Long Distance Calling
"Wir wollten sehen, wie weit wir gehen müssen, bis uns der Post-Rock endlich aberkannt wird."
Interview
Achtziger-Rock, Alternative Rock, Progressive Rock – alles, bloß kein Post-Rock! Mit „TRIPS“ zelebrieren LONG DISTANCE CALLING derzeit die gänzliche Abkehr vom Hype-Genre des vergangenen Jahrzehnts. Warum alle Trademarks noch immer da sind und in Zukunft vielleicht noch größere musikalische Schocks folgen müssen, berichtet uns Gitarrist David Jordan.
Als Post-Rock-Band seht ihr euch bekanntlich schon länger nicht mehr. Spätestens seit Album Nummer drei ist eure Musik zunehmend rifflastiger ausgelegt. Dennoch schien der Schritt Richtung „klassische“ Rockband noch nie so groß wie jetzt. Warum?
Wir wollten einfach mal sehen, wie weit wir gehen müssen, bis uns der Post-Rock endlich aberkannt wird. Ich habe vor einer Woche noch ein Interview gehalten, bei dem „TRIPS“ in der Tat noch unter Post-Rock lief. Scheinbar müssen wir da noch drastischer werden.
Instrumental agiert ihr auf den Tracks mit Gesang wesentlich songdienlicher und gefälliger als noch auf „The Flood Inside“. Eine bewusste Entscheidung oder nahm Petters Stimme einfach mehr Raum ein?
„The Flood Inside“ hat uns als Band gezeigt, dass wir, wenn wir Gesang implementieren wollen, ihm auch Platz einräumen müssen. Bei instrumentalen Songs übernehmen die Instrumente die Melodie- und Leadpassagen und können so Stimmungen erzeugen, um Emotionen entstehen zu lassen. Wenn du nun aber, wenn wir’s mal runterbrechen, einen instrumentalen Song schreibst, der stimmungsmäßig schon dicht ist und dann noch Gesang oben draufsetzt, wird das Ganze dann schnell überladen, was dazu führt, dass Gesang und das jeweilige Lead-Instrument um die Aufmerksamkeit buhlen und so die Emotion dahinter auf der Strecke bleibt.
Was unterscheidet Petter und Marsen denn als Sänger? Gab es durch den Wechsel eine andere Herangehensweise beim Schreiben der Musik?
Marsens stimmlicher Wohlfühlbereich liegt zu einem großen Teil im Frequenzbereich der Gitarren, was bedeutet, dass wir uns den Platz zu dritt teilen mussten. Petter hat seinen Wohlfühlbereich wesentlich höher und agiert frequenzmäßig daher hauptsächlich über den Gitarren. Das gibt sowohl ihm als auch Flo und mir wesentlich mehr Raum und Freiheiten.
Der Sound auf „TRIPS“ scheint wesentlich bombastischer, geschliffener und sauberer – auch hier wieder: Absicht oder einfach verbesserte technische Umstände?
„TRIPS“ lebt soundtechnisch für mich sehr vom Detailreichtum, von seiner Dichte und der Natürlichkeit der akustischen Instrumente. Uns war wichtig, das alles so gut wie irgend möglich übertragen zu können, um jedem, der die Platte hört, das Abtauchen so leicht wie möglich zu machen. Ich denke, jetzt liegt’s nur noch am Abspielgerät und an den Nachbarn.
Viele Tracks auf „TRIPS“ leben von Piano und Synthesizer – mehr denn je. Nun da Marsen euch verlassen hat – wie plant ihr die Live-Umsetzung? Werden die Keyboard-Spuren wie bei euren letzten Shows als Backing Track mitlaufen? Oder sucht ihr langfristig wieder nach einem neuen Keyboarder?
Wir haben überlegt, jemanden mit auf die Tour zu nehmen, aber wir wollten uns erst mal komplett auf die neue Situation mit Petter konzentrieren. Daher wird das meiste vorerst in der Tat von Band kommen.
Offiziell seid ihr jetzt als Quartett unterwegs. Wie regelmäßig wird Petter euch live unterstützen?
Wir versuchen, unsere Touren so zu planen, dass Petter so oft es geht dabei sein kann. Bisher sieht das für dieses Jahr auch ziemlich gut aus. Allerdings wird sicherlich auch die eine oder andere Einzelshow dabei sein, für die er nicht mal eben aus Norwegen runterkommen kann, daher werden wir die dann komplett instrumental spielen.
Wie schätzt ihr die atmosphärische Tiefe auf „TRIPS“ ein? Sie scheint diesmal weniger instrumental erzeugt, sondern steckt vielmehr in den ruhigeren Stücken mit Gesang – wie beispielsweise „Plans“.
„Plans“ ist für mich in der Tat der atmosphärisch dichteste Song der Platte, wobei dahinter auch recht bald das fast dreizehnminütige „Flux“ folgt. Das wird bei jedem sicherlich anders ausfallen, aber jeder Song hat einen atmosphärischen Part. Denn egal, was wir machen, das ist ein fester und essentieller Bestandteil unserer Musik.
„Trauma“ hingegen ist ein echter Brocken und ziemlich heavy. Früher habt ihr sanftere und harte Elemente gerne verbunden („Metulsky Curse Revisited“) – splittet ihr das diesmal bewusst auf, um unterschiedliche Dynamiken pro Song auszuleben?
„Trauma“ beinhaltet sicherlich eines der härtesten Riffs unseres bisherigen Schaffens, aber hat wiederum einen sehr fluffigen und leichten Atmo-Shuffle-Part in der Mitte, bevor wir wieder zum Finale ausholen. Dynamik ist uns sehr wichtig und die kreieren wir ab und an gerne mal mit Kombinationen, die aufm Papier erst mal strange wirken können. Aber nur so geht’s nach vorne und so besteht die Möglichkeit, dass wir in unserem kleinen LDC-Kosmos etwas Neues erschaffen.