Liquid Tension Experiment (LTE)
Interview mit Tony Levin

Interview

Die LIQUID TENSION EXPERIMENT-Mitglieder scheinen dieser Tage so etwas wie einen zweiten Frühling zu erleben. Nicht nur haben Mike Portnoy, Mike Patton und Co. Soloprojekte oder helfen irgendwo anders aus, bei Zeit und Gelegenheit trümmert die Supergroup auch mal eben mit „LTE3“ einen Nachfolger zu einem über 20 Jahre zurückliegendem Projekt ein. Auch wenn LTE hauptsächlich Portnoys Baby ist, eine Legende wie Tony Levin bekommt man nicht alle Tage vor die virtuelle Linse. Und so liegt der Fokus beim Interview auch nicht nur exklusiv auf LIQUID TENSION EXPERIMENT, sondern gibt auch Einblick in Levins persönliche musikalische Karriere. Warum hat er in seinem hohen Alter wieder angefangen zu üben, was ist ein EUB, wie funktioniert der Kompositionsprozess und vieles mehr. Viel Spaß!

„LTE3“ – Coverartwork

metal.de: Zunächst einmal: Hallo und Grüße aus dem sonnigen Deutschland! Wie geht’s?  Wie war es, mit LIQUID TENSION EXPERIMENT wieder weiter zu machen, nachdem der letzte Output schon über 20 Jahre her ist?

Tony Levin: Danke, mir geht’s gut! Wir haben hier auch tolles Wetter in New York, wie du sehen kannst (TL schwenkt die Webcam und zeigt die von außen einfallenden Sonnenstrahlen – Anm. d. Redaktion). Zunächst einmal, wir sind ja noch 2008 getourt. Also ja, seit dem Studioalbum sind über 20 Jahre vergangen, aber nur etwa 13 Jahre, seitdem wir damit auf Tour waren. Und wir haben uns auch in der Zwischenzeit gesehen und in verschiedenen Konstellationen gemeinsam gespielt. Also es war nicht irgendwie komisch, weder in persönlicher noch musikalischer Hinsicht. Wir sind alle gut befreundet. Aber es war eine tolle Idee, das Lockdown-Jahr während Corona zu nutzen und ins Studio zu gehen. Ich glaube, Jordan (Rudess, Keyboarder von DREAM THEATER, Anm. d. Redaktion) hatte die Idee und dann war es nur noch logistische Frage. Also einen Termin finden, ins Studio kommen und so weiter.

Ich sage das, da manche Bands nur gemeinsam und persönlich schreiben können. Ich kann auch über Distanz zusammen schreiben und aufnehmen. Das habe ich mit vielen anderen Bands gemacht, aber für diese geht es nicht. Wir müssen einfach zusammen sein, anders geht es nicht. In gewissem Maße ist es ein paralleler Prozess, wir schreiben und nehmen gleichzeitig auf. Wir haben eine Idee, arbeiten sie aus, falls nötig, nehmen sie auf und zack – hat man ein Stück. Der Prozess ist mit dieser Band außerordentlich schnell, also mussten wir definitiv für eine lange Zeit zusammen im Studio sein. Genau das konnten wir vergangenen Juli tun und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Wie du schon sagtest, das ist ein sehr anderer Recordingprozess als er heute für gewöhnlich stattfindet: zusammen zu sein, spielen zu können, als Band aufzunehmen. Normalerweise nimmt heute jeder getrennt seine Parts auf, sendet sie herüber, man mixt sie und das war es. Aber für LIQUID TENSION EXPERIMENT ist diese Erfahrung, dieses Zusammensein immer noch notwendiger Bestandteil?

Ja, typischerweise. Nachdem wir alles eingerichtet haben, jammen wir ein wenig herum. John kommt vielleicht mit einem coolen Riff und Jordan lernt es sofort – er ist ein sehr schneller Lerner, ich eher weniger. Dann kommt er mit einem Part dazu, den er für passend hält, wir recorden und ehe du dich versiehst, steht der Song. Normalerweise machen wir das länger am Stück, ein paar Minuten, ohne irgendwelche Solo-Parts oder so. Dann komme ich mit einem Bass-Riff um die Ecke und ehe du dich versiehst – wenn es ein guter Tag war – ist das Stück 10-12 Minuten lang und es ist nachts, aber du hast einen kompletten Song aufgenommen, der steht. Später müssen vielleicht noch Parts nachgemacht, rausgenommen werden, ein Solo wird angepasst oder so, aber das Grundgerüst steht. Es ist ein sehr schneller Prozess und der wäre nicht derselbe, wenn wir uns alle gegenseitig Dateien schicken würden.

Wenn Jordan nun eine Piano-Idee hätte und uns die schicken würde, wäre die vielleicht nur eine Minute lang und würde erst einmal ein Weilchen rumsitzen, ehe mehr damit gemacht wird. Es ist nicht nur ein guter Weg, die Musik schnell zu erweitern, sondern auch unsere Persönlichkeit in dem Moment und das, was wir denken, einfließen zu lassen. Es ist keine Komposition aus einer Hand, sondern es steckt etwas von jedem von uns drin. Normalerweise hat man einen Hauptsongwriter in anderen Bands, die anderen Mitglieder können sich vielleicht einbringen und Dinge ändern, aber hier sind wir Vier zu gleichen Anteilen beteiligt und ich finde, das kann man hören.

Ihr habt bei LIQUID TENSION EXPERIMENT schon seit Anbeginn diese Duette, in denen jeweils zwei Instrumente beziehungsweise Musiker das Spotlight haben. Auf dem neuen Album hat mich sehr überrascht, dass die neue Ausgabe von Drums und Bass, nämlich „Chris & Kevin’s Amazing Odyssey“, sehr rau, abweisend, beinahe schon noisig klingt, was man so von der Band eigentlich nicht erwarten würde. Aber auch die erste Single „Hypersonic“ war für eure Verhältnisse sehr schnell und aggressiv. Ich mein, Verzeihung, aber ihr seid alle nicht mehr die Jüngsten. War das so ein wenig die Intention, den jungen Wilden zu zeigen, dass die alten Herren auch noch zwei bis drei Tricks in ihrer Westentasche haben?

(lacht) Nein, das war zumindest nicht meine Intention. Du hast es ja schon angesprochen, ich bin vielleicht nicht mehr so schnell wie die jungen Leute, aber ich habe auch niemandem mehr etwas zu beweisen oder so. Wir machen halt die Musik, die wir machen, dieselbe, die wir auch schon vor zwanzig Jahren gemacht haben. Die anderen Leute in der Band kamen damit um die Ecke: „Lasst uns schneller und verrückter spielen!“ Die lieben das und ich lass mich einfach mitziehen. Ich mag den Ansatz, aber normalerweise kommt der nicht von mir. Aber wir spielen nun nicht schneller um irgendjemanden zu beeindrucken, sondern um gewisse Ideen musikalisch besser ausdrücken zu können.

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Quelle: Head of PR, Tony Levin
30.04.2021

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