Epica
Zuviel gibt es für EPICA nicht: Die Listening-Session zu "The Holographic Principle"
Interview
Doch reißen wir die beiden grundsympathischen Music-Nerds vorerst wieder aus ihren Hollywood-Schwärmereien und wenden uns lieber dem ersten „richtigen“ Lied auf „The Holographic Principle“ zu. „Edge Of The Blade“ erweist sich als perfekter Opener, der gleichermaßen eingängig wie klar strukturiert daherkommt und dabei all das bietet, was Fans der Band erwarten. Auch „A Phantasmic Parade“ wird im EPICA-Kontext keinen Originalitätspreis gewinnen. Der an sich simple Songaufbau wird von unkonventionellen Riff-Folgen kontrastiert, was dem Stück zugleich einen progressiven Charakter und eine leicht düstere Atmosphäre verleiht. Darüber hinaus lassen sich einige jener orientalischen Anklänge entdecken, die EPICA bereits vor langer Zeit in ihre holländische Heimat importiert haben.
„Wir existieren, um zu lernen“
Thematisch knüpfen die Songs auf „The Holographic Principle“ dort an, wo der Vorgänger „The Quantum Enigma“ aufgehört hat. Es geht also wieder im weitesten Sinne um quantenphysikalische Theorien, wie Mark Jansen bestätigt: „Derzeit erleben wir, wie Virtual-Reality-Anwendungen ihren Durchbruch feiern. Diese Technologien wachsen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und was vor zehn Jahren noch vollkommen unmöglich war, ist inzwischen bereits in unserem Alltag angekommen. Es wird der Tag kommen, an dem man einen dieser Helme aufsetzt und in eine Welt versetzt wird, die sich vollkommen real anfühlt. Wenn man sich dort befindet, woran erkennt man den Unterschied? Oder wenn man zurückkehrt, stellt man vielleicht fest, dass unsere Wirklichkeit vielleicht auch nur das Abbild einer weiteren Realität sein könnte.“
Wer jetzt an einen Science-Fiction-Film-Klassiker mit Keanu Reeves denken muss, befindet sich auf genau der richtigen Fährte. Schließlich ist es kein Zufall, dass das nächste Stück den Titel „Beyond The Matrix“ trägt. „Es geht darum, einen Blick hinter die Matrix zu werfen und die Möglichkeiten zu erkennen, die außerhalb der Matrix unserer Existenz liegen,“ zeigt sich Mark Jansen von den bewusstseinserweiternden Erfahrungen, die die noch in den Kinderschuhen steckende VR-Technologie zukünftig ermöglichen dürfte, begeistert. „Du kannst in virtuellen Realitäten alles erschaffen und das letztlich so wirklichkeitsgetreu umsetzen, wie du möchtest. Ich sehe da großes Potential für positive Entwicklungen, auch wenn sich viele Leute vor allem auf die negativen Aspekte konzentrieren. Im Grunde denke ich, dass wir existieren, um zu lernen. Und alles, was dabei unseren Weg kreuzt, ist ein Werkzeug, um uns weiterzuentwickeln.“
Die Begeisterung für das Thema haben EPICA in einen Mid-Tempo-Stampfer gegossen, der mit seinem pathetischen Gute-Laune-Bombast ein wenig an die Österreicher SERENITY erinnert. Der hymnenhafte Eröffnungschoral bildet zugleich den auf Anhieb zum Mitsingen provozierenden Refrain und entpuppt sich als ganz besonders fieser Ohrwurm, der „Beyond The Matrix“ zum ersten großen Albumhighlight geraten lässt. Bei der musicalartigen Bridge scheut die Band nicht einmal davor zurück, bis hart an die Grenze zum Kitsch zu gehen, nur um dann abrupt in wüste Growls und technisch-vertraktes Gitarrenriffing auszubrechen. Der Weg zurück zum eingängigen Singalong-Song führt schließlich über ein von Tempowechseln geprägtes Solo. So sind es gerade diese unerwarteten Wendungen, die Komponist Isaac Delahaye als die große Stärke des Songs sieht: „Es macht den Reiz aus, dass wir auf einem simplen Konzept aufbauen – welches ich selbst auch für etwas klischeehaft halte – und dann schauen, wie wir das komplett auf den Kopf stellen können, bevor wir letztlich wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren.“
„Ich liebe Kitsch – nur ‚YMCA‘ nicht“
Mark Jansen geht sogar noch einen Schritt weiter und ergänzt lachend: „Ohne die Bridge wäre es ein Kandidat für den Eurovision Song Contest – damit hätten wir sogar gewinnen können!“ Angst vor einem gesunden Maß an Kitsch in ihrem Schaffen haben EPICA also tatsächlich nicht. „In der Musik der Achtziger gab es ja auch eine Menge Kitsch. Ich bin damit aufgewachsen und liebe es – alles, bis auf ‚YMCA‘!“ Für die eher durchwachsenen „Matrix“-Fortsetzungen haben die Holländer dennoch nicht viel übrig. Während für Isaac Delahaye insbesondere der Abschluss der Trilogie überhaupt nicht funktioniert, ist Mark Jansen schon deutlich früher ausgestiegen: „Der erste Teil ist fantastisch! Den zweiten Teil habe ich nur zur Hälfte gesehen, weiter komme ich da nie. Und den dritten Teil werde ich auch in Zukunft einfach komplett ignorieren.“
Künstlerisch in jedem Fall wertvoller ist da die Visualisierung der VR-Thematik auf dem Cover-Artwork von „The Holographic Principle“. Das Bild zeigt die Dekonstruktion eines menschlichen Gesichts in eine durch dreieckige Flächen symbolisierte technologische und eine durch Pflanzen und Blätter symbolisierte organische Komponente. Die Einser und Nullen im Hintergrund deuten dabei an, dass es sich hierbei „nur“ um das virtuelle Abbild einer Person handelt. Dass das Arrangement mit dem Schwarzen Loch im Hintergrund, um das verschiedene planetoide Gebilde kreisen, verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulässt, spiegelt dabei exakt die Intention der Band wieder: „Wir hoffen darauf, dass alle sich den Kopf zerbrechen und über dieses Cover diskutieren.“
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Stile | Symphonic Metal |
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