Leichenwetter
Leichenwetter
Interview
Dass man bei einer maskentragenden Band die eingängig geriffte Musik macht und obendrein noch auf den Namen ‚Leichenwetter‘ hört nicht automatisch an die Vertonung klassischer und romantischer Gedichte denkt, dürfte von vorneherein offensichtlich sein. Da der ständige Konflikt zwischen platter Provokation und anspruchsvollen Textvertonungen nicht nur Redakteure sondern auch Fans in den Wahnsinn treiben kann, hat uns der sympathische Gitarrist Dawe ein paar erläuternde Fragen über die Band, die Masken, und Andreas Gryphius beantwortet.
Gegrüßet seist du! Euer neues Album ‚Letzte Worte‘ kommt Ende des Monats in die heimischen Läden; wie sind denn bis jetzt die Kritiken ausgefallen?
Hallo auch. Mittlerweile ist das Album quasi seit gestern offiziell erhältlich. Die Kritiken sind überwiegend – vor allem auch von den relevanten Magazinen – positiv ausgefallen. Natürlich gibt es auch negative Äußerungen, die sich aber meist auf zwei Dinge konzentrieren: Uns wird vorgeworfen, Rammstein zu kopieren, was ich überhaupt nicht so sehe. Die beiden großen Gemeinsamkeiten mit denen sind unsere fetten Gitarren und die deutschen Texte. Und das reicht für´s Kopieren meines Erachtens nach nicht aus. Die zweite Sache ist etwas, an der sich die Geister scheiden, nämlich die Coverversion von ‚Jenseits von Eden’. Die einen hassen sie, die anderen lieben sie. Das ist sehr spaßig zu verfolgen.
Die Idee, Musik über gedichtetes Gedankengut zu legen, zieht sich bis in die Romantik zurück. Wie seid ihr darauf gekommen?
Der Grundgedanke reicht eigentlich noch in die Schulzeit zurück, als ich mein Gedichtsammelband wälzte. Ich fand darin einige Werke, die mich spontan sehr ansprachen. Ich vermutete damals, dass es eventuell auch anderen so gehen könnte, fand aber noch kein geeignetes Mittel, die Gedichte anderen zu präsentieren. „Hier, hör mal, darf ich dir mal ein tolles Gedicht vortragen?“ ist wohl eher eine Methode, sich lustig zu machen. Also kam mir irgendwann die Idee, die Lieder mit düsterer Musik zu verbinden. Das war der Beginn und nach und nach haben sich dann die anderen Bandmitglieder (Numen – Gesang, Rudiator – Elektrik, Cpt. Loft – Bass, RaweN – Schlagwerk) dazugefunden.
Wie fängt man an, wenn man versucht ein Gedicht zu vertonen? Ihr habt die Stücke ja nicht 100 %ig übernommen, sondern die Strophen passend zu einer Liedstruktur umgestellt. Kam es manchmal vor, dass ihr auf der Suche nach Melodien für die Songs auf Ohrwürmer gestoßen seid, die aber nicht benutzen konntet, weil sie nicht in die Atmosphäre des Textes gepasst hätten?
Im Prinzip fangen wir wohl nicht anders an als andere Bands auch: Wir sammeln im Proberaum erst einmal unsere musikalischen Ideen. Wenn wir einen Riff oder eine Idee haben, mit der wir weiterarbeiten wollen, dann suchen wir einen passenden Text, der dazu passt. Und dann geht´s ganz normal weiter, bis das Lied fertig ist. Über unpassende Melodien konnten wir bisher noch nicht klagen.
Nach welchen Kriterien sucht ihr euch die Gedichte aus, die ihr schlussendlich vertont?
Naja, sie müssen schon gewisse Kriterien hinsichtlich der Form erfüllen. Sie dürfen natürlich nicht zu lang oder zu kurz sein. Manche Reimschemata eignen sich auch nicht besonders zum Vertonen, dann hätte das Ergebnis wirklich irgendwie einen Reim-dich-oder-ich-fress-dich Touch. Das muss ja nicht sein. Auch Sonette eignen sich nicht gut um als Rocksongs vertont zu werden. Da gibt es dann durch die unterschiedlich langen Strophen keine einheitlich langen Liedstrophen.
Ich persönlich stehe auch nicht so auf moderne Gedichte. Ich mag eher zeitlose Werke aus der Romantik.
Kam es schon vor, dass ihr vor einem Text gestanden habt, mit dem ihr absolut nichts anfangen konntet, und bei dem alle Vertonungsversuche schief gelaufen sind?
Wir hatten mal so einen Kandidaten, mit dem wir uns recht schwer getan haben: Bei ‚Vergänglichkeit der Schönheit’ von Andreas Gryphius hatten wir ziemliche Schwierigkeiten. Bei dem Gedicht handelt es sich übrigens auch um ein Sonett. Wir sind auch mit dem endgültigen Resultat noch nicht so zufrieden, was man auch daran sieht, dass das Stück es nicht auf das Album geschafft hat.
Wie geht ihr mit Gedichten um, die einen Dualismus ausdrücken wollen, und bei denen man nicht genau sagen kann, in welche Richtung sie zu interpretieren sind? Kommt es manchmal vor, dass die Literaturprofessoren innerhalb der Band den Komponisten ständig reinreden wollen?
Es ist ja nicht so, dass wir uns vor dem Komponieren hinsetzen und ein Gedicht zusammen interpretieren. Wir versuchen zumindest, die Grundstimmung eines Textes einigermaßen zu treffen. Meistens klappt das ganz gut und es gibt eigentlich über solche Sachen auch keine Streitigkeiten. Schwieriger wird´s schon bei der Frage, welche Passage man zum Refrain machen soll. Darin sollte ja eigentlich die Kernaussage das Stückes auf den Punkt gebracht werden. Da gibt´s dann schon mal Diskussionen, aber meistens nur zwischen Rudiator und mir. Der Rest hält sich da raus.
Okay, dann kommen jetzt die fiesen Fragen… 🙂
In meinem Review hab ich ziemlich die krampfhafte Provokation und etwas aufgesetzte Härte kritisiert, die nicht wirklich zum melodischen Gesamtbild passen will. Beispiel 1: Die Masken – wer kam auf die Idee und mit welcher Begründung?
Die Masken sind aus der ursprünglichen Überlegung heraus entstanden, dass wir als Musiker gar nicht persönlich in Erscheinung treten wollten, sondern die Texte für sich sprechen lassen wollten. Schließlich sind wir aber einfach dabei geblieben…
Beispiel 2: Der Bandname. Wofür steht er?
Der Name war schon vorhanden, als ich mit meinem Vierspurrecorder das erste Stück aufgenommen habe. Eigentlich hat er überhaupt keine Bedeutung und diente nur dazu, dem Kind einen Namen zu geben. Als nach und nach die Anderen dazukamen, wollte aber keiner diesen Namen ändern. Eigentlich ist er ja völlig bekloppt, aber er bleibt hängen.
Beispiel 3: Die schlesischen Weber. Damit meine ich nicht den Song an sich (der zugegebenermaßen verdammt stark und ohrwurmig ist), sondern eher die Art wie er auf der Promo Info angeprangert wird (Jaja, das Hintergrundwissen eines Redakteurs… g*). Warum wurde der Song so arrangiert, dass der ‚Deutschland‘-Teil an den Anfang gekommen ist?
Dazu muss man wissen, dass wir dieses Info, bzw. diesen Teil über die schlesischen Weber nicht verfasst haben. Wir sind schon davon ausgegangen, dass man das Stück nicht als rechts missversteht. Ich glaube aber, das war den Leuten von der Plattenfirma ein wenig zu heikel, weshalb sie speziell darauf noch einmal hingewiesen haben. Wie es sich gezeigt hat, ist auch nicht jeder Redakteur so auf Totto, dass er alles durchblickt. Es hat auch welche gegeben, die – trotz Info – nicht verstanden haben, dass wir Gedichte vertonen. Wir haben also auch schon Kritik für unsere miesen Texte bekommen. Danke, Herr Goethe!
Gut, damit sind die fiesen Fragen auch schon vorbei… Wann und mit wem dürfen wir euch mal wieder auf Tour sehen?
Auf Tour direkt werden wir in Zukunft leider nicht gehen. Momentan sind wir aber auf der Suche nach einer Bookingagentur. Wir bemühen uns aber, so viele Gigs wie möglich zu spielen. Wer uns also buchen möchte darf sich gerne bei uns melden.
In vergangenen Zeiten wart ihr unter anderem mit Subway to Sally in den Konzerthallen gewesen; wobei gerade letztere Band meist Vorgruppen sucht, die relativ wenig mit Folkrock zu tun haben (wie auch ihr) und welche dann bei dem Publikum einen schweren Stand haben (so wie Lacrimas Profundere auf der Weihnachtstour). Wie erging es euch dabei?
Mit Subway to Sally haben wir schon recht am Anfang gespielt, da waren wir wirklich ziemlich scheiße. Insofern hätten wir den schlechten Stand verdient gehabt. Aber erstaunlicherweise hielt sich vernichtende Kritik echt in Grenzen. Wir haben viele positive Meinungen bekommen. Am schlechtesten fanden wir uns wohl selbst.
Mit wem würdet ihr mal gern auf Tour gehen?
Direkt ´ne Band kann ich da nicht nennen. Wichtig ist es uns, dass das Publikum auf unsere Musik abfährt, also sollten wir besser nicht mit einer Reggae-Combo spielen. Die Hauptsache ist, dass man sich mit der oder den anderen Bands versteht. Mit Unheilig würden wir sehr gerne wieder spielen. Die mögen wir auch musikalisch sehr gerne.
Auf dem aktuellen Album sind als Bonustracks noch 3 elektronische Remixe drauf. Habt ihr euch selbst darum gekümmert?
Na klar, das war unsere Idee. Wir würden auch in Zukunft unsere Stücke gerne remixen lassen. Nicht, um ‚noch mal eben was für die Clubs zu machen’, sondern weil wir selbst es sehr interessant finden, was andere aus unseren Stücken rausholen. Wer Interesse hat, uns zu remixen, kann gerne mit uns in Kontakt treten.
Was dürfen wir in Zukunft von dieser Band erwarten? Gibt es schon Tendenzen wegen des neuen Albums? Bei dem Bandstil würde sich doch ein Konzeptalbum dass komplett von einem literarischen Roman handelt, ziemlich anbieten.
In diese Richtung haben wir noch nicht gedacht. Ich denke, für das nächste Album wir erst mal alles beim Alten bleiben.
Was waren deine Alben des Jahres 2004?
Unheilig – Zelluloid
Okay, damit ist Schluss, die letzten Worte gehören dir! 🙂
Ich danke dir für das Interview. Allen anderen lege ich wärmstens ans Herz unsere CD „Letzte Worte“ zu kaufen. Macht uns reich und berühmt.
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