Mr. Lordi
„Gott vergibt dir, wenn du versuchst, neue Arrangements der Songs zu machen!"

Interview

Mit „Limited Deadition“ haben LORDI ihren neunzehnten Silberling veröffentlicht. Zu diesem Ereignis sprach Mr. Lordi mit uns über das Konzept, den „LORDI-Zyklus“, das Leben als Musiker und über Wrestling.

Hi, Mr. Lordi. Wie geht es dir?

Gestresst und müde, aber ansonsten gut. Wenn man das ausklammert, dann geht es mir gut. Ich meine, die Tour beginnt in verdammten drei Tagen. Eine Menge Chaos. Ich würde wirklich gerne etwas Ruhe vor der Tour haben. Aber kein Frieden für die Bösen, nehme ich an.

2023 habt ihr „Screem Writers Guild“ veröffentlicht und jetzt, nur zwei Jahre später, erscheint „Limited Deadition“. Es wirkt fast so, als würdet ihr direkt vom Tourbus ins Studio springen. Ist das auf lange Sicht nicht anstrengend?

Nein, nein, nein. Es ist eher so: Wenn man sich unsere Diskografie ansieht, haben wir immer alle zwei Jahre ein LORDI-Album veröffentlicht. Das ist der „Lordi-Zyklus“. Und dieses Album, genauso wie „Screem Writers Guild“, wurde bereits ein Jahr vor der Veröffentlichung aufgenommen. Wir haben im Dezember 2023 mit den Aufnahmen zu „Limited Deadition“ begonnen. Im Grunde haben wir die Aufnahmen abgeschlossen, bevor wir auf Tour gegangen sind. Im Mai haben wir dann noch ein paar letzte Anpassungen gemacht. Es ist also nicht so hektisch, wie es klingt. Das haben wir schon immer so gemacht – ein Album alle zwei Jahre, seit „Get Heavy“.

Wir könnten problemlos ein Album pro Jahr produzieren. Ich bin eine sehr produktive Persönlichkeit. Das Problem ist, dass sich die Situation bei den Labels verändert hat. Es ist nicht mehr so einfach für sie, jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen. Aber wenn man an die Achtziger denkt – damals haben viele Bands jedes Jahr ein Album veröffentlicht. Wenn du an KISS denkst, an TWISTED SISTER … all diese Bands haben jedes Jahr ein neues Album herausgebracht. Und in den Siebzigern? Da hat KISS sogar zwei Alben pro Jahr veröffentlicht. Also ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches.

Achtziger! Das erinnert an etwas. Fast 23 Jahre Bandgeschichte, unzählige Touren, große Erfolge. Aber warum kommt das Action-Figuren-Thema erst jetzt auf? Angesichts eures Images hätte das doch von Anfang an gepasst, oder?

Ja, stimmt. Aber wenn man sich das erste Album „Get Heavy“ anschaut, gibt es dort schon ein Bild von Lordi-Actionfiguren. Das Thema von „Limited Deadition“ ist eigentlich sehr locker, weißt du? Ich verstehe, dass das Label irgendeinen Aufhänger für die Promo braucht. Ich würde sagen, das eigentliche Konzept des Albums ist mehr an das 80er-Jahre-Design und TV-Shows angelehnt. Die Actionfiguren … ja, du hast recht, wir hätten das früher machen können. Aber aus irgendeinem Grund ist es uns einfach nicht eingefallen.

Du hast es gesagt: Einige Songs und das Gesamtbild des Albums erinnern an frühere Cartoons und die alte Wrestling-Ära. Erst mal: danke dafür! Aber wer war dein Lieblingswrestler?

Hulk Hogan und Ultimate Warrior. Ich habe Wrestling das erste Mal 1992 gesehen. Ich habe den Fernseher eingeschaltet, und wir hatten diese englischen Samstagabendsender. Ich dachte nur: „Was zur Hölle ist das?“ Die Charaktere waren so gut gemacht, dass du sofort wusstest, wer der Gute war. Darum ist Hulk Hogan die Nummer eins. Und der Ultimate Warrior kam dann etwas später dazu. Ich habe viele Jahre lang kein Wrestling mehr geschaut, weil es heute keine echten Charaktere mehr gibt. Die sehen alle aus wie normale Rapper oder Hip-Hop-Typen. Früher war Wrestling cool, weil die Charaktere so legendär waren. Der Undertaker, Kane, King Kong Bundy, Jake „The Snake“ … sie alle hatten klar definierte Persönlichkeiten. Heute sehe ich mir Wrestling an und denke: Keiner dieser Typen hat einen coolen Charakter. Nichts Visuelles, weißt du?

Das ist traurig, aber wahr. Würdest du sagen, dass das Wrestling-Geschäft und das Musikgeschäft ähnliche Probleme haben? Wenn man sich YouTube, TikTok und Co. anschaut, sehen und klingen viele moderne Rapper:innen und Musiker:innen gleich. Ist das dasselbe Problem?

Ja, das denke ich schon.

Was denkst du dann über die Zukunft der Unterhaltungsbranche?

Ich weiß es nicht (lacht). Und ehrlich gesagt ist es mir egal. Es gab so geilen Scheiß in den letzten Jahrzehnten, dass ich für den Rest meines Lebens genug habe. Ich kann mir „Star Wars“ anschauen, und dann bin ich glücklich. Aber wenigstens kommen gute Horrorfilme raus, damit bin ich zufrieden. Aber was Musik betrifft … das ist wahrscheinlich das Alter. Ich weiß, dass meine Wohlfühlmusik irgendwann zwischen 1992 und 1993 aufgehört hat. Ich höre mir immer wieder die Alben aus meiner Lieblingszeit an, doch ich kann mich einfach nicht mehr für neue Bands begeistern. Es ist traurig, aber es ist die Realität. Ich habe keine Motivation dafür, es interessiert mich einfach nicht.

Lass uns zurück zu „Limited Deadition“ kommen. „Fangloria“, „Metropolis“, „Collectable“ – das Album hat viele eingängige Songs. Aber was ist dein persönlicher Favorit und warum?

Oh, „Skelephant In The Room“ – das ist mein Lieblingssong. Er hat eine coole Melodie, aber er ist so etwas wie der Underdog des Albums. Während der Produktion war er immer wieder gefährdet, rauszufliegen.

Aber irgendwann sagte unser Drummer Mana: „Weißt du was? Skelephant ist mein Favorit!“ Und ich sagte: „Weißt du was? Meiner auch!“ Denn während wir ihn aufgenommen haben, wurde er immer besser. Wir werden ihn aber nicht live spielen. Es spielt keine Rolle, was die Band mag. Oft haben wir Songs im Set gehabt, die das Publikum absolut nicht interessiert haben. Ich erinnere mich an die „Sexorcism“-Tour, da war unser Favorit „Rimskin Assassin“, aber jedes Mal, wenn wir ihn gespielt haben, gingen die Leute aufs Klo, holten sich ein Bier oder checkten das Merch.

Bei der „Lordiversity“-Tour hatten wir „Blow My Fuse“ – einen von KISS inspirierten Song. Er war unser Favorit, aber auf den Shows waren wir wahrscheinlich die Einzigen, die ihn geliebt haben. Wir waren total begeistert, aber das Publikum dachte sich nur: „Gähn, bringt den nächsten Song.“

Alles für die Fans, oder?

Ich weiß nicht. Aber alles, was ich schreibe, ist für eine sehr begrenzte Zielgruppe – nämlich mich selbst. Ich schreibe alles für mich. Wenn es anderen Leuten gefällt, ist das ein Bonus. Ich denke, das sollte für alle Künstler:innen gelten. Sie sollten es für sich selbst tun.

Am 21. März startet der erste Teil eurer „Limited“-Tour in Tampere. Ihr steckt immer viel Energie in eure Bühnenshows und euer Design. Was können die Fans diesmal erwarten? Kannst du schon etwas über das Bühnenbild verraten?

Es ist lose an „Alien“ angelehnt, du weißt schon, H.R. Giger. Das ist das Design.

Du hast es gesagt: Zwischen Tour und Studio gibt es einen Flow. Aber was magst du lieber: Touren, Performen oder Arbeiten im Studio?

Touren und Performen sind für mich dasselbe. Und jetzt nicht erschrecken, aber für mich persönlich ist das der unangenehmste Teil des Musikgeschäfts. Ich weiß, ich bin da eine Minderheit, aber so ist es nun mal. Ich liebe das Kreieren, Songs schreiben, das Artwork gestalten …

99 % aller Künstler:innen sagen: „Das Beste ist es, live zu spielen!“ Aber für mich ist die kreativste Phase, wenn ich etwas Neues erschaffe. Auf Tour zu gehen bedeutet, jeden Abend dasselbe zu tun. Und natürlich ist es eine neue Erfahrung für das Publikum, aber für mich ist es der langweiligste Teil des Geschäfts. Und Gott vergibt dir, wenn du versuchst, neue Arrangements der Songs zu machen – wir haben das nie getan, aber … ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass BON JOVI aus irgendwelchen Gründen einige Songs als Akustikversionen neu arrangiert haben, und die Fans haben es verdammt noch mal gehasst. Und ich verstehe das. Wenn ich auf ein Konzert gehe, will ich den Song so hören, wie ich ihn vom Album kenne. Aber andererseits, aus Künstlersicht, kann es langweilig werden. Man möchte neue Versionen der Songs machen. Aber das ist kein Service für die Fans, das ist nur für einen selbst, weißt du?

Hören wir da Interesse an „LORDI-Unplugged“ raus?

Ja, könnten wir machen. Es gibt eine Menge Songs, die sich für ein Akustikset eignen würden. Wir könnten die Balladen spielen, „Collectable“ zum Beispiel, wir könnten „Hard Rock Halleluja“ spielen. Alle Songs, die wir wahrscheinlich spielen könnten, sind die Metal-Songs. Vom Album „Abracadaver“. Aber ich glaube nicht, dass wir viele Songs von „To Beast Or Not To Beast“ spielen könnten. Es ist nur Musik, weißt du. Wäre kein Problem, das zu machen. Niemand fragt danach, aber technisch gesehen könnten wir es tun.

Max Raabe, Udo Dirkschneider, Silverdust … du hast bereits mit vielen Musiker:innen zusammengearbeitet und scheinst immer offen für Kooperationen zu sein. Gibt es jemanden, mit dem du in Zukunft gerne arbeiten würdest?

Na klar. Gene Simmons, Alice Cooper – das wäre was. King Diamond … es gibt eine lange Liste von Leuten, mit denen ich gerne arbeiten würde. Aber das wird nicht passieren. Aber wenn du fragst, gebe ich dir eine Antwort (lacht).

Was sind die Zukunftspläne von LORDI?

Nun, ich würde sagen, dass wir 2027 ein neues Album veröffentlichen. Ich wäre überrascht, wenn nicht. Aber im Moment konzentrieren wir uns auf die „Limited Tour“. Nächstes Jahr ist das zwanzigste Jubiläum von „The Arockalypse“ und wir haben einige Pläne, das zu feiern. Du weißt schon – dieses Album und das ganze verdammte Eurovision-Zeug. Viele Pläne. Aber mal sehen. Die Zukunft hat die Angewohnheit, nicht so zu laufen, wie man es geplant hat. Deshalb versuche ich vorsichtig zu sein,  was ich sage. Es ist gut, einen Plan zu haben, aber wenn du dein großes Scheißmaul aufreißt und irgendwas sagst, dann kommen die Leute: „Awww, LORDI haben dies gesagt und LORDI haben das gesagt – und nichts ist passiert!“ Deswegen passe ich auf, was ich sage.

Gibt es ein festes Konzept für das nächste LORDI-Album?

Ich habe bereits ein Konzept, aber ich werde es nicht verraten. Weil, na ja, weil Dinge sich ändern können. Wie gesagt, es sind noch zwei Jahre hin. Das aktuelle Album ist gerade erst erschienen, also halte ich mal die Füße still.

Alles klar. Vielen Dank für das Interview, wir wünschen dir eine großartige Tour.

Bis bald.

Galerie mit 30 Bildern: Lordi – Summer Breeze Open Air 2024
Quelle: Mr.Lordi (Telefoninterview)
14.04.2025

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