Le Grand Guignol
Le Grand Guignol
Interview
"The Great Maddening", auf diesen Namen hört das aktuelle Album von LE GRAND GUIGNOL. Aus dem Lager des Wahnsinns stand Philip, seines Zeichens Sänger und Textschreiber der Band, meinen Fragen Rede und Antwort. Willkommen in der Welt der Groteske!
Salut Marc! Ja, könnte eigentlich nicht besser sein, vielen Dank!
Ihr werdet den meisten Lesern wohl nicht bekannt sein, beginn doch bitte mit dem obligatorischen Herunterleiern der Bandgeschichte!
Kein Problem! Also, dann geh ich diesmal besonders weit in der Zeit zurück!
Den Anfang nahm eigentlich alles vor ca. 15 Jahren. Damals habe ich bereits zusammen mit Patrick Musik gemacht, natürlich in einem SEHR frühen Stadium. Zu zweit kamen wir nicht besonders weit und so kam es sehr gelegen, dass wir eines Abends vor elf oder zwölf Jahren in unserer Stammkneipe Yves kennen lernten. Der Kontakt kam über gemeinsame Bekannte zustande. Nach ein paar Bierchen war klar, dass wir auf jeden Fall mal versuchen würden, zusammen zu jammen. So kam eins zum anderen, aus Cover-Songs wurden eigene Songs und aus einem kleinen Haufen musikbegeisterter Teenager wurde eine Band. Unser erster Bandname war DREGOTH, doch er änderte sich sehr schnell zu VINDSVAL, da wir sehr von der nordischen Mythologie angetan waren. Einen festen Schlagzeuger hatten wir noch nicht, und so wechselten sich Patrick und Yves an Gitarre und Schlagzeug ab. Auf eine Anzeige hin meldete sich dann schließlich Shadow, uns bekannt als Schlagzeuger der ersten luxemburgischen Black-Metal-Band BLACK CANDLE (R.I.P.). Mit diesem Line-Up nahmen wir dann im August 1997 unser erstes richtiges Demo im Proberaum auf, erwartungsgemäß äußerst amateurhaft und mit einem miesen Sound. So wurde das Tape dann lediglich an Freunde verteilt. Nach einigen Verweisen aus Proberäumen verlief sich auch der Kontakt zum Schlagzeuger mehr oder weniger im Sand und so fanden wir Ende 1998 in Michel einen Schlagzeuger, der menschlich und musikalisch absolut zu uns passte. Nach ein paar gemeinsamen Proben nahmen wir dann im Februar 1999 unser erstes richtiges Album „Imperium Grotesque“ auf (welches allerdings anfangs auch nur als reines Demo gedacht war). Die Musik hatte sich mittlerweile doch sehr von den nordischen Einflüssen entfernt und so finden sich erste Anzeichen unkonventioneller Musik auf dem Album. Yves konzentrierte sich verstärkt auf das Keyboard, während Patrick Gitarren und Bass einspielte. Kurz nach der Veröffentlichung lernten wir Ingo kennen (natürlich standesgemäß wieder in einer Bar, diesmal aber in Karlsruhe), und seitdem begrüßen wir den einzigen Deutschen in der Band am Bass. In den Jahren die folgten haben wir uns vorwiegend aufs Konzerte spielen konzentriert, wobei wir aber zeitgleich im Studio an neuem Material arbeiteten (seit ca. 2001). Nach langen Jahren der akribischen Arbeit an „The Great Maddening“ erscheint dieses Album nun unter unserem neuen Namen LE GRAND GUIGNOL.
Letztes Jahr hieß VINDSVAL dann plötzlich LE GRAND GUIGNOL. Erläuter doch bitte die Gründe für den Namenswechsel! Sind sie allein darin zu finden, dass der Bandname nun einmal perfekt zu Eurem aktuellen Album passt, oder wolltet Ihr von vornherein klar machen, dass „The Great Maddening“ nicht mehr VINDSVAL und somit kein bisschen im Viking Metal anzusiedeln ist?
Du triffst gleich zwei Nägel auf den Kopf! 🙂
Wie bereits angesprochen haben wir uns schon vor fast zehn Jahren vom Viking Metal verabschiedet, bloß der nordisch inspirierte Bandnamen blieb bestehen. Wir hatten uns an ihn gewöhnt und mit seinem Klang und seiner Bedeutung waren wir weiterhin zufrieden (der Name steht für den Vater des Winters). Allerdings kam es immer wieder vor, dass Leute aufgrund des Namens enttäuscht waren, dass sie auf unserer CD keinen Viking/Pagan Metal vorfanden. Nach unserer teilweisen Involvierung in Falkenbach gewinnt dieser Fakt umso mehr an Bedeutung. Wir wollten also einerseits diesen Vorurteilen/Erwartungen aus dem Weg gehen, andererseits aber auch unserer Band einen Namen geben, der das künstlerische Konzept besser untermalt. So haben wir uns dann Ende letzten Jahres, vor der Veröffentlichung des neuen Albums, zu einer neuen Namensgebung entschieden. Der Zeitpunkt schien uns gerade recht, da wir, nach einer langen „Abwesenheitsphase“, quasi einen Neuanfang starten wollten. Diese Entscheidung ist eine der wenigen, die ich im Nachhinein nicht im geringsten bereue! 😉
Der neue Name gibt uns absolute künstlerische Freiheit und das ist eines der Hauptkriterien in unserer Band.
Sprechen wir über Euer aktuelles Album. Ihr habt viel Lob eingeheimst für die CD, im Grunde scheint fast jeder ziemlich begeistert zu sein. Lese ich einfach nur die falschen Webzines, oder gab es noch keinen Verriss, da Eure Promo bislang das Glück hatte, immer in die Hände des „richtigen“ Rezensenten zu fallen? 😉
Nun, Du liest wohl schon die richtigen Webzines, allerdings sieht die Sache bei den etablierten und „professionellen“ Print-Zines teilweise schon etwas anders aus. In der Regel ist es so, dass Leute, die sich intensiv mit dem Album beschäftigen (damit meine ich lediglich das konzentrierte Hinhören!), es auch zu würdigen wissen. Damit will ich nicht sagen, dass diese Leute das Album nun fantastisch finden, dazu sind die einzelnen Geschmäcker glücklicherweise alle zu verschieden – allerdings erkennen sie die künstlerische Intention dahinter oder zumindest die harte Arbeit oder die tolle Produktion oder die instrumentellen Leistungen. Wenn ich also Bewertungen lesen muss, die unterstdurchschnittlich sind, so kann ich das beim besten Willen nicht nachvollziehen – das hat jetzt beileibe nichts mit übertriebener Selbsteinschätzung zu tun, sondern lediglich mit gesundem Menschenverstand.
Allerdings glaube ich, das Rätsel um die vernichtenden Bewertungen gelöst zu haben, die ausschließlich von den größeren Zines kommen. Ich denke, das Ganze hängt zusammen mit einer Mischung aus der fehlenden Bereitschaft, sich in etwas hineinzuhören und der generellen Übersättigung an Musik. Allerdings finde ich, dass, wenn es soweit kommt, dass ein Rezensent seine Arbeit nicht mehr korrekt durchführen kann/will, sollte er den Job an den Nagel hängen und jemandem übergeben, der noch Leidenschaft und Feuer in sich hat. Wenn man in anderen Jobs denselben nicht gut macht, fliegt man entweder raus oder man verhungert. Natürlich kann es anstrengend sein, jeden Tag ein Dutzend CDs zu hören. Genauso anstrengend kann es aber auch sein, sich jeden Tag zehn Stunden lang den Arsch bei einer körperlichen Arbeit aufzureißen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rezensenten größerer Magazine zu ihrem Job gezwungen wurden. Manchmal ist es halt Zeit zu gehen, wenn man nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeit richtig zu machen! Teilweise kommt es mir so vor, als würden gewisse Rezensenten die CDs vielleicht gerade noch im Hintergrund mit einem Ohr „hören“, während sie fernsehen und gleichzeitig telefonieren. Dass man dann etwas komplexere Musik nicht verstehen kann, ist natürlich klar! Allerdings sollte man dann den Anstand haben, die Band aufgrund des eigenen Unvermögens nicht zu diffamieren! Um einen deutschen Philosophen zu zitieren: „Viele Rezensenten können schreiben, aber nicht lesen.“ (Ludwig Marcuse)
So, jetzt habe ich einen Stein in ein Rudel (Hunde) geworfen, mal sehen, wer aufjault! 😉
Allerdings ist die Großzahl an Reaktionen auf unser Album einfach umwerfend! Es ist immer wieder beruhigend zu sehen, dass es Leute gibt, die sich tatsächlich noch mit ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit einer Sache widmen können.
Was mich immer wieder freut ist die Tatsache, dass die Anspieltipps, die von verschiedenen Rezensenten bezüglich unseres Albums genannt werden, sehr divergieren.
Bist Du glücklich, weil das Werk so gut aufgenommen wird? Oder ist es Dir im Grunde egal, wie die Rezeption Eures Schaffens ausfällt?
Ich bin überaus glücklich um die guten Reaktionen! Wir haben so lange an diesem Album gearbeitet, dass wir zwischenzeitlich durch den engen persönlichen Bezug nicht mehr die nötige Distanz zu ihm hatten. Wir konnten nicht mehr einschätzen, ob das, was wir kreiert haben, gut ist, oder ob es lediglich für uns einen Sinn ergibt. Ich bin außerordentlich beruhigt, dass es wohl noch etliche andere Leute gibt, die das Album genau so sehen wie wir. Es ist ein sehr persönliches Album, von daher ist es mir niemals egal, wie die anderen Leute es sehen.
Anfangs war ich sehr schockiert über äußerst schlechte Bewertungen, es ging mir richtig nahe, es stimmte mich sogar teilweise richtig wütend. Aber im Nachhinein sehe ich es aus einer komplett anderen Sicht. Mittlerweile muss ich nur noch grinsen, wenn unser Album gerade mal zu 25 % für gut befunden wird. Andererseits ist es natürlich traurig, dass dem Urheber solcher Bewertungen wohl keine künstlerische Auffassungsgabe mit in die Wiege gelegt wurde. 😉
„The Great Maddening“ wirkt extrem durchdacht. Wie Du mir bereits erzähltest, ist es das wohl auch. Erzähl uns doch bitte vom Entstehungsprozess des Albums!
Nun, obwohl es sich bei „The Great Maddening“ um kein reines Konzeptalbum handelt, ist es in der Tat sehr durchdacht, vor allem von der musikalischen Seite her. Die Arbeit, die sich Patrick (Gitarrist, Produzent und Tontechniker) mit diesem Album gemacht hat, ist schier unglaublich! So eine Hingabe habe ich selten bis noch nie erlebt!
Hinzu kommt, dass wir zu jedem Song gewisse Bilder, Filme und Stimmungen in unseren Köpfen hatten. Diese so präzise wie möglich umzusetzen erforderte einiges an Zeit und Aufwand. So geschah es, dass wir über die Jahre hinweg verschiedene Instrumente mehrmals komplett neu einspielen mussten, weil sich sowohl die Technik als auch die persönlichen Fähigkeiten weiterentwickelt haben. Das fertige Album sollte auf dem höchsten machbaren Stand dieser Techniken und Fähigkeiten sein.
Das Album an sich entstand über mehrere Jahre hinweg. Einige der Songs auf dem Album sind sieben bis acht Jahre alt, aber schlussendlich sollten sie alle „frisch“ klingen. Dieser Herausforderung hat sich Patrick angenommen und sie mit Bravour gemeistert. Du kannst Dir bestimmt vorstellen, dass es nicht einfach ist, ein fast komplett fertiges Album mehrmals zu „verwerfen“ um noch einmal fast von vorne anzufangen. Ich muss zugeben, dass ich zwischenzeitlich ein paar Mal fast die Hoffnung aufgegeben hatte, das Album jemals fertig hören zu können. Allerdings geschah im Laufe des letzten Jahres so viel mit den Aufnahmen, dass ich neue Motivation schöpfen konnte und schlussendlich hätte keine andere Prozedur zu diesem Ergebnis führen können. Alles geschah so, wie es geschehen musste. Meine größte Anerkennung gilt erneut Patrick, der niemals aufgegeben hat und der den „Masterplan“ die ganze Zeit über in seinem Kopf hatte. Das Resultat hat ihm Recht gegeben!
So ist schlussendlich alles extrem durchdacht, aber nicht mit Absicht berechnet.
Du meintest, die Songwriter der Band haben kaum Metalbackground. Was für Musik hörst Du denn, was für Genres oder Komponisten inspirieren Dich und geben Dir Ansporn, Alben wie „The Great Maddening“ zu schaffen?
Yves, unser Hauptsongwriter, der mit den Grund-Ideen, -Riffs und –Melodien zu neuen Songs ankommt, hat mit der Metalmusik eher weniger zu tun. Durch seine musikalische Ausbildung kommt er eher aus der „klassischen“ Ecke. Ich denke, er wird so um ein Dutzend Metal-CDs besitzen wovon der Großteil Klassiker von METALLICA oder SLAYER sind. Es ist also immer wieder belustigend zu lesen, wenn jemand „offensichtliche Parallelen“ oder „Bedienen in vollen Zügen“ mit/bei anderen Bands feststellt. Der einzige in unserer Band, der diese Bands überhaupt kennt (meist auch nur vom Namen her), bin ich – und ich bin nicht der Songschreiber! Um mich mal wieder Zitaten zu bedienen (diesmal vom Komiker Dieter Nuhr): Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal Fresse halten!
Ich persönlich habe vor zehn bis zwölf Jahren verstärkt extreme Metalmusik gehört. Irgendwie kommt es mir so vor, als wären damals qualitativ hochwertigere Alben erschienen als heute (nicht in punkto Produktion, sondern in punkto Innovation). Doch mit der Schwemme an immer neuen Bands und Alben hat mich irgendwann die Lust verlassen, so dass ich mir mittlerweile vielleicht drei bis vier Alben im Jahr besorge.
Die letzte Scheibe war die neue CD von MEGADETH, eine Band, die ich seit jeher schätze. Metalmäßig höre ich eigentlich fast nur noch Sachen, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe (z.B. durch Mitwirken oder befreundete Bands).
Ansonsten begeistere ich mich vor allem für japanische, psychedelische Folk-Musik mit Frauengesang aus den 70er Jahren. Außerdem kann ich mich niemals satt hören an Filmmusik von z.B. Jo Yeong-Wook oder Joe Hisaishi. Mich spricht Musik an, mit der ich tiefste Emotionen empfinden kann und die es vermag, diese Emotionen jedes Mal wieder zu erwecken, wenn ich diese Musik höre. Dieses Kriterium erfüllt vor allem auch klassische Musik, wobei ich jetzt keinen Lieblings-Komponisten habe.
Ich denke aber, dass mich persönlich Musik nicht direkt dazu inspiriert, Musik zu machen! Es ist vielmehr der Drang, meine Gefühle in ein externes Gewand zu hüllen. Diese Gefühle können sowohl persönlich verursachter Natur sein als auch beeinflusst durch verschiedene Künste wie Literatur, Malerei oder gegebenenfalls auch Musik entstanden sein.
Was ist Deine Rolle in der Band, was ist überhaupt die Rollenverteilung?
Eine strikte Rollenverteilung gibt es nicht in der Band. Jeder macht das, was er am besten kann, oder das, was er besser kann als die anderen. So ist meine Position die des Sängers und des Texters. Des Weiteren kümmere ich mich mehr oder weniger um die PR und gewisse organisatorische Angelegenheiten. Jedem steht es frei, Meinungen zu äußern oder Ideen einzubringen. Es gibt kein internes „Gericht“, das über diese Vorschläge entscheidet, aber wir sind alle so auf einer Wellenlänge, dass sich die Antworten auf die Fragen von selbst ergeben, bzw. die Entscheidungen zum „Besten der Band“ getroffen werden. Es hat noch niemand weinen müssen, weil seine Idee verworfen wurde. Vor der Verneinung steht immer noch das „OK, probieren wir’s – danach können wir es immer noch verwerfen“.
Ich nehme an, Ihr habt keinen starken Bezug zu der Metalszene und seht Euch nicht als Bestandteil irgendeiner Szene?
Ach weißt Du, ich bin mit Metal groß geworden, fast alle meine Freunde haben irgendeinen Bezug zur Metal-Musik, also könnte man das in gewisser Weise als Szene-Zugehörigkeit ansehen. Ich sehe das Ganze aber nicht so strikt und bin außerdem offen für alles. Ich beschränke mich nicht auf eine Szene oder auf eine Richtung, das wäre mir zu monoton. Natürlich sind wir jetzt nicht die totale Szene-Band, die jedes Wochenende auf irgendeiner Bühne stehen muss, um sich lebendig zu fühlen. Ich denke auch, dass es andere Bands gibt, die in der doch konservativen Metal-Szene besser aufgehoben sind als wir. Wir fühlen uns also keiner Szene zugehörig, wir sind lediglich dankbar für jeden, der unsere Musik aufnimmt. Eine Szene ist da, um Geborgenheit und Sicherheit zu gewährleisten, darauf legen wir es als Band allerdings überhaupt nicht an, da wir eh die ganze Zeit den sicheren Pfad verlassen. 😉
Was motiviert Euch dann dazu, Musik zu komponieren, die – wenn auch einzigartig – ganz klar im Metal steht? Ist es für Dich einfach DAS musikalische Ausdrucksmedium, das Ihr ja, wie Eure Musik zeigt, auch nach Belieben erweitert? Oder könntest Du Dir vorstellen, irgendwann, wie das etwa bei ULVER der Fall war, gänzlich andere Musik zu machen?
Nun, ich bin ja wie erwähnt nicht der Songschreiber der Band. Das übernehmen Yves und Patrick. Aber ich denke, die beiden bedienen sich der Emotionalität der Klassik mit ihren reichhaltigen Klangfarben und kleiden das Ganze in ein metallisches Gewand, um ihr so eine noch kraftvollere Dimension zu verleihen. Trotz aller Liebe für klassische Instrumentierung ist aber dennoch jeder mehr oder weniger dem Metal verfallen. Allerdings kann ich es mir sehr wohl vorstellen, (teilweise) andere Wege einzuschlagen um meinen Ideen und Visionen einen Körper zu verleihen. Ich muss gestehen, dass ich die neue Musik von ULVER nicht kenne, ich habe lediglich darüber gelesen. Allerdings bin ich überzeugt, dass sich niemand von uns einer anderen Musik verschließt, sei diese nun eher von soundtrackartigem Charakter, in der Elektronik angesiedelt, oder wie auch immer, solange die Musik intensiv und tiefgehend bleibt, sind alle Mittel recht. Vorerst denke ich allerdings, dass der gemeinsame Nenner wohl die erweiterte Metal-Musik bleiben wird.
Jetzt will ich Dir mal die Gelegenheit geben, selbst von „The Great Maddening“ zu erzählen. Du bist (wie sollte es auch anders sein, haha) sicher hochzufrieden, nicht?
Ich bin überaus zufrieden mit dem Resultat. Mittlerweile konnte ich ja ein bisschen Abstand dazu gewinnen, aber die CD zaubert mit jedes mal aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht und eine Gänsehaut auf den Rücken! Das Album ist genau so geworden, wie es sein sollte. Alles wurde genau so beabsichtigt, wie es auch zu hören ist, von der Produktion über die Instrumentierung zu den Texten und der Interpretation.
Viel über das Album an sich zu berichten ist eigentlich überflüssig, jeder sollte es selber und auf seine Art erleben. Ich denke, jeder kann für sich Sachen darin entdecken, die für andere wiederum unsichtbar sind. Ich verbinde gewisse Situationen mit den einzelnen Songs, aber es kann gut und gerne sein, dass andere Hörer die Songs gänzlich anders interpretieren. Ich begrüße diesen Gedanken sehr, denn Kunst soll von jedem frei interpretierbar bleiben.
Könnte irgendetwas, seien es ausschließlich 0-Punkte-Reviews oder eine absolut schlechte Resonanz aller Hörer, deine Überzeugung von LE GRAND GUIGNOL brechen?
Haha, wie bereits vorher erwähnt hatte ich doch anfangs arg an miserablen Bewertungen zu knabbern. Mittlerweile ist dem aber nicht mehr so. Aber sogar wenn es so wäre, würde mich das niemals von meinem Pfad abbringen, mit meiner Band unsere Art von Musik zu machen und unsere Visionen in die Tat umzusetzen. Diese Überzeugung ist über Jahre hinweg gewachsen und wird durch miese Bewertungen sogar noch größer und fester. Mein Streben ist noch lange nicht zu Ende und es wird sich bestimmt nicht durch schlechte Kritiken von Leuten, die mich nicht mal kennen, bremsen oder gar stoppen lassen! Wer mich kennt, der weiß, dass ich niemals aufgebe.
Euer Schaffen wirkt auf mich nicht sonderlich livetauglich. Besteht in irgendeiner Form Hoffnung auf Liveauftritte, oder seid Ihr überhaupt nicht interessiert, Eure Musik auf der Bühne darzubieten?
Du hast es sehr gut erkannt, dass es wohl nicht einfach sein wird, unsere Musik in ansprechender Form live zu präsentieren. Hoffen darf man immer, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Falls wir in Zukunft live auftreten sollten, werden wir auf keinen Fall bloß eine abgespeckte Variante der Album-Songs darbieten. Durch die Vielzahl an Instrumenten/Spuren auf dem Album ist es fast unmöglich (technisch, aber vor allem finanziell), die Songs in ansprechender Manier zu präsentieren. Zur Zeit sind wir am Überlegen, wie wir dem Ganzen eine weitere Dimension hinzufügen können, um dem Zuschauer auch etwas bieten zu können, eventuell durch eine synchronisierte Video-Projektion oder Ähnliches. Natürlich wäre es einfach, jetzt über ein richtiges Begleit-Orchester oder eine Menge Darsteller zu spekulieren, allerdings wäre es doch sehr utopisch. Nichtsdestotrotz soll die hohe Qualität der Album-Aufnahmen sich auch auf der Bühne fortsetzen. Ich denke, viele Leute haben es satt, sich immer das Gleiche bei Konzerten anzuschauen. Lärm und Bier sind schön und gut, allerdings stellen wir etwas höhere Ansprüche an uns, welche schlussendlich auch dem Publikum zu Gute kommen sollen. Es soll etwas erleben – etwas, das länger im Kopf bleibt als ein Kater und ein Tinnitus! Bei der ganzen Akribie, die in der Aufnahme steckt, wollen wir einfach auch live das meiste bieten, was irgendwie möglich ist. Niemand soll enttäuscht werden, am allerwenigsten wir selbst. Um dies zu erreichen überstürzen wir nichts, machen uns aber alle möglichen Gedanken zur Realisierung. Interesse an Live-Auftritten besteht von meiner Seite aus auf jeden Fall! Und vielleicht heißt es ja schon bald wieder: Vorhang auf im LE GRAND GUIGNOL!
Wenn ich an Luxemburg denke, denke ich an… gar nichts. Wie schaut es in Luxemburg mit einer Musikszene aus?
Nicht mal an die cliché-haften Banken, billigen Kippen und Benzin? Oder an die Wiege der europäischen Union? 😉
Luxemburg hat auf jeden Fall wesentlich mehr in Punkto Metal zu bieten, als man auf den ersten Blick glauben mag. Bestes Beispiel sind z.B. ABSTRACT RAPTURE, welche zuerst den luxemburgischen Wacken Metal Battle 2007 gewonnen haben, und dann in Wacken gleich noch Dritte wurden! Von den Jungs wird man in Zukunft sicherlich noch hören. Ansonsten gibt es in der luxemburgischen Szene Bands für jeden Geschmack! Von DESDEMONIAa (Death Metal) über EXINFERIS (Death/Thrash/Hardcore) über OPHIDIAN (Gothic/Thrash/Progressive) und so weiter. Die luxemburgische Szene ist vielleicht überschaubar, aber sehr gesund, aktiv und von einem großen Zusammenhalt geprägt. Es ist nur seltsam mit anzusehen, dass die innereuropäischen Grenzen zwar gefallen sind, man dies aber von den einzelnen Szenen nicht behaupten kann. Worin dieser Grund liegt weiß ich nicht, aber ich denke es wäre an der Zeit, auch diese Grenzen fallen zu lassen, denn schließlich sprechen wir alle die gemeinsame Sprache der Musik!
Ihr seid ja keine rein luxemburgische Band. Als was wollt Ihr wahrgenommen werden: als luxemburgische Band, oder doch als deutsche Gruppe? Oder wollt Ihr als eine Art bi-nationales Projekt verstanden werden?
Wir sind eine luxemburgische Band. Die Band wurde von Luxemburgern gegründet und die gesamten Ideen und musikalischen Umsetzungen stammen von den Bandgründern.
Mit Ingo am Bass begrüßen wir ein deutsches Mitglied in unserer Band, der uns vor allem bei Live-Auftritten tatkräftig unterstützt. Allerdings muss er damit leben, in einer luxemburgischen, und nicht in einer luxemburgisch-deutschen oder gar deutschen Band zu spielen. Aber ich denke, das macht ihm nicht viel aus! Außerdem kann er in bestem luxemburgisch ein Bier an der Theke bestellen oder die Songs anzählen! 😉
Von den fünf Leuten in der Band wohnen 3 in Deutschland und 2 in Luxemburg, aber die Identität der Band wird immer luxemburgisch bleiben. Vielleicht wäre es einfacher für uns, uns als deutsche Band zu titulieren, vielleicht würde man dann beim ersten Eindruck nicht belächelt werden … aber darauf legen wir es nicht an! Schließlich hat die Geschichte uns gezeigt, dass man sich auch als vermeintlicher Außenseiter nicht vor den Großen zu beugen hat und dass man vielleicht gerade deshalb eine ganz eigene und starke Identität entwickeln kann.
Theater, Kino, Emotionen: Was inspiriert Dich für LE GRAND GUIGNOL?
Ich inspiriere mich nicht mit Absicht und Kalkül, um für LE GRAND GUIGNOL kreativ zu sein. Ich interessiere mich für viele Dinge und natürlich hinterlässt jedes dieser Dinge gewisse Eindrücke. Einige sind von kürzerer Dauer, andere begleiten mich ein Leben lang. Ich schreibe für LE GRAND GUIGNOL, wenn ich das Bedürfnis dazu habe, nicht, weil es in meinem Terminkalender steht. So finden sich in den bisherigen Texten „Einflüsse“ jeglicher Art … von Geschichte (konkret oder fiktiv ausgelegt) über mein persönliches Seelenleben bis hin zu primitiven Bedürfnissen oder dem Drang nach dem „mehr“. Ohne eine gewisse „Formation“ kann man natürlich nicht über all diese Dinge schreiben. So wie es nötig ist, dass man zuerst sprechen, lesen und schreiben lernen muss, bevor man kommunizieren kann, so ist es nötig, universelle Eindrücke zu sammeln und zu verarbeiten, um seine Emotionen tiefer gehend zu beschreiben.
Die Inspiration ist Prozess und Kulmination zugleich, sie durchläuft die Bedürfnishierarchie, labt sich an Kunst und Kultur und gipfelt im besten Fall in einem befreienden Akt.
Ich nehme mir die Frechheit LE, GRAND GUIGNOL als Kunst zu bezeichnen. Wie stehst Du Kunst allgemein gegenüber, was überhaupt ist Kunst für Dich?
Als frech sehe ich es überhaupt nicht an, schließlich zählt die Musik zu den sieben freien Künste der Antike. Dass Du nun speziell unsere Musik als Kunst bezeichnest, ehrt mich persönlich sehr!
Ich denke, ich bin sehr rezeptiv für alle Arten der Kunst. Ich denke, ich habe meiner Mutter diesbezüglich sehr viel zu verdanken, die mich bereits im Kindesalter immer dazu ermutigt hat, mich der Kunst zu öffnen. So habe ich in meinen jungen Jahren etliche Museen auf internationaler Ebene besucht, bin oft im Theater gewesen und war eine echte Leseratte. Natürlich konnte ich damals noch nicht viel mit dem Begriff Kunst anfangen, aber diese Erfahrungen haben mich nachhaltig sehr geprägt.
Für mich ist Kunst das in eine Form gebrachte Resultat des persönlichen, partiellen oder universellen, Strebens.
Wie steht es mit Prosa und Lyrik?
Ich lese sehr gerne, auch wenn ich zugeben muss, dass in den letzten Jahren die Bequemlichkeit gegenüber dem Verlangen, mich literarisch weiterzubilden überhand genommen hat. So erwische ich mich leider öfters vor der Flimmerkiste als mit einem Buch in der Hand. Wenn ich es dann doch mal schaffen sollte, greife ich eher auf bildende Werke zurück als auf fiktive. Allerdings muss ich gestehen, dass ich einen Autor entdeckt habe (ein Geheimtipp ist er mit Sicherheit schon lange nicht mehr), der mir sehr zusagt. Die Bücher von Murakami Haruki geben mir etwas, was mir bisher keine anderen Bücher zu geben vermochten. Sie üben eine ganz spezielle Faszination auf mich aus, die sehr schwer zu erklären ist und genau für mich einen perfekten Sinn ergibt.
Demnächst werde ich allerdings einiges an Literatur (sowohl Fachliteratur als auch Prosa und Lyrik einer gewissen kulturellen Epoche) in Angriff nehmen, da ich mich zielgerichtet fortbilden will.
So, zurück zum Thema. Ich möchte Dir an der Stelle mal eine ganz besondere Gelegenheit geben: Stell die Frage, die Du in einem Interview am liebsten hören möchtest, und beantworte sie im selben Zuge!
Hmm… Vielleicht diese hier.
F: Stimmt es, dass ihr weltweit abertausende von Leuten mit Eurer Musik begeistern konntet und sie Euch die Alben förmlich aus der Hand reißen?
A: Ja, das stimmt! 😉
Ich hatte, was nur wieder die Beschränktheit fixierten Schubladendenkens belegt, in meinem Review Probleme, LGG irgendeinem Genre fest zuzuordnen. Wie steht es bei Dir mit Genrebezeichnungen, wo möchtest Du Euch am liebsten eingetütet sehen?
Es spricht für Dich, dass Du die Musik nicht einordnen konntest! 😉
Genauso wenig können wir das. Um dem Etikett auf unserer Schublade allerdings vorzubeugen, haben wir uns dazu entschieden, unsere Musik „grotesque metal“ zu nennen. Allerdings passt genau so gut „eclectic metal“ (nicht electric!) oder ganz einfach „freie Musik“. Aber ich denke, mit „grotesque metal“ kann man zumindest in gewissem Sinne etwas anfangen. Auf der anderen Seite lässt es genug Spielraum für Interpretation. Es ist schade, dass mit einengenden Bezeichnungen gearbeitet werden muss, allerdings ist es in gewissem Sinne auch verständlich. Mich erheitert es immer wieder, mit welchen neuen Kreationen oder Assoziationen die Leute uns beschreiben. Unrecht hat sicher niemand (wie sollte er auch, dafür gibt es ja glücklicherweise noch keine Gesetze), aber bitte lass die Schubladen offen!
Wie steht es mit Side-Projects? Sind einige der Bandmembers auch in anderen Bands tätig?
Ja, einige sogar!
Wobei Side-Projects vielleicht nicht das richtige Wort dafür ist. Ich persönlich habe ORDO DRACONIS bei zwei Alben und einem Konzert ausgeholfen. Des Weiteren stand ich FALKENBACH für die letzten beiden Alben zur Verfügung und werde dies auch immer wieder gerne tun. Das ist allerdings kein Projekt, sondern das Aushelfen eines Freundes.
Patrick hilft einigen Bands an Gitarre oder Schlagzeug aus, allerdings in erster Linie als Musiker und nicht als Songschreiber. So spielt er gerade live mit UMBRA ET IMAGO, oder aber im Studio für FALKENBACH oder andere Bands.
Michel, unser Schlagzeuger, spielt zum Beispiel in der luxemburgischen Band ABSTRACT RAPTURE, wobei diese Band kein Nebenprojekt darstellt, sondern eine vollwertige Zweitband neben Le Grand Guignol. Auch er stand für FALKENBACH im Studio zur Verfügung. Daneben ist er noch in weiteren Bands aktiv.
Ingo, unser Bassist, spielt in einer Hamburger Heavy-Metal-Band und kann sich dort so richtig austoben.
Yves konzentriert sich voll und ganz auf LE GRAND GUIGNOL, bzw. auf seine persönliche Musik. Es gibt für niemanden Ein- oder Beschränkungen, jeder weiß, was er sich selber zumuten kann und ist auch frei, dies zu tun.
Wie wird es weitergehen mit LGG, wird es ein Nachfolgealbum geben?
Aber natürlich wird es das! Und hoffentlich wird es diesmal keine acht Jahre dauern, bis es erscheint! 😉 Zur Zeit sind wir am Überlegen, wie wir weitermachen werden, welche Richtung wir einschlagen werden. Aber ich bin mir jetzt schon sicher, dass der beste Plan der ist, den wir auch bisher verfolgt haben: Einfach das zu machen, was wir wollen. Der Rest ergibt sich von ganz alleine!
Dazu muss ich sagen, dass bereits sehr viele Ideen in meinem Kopf rumspuken … ich liebäugle gar mit der Absicht, das nächste Album ein Konzeptalbum werden zu lassen. Wie immer es auch klingen mag, es wird zu 100% LE GRAND GUIGNOL sein!
Ich bedanke mich, dass Du mir für meine Vielzahl Fragen Rede und Antwort gestanden hast und wünsche Dir und der ganzen Band viel Erfolg mit „The Great Maddening“. Ganz konservativ überlass ich Dir die letzten Worte.
Der Worte waren es bereits sehr viele, so dass mir hier lediglich der Dank an Dich bleibt, für dieses überaus gehaltvolle Interview! Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, in unsere Welt einzutauchen!
Bleibt mir noch dem Leser dieser Zeilen das gleiche ans Herz zu legen! Befreie Dich von Konventionen und öffne die Schubladen in Deinem Kopf! Ignoriere die Grenzen und gebe Dich der Liebe zur Kunst und zur Musik hin. Das machst Du am besten, in dem Du in unser Album „The Great Maddening“ reinhörst! 😉
Musik und Video gibt es unter:
www.myspace.com/legrandguigno1 oder www.legrandguignol.com