Leprous
Interview mit Einar Solberg zu "The Congregation"

Interview

Leprous

Rechtzeitig zur Veröffentlichung des neuen LEPROUS-Albums hatten wir die Möglichkeit, mit Sänger, Keyboarder und Songwriter Einar Solberg zu sprechen. Das Ergebnis ist ein weitreichendes Statement zu fast allem: Vegetarismus, der norwegischen Natur, „The Congregation“, Songwriting und Musik-Tipps – der sympathische Frontmann war an manchen Stellen kaum zu bremsen.

Hattest du schon viele Interviews heute?
Ich hatte eine ganze Menge Interviews über die vergangenen Wochen und heute noch ein paar Mail-Interviews. Die mag ich aber nicht sonderlich. Außerdem muss ich die ganze Arbeit machen.

Von deinen Bandkollegen wollte keiner?
Das Problem ist, dass es eine ganze Menge Fragen gibt, die sich direkt an mich richten. Deshalb mach ich’s einfach (lacht).

Wie kommt’s?
Weil ich mehr oder weniger das Album geschrieben habe.

Ist auf jeden Fall ein guter Grund – ich habe mir vorhin noch eure Studiodokumentation angesehen. Es war nett anzuschauen, wie du in Logic die MIDI-Spuren baust.
Ja, so hab‘ ich das ganze Album geschrieben. Sämtliche Gitarren, Keyboards usw.. Natürlich haben wir dann noch alles aufgenommen (lacht). Aber ich habe alles in MIDI komponiert und es war eine schöne und befreiende Arbeit, weil ich tun konnte was ich wollte. Ich bin kein Gefangener meiner eigenen Kenntnisse. Das ist das Problem wenn du an einem Instrument komponierst – du bist versucht nur das zu tun, was du schon zuvor oft gemacht hast. Wenn ich am Computer schreibe kann ich meine Ohren benutzen und einfach hören. Die wirklichen Songs lernen wir dann später (lacht).

Ich habe gehört das du Vegetarier bist – stimmt das?
Das Gerücht hat sich also verbreitet (kichert). Ja, das stimmt.

Ich bin selbst Vegetarier, daher bin ich neugierig, wie du in der „carnivoren“ Metal-Szene zurechtkommst.

Natürlich, da gibt es einige stereotypische Fleischesser aber auch eine ganze Menge, die das nicht tun. Wenn wir auf Tour sind, gibt es häufig andere Musiker oder Crew-Leute, die Vegetarier sind. Das ist mehr als ich es im Alltag, zum Beispiel hier in Norwegen, erlebe. So schlimm ist das also gar nicht in der Metal-Szene. Unser Gitarrist Tor ist auch Vegetarier; oder Pescetarier um genau zu sein.

Was für Gründe hattest du? Waren es ethisch-moralische oder magst du einfach kein Fleisch?

Nein, überhaupt nicht. Als ich Vegetarier geworden bin, liebte ich Fleisch. Ich aß eine Menge. Ich wusste in meinem Unterbewusstsein, wie das mit der Massenproduktion von Fleisch abläuft und das hab ich irgendwie schon immer gehasst, wenn ich darüber nachdachte. Aber wie die meisten Menschen habe ich einfach mit verbundenen Augen weitergegessen. Dann wurde mir plötzlich bewusst, dass ich das nicht mehr für mich rechtfertigen kann.  Es war nach einem Kebab, als ich mir dachte: „echt jetzt?“ – seitdem esse ich kein Fleisch mehr und das ist jetzt sechs Jahre her. Selbstverständlich mache ich das auch der Umwelt und des Tierschutzes wegen. Mittlerweile bin ich angeekelt, wenn ich Fleisch sehe oder rieche. Es wirkt so grotesk auf mich, wenn jemand ein ganzes Hühnchen isst, seitdem ich es selber nicht mehr gewohnt bin. Ich überlege sogar, Veganer zu werden. Ich kaufe auch nur biologische Eier und Milch. Ich meine, Eier zu kaufen ist nicht viel besser als Hühnchen, weil beides sozusagen gleich behandelt wird. Das ist mir aber bewusst und ich werde es dir später beantworten, wenn du die Frage stellst, die die meisten Leute fragen (lacht).

Ich bin neugierig, welche das wohl sein wird. Was wurde aus den Black-Metal-Einflüssen auf euren Anfangswerken? War das IHSAHNs Einfluss?
Waren da Black-Metal-Einflüsse? Ich kann mich nicht mehr erinnern (lacht).

Ich habe zumindest welche gehört, die haben aber auch nur einen kleinen Teil eures damaligen Gesamtsounds ausgemacht.
Naja, ich mag sowieso jede Musik, die echt ist und Charakter hat. Daher mag ich auch Extreme Metal. In diesem Sinne war ich sicherlich davon beeinflusst. Ich kann auch nicht lügen und sagen, dass ich nicht eine enge Verbindung zur Black-Metal-Szene habe, da IHSAHN mein Schwager ist. Als Teenager war ich ein großer Fan norwegischen Black-Metals und es gibt immer noch einiges was ich mag – auch heute noch. Da ich auch bei allen EMPEROR-Shows der Live-Keyboarder bin, würde ich sagen, du wirst von allem unterbewusst bereichert, was dich in nächster Nähe umgibt.
Ich respektiere IHSAHN sehr als Musiker – natürlich gibt es dann Inspirationen.

Siehst du LEPROUS eigentlich als Teil einer Avantgarde?

Ich verstehe solche Fragen nicht. Wir sind kein Teil einer Szene oder einer Bewegung. Die Leute sollen uns halten, wofür sie wollen (lacht). Wir denken nicht viel darüber nach, ob wir irgendwo dazugehören wollen oder jemandem gefallen möchten. Natürlich könnten wir eine Djent-Band sein, wenn wir auf den derzeitigen Djent-Zug aufspringen wollten. Würden wir das tun, wäre das aber erzwungen. Das wollen wir nicht. Progressive Metal oder Avantgarde Metal sind sehr offen für Interpretationen, also ist es schön, diesen Genres anzugehören. Normalerweise sind die Leute, die diesen Stilen zugetan sind, musikalisch oft wenig engstirnig. Wir machen einfach Musik. Das ist uns wichtig.

Schön dass ihr so denkt – schließlich geht es in der Musik nicht darum, Geschmäcker zu befriedigen.

Ich verstehe trotzdem nicht, warum das so viele versuchen. Man kann es nie allen recht machen. Das einzige, was du als Künstler heutzutage machen kannst, ist, das Beste aus dem herauszuholen, von dem du selbst denkst, dass es das Beste ist. Viele fragen mich, ob ich nicht nervös gewesen sei, das vorhergegangene Album zu überbieten, das alle so toll finden. Nein! Wir denken darüber nicht nach. Für uns ändert das nichts am Prozess, ob es jemandem gefällt oder nicht. Darüber können wir nicht nachdenken, wenn wir etwas machen. Wir würden uns absichtlich wiederholen.

Kann ich voll und ganz nachvollziehen. Kommen wir zu eurem neuen Album: Mein bisheriger Liebling auf „The Congregation“ ist „Third Law“. Da MUSE ein Album mit dem Namen „The 2nd Law“ veröffentlicht haben, habe ich mich gefragt, ob die Band dich oder euch irgendwie beeinflusst hat beim Songwriting, da auch manche Arrangements oder Vocals danach klingen.
Das Album kenne ich nicht. Aber was du hörst ist, dass ich großer RADIOHEAD-Fan bin, was MUSE wiederum ebenfalls sind. Ich mag MUSE und ich respektiere sie als Band, aber wenn ich zähle, wie viele Stunden ich RADIOHEAD im Vergleich zu MUSE gehört habe… (lacht). Auch die Vocals sind von Thom Yorke inspiriert – dieses Unpolierte. Ich habe das bezüglich „Third Law“ aber nicht zum ersten Mal gehört. Du scheinst also nicht alleine zu sein mit dem Vergleich. Vermutlich sprichst du von der Strophe, oder?

Genau.
Das Lustige ist, dass das improvisiert ist. Eigentlich sollte ich schreien aber sowohl ich als auch der Produzent, der zu diesem Zeitpunkt ISAHN war, dachten, dass das nicht passt. Dann haben wir Clean-Vocals ausprobiert, fanden es gut und wollten es so behalten.

Ich halte „The Congregation“ für euer technischstes und auch minimalistischstes Album und deshalb auch für sehr repetitiv. Denkst du, dass es die Hörer dazu bringt, ihre Fantasie zu gebrauchen, um die Songs „aufzufüllen“?

Es ist ein schmaler Grat zwischen „repetitiv“ und einem soliden Fundament. Wenn es in einem Bereich eine konstante Entwicklung gibt, ist das für mich nicht repetitiv, obwohl es die Basis ist. Nehmen wir zum Beispiel „The Flood“ – das repetitive Element zieht sich fast durch den gesamten Song. Dabei war ich von Bands beeinflusst, die wenige Zutaten benötigen, um etwas Kraftvolles und Emotionales zu erschaffen, wie RADIOHEAD oder MASSIVE ATTACK. Ich vergleiche das oft mit dem Kochen. Es macht die Mahlzeit nicht besser, wenn du alle Gewürze in einen Topf wirfst.
Über „Bilateral“ zum Beispiel heißt es, dass es sehr technisch und anspruchsvoll sei. Ist es auch. Dabei ist es eigentlich einiges unkomplizierter, verglichen mit „The Congregation“ – aber eben offensichtlicher kompliziert. Das ist meiner Meinung nach nicht der Schlüssel zu gutem Songwriting. Das ist nicht mehr der Künstler, der ich sein will. Ich respektiere die, die das tun oder die diese plötzlichen Dynamikwechsel mögen aber es ist nicht mehr das, was ich bevorzuge. Ich identifiziere mich mehr damit, wie wir jetzt Songs schreiben. Meiner Meinung nach ist es emotionaler. Vielleicht auch weniger eindrücklich, wenn man es nur oberflächlich betrachtet. Durch die ständigen Wiederholungen wollen wir eine konstante Spannung erzeugen. Etwas bleibt immer bestehen, doch es kommt auch etwas Neues dazu. Keine abrupten Wechsel, die dich von einem Ort zum anderen bringen. Ich mag einfach einen langsamen Aufbau – auch in Filmen oder Büchern.

Für mich ist „The Cloak“ einer der besten Songs, die ihr je geschrieben habt. Er hat auch dieses Repetitive, kombiniert mit einem spannenden Aufbau. Letztlich habt ihr das auf „The Congregation“ perfektioniert.
Es bringt einen enormen Charakter in einen Song. Wenn du (beginnt „The Cloak“ zu summen) hörst, wird den Leuten sofort klar, welchen Song wir jetzt spielen. Wenn wir beginnen, „Forced Entry“ zu spielen, muss das Publikum erst einmal überlegen, weil alles auf einmal passiert. Aber wir haben es an manchen Stellen auch übertrieben. Zum Beispiel bei „The Valley“ haben wir den Mittelteil gekürzt, weil der dann doch zu lang war (lacht). Da haben wir aus unseren Fehlern gelernt.

Ich sehe etwas Dunkles, aber auch Romantisches im Cover-Artwork. So etwas wie „Im Tode vereint“. Inwiefern passt das mit den Lyrics des Albums zusammen?
Jetzt hast du beinahe die Frage gestellt, von der ich vorher gesprochen habe (lacht); und die Antwort liegt wohl darin, was das Cover und der Titel repräsentieren. Es ist kein Konzeptalbum, dennoch ist alles irgendwie verknüpft. Deshalb fange ich damit an, den Titel zu erklären, dann ist es einfacher, auf das Cover einzugehen. „Kongregation“ meint eigentlich eine religiöse Zusammenkunft, so etwas wie einen Orden. Der Titel bezieht sich hier jedoch nicht auf einen solchen Kontext. Es geht darum, einer Sache zu folgen, ohne sie zu hinterfragen oder zu reflektieren. Unsere Gesellschaft ist so beschaffen, dass man einfach mitläuft. Die meisten Menschen, mich bis zu einem gewissen Grad eingeschlossen, sind Teil einer gesellschaftlichen Bruderschaft. Wir verfolgen nahaezu blind, was von uns erwartet wird, dass wir es tun. Wir sprachen zuvor über Vegetarismus – das ist eines dieser vielen Dinge: die Fleischindustrie. Die absolute Mehrheit auf der Welt isst Fleisch, ohne auch nur irgendetwas  zu hinterfragen. Dasselbe passiert mit den Kleidern, die wir tragen, unseren elektronischen Geräten, unseren Reisen… Das meine ich damit: Dass wir als eine Gesellschaft funktionieren. Alles für Profit, Effizienz – das ist sehr zerstörerisch. Jeder weiß das und macht trotzdem weiter, seines eigenen Behagens wegen. Alles, wenn man es näher betrachtet, lässt uns ab einem bestimmten Zeitpunkt schuldig fühlen. Deswegen wurde ich Vegetarier – weil ich mich gefragt habe: „Was ist damit? Was ist hiermit?“ – aber gibt es überhaupt etwas auf der Welt, das man tun kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen? Ich kam zu dem Schluss: nein! Zwar versucht der eine oder andere, einen Unterschied zu machen, am Ende sind wir trotzdem alle Heuchler (lacht). Ich zum Beispiel esse unserer Umwelt wegen kein Fleisch und wahrscheinlich reise ich zwanzig mal mehr als der Durchschnitt. Letztlich bin ich für mehr Umweltverschmutzung verantwortlich, als jemand, der Fleisch isst.

Wie wär’s mit Touren auf Fahrrädern?
Genau (lacht) – das ist mein Punkt. So funktioniert die Welt und wir können nicht anders, als dem zu folgen. Natürlich könnten wir alle in eine Waldhütte ziehen und unser eigenes Gemüse anpflanzen. Das wäre hier in Norwegen in Anbetracht der Temperaturen aber ziemlich hart.
Das Cover – um darauf zurück zu kommen – zeigt die Deformierung und Zerstörung, die graduell auf die Erde einwirken. Der verzerrte, aber vereinigte Kälber-Fötus ist ein Symbol für das, wohin sich die Dinge entwickeln. Es ist ein deprimierendes und sehr hoffnungsloses Thema, welches wir auf dem Album behandeln.

Ich dachte auch an die Symbolik der Vanitas im Barock – als die Leute begannen, die negativen Dinge zu reflektieren.
Genau – und so wie es gerade läuft, ist etwas Deformiertes ein treffendes Symbol, um das zu zeigen. Einer der Songs auf dem Album ist sogar über die Fleischindustrie – das sollte eigentlich dein Lieblingssong sein (lacht).

Welcher ist das?
„Slave“ – der ist so etwas, wie ein Pro-Vegetarier-Song (kichert). Unser Ziel ist nicht, zu moralisieren. Damit erreicht man nichts. Wir wollen Fragen stellen, damit sich die Menschen der Dinge bewusst werden. Wandel beginnt mit Bewusstsein. Ignoranz führt zu gar nichts. Aber alles ist sehr subtil geschrieben – also werden es wohl nicht so viele verstehen.

Hast du auch die Lyrics geschrieben?

Ich habe etwa 40 Prozent beigesteuert und Tor, unser Gitarrist, den Rest. Auf „Coal“ hat er alle bis auf „The Cloak“ geschrieben und auf „Bilateral“ alle Texte. Ich hole also langsam auf (lacht).

Beziehst du dich dabei auch auf skandinavische oder norwegische Literatur oder ist es rein emotional und persönlich?
Meistens ist es persönlich und ich habe nicht so viel gelesen, wie ich gelesen haben sollte. Ich mag tiefgehende Literatur, aber meistens habe ich für sie keine Zeit. Momentan lese ich „Der Idiot“ von Dostojewski. Ich bin noch nicht so weit gekommen, daher weiß ich nicht, wie sich die Dinge dort entwickeln.

Ziehst du auch Inspiration aus der heimischen Natur?

Für mich kann es eines der inspirierensten Dinge überhaupt sein. Skandinavier, ich spreche hier für Norweger, verbringen sehr viel Zeit in der Natur, im Vergleich zum Weltdurchschnitt. Die meisten, die ich kenne, haben viel Zeit im Wald oder auf Bergen verbracht, während sie aufwuchsen. Mit das Schönste, was ich machen kann, ist an einem ruhigen, sonnigen Tag rauszugehen und dort den ganzen Tag spazieren zu gehen und dem Rascheln der Bäume und den Vögeln zuzuhören – dennoch mach ich das viel zu selten. Fun-Fact über Norweger: Wenn man Norweger in der U-Bahn trifft, treten sie sehr introvertiert und reserviert auf. Wenn du ihnen in der Natur begegnest, sind sie viel offener und lächeln. Norweger wurden gemacht, um in der Natur zu sein (lacht). Für mich ist das auch der Zeitpunkt, an dem ich mich am besten fühle. Ich lebe in Oslo, aber wir haben hier ungefähr 70 Prozent Wald. Das macht es sehr angenehm, hier zu leben, denn du hast sowohl Großstadtleben als auch Natur.

Spazierst du lieber allein oder in Begleitung?

Kommt auf die Begleitung an (lacht). Wenn ich meine Lieblingsbegleitung habe, ist das immer schöner als allein. Vor ein paar Wochen war ich lange wandern, da war ich alleine. Das hat sich gut angefühlt. Heute hab ich den ganzen Tag vor dem Computer verbracht. Das war schrecklich.

Ihr werdet international immer bekannter. Inwiefern macht sich das für euch bemerkbar?
Grundsätzlich sind wir alle die gleichen geblieben. Jetzt, wo ich sehe, dass ich in nicht all zu ferner Zeit wahrscheinlich von meiner Musik werde leben können, ist das sehr motivierend. Bis zum heutigen Tage hab eich keinen Cent an LEPROUS verdient und es ist wirklich hart als kreativer und administrativer „Hauptmann“, so viel zu geben und nebenher noch zu einhundert Prozent seinen Job zu machen. Manchmal dachte ich mir: „Kann bitte endlich etwas passieren“ (lacht). Wir haben unsere Karriere Stein für Stein aufgebaut. Innerhalb dieses Jahres können wir hoffentlich die Schulden von unseren Vorband-Touren begleichen und tatsächlich Geld verdienen. Selbstverständlich machen wir es nicht des Geldes wegen – aber wenn ich anfange, etwas dafür zu bekommen, kann ich mich ungleich mehr auf LEPROUS fokussieren. Ohne Kompromisse oder Zwischenlösungen. Je erfolgreicher wir werden, umso entspannter werde ich.

Wie sieht es mit Nebenprojekten bei den anderen Musikern aus?
Baard ist eigentlich der einzige, der welche hat. Er spielt in einer Reihe Extreme-Metal-Bands – aber LEPROUS ist am nächsten an seinen musikalischen Vorstellungen. Er hat uns wirklich mehr als genug Zeit gewidmet. Außerdem ist er viel mehr ein „Prog-Typ“ als ein „Extrem-Metaller“. Er ist auch einer der Gründe, weshalb das Album letztlich so technisch geworden ist. Es ist derzeit ein unglaublich schöner Arbeitsgeist in der Band und, um ehrlich zu sein, war es nie besser. Ich kann absolut nichts Negatives sagen. Ich freue mich auf jede einzelne Probe –  und das sind, bis Anfang Juni, noch 27 (lacht).

Hat einer von euch eigentlich Musik studiert?
Ja, ich habe Pop-Musik studiert. Baard war auf einer Musik-Akademie. Tobias, unser früherer Drummer, hat auch studiert. Nur unsere beiden Gitarristen nicht. Einer ist Physiotherapeut, der andere Computer-Geek (kichert).

Würdest du es in Betracht ziehen, irgendwann einmal klassische Musik bei LEPROUS einfließen zu lassen?
Ja unbedingt – ich fände es toll. Ich mag klassische Musik sehr. Ich würde gerne etwas für Streicher schreiben und so etwas wie einen „klassischen Sound“ erzeugen; und natürlich wäre es nicht rein symphonisch. Ich habe zwar keine konkreten Pläne, bin aber immer offen dafür, neue Methoden auszuprobieren –  aber zunächst will ich noch ein Album machen, auf die Art, wie ich sie mit diesem Album entdeckt habe.

Würdest du das als Solo-Projekt oder unter LEPROUS verkaufen?

Unter LEPROUS. Ich mache alles mit LEPROUS. Ich bin kein Freund davon, viele Projekte zu haben. Wenn du all deine Energie in eine Sache steckst, muss es besser sein, als wenn du deine Kraft überall hin verteilst. Ich habe lieber ein sehr gutes Projekt, als mehrere mittelmäßige.

Wie lief eigentlich die Zusammenarbeit mit dem finnischen Label Blood Music, die kürzlich „Bilateral“ veröffentlicht haben?
Es ist für ein Label immer ein Risiko, Vinyl pressen zu lassen, weil es sehr teuer ist. Blood Music kam auf uns zu und wollte eine limitierte Anzahl pressen. Das war eine Win-Win-Situation. Ich habe für meinen vinyl-fanatischen Bruder eine Kopie ergattert (lacht). Ich war ein großer CD-Sammler, aber irgendwann brauchen die soviel Platz und gehen kaputt. Heutzutage fühlt sich das so wertlos an und ich frage mich, warum ich stattdessen nicht Vinyl gekauft habe. Das ist solider, hält länger und klingt charmanter.

Wird es für „The Congregation“ ein extra Vinyl-Mastering geben?
Ja, es wurde ein separates Mastering gemacht. Ich persönlich bin ja ein Sünder. Ich höre Musik über Spotify. Das Problem dabei ist, dass du ein Kind mit zu vielen Spielzeugen wirst und nicht mehr weißt mit welchem du spielen willst; am Ende höre ich kaum mehr Musik, im Vergleich zu der Zeit, als ich noch CDs gesammelt habe.

Hast du zum Abschluss noch eine Musikempfehlung?
Wen es sich um neue Musik handelt, bin ich so ziemlich die letzte Person, die du fragen solltest. Ich habe leider nicht die Zeit, angemessen zuzuhören. Eine meiner Lieblingsbands ist MASSIVE ATTACK – ich mochte deren letztes Album („Heligoland“ anm. d. Red.) wirklich sehr gerne. Den Klassiker „Mezzanine“ natürlich auch. Ah, mir fällt gerade SUSANNE SUNDFØR mit ihrem Album „The Brothel“ ein. Leute die von ganz anderen Genres kommen, mögen ihre Musik. Das würde ich empfehlen.

Hast du eigentlich das letzte Album von STEVEN WILSON gehört?
Ich war ein großer PORCUPINE TREE-Fan. Aber STEVEN WILSON wurde mir zu sehr „Standard-Prog-Rock“, wenngleich auch sehr gut gemacht und mit sehr guten Songs. Ich habe ihn mal live gesehen, das konnte aber nicht am Ansatz mit PORCUPINE TREE mithalten. Die habe ich vier mal gesehen und es hat mich jedes mal auf Neue umgehauen. Normalerweise kann ich es nicht ausstehen, wenn Leute sagen „Ich bevorzuge die alten Sachen“, aber in dem Fall bin selbst so (lacht).

Insbesondere bei OPETH kann ich das kaum nachvollziehen.

OPETH sind eine grandiose Band. Mittlerweile sind sie mir zu sehr klassischer Prog-Rock. Ich mag den Retro-Sound nicht so sehr. Ich mag es, wenn der Sound wirklich aus jener Zeit kommt aber nicht, wenn er künstlich erzeugt wird. Das letzte Album habe ich nicht so oft gehört, aber „Ghost Reveries“ und „Watershed“ höre ich sehr oft. Trotzdem halte ich OPETH für eine sehr gute Band, genauso wie ich STEVEN WILSON für ein sehr guten Künstler halte. Wenn man Musik macht, findet man immer irgendwo etwas, was bei deiner eigenen Musik oder der eines anderen Künstlers besser sein kann (lacht). Diesmal war ich sehr stolz und glücklich mit den Songs. Vorerst hatten wir 18 Lieder. Man kommt in einen Selektionsprozess und beginnt, die verbleibenden zu perfektionieren. Naja, jetzt hab‘ ich wieder ein bisschen Distanz dazu gewonnen, weswegen ich mich ab und an frage, was wäre, wenn hier und da etwas anders wäre. Man sollte meiner Meinung nach nie aufhören, seine eigene Musik zu bewerten, sonst beginnt man, zu stagnieren.

Danke für deine Zeit und viel Erfolg mit dem Album und der Tour.

War mir ein Vergnügen. Ich werde auch langsam hungrig.

04.06.2015
Exit mobile version