Lord Of The Lost
"Woah, guck mal Mutti, ich bin Platz 6 in den Charts." - Interview mit Chris und Class
Interview
metal.de: “Thornstar“ war mit Platz 6 in den Charts sehr erfolgreich. Was bedeutet euch eine derart hohe Platzierung?
Chris: Neider sagen immer: “Ah, das bedeutet heute nichts mehr! Es verkauft ja keiner mehr was“ – ja, die haben ja alle die gleichen Probleme. Natürlich darf man sich darauf kein Ei pellen. Es gibt teilweise Bands, die hoch in den Charts sind, bei denen aber keiner zu den Konzerten kommt und bei anderen ist es umgekehrt. Die sind überhaupt nicht in den Charts und füllen Stadien. Also: Es ist toll! Es sind kleine Kindheitsträume, die sich erfüllen: “Woah, guck mal Mutti, ich bin Platz 6 in den Charts.“ – das ist geil! Aber man darf es nicht zu ernst nehmen und man darf sich darauf nicht ausruhen. Aber klar ist man stolz!
Class: Das einzige, was heutzutage wirklich zählt ist, ob man auf Platz 1 ist oder irgendwo anders. Platz 1 bleibt gefühlt für immer bestehen. Das ist ein bisschen so wie die Olympiade. Jeder erinnert sich an die Olympiasieger aber die anderen… Es ist nicht scheiße, es ist total geil für uns, eine Megaerfolg! Aber wenn man sich mal sagen kann, dass man irgendwann mal Platz 1 war…
Chris: Das ist schon etwas Anderes.
Class: Das ist auch von so vielen Faktoren abhängig. Wenn keiner veröffentlichen würde, dann wären wir auch sofort auf Platz 1. Dann gibt es auch Zyklen, da hat man echt Glück.
Chris: Das wissen ja die meisten draußen nicht, dass es totale Glückssache ist. Vielleicht releast eine Woche später eine befreundete Band und landet auf Platz 12, auch wenn sie in der ersten Woche dreimal so viele Platten verkauft haben wie wir auf Platz 6. Das müssen die Leute auch mal wissen, dass es eben darauf ankommt, wer noch veröffentlicht. Wenn jetzt im Weihnachtsgeschäfft die Sonstwas-Best-Of-Platte kommt oder morgen auf einmal ROBBIE WILLIAMS stirbt, dann hast du Platz 1 bis 10 dicht. Das kann halt passieren, wenn ein großer Popstar stirbt. Das war ja bei MICHAEL JACKSON damals so. Als er gestorben ist, hatte die Wochen darauf kein anderer Künstler mehr irgendwas in den Top 10, weil MICHAEL JACKSON natürlich alles verkauft hat, was ging. Es ist makaber, aber es wird von sowas dominiert. Man darf es nicht zu ernst nehmen und sein Glücksgefühl auf den Charts aufbauen. Aber ich finde, man darf mit Recht stolz drauf sein.
metal.de: Das glaube ich auch. Die Platte ist übrigens sehr gut geworden. Auf metal.de seid ihr mit 8/10 Punkten ausgezeichnet worden. Lest ihr solche Reviews überhaupt noch und wenn ja, ärgert euch das, was ihr dort lesen müsst auch ganz gerne mal?
Chris: Ich habe dieses Jahr mit drei Sachen aufgehört. Ich trinke keinen Alkohol mehr, ich benutze keine Emojis und Smileys als Satzzeichen mehr und ich lese keine Reviews mehr. Es gibt da Kandidaten wie laut.de oder Fan-Magazine, die das auf unprofessioneller Basis aufbauen, die Reviews veröffentlichen mit der Aussage: “Ich finde es nicht gut, deshalb ist es nicht gut“ und sich teilweise so hart beleidigend äußern, dass… Das schreibt jemand in drei Sekunden, ich lese es und behalte es 30 Jahre in meinem Kopf. So wie Schokolade: fünf Sekunden im Mund, 15 Jahre auf den Hüften. Das geht nicht wieder raus. Ich habe Angst bekommen, dass ich in Kreativphasen vielleicht mal dasitze und eine gute Idee habe, die aber nicht umsetze, weil ich irgendwas gelesen habe, das, geschrieben von irgendeinem Idioten, der vielleicht nicht mal mehr als 15 Sekunden von dem Song gehört hat, mich beeinflusst. Das möchte ich nicht. Das ist vielleicht unfair denjenigen gegenüber, die sich auch Presse schimpfen dürfen, die wirklich Redakteure sind und sich Mühe machen und sich vielleicht auch freuen, wenn die Band es liest. Aber ich habe mich dazu entschieden, mich davor zu schützen, weil es mich kreativ beeinflusst, sowohl im Positiven als auch im Negativen.
metal.de: Das Bandkarussell hat sich bei LOTL in den letzten Jahren einige Male gedreht. Seid ihr der Ansicht, jetzt eine relativ fixe Besetzung zu haben? Seid ihr zufrieden?
Class: Ja! Wir waren auch damals nicht unzufrieden, aber im Leben eines jeden Menschen gibt es Veränderungen. Zum Beispiel: “In dem Job will ich nicht mehr bleiben, dabei fand ich ihn vor zwei Jahren noch supergeil“. Dann lassen wir natürlich die Leute auch gehen. Es wäre ja Quatsch, die so lange festzuhalten, bis man sich gegenseitig aufreibt. Aber man kann schon sagen, dass wir nicht einfach irgendwen aussuchen. Da sind wir ja auch ein bisschen erfahren. Ich würde schon sagen, dass wir jetzt in dieser Konstellation lange zusammenbleiben können. Man kann nie ausschließen, dass es in 15 Jahren mal anders ist, aber wir sind schon ziemlich gut aufgestellt, vor allem auf Basis eines freundschaftlich engen Gefüges, was auch nicht so schnell auseinanderbricht.
metal.de: Ihr habt häufiger Fragestunden für Fans über soziale Netzwerke und generell einen recht engen Kontakt zu den Fans. Wurde man dann nicht schon irgendwie alles Mögliche gefragt?
Chris: Erstaunlicherweise nicht. Es kommen immer wieder Fragen, die mich sehr überraschen und auch freuen. Das macht uns auch Spaß. Teilweise kommen dann auch Fragen, bei denen man höflich darauf hinweist, dass man die schon ganz häufig beantwortet hat, oder deren Antwort auf Wikipedia steht, zum Beispiel bei Fragen: “Wie habt ihr euch gegründet?“ oder so. Man darf nicht vergessen, dass neue Fans dazukommen. Die verstehen das dann aber auch. Vieles ist gleich. Es kommen häufig Fragen, die ich nie beantworten kann. “Was ist dein Lieblingsdings?“ – ich bin nicht so ein Kategorietyp und kann sagen, dass das meine Lieblingsband, mein Lieblingssong oder mein Lieblingsessen ist. Das fällt mir immer sehr schwer. Das ist bei mir auch tagesformabhängig. Aber uns macht das Spaß. Teilweise suche ich den Kontakt auch selber, wenn ich weiß, da liegt noch eine lange Bandfahrt mit fünf Stunden im Zug vor mir. Und wenn das Wi-Fi im Zug funktioniert, dann kann ich auch sagen, dass ich mal eben ein paar Stunden Zeit habe. “Spontane Fragestunde – habt ihr Bock?“. Dann prasseln auf einmal 150 Fragen auf einen ein. Das unterhält mich, das unterhält die Leute, die haben tierisch Bock drauf. Sie fühlen sich ernst genommen. Ich merke auch, was sie wissen wollen, was sie interessiert. Das ist eine total schöne Interaktion. Das genieße ich sehr.
metal.de: LORD OF THE LOST scheinen für mich eine Band ohne Pausen zu sein. Ständig auf Tour, ständig am Veröffentlichen. Dazu noch deine Arbeit im Studio – ist da nicht irgendwann die Luft raus? Könnt ihr euch ein Jahr komplett ohne LORD OF THE LOST vorstellen?
Class: Also aktuell nicht!
Chris: Wenn drei oder vier Wochen kein Konzert ist, dann fühle ich mich schon komisch. Dann frage ich auch: “Wollen wir uns nicht mal sehen? Mir ist so langweilig!“. Also ich kriege richtige Entzugserscheinungen. Ich weiß, dass wir das irgendwann mal machen müssen, denn irgendwann ist man an einem Punkt, wo man mal drei, sechs oder zwölf Monate keine Musik braucht. Aktuell ist das für mich eine furchtbare Vorstellung. Und einer der Gründe, wenn du das Bandkarussell ansprichst zum Beispiel, warum wir so pausenlos, so gut, so intensiv arbeiten, ist, dass wir uns auch getraut haben so ein Bandkarussell zu drehen und nicht zu sagen, wenn es im Moment mit Person XY nicht läuft, dann müssen wir uns ein Jahr lang zurückziehen. Wir haben eher gesagt: “Wenn du das gerade nicht mehr kannst und du gehen musst, dann musst du gehen. Wir möchten weiterziehen“. Also wir haben uns nie davor gescheut, jemanden auszuwechseln, damit wir anderen immer noch an einem Strang ziehen können. Das ist auch einer der Gründe. Viele Bands machen sich kaputt, indem sie zusammen bleiben, wie ewige Pärchen, die aneinander festkleben. So On/Off-Beziehungen. Die gibt es auch bei Freundschaften und in Bands. Das ist niemals gut. Deshalb haben wir immer noch Bock.
metal.de: Das merkt man auch, besonders in Live-Shows.
Chris: Ich sehe es immer als großes Kompliment an, wenn Fans zu mir kommen und sagen: “Hey Chris, tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber ich finde es live besser als auf Platte“. Das ist doch genau richtig so! Stell dir doch mal vor wie schade es wäre, wenn du sagst, dass die Platte geil war, aber live fand man es nicht so gut. Daher sehe ich das als Kompliment. So muss es sein. Ich bin stolz, wenn eine Platte gut ist, aber es muss live immer noch geiler sein.
metal.de: Nächstes Jahr steht das große Bandjubiläum an. Was dürft ihr schon darüber verraten?
Chris: Das wäre jetzt das erste Mal, dass wir Details verraten [Stand: 13.10.2018, Anm.d.Red.]. Wir machen zwei Shows, eine klassische und eine laute. Wenn das Interview veröffentlicht wird, kann es sein, dass das Klassikkonzert schon ausverkauft ist. Wir werden viele enge Freunde dabei haben, sowohl als Support-Band [UNZUCHT wurden mittlerweile bestätigt, Anm.d.Red.] als auch als einzelne Sänger, die auf die Bühne kommen. Wir haben geplant, dass wir zwischen 10 und 15 Gäste für einige Songs haben. Das wird megageil.
metal.de bedankt sich für das Interview und wünscht viel Spaß auf der aktuellen Tour!
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