Lacrimas Profundere
Interview mit Gitarrist Oliver Nikolas Schmid
Interview
Am 14.03.2014 gehen LACRIMAS PROFUNDERE mit ihrem aktuellen Album „Antiadore“ auf große Tour – obendrein feierte die Band vergangenes Jahr ihr 20. Jubiläum. Mit Gitarrist Oliver Nikolas Schmid unterhielten wir uns über die Gegenwart, Vergangenheit und einen kleinen Blick in die Zukunft der Gothic Rocker/Metaller gibt es ebenfalls.
Die anfängliche Euphorie nach Veröffentlichung der Platte dürfte sich bei euch sicherlich gelegt haben. Daher bietet sich die Fragen tatsächlich mal an. Wie hört sich „Antiadore“ mit etwas Abstand für euch an? Gibt es Dinge, die ihr rückblickend anders machen würdet?
Nein, nein, die Euphorie hat sich noch nicht gelegt, das Album ist und klingt so wie wir uns das erträumt haben. Ich hasse ja solche Antworten, denn wenn ich sowas selber lese, ist es auch für mich immer unglaubwürdig. Es klingt einfach nach Promo-Ratgeber Seite 1, 2. Kapitel. Aber was soll ich sagen, wenn ich selbst nach 1.000 Durchläufen im Studio die CD immer noch gerne in den Player des Autos lege? Es ist so verrückt, ich höre die Scheibe auch gar nicht als uns, die Band, sondern einfach weil ich Lust auf guten harten Goth Rock habe! Wir sind in allererster Linie selber Musikfans und ich bin einfach stolz auf die Platte und kann als der ewige „Geheimtipp“ für die Leute, die auf der Suche nach dem Mittelding aus PARADISE LOST, SENTENCED und TYPE O NEGATIVE sind, sehr gut leben!
„Antiadore“ ist wieder ein Ticken härter ausgefallen, und so wie ich das verfolgt habe, hat das auch genau den Nerv eurer Fans getroffen. Wo siehst du denn das Album in eurer gesamten Diskographie?
Haha, wir haben einfach unsere Lieblings-LPs – BON JOVIs „Slippery When Wet“, DAVID HASSELHOFFs „Looking For Freedom“ und POISONs „Look What The Cat Dragged In“ – rückwärts abgespielt und all die satanischen Botschaften auf unsere Riffs übertragen und schon war das Album im Kasten!
Nein, Tony und ich sind ja die Metalheads in der Band und lieben diesen 80er-Jahre-Metal von WASP über IRON MAIDEN zu SKID ROW oder MÖTLEY CRÜE! Wir versuchen schon immer, diese Roots mit unseren typischen melancholischen Melodien zu verbinden. Allgemein ist Songwriting ja ein durchgeknalltes Spiel, du musst dich einfach versuchen fallen zu lassen, wenn du etwas Spezielles schaffen möchtest! Ich finde, das ist es auch, was Rock’n’Roll ausmacht, dich in der Musik zu verlieren ohne groß darüber nachzudenken. Wenn du in der Nacht aufwachst und du hast diese Melodie in deinem Kopf, die nicht verschwindet, bis du sie endlich aufgeschrieben hast, die dich nicht schlafen lässt, bis alles stimmt und am nächsten morgen nimmst du es auf, hast bestimmte Erwartungen und am Ende kommt etwas ganz anderes dabei raus, weil dieser Moment ein anderer ist, das ist es, was alles spannend hält. Es ist die Idee selbst, die dir sagt, was getan werden muss und wenn ich nicht weiter komme, denke ich einfach, was würden SKID ROW oder OVERIKLL jetzt tun. Haha!
Am besten, du machst die Kombination und arbeitest mit dem Kopf, der Seele und den Eiern. Okay, das mit den Eiern hört sich jetzt etwas komisch an, aber lass es mich erklären: Für die Kopfarbeit haben wir den Hiili (Hiilesmaa u.a. APOCALYPTICA, SENTENCED, HIM) engagiert, mit welchem wir die Vorproduktion gemacht haben und außerdem, eins meiner Idole: Ricky Warwick (THE ALMIGHTY, BLACK STAR RIDERS) mit dem ich an drei meiner Demos geschriebene habe. Dann gingen wir zu unserem Kumpel Corni in die Weltraumstudios (END OF GREEN), wo wir aufgenommen und dem ganzen die Seele eingehaucht haben. Am Ende war’s dann Tue (Madsen, u.a. HEAVEN SHALL BURN, SICK OF IT ALL), der dem ganzen dieses Metal-Brett, also sozusagen die Eier verpasst hat! Promo Ende!
In unserer Diskographie sehe ich die Platte einfach als unser zehntes Album. Heutzutage dreht sich ja leider sehr viel um Optik und Schminke. Mir ist das alles nicht so wichtig , weil am Ende zählt doch die Musik, oder? Wir gehen nicht geschminkt auf die Bühne, weil das machen KISS bereits perfekt, wir tragen keine Masken, das kennt man von SLIPKNOT, das einzige was ich vor dem Auftritt mache, ist, meine Socken zu wechseln. Ob es den Nerv unserer Fans getroffen hat, kann ich dir wirklich noch gar nicht endgültig beantworten, Napalm Records hat die Abrechnung 2013 noch nicht geschickt und am Ende ist es halt leider ein Geschäft und ohne Verkäufe bist du weg. Sollte die Platte also nicht funktionieren, werden wir die nächste nur mit Geräuschen wie Kammblasen, Toilettenspülung oder Bieröffnen raus bringen, in Deutschland würde das wohl sogar auch noch bestens funktionieren!
Wenn ich mich gerade nicht komplett verlesen habe, hattet ihr vergangens Jahr zwanzigjähriges Jubiläum. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. Wobei ja nur noch du, Oli, von der Originalbesatzung dabei war. Hast du den Moment dennoch richtig auskosten können? Wie fühlt es sich an, so lange dabei zu sein und etwas zu schaffen, das nicht so viele Bands mehr von sich behaupten können, nämlich immer noch mitten im Geschäft zu stehen?
Ja, vielen lieben Dank! Klar hab ich gefeiert und wie! Es ist ja ein Privileg, immer noch auf der Bühne stehen zu dürfen und dieses Abenteuer zu erleben. Das Musicbiz wird immer härter und umso mehr freue ich mich, 20 Jahre „überlebt“ zu haben. Aber was bleibt mir auch anderes: Ich liebe einfach Musik und diesen Goth Rock, ich atme ihn, ich lebe ihn, ich spreche ihn, ich trage ihn und ich scheiße ihn (lacht). Jedes Jahr triffst du neue Bands, lernst neue Leute kennen und andere Kulturen, deine Geschichte ändert sich und das verändert dich als Mensch und automatisch deine Musik. Ich wäre heute nicht der, der ich bin ohne diese Erfahrungen. Ich finde es auch sehr schade, wie viele geniale Bands sich in all den Jahren aufgelöst haben, auch wir hatten unsere Durchhänger und standen viele Male vor der Entscheidung alles hinzuwerfen. Am Ende sagten wir uns aber, wir sind nicht noch dabei wegen der riesigen Promokampagnen des Labels, weil die hatten wir nicht, dem Wahnsinns-Radioairplay, weil das hatten wir nie, oder die dicken Manager, die an uns geglaubt haben, weil die kannten wir nicht: Wir sind noch dabei, weil wir und ein paar Leute Bock auf das haben, was wir machen, und solange sich das nicht ändert, werden wir uns hoffentlich noch einige Male über den Weg laufen!
Um aber gleich mal beim Jubiläum zu bleiben, auch wenn’s jetzt wieder ein paar Tage her ist: Wenn du die Zeit Revue passieren lässt, es ist ja doch eine Menge bei LACRIMAS PROFUNDERE passiert, was sind die schönsten, die skurrilsten und die „schlimmsten“ Momente der Bandgeschichte?
Nein, ich hätte so vieles nicht gedacht als ich 1993 aus Spaß diese Band gegründet hatte. Jetzt haben wir in 26 Ländern getourt, viel gesehen, viel Ekeliges gegessen und einfach sehr viel erlebt. Wenn mir jemals einer gesagt hätte, ich stehe auf der Chinesischen Mauer, gehe über den Roten Platz, spiele in Bolivien oder den größten Festivals der Welt wie am Mera, Wacken oder dem Sziget, hätte ich denjenigen wohl für komplett verrückt erklärt! Mit jedem Album verbindet man eine Tournee, besondere Momente usw., das ist ja das Schöne an Musik, dass du diese Gefühle von damals wieder spürst wenn du die Musik hörst.
Jeder hat doch eine Platte im Schrank, mit der er etwas verbindet, weil er die Scheibe damals in einer schweren Zeit gehört hat, oder der Song gerade auf einer Party lief, wo er seine erste Freundin geküsst oder sich einfach den Kopf beim Headbangen am Tresen gestoßen hat (lacht). Natürlich sind es die „krassen“ Momente, die du nie wieder vergisst, auch wenn sie dich während sie passieren noch so ankotzen! Als z.B. bei einem Festival in Mexiko das Stromaggregat ausgefallen war und die Fans alles am Gelände abgefackelt haben und Flaschen auf die Bühne flogen, standen wir vor der Entscheidung, auf die Bühne zu gehen oder nicht, wir haben’s getan, weil ich nicht 10.000 km fliegen und dann nicht spielen wollte, hätte aber auch anders ausgehen können.
Oder in Santiago de Chile, als wir in derselben Straße nen Gig hatten, wo SLAYER nach zehn Jahren Abstinenz gespielt haben, Tom Araya ist gar in Chile geboren und JEDER Metalhead lief einfach an unserem Club vorbei zu deren Gig – ich glaub wir hatten 36 zahlende Gäste, hahaha!
Als wir auf der Tour mit APOCALYPTICA auf der Autobahn nach Birmingham einen Platten am Tourbus hatten und der Busfahrer gerade an einer Raste vorbeigefahren war und meinte, er fahre jetzt, trotz Anhänger, rückwärts, während, wie wir später von der eintreffenden Polizei erfuhren, das Manöver auch noch gefilmt wurde.
Der Veranstalter in Tacna, welcher bei unserer Südamerikatour mit der Taxikohle und der kompletten Gage abgehauen ist und wir nicht mal mehr den Taxibus zurück zum Flughafen, waren immerhin ca. 150 km, zahlen konnten. Ich sag’s dir, der Typ ist sogar bei uns im Bus noch mit zum Gig gefahren, nur war er am nächsten Morgen eben verschwunden.
Das Schneechaos in Moskau, jeden Studioaufenthalt, oder unsere erste Tour durch Mexiko mit Einschusslöchern im Nightliner. Busfahrer, die mehr trinken und weniger schlafen als man selbst. Ach, ich könnte noch ewig erzählen und manchmal wirst du schon unruhig in deiner Schlafkoje, aber that’s Rock’n’Roll …
Ihr habt ja im vergangenen Jahr schon einmal zu „Antiadore“ getourt und schiebt jetzt noch eine zweite Runde nach. Neben ein paar neuen Städten werdet ihr u.a. in Berlin und Frankfurt am Main zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres auf der Bühne stehen. Waren die Reaktionen vergangenes Jahr so gut, dass ihr da einfach noch mal hin musstet?
Wir sind einfach geboren, um jede Nacht in einem Club zu hocken und zu spielen, und ja, jeder der Gigs auf der letzten Tour war fantastisch und wir hätten niemals mit dem großen Zuspruch gerechnet und gerne auch nochmal Köln und vor allem Stuttgart mit eingebaut, aber zeitlich war das alles nicht mehr machbar, weil wir uns jetzt in jeder freien Minute auf unsere China-/Japan-/Koreatour mit MASTERPLAN und EMERGENCY GATE vorbereiten, VISA-Anträge ausfüllen und eben unseren ganzen Krempel an den Start bekommen müssen. Mal sehen, vielleicht kommen wir im Herbst nochmal auf Europatour zurück, lasst euch überraschen!
Mit Napalm Records habt ihr seit Jahren dieselbe Plattenfirma als Partner. Ist dir Konstanz wichtig, gab es nie die Überlegungen, mal etwas Neues zu wagen, oder machen die Jungs einen derart guten Job, dass das eh nicht in Frage gekommen ist?
Napalm haben sich ja grandios entwickelt. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir die Jungs 1999 bei der Unterzeichnung unseres ersten Vertrages besucht hatten. Jetzt sind viele meiner Idole, wie MOONSPELL, DEVILDRIVER oder MONSTER MAGNET im Napalm-Stall, also warum sollten wir ausgerechnet jetzt wechseln? Vielleicht ist es aber auch nur Trägheit (lacht), ich hasse einfach diesen ganzen Businesskram! Also ihr Labels da draußen, nur her mit den Angeboten und vor allem Vorschüsse, welche wir nicht ablehnen können.
Wenn eure Tour vorbei ist steht ja quasi die Festivalsaison vor der Tür. Gibt es auch schon Pläne, wo man euch im Sommer alles bestaunen kann, oder ist da noch Geduld gefragt?
Nein, an Festivals sind dieses Jahr mit Wacken, M’era Luna, dem Dark Munich Festival, NCN und dem WGT schon so einige Highlights bestätigt, auch für 2015 sind sogar schon super Sachen fixiert, also wir freuen uns auf alles, was da noch kommen mag!
Und zum Abschluss: Wie schauts in den kommenden Monaten bei euch aus, schon Pläne für ein neues Album, was kann man von LACRIMAS PROFUNDERE erwarten?
Nein, wir haben zwar bereits viele Ideen rumliegen, buchen das Studio aber erst, wenn uns auch wirklich jeder einzelne Ton gefällt. Ich gehe immer noch voll ab, wenn ich ein Killerriff schreibe, nur leider kommt einem eine solche Idee eben nicht jeden Tag. Aktuell herrscht noch Chaos, wie immer bei mir und wir werden Zeit brauchen, das zu organisieren – von fertigen Songs sind wir also noch meilenweit entfernt. Also, holt euch jetzt erst mal „Antiadore“, der neue Videoclip zum Titeltrack kommt auch bald. Wir sehen uns auf Tour, unserer offiziellen Facebookseite, oder eben nicht. Vielen lieben Dank für das coole Interview! Prost!
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Stile | Gothic Metal, Gothic Rock |
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