganz woanders?
Metal! Wir hören innerhalb der Band eigentlich alles quer durch den Garten, von RAINBOW bis OPETH, von NIFELHEIM bis NEVERMORE. Der Thrash-Stil iegt uns ganz gut, aber ich denke, dass man aus unseren Stücken auch viele andere Einflüsse heraushört.
Meiner Meinung nach bedient ihr ganz klar das Thrash-Clientel. Seht ihr das genauso? Oder seht ihr euch eher im Death Metal angesiedelt?
Doch, wir sind schon eine Thrash-Band. So etwas kann man ja nicht nur an der Musik festmachen, gerade die Live-Show ist ja auch prägend für eine Band. Und wir entfachen live ein echtes Thrash-Inferno. Die Death Metal-Einflüsse gründen ja hauptsächlich in meinem Gesang, den ich aber auf jedem Album variiere. „Apparatus“ ist ziemlich brutal gesungen, die neuen Stücke verlangen jedoch etwas mehr Melodie, so dass ich wohl versuchen werden, den Zetro in mir zu wecken, nachdem ich diesmal eher von Martin van Drunen inspiriert war.
Ihr habt ja schon die ein oder andere Show unter dem Banner LOST WORLD ORDER gezockt. Wie waren denn die Resonanzen seitens der Fans?
So richtig viele Fans hat man als Band von unserem Status ja nicht. Aber die, die uns vorher mochten, mögen uns eigentlich immer noch. Wir spielen ja auch in vielen Gegenden, in denen wir vorher nie waren, und meistens klappt es auch, das Publikum auf unsere Seite zu ziehen.
Spielt ihr live denn auch Stücke von SPECTRE DRAGON? Wenn ja, welche Nummern kommen besser an: Die von SPECTRE DRAGON oder von LOST WORLD ORDER?
Wir spielen auch ältere Stücke, aber einen richtigen Unterschied in den Reaktionen kann ich nicht festmachen. Klar, die, die unsere Alben kennen, haben momentan noch die älteren Songs besser im Kopf, aber vor einem komplett fremden Publikum macht das eigentlich nix aus. Wir spielen auch momentan eher die SPECTRE DRAGON-Stücke, die wir vorher wenig oder gar nicht gespielt haben, weil wir von den Standards mal ein wenig Pause brauchen. Momentan kommen da eher Stücke wie „Providence“ oder „…To The Cellar“ zum Zug, und eventuell bauen wir auch mal wieder „Masterplan“ ins Set ein.
Ihr geht im Herbst ja auf Tour mit CRIPPER und HATRED. Werden die Gigs nur am Wochenende stattfinden oder handelt es sich hier um eine komplette Tour?
Wir sehen das schon als komplette Tour, denn es sind immerhin bereits fünfzehn Gigs gebucht, und es kommen sicher noch ein paar dazu. Aber stattfinden wird die Sache nur an den Wochenenden, für ein derart unbekanntes Package geht kaum jemand unter der Woche auf ein Konzert. CRIPPER haben sich zwar in der letzten Zeit verdientermaßen einen sehr guten Namen gemacht, aber ich denke, dass auch sie unter der Woche noch nicht die Massen in die Clubs ziehen. Unser Konzept sieht auch anders aus: wir spielen an den Wochenenden, machen die Online-Werbung selbst und geben Flyer und Plakate an die Clubs weiter. Dazu kommt in den meisten Städten noch eine lokale Band, die auch einige Leute zieht, womit sich ein ziemlich attraktives Package ergibt. Für uns ist das vergleichbar mit der KREATOR/SODOM/DESTRUCTION-Tour oder dem Schweden-Ding mit ENTOMBED/UNLEASHED/DISMEMBER und GRAVE. Wir sind zwar weitaus unbekannter, aber drei Bands, die zum einen sehr gut befreundet sind und zum anderen dem Publikum mächtig den Hintern versohlen. Glaub mir: wenn der Triple Thrash Treat in der Stadt ist, geht niemand enttäuscht nach Hause!
Hier noch unsere aktuellen Tourdaten:
LOST WORLD ORDER & CRIPPER & SCORNAGE & BRAINDEADZ & WASTELAND
27.09., Paderborn, Kulturfabrik
“Triple Thrash Treat” mit LOST WORLD ORDER & CRIPPER & HATRED
17.10. Hannover, Labor
18.10. Vechta, Gulfhaus + Aberration
25.10. Bad Oeynhausen, Druckerei
31.10. CH-Basel, A 21 + Abgrund
07.11 Würzburg, B-Hof
08.11 Bad Neustadt a.d. Saale, Juze + Path of Devastation
14.11. Steinfurt, Talentschuppen
15.11. Dortmund, JZ Das Zentrum + Interdiction
21.11. Mainz, Campus Gelände
22.11. Weinheim, Café Central + Hatchery
28.11. Düsseldorf, Haus Derikum
29.11. Siegen, Blue Box
05.12. Detmold, Alte Pauline
06.12. Herzebrock-Clarholz, Gasthof Muck
13.12. Schweinfurt, Jugendhaus + Abgrund
Wenn jemand uns noch einen Gig für einen der offenen Freitage und Samstage in dem Zeitraum anbieten will: wir spielen gegen Spritgeld, Verpflegung und je nach Entfernung einen Schlafplatz.
Danke für das Interview, hat Spaß gemacht. Zieht euch unsere Scheibe rein und bestellt Euch das schöne Vinyl, bevor es zu spät ist!
Join The Hell Commando!