Korades
Korades

Interview

Das Jahr Eins der VIU DRAKH-Nachfolge-Band KORADES. Zwei Mitglieder der Irokesen-Metaller haben sich in das neue Crust-Auffanglager gerettet, und legten mit "Acoustic Warfare" ein bärenstarkes Debüt vor. Gitarrist und Hauptsongwriter Bernd Korades, seines Zeichens Gitarrist, Hauptsongwriter und Bandgründer stand Rede und Antwort. Verwirrung allerdings bei der Vorbereitung auf dieses Gespräch: Bernd hieß früher Björn. Mit wem spreche ich denn jetzt? Björn Langkopf oder Bernd Korades?

Mit beiden (lacht). Bernd ist mein zweiter Vorname, der auch in meinem Pass steht. Irgendwann hat das jemand mitgekriegt. Und als Bernd, das Brot populär wurde, fanden das einige Leute ziemlich witzig mich Bernd zu nennen. Aber ich heiße seit 33 Jahren tatsächlich so.

Und was ist mit Korades?

Das ist früher mein Künstlername gewesen. Ich hab den Namen ganz früher im Netz benutzt, und auch zu der Zeit, als ich für andere Bands produziert habe.
Es hat sich eigentlich so über die Jahre entwickelt, dass ich eigentlich mehr Bernd Korades heiße. Als dann die Namenswahl für die neue Band anstand, dachte ich mir: Ehe man zu lange sucht, nehmen wir einfach den Namen.

Hat KORADES denn eine tiefere Bedeutung?

Gar nicht. Klingt einfach gut.

Wie würdest du denn einem Unwissenden die Musik von KORADES schmackhaft machen?

Einem Unwissenden? (lacht). Einem Unwissenden auf dem Sektor der harten Musik? Oder allgemein in Sachen Musik? Das wird schwierig….

Lass uns doch mal im Sektor der verzerrten Gitarren bleiben.

Für mein Gefühl ist das schon noch Punk, irgendwie die Attitüde des Punk. Und Punk geht immer mit eingängigen Melodien einher. Das ist wie ich finde eines der Hauptargumente. Man muss zumindest eine Hookline mitpfeifen können. Und dann haben wir das Ganze ein bisschen in den Begriff Motöcrust verpackt. Der britisch-schwedische Kraftsound, der auf ein bisschen MOTÖRHEAD trifft. Und mit MOTÖRHEAD kriegt man jeden!

Definiere doch mal bitte den Motöcrust.

Ach du meine Güte…(seufzt). An Crust ist ja der D-Beat typisch. Dazu die punkigen Gitarren, und MOTÖRHEAD sind die Rock ’n Roll-Komponente. Und MOTÖRHEAD sind ja auch irgendwie sexy, oder?

Auf jeden Fall!
Haben denn KORADES mehr mit VIU DRAKH oder mit TIN PAN ALLEY (deren Vorgänger) gemeinsam?

Auf jeden Fall mit TIN PAN ALLEY. Wir kamen zu der Zeit aus der Punk- und Hausbesetzerszene und haben dann ein bisschen von dem Hardcore-Drall mitgekriegt, der dann Anfang der 90er durchbrach. VIU DRAKH war ja wesentlich Death Metal-lastiger. Und das haben wir bei KORADES versucht wieder von Bord zu schubsen. Das heißt nicht, dass ich Death Metal nicht mehr mag, aber die Wurzeln liegen mehr im Punk.

Eure Homepage sagt, KORADES habe eine konventionslose Philosophie.
Wie kann man diese sich denn vorstellen?

Zur Zeit von VIU DRAKH haben wir immer zwischen zwei Stühlen gesessen. Wir haben immer gedacht, wir müssen uns mit dem Death Metal und dem Punk arrangieren, und von dem konnten wir uns mit KORADES befreien. Ich glaube, das hat uns einfach die Chance gegeben, keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen. Früher gab es immer Streit: Gehen wir mehr in die oder die andere Richtung. Und jetzt bleiben wir einfach mehr auf einer Strecke und nehmen auf nichts mehr Rücksicht.
Und das finde ich auch recht angenehm.

Laut Aussagen auf der Homepage zerbrachen VIU DRAKH an Alkoholsucht, Schizophrenie und endlosem Tourstress. Warum wird es KORADES nicht so ergehen?

Ui, das ist eine gute Frage. (überlegt). Ich will jetzt nicht zu tief im Innenleben von VIU DRAKH herumwühlen, aber bei KORADES ist es eine völlig andere Konstellation, andere Personen und eine andere Grundvoraussetzung. Mein Gefühl sagt mir, dass es bei KORADES nicht so sein wird.

Rühren Songs wie „King Alcohol“ oder „Countdown To Self-Destruction“ aus diesen Erfahrungen?

Nein, eher weniger. Das sind einfach klischeebeladene Party-Songs, zu denen man gut feiern kann.

Wie siehst du denn die Glorifizierung des Vollsuffs in der Metal-Szene?

Hmmm, das ist schwierig. Ich meine, ich trinke hier gerade auch ein Bier, während ich mich mit dir unterhalte.
Es ist halt einfach auch ein Klischee, dass zu dieser ganzen Rock ’ Roll Geschichte dazugehört. Man muss da natürlich aber aufpassen, mit Alkoholismus ist natürlich nicht zu spaßen. Im Endeffekt muss jeder selber wissen, wo seine Grenzen liegen.

Noch mal zu den Texten: Inwieweit ist das bei „persönlichen“ Texten schwierig für dich wenn sie nicht durch dich interpretiert werden, sondern durch euren Sänger?

Als Probleme hab ich damit auf keinen Fall. So persönlich sind die Texte auch gar nicht. Die typische Floskel „Ich schreibe sehr persönliche Texte“ mag ich gar nicht.
Es sind ja alltägliche Probleme, die in den Texten auftauchen. Deswegen schaut jetzt da niemand ganz tief in mein Seelenleben.
Zum anderen arrangiere ich die Texte mit Thorsten (Sänger; Anm. d. Verf.) gemeinsam in meinem Studio, in dem wir vorproduzieren. Wir gehen da meist Wort für Wort durch.
Ich meine, Texte sind wichtig, aber für mich hat der melodische Aspekt immer noch Oberhand. Man muss einfach gut mitpfeifen können.

Super mitpfeifen kann man auch den letzten Song „The Voice“. Welche Stimme spricht denn zu dir?

Es ist eigentlich das gleiche Grundthema wie in „Countdown To Self-Destruction“. Ich weiß nicht, ob du das kennst: manchmal hat man einfach das Gefühl, bei deiner Oma steht eine superteure Vase, und du überlegst dir, wie es wäre, wenn du sie jetzt runterfeuern würdest. Einfach mit Absicht! Einfach kaputtmachen! Mir geht das manchmal im Proberaum so. Wenn da eine Gitarre steht, an die Wand gelehnt, und du fragst dich: Was wäre jetzt, wenn du da reintrittst? Einfach nur so.
So ist das ja mit einem selber. Oft macht man sich selbst kaputt. Man geht wissentlich gegen seine eigene Gesundheit vor. Und das ist die Stimme, die einen manchmal ruft. Da kann man nicht anders.

Wessen Kinder waren denn am Chor in diesem Song beteiligt?

Das waren allerhand Kinder. Das waren meine Tochter, zwei Kinder aus ihrem Hort, Thommy Hein (der Produzent; Anm. d. Verf.) hat seine Sohnemann noch mitmachen lassen.
Das war ein Riesenspaß. Ich wollte so was schon immer mal machen, schon zu VIU DRAKH-Zeiten.

Weiter bei den Texten: Warum oder seit wann ist es denn so ruhig in der Hölle?

(Lacht). Das ist ein Wortspielerei mit „All Quiet On The Western Front“ (Im Westen Nichts Neues), dem Kriegsklassiker von Erich Maria Remarque. Das Töten und Sterben geht weiter, es interessiert keinen.
Im Endeffekt kann man da den Bogen zum Cover, zur „Acoustic Warfare“ spannen. Auf dem ursprünglichen Cover, das nicht geschafft hat, war eigentlich ein Megaphone. Mit einem Megaphone kannst du heute in Bagdad mehr Schaden anrichten, als mit einem mittelschweren Panzer. Du brauchst nur das richtige reinbrüllen. Mit Karikaturen in Dänemark, kannst du ein ganzes Volk zur Aufruhr bringen. Dieser Faden zieht sich auch durch meine Texte.

Was waren denn „Acoustic Warfares“, die dich nachhaltig beeindruckt haben?

Oh, da gibt es eine ganze Menge. Seinerzeit mein erstes, noch zu DDR-Zeiten, fünfmal durch den Zoll gelaufenes, achtmal hintereinander überspieltes METALLICA-Tape. Da waren die ersten beiden Scheiben drauf. Es war schon fast nichts mehr zu hören, aber es war fantastisch.
Dann hatte irgendjemand eine Ungarn-Kopie der DEAD KENNEDYS mitgebracht, die „Fresh Food For Rotten Vegetables“. Die hat mich echt umgehauen, das weiß ich noch.
Live hat mich umgehauen, da muss nach der Wende gewesen sein, wir sind da ja zu fast jedem Konzert gefahren, waren es SEPULTURA auf der Arise-Tour. So was hatte bis dato noch nie gesehen. Das hatte damals wahrscheinlich überhaupt niemand schon gesehen. Wir alle standen mit offenen Mündern da.
Es gibt da noch was Fantastisches in meinem Leben, was ich nie vergessen werde: Seinerzeit zu den Pioniernachmittagen oder zum Jahrestag der Russischen Revolution musste man mit seiner Brigade bei der Roten Armee antreten. Da hab ich mal 10 000 russische Soldaten „Hurra! Hurra! Hurra!“ brüllen hören. Das wird ich nie vergessen. DAS ist ein akustischer Panzer, den nicht mal eine Heavy Metal Band toppen kann.

04.01.2007
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