Kissin Dynamite
Nicht bitchy, sondern sexy!

Interview

Kaum eine Newcomer-Band arbeitet so diszipliniert wie KISSIN‘ DYNAMITE. Seitdem 2008 ihr Debütalbum erschienen ist, liefern die Schwaben alle zwei Jahre ein neues Album ab. Dass die Qualität darunter kein bisschen leidet, beweisen sie aktuell mit ihrer sechsten Langgrille „Ecstasy„, auf der sich die Band deutlich gereifter und erwachsener präsentiert. Frontmann, Produzent und Songschreiber Hannes Braun sprach mit uns über das neue Album und ein erstes Fazit nach zehn Jahren KISSIN‘ DYNAMITE.

Moin Hannes, danke, dass du dir Zeit für uns nimmst. Wo erwisch ich dich denn gerade?

Hannes: Hi Dominik, ich war gerade auf meinem Boot in Flensburg und bin gerade zu Hause angekommen. Hier in der Ecke wird im Moment gebaut, deshalb hat das ein wenig länger gedauert.

Der Anlass unseres Gesprächs ist natürlich eure neue Platte „Ecstasy“. Das Artwork mit seinem reduzierten Schwarz-Weiß-Look hat mich doch ein bisschen überrascht, weil ihr sonst eher bunte Artworks hattet. Welche Idee steckt hinter diesem neuen Stil?

Hannes: Also neuer Stil, ja, da geb ich dir Recht. Das Ding ist tatsächlich einfach persönlicher Geschmack. Die letzten drei Alben hatten wir mit ja über AFM released und jedes Label hat so seine Lieblingsleute, mit denen sie zusammenarbeiten. Natürlich kann jede Band da ihr Veto einlegen, aber in diesem Fall war es immer derselbe Grafikdesigner. Der hat zwar unsere Vorstellungen umgesetzt, allerdings nie zu unserer vollen Zufriedenheit, wenn ich ehrlich bin. Es war tatsächlich immer etwas zu bunt und, mal böse gesagt, mehr gewollt und nicht gekonnt. Diesmal wollten wir einfach ein schlichtes Albumcover machen. Die Frau darauf sollte nicht bitchy sein, sondern zwar sexy wirken, aber wertig rüber kommen. Ich denke, das haben wir insgesamt sehr gut hingekriegt.

Ihr dann ja quasi zeitgleich mit dem Cover das Video zu „I’ve Got The Fire“ raus gehauen. Das Artwork und wie ihr euch in dem Video präsentiert wirkt auf mich so als würdet ihr einen erwachseneren Look anstreben als früher. Würdest du das unterschreiben?

Hannes: Ja, und ich glaube das liegt in der Natur der Sache. Unser Debüt „Steel Of Swabia“ erschien 2008. Da war ich 15 und der Rest 16, Teenager also, fast noch mehr Kinder. Da liegt im Endeffekt nahe, dass das alles noch ein bisschen verspielt rüberkommt. Inzwischen sind wir beim sechsten Studioalbum, dass da ein Reifeprozess stattgefunden haben muss, ist irgendwie selbsterklärend. Was den Look angeht, haben wir uns gefragt: „Wie wollen wir 2018 aussehen? Welcher Look trägt das Album und wie fühlen wir uns wohl?“ So wie du uns in „I’ve Got The Fire“ siehst und auch in den Pressefotos, so fühlen wir KISSIN‘ DYNAMITE 2018. Das wird in zehn Jahren sicherlich noch mal anders aussehen.

Einer der ersten Kommentare, die ich unter dem Video gelesen hatte, sprach davon, dass der Refrain von „I’ve Got The Fire“ sehr ähnlich zu „Running Free“ von der „Megalomania“ sei. Ehrlich gesagt ist mir das auch aufgefallen. Kannst du diesen Eindruck nachvollziehen?

Hannes: Mh, also in einem Interview mit Angus Young hieß es: „Böse Zungen behaupten du hättest 40 Jahre lang den gleichen Song geschrieben.“ Daraufhin hat er gesagt: „Das ist falsch. Es sind 41 Jahre.“ Ich denke, dass da ein gewisser Stil in manchen Songs Ähnlichkeiten hat und wiederzuerkennen ist. Das kann ein Qualitätsmerkmal sein. Ich will mich da jetzt gar nicht rausreden, „Running Free“-Anleihen hat das bestimmt. Das war aber gar nicht beabsichtigt. Wir komponieren unsere Song zum allergrößten Teil selber und beide Songs stammen eben aus meiner Feder. Nachdem ich die Kommentare selber gelesen hatte, hab ich mich auch mal ein wenig reflektiert und im Refrain geht mir das gar nicht mal so, aber die Strophe hat ein sehr ähnliche Attitüde. Das kann man unter „eigenem Stil“ verbuchen. Da mach ich mir keinen Kopf wegen.

Trotz eines mittlerweile recht beständigen Stils, habt ihr mit KISSIN‘ DYNAMITE auch das ein oder ander Synthesizer-Experiment gewagt, vor allem auf der „Megalomania“. Schon auf „Generation Goodbye“ hatte ich das Gefühl, dass ihr die ein wenig zurückgefahren habt und auf „Ecstasy“ kann ich die Synthies nur noch ganz dezent im Hintergrund ausmachen, um die Songs ein bisschen voller zu machen. Habt ihr irgendwann doch das Gefühl gehabt, dass dieser massive Synthie-Einsatz nicht zu KISSIN‘ DYNAMITE passt?

Hannes: Ja jetzt mal ein Kompliment, ey, du hast dich ja richtig vorbereitet. Das hat alles Hand und Fuß und hört man nicht oft. Du hast komplett Recht. „Megalomania“ kann man als Experiment verbuchen und auch als wichtiges Experiment. Ich vergleich Musik immer mit dem ganzen Leben. Im Leben muss man eben seine Grenzen ausloten und das haben wir mit „Megalomania“ gemacht. Das klingt jetzt geschwollen, aber diese Synthies haben uns letztendlich auch emanzipiert. Wir sind mal aus unserer Komfortzone rausgekommen und konnten einfach eine neue Spielwiese begehen. Wir haben aber hinterher gemerkt, dass wir da ein wenig zu sehr mit der Brechstange rangegangen sind. Bei „Generation Goodbye“ haben wir das dann wieder reduziert und bei „Ecstasy“ hat das aber einen anderen Grund. Vor „Ecstasy“ hatten wir keinen Abgabezeitpunkt, da wir labelfrei war. Wir haben Songs einfach aus dem Bauch heraus geschrieben. Dabei sind sehr leichtfüßige Songs mit positiven Vibes entstanden. Irgendwie hatten wir einfach das Gefühl, dass ein großer Synthie-Einsatz nicht zu diesen Songs passen würde. Aber du hast Recht, „Megalomania“ war dahingehend die krasseste Platte und wir haben danach beschlossen, das ein bisschen weniger zu machen.

Jetzt hast du gerade schon die Leichtigkeit eurer Songs angesprochen. Tatsächlich kommt mir „Ecstasy“ im Gegenteil etwas ernster vor als eure bisherigen Platten. „Breaking The Silence“ und „Waging War“ sind zwei Songs, an denen ich das besonders festmache. Kannst du das nachvollziehen?

Hannes: Also bei den beiden Stücken ja. „Breaking The Silence“ ist das härteste Stück der Platte und „Waging War“ eine richtige Old-School-Nummer. Aber ich spiel auf was anderes an. Nimm Songs wie „I’ve Got The Fire“, „Ecstasy“ oder auch die Ballade „Still Around“. Das ist keine Power-Ballade im klassischen Sinne, die auf Herzschmerz abzielt, sondern das ist ’ne lässige Cabrio-Ballade, was wir noch gar nicht gemacht haben. Das war beim Songwriting sehr erfrischend. Wenn wir es jetzt in Farben sehen wollen, dann ist „Megalomania“ wahrscheinlich irgendwas kühleres, grün oder blau vielleicht. „Ecstasy“ hingegen ist eher orange oder gelb. Kannst du damit was anfangen?

Das ist jetzt schon sehr abstrakt gedacht, aber ich denke ich weiß, was du meinst.

Hannes: Es geht einfach um eine positive Grundattitüde. „Breaking The Silence“, wenn du den jetzt schon rausnimmst, das ist der härteste Titel und auch der Exot der Platte. Auf früheren Alben wäre eher eine positive Nummer der Exot gelesen. Wir haben bei der Grundstimmung einfach einen anderen Schwerpunkt gelegt.

Im Titelsong ist mal wieder eine Gastsängerin zu hören. Auf „Generation Goodbye“ war es Jennifer Haben von BEYOND THE BLACK. Diesmal ist es Anna Brunner von EXIT EDEN. Wird das jetzt eine Tradition bei KISSIN‘ DYNAMITE?

Hannes: Mh, ne, würde ich nicht sagen. Wir hatten auch auf „Addicted To Metal“ einen Gastsänger in Form von Udo Dirkschneider und danach erst mal keinen mehr. Wenn es sich anbietet und man da Bock drauf hat, dann kann man das machen. Aber es war nicht so, dass das Label jetzt ankam und eine Gastsängerin für Namedropping wollte. Ich hab die letzte Platte von EXIT EDEN produziert. Ich war sehr begeistert von Annas Stimme und hab das im Hinterkopf behalten. Der Song „Ecstasy“ war ursprünglich nicht als Duett geschrieben. Mit der Zeit hab ich dann gemerkt, dass ich den Titel, selbst wenn ich wollte, nicht alleine live singen könnte. Da kam dann eins zum anderen. Außerdem fand ich es ganz spannend, dass ein 200-bpm-Track mit Energie pur für ein Duett total untypisch ist. Sonst denkt man da immer an Herzschmerz-Nummern. Da kam mir direkt Anna mit ihrer rockigen Stimme in den Sinn. Sie wollte den Song natürlich erst mal hören, war aber sofort begeistern und kam direkt ins Studio.

Ist der Titelsong denn trotzdem für kommende Konzerte im Gespräch? Wird Anna vielleicht sogar mitkommen oder wie wollt ihr das handhaben?

Hannes: Das fände ich natürlich gut, aber hängt natürlich immer von den Zeitplänen der jeweiligen Leute ab. Wir sind schon fünf Leute innerhalb der Band und müssen unsere persönlichen Termine unter einen Hut bekommen, um auf Tour gehen zu gehen. Aber ich sag jetzt mal „Never say never“, das wird sich bestimmt das ein oder andere Mal einrichten lassen und wenn es nur auf ’nem Festival ist. Ich finde übrigens auch, dass ein Duett live nur genauso vorgetragen werden sollte, wie es erdacht wurde.

Mit Jennifer habt ihr es für das Live-Album ja auch einmal hingekriegt.

Hannes: In Stuttgart, genau.

Für die Deluxe-Box von „Ecstasy“ hat Andi (Schnitzer, Schlagzeug – Anm. d. Verf.) ein Buch über die Bandgeschichte von KISSIN‘ DYNAMITE geschrieben. Mein erster Gedanke war: Ist es dafür nicht ein wenig früh? Ihr seid doch alle noch am Anfang eures Lebens.

Hannes: Das stimmt, ja. Anderseits ist es jetzt ziemlich genau eine Dekade. Wir rechnen ja immer ab dem Erscheinen unseres Debüts 2008. Das ist ein sehr spannender Abschnitt über den man schreiben kann. Es ist jetzt auch kein Tausendseiten Roman geworden, sondern ein handliches Taschenbuch mit ungefähr 160 Seiten. Man liest da jetzt nicht ewig drin. Trotzdem ist das nicht nur ein Gimmick, sondern schon ernst gemeint. Mal bösartig gesagt, wenn Leute uns jetzt sagen, dass man sowas erst nach 40 Jahren machen sollte, dann antworte ich: Wir wissen doch gar nicht, ob es KISSIN‘ DYNAMITE dann überhaupt noch gibt. Wir wollen das natürlich, aber du bist auch auf den Musikmarkt angewiesen. Wenn der irgendwann zusammenbricht, was ich nicht hoffe, dann hält dich der Spaß allein nicht 40 Jahre lang am Leben. Wenn du die Musik zu deinem Beruf gemacht hast, musst du von etwas leben. Deswegen machen wir das nach dem Motto „Warum etwas auf morgen verschieben, wenn man es auch heute machen kann.“ Wer das jetzt anmaßend findet, soll es anmaßend finden. Das kann jeder sehen wie er will. Wir fanden einfach, dass es ein spannender Zeitpunkt ist, um ein erstes Fazit zu ziehen. Außerdem steht in der Biografie viel Zeug drin, was wir nie in Interviews gesagt haben. Es ist die wahre Geschichte von KISSIN‘ DYNAMITE, ohne aufgeblasen zu erscheinen. Was mich immer abtörnt ist, wenn ich eine Biografie von Musiker XY lese und dann denke: „Wenn das wirklich alles wahr ist, dann wäre der Typ nicht mehr am Leben.“ Genau das wollten wir nicht und das sind wir auch nicht. Wir sind eine ehrliche Rockband und wollten es genauso zu Buche bringen, wie es passiert ist.

Wird das denn eine exklusive Beilage für die Deluxe-Box bleiben oder irgendwann auch mal für Leute zugänglich, die keine mehr abbekommen?

Hannes: Den Gedanken find ich sehr spannend. Ich würde das sehr gerne so sehen. Es kommt aber auf die Reaktionen der Leute an. Ich hoffe wir kriegen Feedback. Wenn das Buch super ankäme und uns die Boxen aus den Händen gerissen werden, was aktuell ziemlich gut aussieht, so viel kann ich verraten, dann hätten wir natürlich einen Anreiz, das Buch noch mal einzeln raus zu bringen. Sonst sind die Fans enttäuscht, die keins bekommen haben. Aber das steht echt noch in den Sternen.

Du hattest ja gerade schon kurz den Musikmarkt und das Leben als Berufsmusiker angesprochen. Vor einigen Jahren hatte ich in einem Magazin ein Interview mit Jim gelesen, in dem er sagte, dass du als einziger bei KISSIN‘ DYNAMITE hauptberuflich Musiker bist. Wie ist das denn heute?

Hannes: Tatsächlich sind es mehr geworden. Jim macht auch nur noch Musik, Andi genauso. Der macht nebenher noch eine Art Job, aber das soll er lieber selber mal erzählen, wenn er das will. Mir hat er mal erklärt, dass er das als eine Art Ausgleich zur Musik macht. Letztendes sag ich aber immer: Leben kann inzwischen jeder von uns nur durch die Musik. Am Ende hängt es aber immer davon ab, wie du Leben definierst. Was für ’ne Karre willst du fahren? In was für einem Haus willst du wohnen? Wir sind jetzt alles andere als Millionäre, doch wir kommen sehr gut zurecht. Im Endeffekt haben wir unser Hobby, unser Herzenshobby, unsere Leidenschaft zum Beruf machen können. Ich glaube, das bleibt den allermeisten verwehrt. Da hatten wir sicher auch eine Menge Glück. Genauso dankbar sind wir für diese Lage. Wir haben natürlich hart dafür geackert, aber diese Quäntchen Glück, das brauchst du einfach.

Das ist mal ein schönes Abschlusswort. Vielen Dank für deine Zeit!

Hannes: Ebenso danke, das hat echt Spaß gemacht!

05.07.2018

"Irgendeiner wartet immer."

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