Lingua Mortis Orchestra
Interview mit Peavy und André zum Debütalbum des RAGE-Orchesterprojekts
Interview
Ihr wollt das LINGUA MORTIS ORCHESTRA aber auch auf die Bühne bringen. Mit welchem Orchester werdet ihr da zusammenarbeiten?
Peavy: Da werden wir mit dem Orchester aus Barcelona arbeiten und zwar aus einem ganz simplen logistischen Grund. Das haben wir bei unserem letzten Konzert mit Orchester gemerkt, wo wir auf dem „Rock Hard Festival“ gespielt haben und auch wieder mit unseren Leuten aus Minsk arbeiten wollten. Wir haben aber so kurzfristig gar keine Visa für sie bekommen, weil das ja außerhalb der EU liegt und es sehr kompliziert ist, für weißrussische Leute die passenden Visa zu bekommen.
André: Und es kostet auch richtig Geld.
Peavy: Ja, das ist sehr teuer. Von daher haben wir gedacht – nicht, dass wir nachher noch was absagen müssen – diese Probleme umgehen wir, indem wir direkt mit einem europäischen Orchester arbeiten, für das wir keine Visa brauchen. Und so sind wir dann halt auf die Spanier gekommen.
Was können wir von der Tour erwarten? Wollt ihr das Album in voller Länge aufführen?
Peavy: Definitiv. Wir fangen erstmal an mit zwei Festival-Auftritten, beim „Masters Of Rock“ in Tschechien und in Wacken. Da weiß ich jetzt nicht genau, wie lang unsere Spielzeit ist, ob wir das gesamte Album dann in dieser Zeit umsetzen können, wenn es zeitlich möglich ist, werden wir es natürlich machen. Bei den Einzelshows werden wir auf jeden Fall das gesamte Album spielen, plus alles andere, was noch so geht.
Werdet ihr dann auch das Story-Konzept mit einer entsprechenden Bühnenshow oder Beamer-Einspielungen unterstreichen? Oder habt ihr euch diesbezüglich noch keine Gedanken gemacht?
Peavy: Eigentlich hatten wir vor, André bei der Show zu verbrennen.
André: So wie bei SPINAL TAP: Ich explodiere bei jeder Show – und für jede Show kommt dann ein neuer Trommler. Bei diversen Drum-Parts wäre es vielleicht vonnöten!
Peavy: Da wirst du schon von ganz alleine explodieren, da brauchen wir nichts dazu tun! (beide lachen)
André: Also so weit sind wir noch gar nicht, dass wir uns Gedanken über das Bühnenbild machen könnten, wir müssen jetzt erstmal nach den Terminen gucken. Wir haben schon einige Shows, die bestätigt sind, aber noch nicht spruchreif, da warten wir noch ein bisschen. Das geht teilweise auch bis ins nächste Jahr rein und wir versuchen jetzt ein ziemlich geiles Package zusammen zu schustern. Und dann müssen wir natürlich gucken, wie wir das Ganze auf der Bühne inszenieren. Fakt ist, dass das Barcelona-Orchester dabei ist, und dass unsere Sängerinnen und der Henning mit dabei sein werden, worauf ich mich tierisch freue. Peavy, Victor und ich sind natürlich auch dabei, klar. Wir wissen aber noch nicht mal, wann und wo wir mit wem proben. Das ist alles logistisch natürlich einfacher, wenn wir zu fünft oder zu sechst für die Proben nach Barcelona fliegen, anstatt mal eben zwanzig Leute hierher zu holen.
Das ist aber alles noch nicht spruchreif, wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf den Veröffentlichungstermin. Das „Masters Of Rock“ ist die erste Live-Show, da werden wir vorher proben und versuchen natürlich dann – nee, wir versuchen nicht, wir werden! Wir werden da definitiv unser bestes geben, um schon anhand der YouTube-Videos, die es danach definitiv geben wird, auch schon Werbung für die nächsten Shows zu machen. Man muss am Internet ja nicht alles hassen, finde ich.
Peavy: Du liebst doch alles!
André: Ich liebe alles am Internet – außer die Download-Zahlen natürlich. Gut, im Zuge der Veröffentlichungen jeden Monat, wenn ich sehe, dass 120-140 CDs jeden Monat rauskommen, da kann der gemeine Fan, der kein Geld mehr hat, definitiv nicht mehr alles kaufen. Natürlich heißen wir diese ganzen Downloads auf irgendwelchen Filesharing-Plattformen nicht gut, aber wir können da sowieso nix dran ändern und bauen natürlich dann doch noch auf den Fan, der lieber das anständige Artwork in der Hand halten möchte. Und qualitativ brauche ich keinem da draußen zu erzählen, dass es eh ein tierischer Unterschied ist zwischen einer anständigen CD und einem gut gemachten MP3-File. Wer eine gute Anlage zuhause hat, der wird wissen, wovon ich spreche. Und die Audiophilen werden wieder mehr.
Peavy: Der Vinyl-Absatz steigt wieder rapide, da hast du auch eigentlich das wertigste Produkt. Ich kann dazu noch sagen: Support your artist, don’t burn it or you will burn! (lacht)
André: Das ist halt das Problem, du gibst dir da jetzt richtig Mühe im Studio, der Victor und der Charlie versuchen noch, diverse Frequenzen rauszufiltern und so weiter – am Ende des Tages, wenn da irgendeiner aus dem Internet eine MP3-Datei mit 256 Kilobyte saugt, hörst du das sowieso nicht mehr. Das ist eigentlich schade und es soll einfach der Fan da draußen nochmal irgendwie mitbekommen, dass das für alle Bands – ich rede nicht nur über uns – die noch die Möglichkeit haben, in ein anständiges Studio zu gehen, dieselbe Situation ist. Wir können froh darüber sein, dass wir noch die Möglichkeit haben, in ein großes Studio zu gehen, viele Bands sind gezwungen, zuhause Heimrecording zu machen, weil sie kein Geld dafür kriegen. Kauft einfach die CD und ladet sie nicht runter, weil es ist einfach bares Geld, was wir hier auch verpulvern, um eine gute Qualität abzuliefern.
Peavy: Das muss man auch mal sagen: Ihr müsst nicht glauben, dass wir irgendwelche reichen Säcke sind, denen da alles egal wäre. Wir müssen davon leben und können das gerade so. Jeder, der uns beklaut, der nimmt uns wirklich die Brötchen morgens vom Frühstücksteller.
André: Victor hat gerade als Produzent jeden Pfennig und jede Minute der letzten vier, fünf Wochen da reingesteckt –
Peavy: (unterbricht ihn) Ich würde eher sagen, der letzten vier, fünf Monate!
André: Ja, da steckt auf alle Fälle schon richtig viel Arbeit dahinter!
Du hast gerade aber schon gemeint, dass die Audiophilen wieder mehr werden. Gibt einem das nicht Hoffnung, dass dieser große Abwärtstrend der letzten Jahre, gestoppt werden kann und die Metal-Szene auch kommerziell überleben kann?
André: Ich kenne keine genauen Zahlen. Ich bin selber Konsument und natürlich auch Musiker, so dass ich da in beiden Welten lebe.
Peavy: Wir wissen eigentlich auch immer nur das, was uns unsere Plattenfirma erzählt.
André: Fakt ist einfach, glaube ich, dass die Musikindustrie langsam aber sicher wieder versucht, sich durch die Fans selbst zu regenerieren. Weil die Fans da draußen mittlerweile auch nicht mehr jeden Scheiß kaufen, das muss ich einfach so hart sagen. Es gibt sehr viele Plattenfirmen, die alles mögliche auf den Markt geworfen haben – und davon sind auch die Plattenfirmen mittlerweile geheilt. Es wird jetzt nur noch das gefeaturet, was auch Qualität bringt und es ist jahrelang schief gelaufen, dass wirklich alle mögliche Scheiße auf den Markt kam. Es hat natürlich in den letzten Jahren auch unheimlich viele gute Bands gegeben. Es gibt einen Haufen Bands, die irgendwie – ich will jetzt nicht sagen das Rad neu erfunden haben. Aber VOLBEAT haben irgendwas neues gemacht, CALLEJON haben irgendwas neues gemacht, AIRBOURNE machen nix neues, aber die machen es frisch. Es gibt garantiert einen Haufen Bands, die es verdient haben, auch groß zu werden, VOLBEAT beweisen das ja gerade.
Wir sind schon so lange dabei und wir machen das ja nicht nur für uns, wir machen das auch für die Fans. Der Fan bekommt bei uns ein tierisches Produkt, wo wirklich Herzblut dahinter steckt, wo alles reingesteckt wurde, mit Bonus-Songs, mit aufgewerteter DVD, die wir da noch dazupacken, und allem Zipp und Zapp. Wir sind wirklich bemüht, alles mögliche zu machen, um den Fan glücklich zu machen, dass er weiß, was er da kauft. Und das wissen die Plattenfirmen mittlerweile zu schätzen, die wollen nur noch solche Sachen auf den Markt bringen. Der gemeine Fan meckert „wird alles immer aufgepumpt?“ – nein, so ist es ja nicht! Es ist ein Kaufreiz. Das ist einfach nur ein Kaufreiz, das muss man einfach auch mal von der geschäftlichen Seite her sehen. Und der Fan da draußen, der hat auch keinen Bock mehr auf diese ganze Verarsche und auf diese Billigproduktionen, die teilweise da draußen rauskommen, der möchte Qualität haben. Das ist das, was ich meinte, um die Klammer jetzt wieder zu zu machen, dass sich die Metal-Szene – ich sage bewusst, die METAL-Szene – selbst wieder ein bisschen versucht zu regenerieren, dass der Fan wieder auf Qualität geht und nicht auf Masse. Und das ist das, was es eigentlich schon seit Jahren immer in der Metal-Szene gab und durch das Internet mal kurz wieder weg war.
Aber es liegt ja nicht alles nur am Internet, sondern es liegt einfach auch an dem ganzen Überfluss an Bands. Die Musikinstrumente sind günstiger geworden, es kann ja mittlerweile jeder Musik zuhause machen. Ich habe auch versucht, Songs für das Album beizusteuern, und bin ständig zwischen Moll und Dur hin und her gesprungen, die Jungs haben sich kaputt gelacht und fanden es cool. Ich meine, ich bin Trommler, aber ich habe zumindest versucht, irgendwas zu machen. Ich habe aber am Ende des Tages auch gemerkt, dass ich es lieber lasse und mehr Schlagzeugspielen übe. Aber der Versuch ist da. Und viele versuchen es und bringen es dann aber auch echt raus und versuchen, das dann irgendwie an den Mann zu bringen. Und der gemeine Fan hat einfach die Schnauze voll, gerade in Zeiten von Facebook, Spotify und diesen ganzen Internet-Sachen, die ich alle begrüße.
Man kann über Facebook oder über MySpace meckern soviel man will, für kleine Bands ist das eine gute Plattform, aber auch für den gemeinen Fan, um zu merken: „Ey, das finde ich ja eigentlich richtig scheiße, die brauche ich gar nicht beachten.“ Die Bands stellen alle ihre Sachen irgendwie online, wie sie gerade Bock drauf haben. Und für uns ist das wiederum eine Möglichkeit noch mehr Leute zu erreichen, die vielleicht sagen: „RAGE? Die gibt’s noch?“ Weißt du, es gibt so viele Schläfer da draußen, die überhaupt gar keine Zeitungen mehr kaufen und auch im Internet nichts damit zu tun und überhaupt gar keinen Plan mehr davon haben, welche Bands es noch alles gibt. Überleg mal, Peavy gibt es nächstes Jahr dreißig Jahre!
Peavy: (lachend) Na hör mal, nächstes Jahr gibt es mich fünfzig Jahre!
André: Ich meine doch die Band RAGE. Und da draußen laufen Fans rum und wundern sich: „Häh, die Band gibt’s immernoch?“ Weißte, das ist schade. Und dem kann man durch die Werbung im Internet schon wieder ein bisschen entgegenwirken und das finde ich wiederum gut. Die Downloads nicht, wer findet die Downloads schon gut? Die Qualität ist echt scheiße.
Peavy: Ich hoffe, dass gerade die Kiddies, die jetzt in diese ganze Geschichte neu einsteigen, das wieder entdecken, dass Musik gut klingen kann. Dass also Musik auch ein Klangerlebnis sein kann und nicht nur irgendwelche Hamster-Geräusche, die man sich da über diese Mini-Kopfhörer irgendwie den ganzen Tag in den Kopf dröhnt. Das ist doch kein Musik-Genuss, das ist doch lächerlich! Da kannst du dir genauso gut einen Rasenmäher oder einen Rasierer anhören, das klingt genauso.
André: Was ich bemerke, ist, dass bei den Konzerten jetzt immer unheimlich viel mehr jüngere Leute am Start sind. Ich erkläre das mal ganz dumm so, dass das alles Kiddies sind, die unsere Kinder sein könnten. Die sind mit Eltern aufgewachsen, die wie wir aufgewachsen sind, noch mit LP, noch mit Kassette, noch mit diesem Bewusstsein, dass man Musik kaufen muss. Das haben die in die Wiege gelegt gekriegt. Und dazwischen war mal irgendwann eine Generation, die damit aufgewachsen ist, dass ihnen das scheißegal ist. Aber jetzt sind unheimlich viele Vierzehn-, Sechzehn-, Achtzehnjährige im Publikum, die zuhause die LPs von ihrem Vater hören – und das ist geil! Das kommt jetzt wieder, das ist die neue Fanschicht. Und das ist das, was ich meine, dass sich diese Metal-Generation jetzt gerade selbst regeneriert, weil sie wieder Bock auf gut gemachte Musik hat. Und das merkt man jetzt.
Das heißt, wir können dann doch eigentlich relativ optimistisch in die schwermetallische Zukunft blicken.
André: Ich hoffe es.
Peavy: Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass Nuclear Blast uns heute noch erzählten, dass sich das ganze – zwar noch immer auf einem relativ niedrigen Niveau, aber doch – gefangen hat. Jahrelang stürzte das irgendwie ins Bodenlose, aber der Absturz ist jetzt wohl gebremst.
André: Das verteilt sich alles, du hast vielleicht weniger CD-Verkäufe, dafür hast du jetzt mehr offizielle Downloads. Wobei das mit den offiziellen Downloads immernoch so ein Nagel im Auge jedes Musikers ist, weil die Abrechnungsart immernoch nicht so richtig klar ist. Das kannst du mit einer normalen CD nicht vergleichen.
Peavy: Sprich, für einen Download kriegst du nix.
André: Das ist nix, eine Lachnummer! Das sind 0,0000005 Cent oder so.
Peavy: Da kommt gar nichts beim Musiker an.
André: Klar, die Filmindustrie hat sich selbst regeneriert, die hat ein Format wie BluRay auf den Markt gebracht. Ich hab selber zuhause einen etwas größeren Fernseher und dann gucke ich mir nicht irgendwelche gedownloadeten DivX an, wo ich Augenkrebs von kriege, das macht man einfach nicht.
Peavy: Komischerweise sind die Leute immernoch bereit, Ohrenkrebs zu kriegen. Leute, hört euch mal ein richtig gut produziertes Album auf einer richtig guten Anlage an. Da liegen Welten dazwischen, das hat nichts mit dem zu tun, wie ihr normalerweise euer Zeug über irgendwelche kleinen Hamsterboxen, kleine Mini-Kopfhörer oder euer Handy konsumiert. Das ist lächerlich, das ist kein Musikgenuss!
André: Wenn ich das vor Jahren gewusst hätte, dass sich MP3 so etabliert, hätte ich mir das Wort echt geschützt. Das MP3-Format war, glaube ich, mal dazu gedacht, um irgendwelche Musikdateien auf Homepages im Internet austauschen kannst. Dass du heute in jedem Küchen-, Badezimmer- und Autoradio MP3-Dateien abspielen kannst, dass sich dieses MP3-Format so etabliert, ist unfassbar. Hätte man das mal vorher gewusst! Und wenn du jeden Tag nur noch 224 Kilobyte-MP3s hörst, bist du es natürlich irgendwann gewohnt. Aber ich kann jedem da draußen nur sagen: Leg die ’87er WHITESNAKE in deinen CD-Player und hol sie dir auf einen Stick und vergleich das – dir fliegt der Arsch aus der Hose, da sind Welten dazwischen!
Peavy: Oder hol dir mal einen richtig guten Plattenspieler mit richtig guten, großen Boxen und leg da mal das Vinyl auf, so wie man noch in den Achtzigern Musik gehört hat. Das hat nichts mit dem zu tun, was ihr kennt.
André: Deswegen: Wir geben unser Herzblut, haben unser Herzblut für dieses Album gegeben, Victor am meisten, und er wird es für den perfekten Mix noch weiterhin tun. Bestraft uns nicht mit Downloads, kauft das Album und besucht uns auf Tour, Dankeschön!
Peavy: Amen, Pastor Hilgers hat gesprochen! (lacht)
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