Lamb Of God
Interview mit Gitarrist Mark Morton zu "VII: Sturm und Drang".

Interview

Habt ihr den beiden gesagt, dass sie clean singen sollen? Ich meine, das können beide auch wirklich gut und es wäre glaube ich das, was man auf einem LAMB-OF-GOD-Album zunächst mal erwarten würde.

Ist es so ungewohnt? Für mich schien es gar nicht so. Nein, wir haben ihnen keine Anweisungen gegeben. Wir haben ihren kreativen und künstlerischen Fähigkeiten vertraut. Und ich denke, die Ergebnisse sprechen für sich. Sie geben dem Album Tiefe.

Also habt ihr „Embers“ geschrieben, bevor dieses Feature feststand?

Was meinst du, die Lyrics oder die Musik?

Die Musik, vor allem den Endpart. Ich finde, dort hört man deutlich den DEFTONES-Stil raus. Es ist nicht typisch LAMB OF GOD. Als ob dieser Part an den Gastsänger angepasst wurde.

Kennst du dich wirklich mit unserer Musik aus?

Schon.

Ok. Ja, also ich weiß nicht. Für mich ist das ein, für unsere Musik ganz natürlicher Part. Wir haben so etwas schon früher geschrieben, melodische Parts. Hör dir zum Beispiel einen Song wie „Grace“ an, oder „Wrath“, oder „Vigil“ vom Album „As the Palaces Burn“. Oder auch einen Song wie „King Me“. Ich finde, wir klangen schon immer durchaus dynamisch und hatten melodische Momente in unserer Musik. Und der Endpart von „Embers“ ist nur ein weiteres Beispiel dafür, ein sehr eigenes vielleicht, aber nicht vollkommen ungewöhnlich für uns. Wenn die Frage also ist, ob wir den Part extra für Chino geschrieben haben, dann ist die Antwort nein. Die Musik war da, bevor wir überhaupt wussten, dass es an dieser Stelle ein Feature geben würde. Die Musik wird immer zuerst geschrieben. Wir schreiben all unsere Songs zunächst als Instrumentals. Wir haben natürlich im Hinterkopf, dass die Vocals später dazukommen, aber zunächst bilden die Songs eine abgeschlossene musikalische Einheit.

Lamb Of God

Eine vielleicht noch größere Überraschung stellt der Song „Overlord“ dar, zu dem ihr gerade ein Video veröffentlicht habt. Randy singt dort clean. Hat er das in dieser Weise jemals schon vorher getan?

Es gibt da den Song „Insurrection“ vom „Resolution“-Album, dort hat er clean gesungen. (so halb – d. Red.)

Aber niemals in diesem Maße. Wie kam es dazu?

Er ist ans Mikro gegangen und hat gesungen. So ist es passiert. Nein, also Randy ist ein verdammt talentierter Sänger und genauso wie wir uns als Musiker entwickeln und Dinge ausprobieren, unser Repertoire erweitern, will Randy als Sänger das auch tun. Wir haben immer die Musik geschrieben, die wir hören wollen. Wir hatten das große Glück, dass die Musik, die wir für uns selbst geschrieben haben, so viele Leute auf der Welt erreicht hat und uns erst die Möglichkeit gegeben hat, eine Karriere zu starten. Aber unsere Formel hat sich im Grunde nie geändert. Wir haben immer die Songs geschrieben, auf die wir fünf uns einigen konnten. Und „Overlord“ ist auch ein Beispiel dafür. Natürlich verstehe ich, dass der Sound zunächst ungewöhnlich erscheinen mag, aber wir haben den Song geschrieben, gemeinsam gespielt – es ist im Übrigen einer der kollaborativsten Songs des Albums. Wirklich jeder in der Band hat etwas zu „Overlord“ beigesteuert. Der Song ist vielleicht sogar eines der besten Beispiele dafür wie wir klingen, wenn wir wirklich alle zusammenarbeiten.

Aber würdest du nicht, wenn man das Album als Ganzes betrachtet, sagen, dass ihr euren Sound diesmal weiter geöffnet habt als jemals zuvor? Auf euren vorherigen Alben gab es immer einzelne Songs, die irgendwie ausgebrochen sind, aber nicht in dieser Anzahl und Radikalität.

Ich hoffe, dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben. Mein Ziel ist es schon immer gewesen, auf jedem Album das wir herausgebracht haben, etwas zu tun, das wir vorher so noch nicht gemacht haben. Manchmal war ich damit erfolgreich, manchmal eher weniger. Diesmal war es aber definitiv mein Ziel, und ich glaube auch das der Band. Du willst ja nicht sechs oder sieben Jahre lang das gleiche Album machen. Deshalb war es unser Ziel etwas zu machen, was frisch und aufregend für uns ist. Es hat sich natürlich und ehrlich angefühlt und ich bin sehr glücklich sagen zu können, dass wir das meiner Meinung nach geschafft haben.

Du sagst, ihr macht die Musik für euch, und ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Gibt es nicht trotzdem manchmal Bedenken, wie diese neuen Wege bei den Fans ankommen? Ich habe zum Beispiel unter dem „Overlord“-Video eine Menge negativer Kommentare gelesen. Kommt ein solches Experiment vielleicht zu früh für eure Fan-Base?

Zu früh? (lacht) Wann kam das erste LAMB-OF-GOD-Album raus? ’99? (2000 – „New American Gospel“ d. Red.) Ich weiß es noch nicht einmal mehr genau, aber ich glaube es war 1999. 16 Jahre also, ich denke nicht, dass das zu früh ist. Aber die eigentliche Frage war ja, ob wir uns Gedanken darüber machen, was unsere Fans denken. Ich hoffe, das kommt jetzt nicht falsch rüber, aber die Antwort ist: Niemals. („Never ever ever.“) Und der Grund dafür ist, dass es niemals anders war. Wenn wir anfangen würden, das Internet nach den Meinungen unserer Fans zu durchsuchen, wäre für mich der Tag gekommen, an dem ich kein Interesse mehr an der Band habe. Ich bin Künstler und Musiker, so wie wir alle. Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber ich tue was ich tue, weil es mich lebendig und glücklich macht. Weil es mir Energie verleiht – und ich denke, das geht uns allen so. Es ist Kunst und wir machen das nur für uns. Und noch mal: Die Tatsache, dass wir mit unserer Kunst so viele Leute erreichen, sie ehrt mich. Jedes Mal wenn wir ein neues Album veröffentlichen und die Leute es kaufen und lieben, bin ich überglücklich. Aber das wird niemals etwas an meinen Beweggründen ändern, diese Kunst auszuüben.

Galerie mit 26 Bildern: Lamb Of God - State Of Unrest Tour 2023 in Berlin

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23.07.2015

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