Lord Of The Lost
Erst die Arbeit, dann das Bier
Interview
Wie habt ihr die Künstler für das LOTL+-Projekt ausgewählt. Oder habt ihr „Viva Vendetta“ einfach an alle Musiker und Musikerinnen geschickt, mit denen ihr zu tun habt, angesichts der schieren Masse an Versionen?
Chris: Das Ding ist ja, dass du nicht jemanden anfragen kannst, der dann zustimmt und dann sagst du: „Nee, sorry, doch nicht.“. Wir sind es gewohnt, beim Anfragen von Bonusmaterial, was ja normalerweise Remixe sind, dass du von zehn befreundeten anderen Bands von fünf keine Antwort kriegst, weil sie keinen Bock haben. Fünf sagen vielleicht, drei fragen nach zu viel Geld und zwei haben vielleicht zufällig Zeit und am Ende hast du einen. Damit habe ich gerechnet.
Damit so ein Projekt wie LOTL+ interessant ist, brauchst du ja so fünf, sechs Songs. Also habe ich hochgerechnet und mir gedacht, wenn ich 35 Bands anfrage, dann sollte das hinhauen. Problem ist, es haben alle ja gesagt und nur drei haben am Ende aus Zeitgründen nicht abgegeben. Das ist bei Musikern wirklich nur ein ganz geringes Maß. Dann hatten wir auf einmal 32 Songs und sind dann zu Napalm Records gegangen und haben denen gesagt: „Leute, wir machen übrigens nicht nur ein Doppelalbum, sondern auch ein Doppel-Bonusalbum.“ (lacht) Dann haben die gesagt. „Geil, das hatten wir auch noch nie.“
Also nein, es fand keine Auswahl statt. Wir hätten nur ausgesiebt, wenn da sich einer der Kollegen zufällig als Rechtsradikaler entpuppt hätte und einen Nazisong draus gemacht hätte, den hätten wir dann aussieben müssen. Aber so haben wir 32 coole Songs. Die haben alle das Instrumental bekommen, ohne zu wissen, wie mein Gesang klingt und auch nichts vom Konzept über „Judas“ zu wissen. Jeder hat den Song so behandelt, als wäre es das eigens von ihnen geschriebene Instrumental und sie legen ihre Gesangslinien und Text drüber. Aus dieser kompletten Freiheit entsteht dadurch ein Song, der der Originalband damit so nah kommt, wie es nur irgendwie geht.
Durften die Bands dann auch noch andere Instrumente drüberlegen oder etwas weglassen?
Chris: Es war nicht erlaubt, etwas wegzunehmen und es war auch nicht erlaubt, am Arrangement zu schrauben, also keine doppelt so lange Strophe oder den Refrain rausnehmen. Aber sie konnten eigene Instrumente drauflegen, was natürlich dazu geführt hat, dass SUBWAY TO SALLY eine Geige und irgendwelche Drehleiern drauf haben. Andere Bands haben elektronische Spielereien eingebaut, wieder andere haben Gitarrensoli reingeschraubt, NACHTBLUT haben noch eine extra Rhytmusgitarre drauf gemacht, um es heavier klingen zu lassen.
Zur Releasefeier steht der „Sinister Summer Stream“ an. Was kannst du uns über das Event verraten?
Chris: Es ist der Album-Release-Stream. Wir durften ihn am Anfang nur nicht so nennen, weil wir dann schon aller Welt gesagt hätten, dass ein Album kommt. Das Besondere ist die Reihenfolge. Um den Leuten die Chance zu geben, das neue Album und das Feeling zu verstehen, spielen wir die ersten 13 Songs nur vom „Judas“-Album. Dann kommt eine kurze Pause und dann kommt noch eine Best-Of-Show mit 10-12 Greatest Hits.
Das gibt dir eine Chance, dadrin einzutauchen. Der Stream ist eine Woche on demand verfügbar, wen das also nervt, der kann auch vor- und zurückspulen, aber so hast du dann eben die Chance, das nochmal anders wahrzunehmen. Zur Hälfte ist es also wirklich unser Album-Release-Event, das wir natürlich gerne live vor Publikum gemacht hätten. Aber so ist es jetzt eben ein Internet-Stream.
Stehen Album Nummer acht oder andere Projekte wie „Swan Songs IV“ schon in den Startlöchern? Wie weit plant LORD OF THE LOST voraus?
Chris: Wir haben tatsächlich zwei verschiedene Optionen, zwei Richtungen, in die wir als nächstes gehen können. Es sind beides Sachen, die wir realisieren möchten. Wir wissen aber auf Grund von diversen äußeren Umständen aber noch nicht, was davon als nächstes kommt. Aber wir fangen aktiv an, auch wenn wir über einen Release in zwei Jahren sprechen, am siebten Juli hier im Studio. Ich habe von Juli bis August 19 Tage Songwriting eingetragen, um zumindest schonmal ein halbes Album als Demo zu haben, um eine Idee zu bekommen, wohin es gehen könnte.
Wir machen natürlich etwas. Wann wir das umsetzen, müssen wir schauen, aber es ist uns ein großes Bedürfnis, aktiv zu sein und nicht abzuwarten. Sollte dann mit Liveshows alles mit Hauruck losgehen, bleibt uns vielleicht keine Zeit mehr, ein Album in guter Qualität zu produzieren und wir wollen nichts übers Knie brechen.
Gibt es irgendein Album oder Stück von LORD OF THE LOST, das du rückblickend ganz anders gemacht hättest?
Chris: Ich denke, das ist immer so. Wir haben ja zum Teil auch schonmal neue Versionen alter Songs rausgebracht. Man verändert da immer was. Ich sehe das aber als ganz normalen Prozess. Egal, was man in der Vergangenheit gemacht hat, man würde es, wenn man es jetzt nochmal macht, immer anders machen. Auch zwei Tage später. Das macht aber dafür die alte Arbeit nicht schlechter.
Das ist wie mit Tattoos. Du machst dir in den 90er Jahren ein Tribal, das du geil findest und wenn ich jetzt anfangen würde, würde ich mir kein Tribal auf den Arm machen. Aber trotzdem war es zu der Zeit richtig und wichtig für mich und gehört dann da hin. Deshalb kann ich gar kein Detailbeispiel sagen, was ich bei einem Song anders gemacht hätte, denn es wird jeder sein. Nicht, weil wir es schlecht finden, wie wir es gemacht haben, sondern weil die Zeit sich ändert.
In der Box liegt das Bonusalbum „The Sorrows Of The Young“ bei, dass Stücke aus Chris‘ Jugend sind. Wie viel von deiner Teenie-Phase ist da drin?
Chris: Diese Songs habe ich geschrieben zwischen 17 und 19. Auditiv ist vom Original nichts drin, ich habe es neu aufgenommen. Das Original waren furchtbare Demos, die ich mit diesen grauen PC-Mikrophonen, diesen Stangen, die früher bei PCs dabei lagen, aufgenommen habe. Die habe ich bei mir in den Raum gestellt und mit der E-Gitarre in den Raum über den Karaoke-Eingang der Stereoanlage irgendwelche Scheiße aufgenommen und auf Mini-Disks gebrüllt. So etwas würde ich aber nie veröffentlichen. Davon habe ich dann zehn Stücke ausgewählt und neu aufgenommen.
Die Stücke sind nur mit Akustikgitarre und Stimme aufgenommen und das einzige, was ich verändert habe, waren schlimme Grammatikfehler oder wenn ich nicht mehr erkannt habe, welchen Akkord ich da überhaupt gespielt habe. (lacht) Ansonsten ist das wirklich Original, es ist ein Spiegel meines jugendlichen Ichs. Das ist wirklich etwas super Persönliches. Man drückt als Teenager Sachen einfach anders aus, so wie man es heute nie machen würde. Ich bin jetzt 41 und Familienvater und habe dadurch eine andere Sicht der Dinge. Ich kann noch wütende, verzweifelte Songs schreiben, klar, aber die kommen aus einer ganz anderen Sicht als damals.
Das war für mich total spannend, denn ich konnte mich an alle diese Texte nicht erinnern. Ich habe diese Mini-Disks mit 100 Songs gefunden und einen fetten Leitz-Ordner mit 300 Texten und habe geguckt, welcher Text zu welcher Mini-Disk gehört. Also ein riesiger kreativer Output… (überlegt kurz) ok, das ist heute eigentlich immer noch so. (lacht) Inzwischen habe ich, inklusive aller Songs, die ich unter Pseudonymen geschrieben habe, gut 1200 Songs bei der GEMA gemeldet. Ich mache ja auch Songs für so Malle-Schlagerkram, die ich aber nicht unter meinem Namen veröffentliche, weil ich keine Lust habe, dass Fans von LORD OF THE LOST bei Autogrammstunden anfangen, Malle-Schlager zu singen, weil ich nicht permanent dieser Musik ausgesetzt sein möchte, die ich zwar gerne schreibe aber nicht gerne höre.
Danke für eure Zeit und die berühmten letzten Worte gehören euch.
Class: Vor dem Essen Hände waschen nicht vergessen und: man sieht sich auf Tour!
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Stile | Gothic Metal / Mittelalter |
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