Kingcrow
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Interview
Anno 2010 sind die italienischen Proggies KINGCROW mit dem aktuellen Longplayer "Phlegethon" stark wie nie. Gitarrist und Hauptsongwriter Diego Cafolla berichtet über den Sängerwechsel, die Aufnahmearbeiten und auch ein wenig über das Konzept, welches sich hinter dem "brennenden Fluss der Unterwelt" verbirgt.
Grüße, Italien! Da habt ihr ja schon wieder ein hervorragend komponiertes, arrangiertes und gespieltes Progressive-Album für jeden aufgeschlossenen Metalhead abgeliefert. Zunächst eine Frage hinsichtlich der grundlegenden Marschrichtung der Band: seht ihr Metalheads überhaupt als bevorzugte Fans an? Oder fasst ihr KINGCROW eher als Progressive Rock-Band auf, die nur noch lose Verbindungen zu den verschiedenen Metalgenres hat?
Hallo! Unsere Band hat als Prog-beeinflusste Heavy Metal-Combo angefangen, deren Sound sich mit der Zeit in eine Art Progressive Rock mit harter und dunkler Kante entwickelt hat. Es gibt einige wirklich heavy zu nennende Passagen, also sind unsere Fans durchaus in allen Lagern zu finden; eben vom Metalhead bis zu den Leuten, die eher auf komplexe und anspruchsvolle Mucke stehen. Aus meiner eigenen Sicht stehen wir zwischen Metal und Rock, da wir beide Elemente aufweisen.
Bitte gib’ uns einen kurzen Einblick in das lyrische Konzept, auf welchem “Phlegethon“ basiert; gerade vor dem Hintergrund, dass das Konzept dieses Mal nicht ganz so offensichtlich ausgefallen ist.
Das Konzept, das hinter “Phlegethon” steckt, handelt von Erfahrungen, die wir in unserem Leben sammeln und davon, wie sie die Persönlichkeit bilden und unser Aufwachsen beeinflussen. Genauer gesagt ist es die Geschichte zweier Brüder (die beiden könnt ihr auf dem Cover sehen) und ihrem Lebensweg. Stilistisch ist das Ganze ein wenig Psycho-Thriller, aber ich möchte auch nicht zu viel verraten, zumal es immer etwas Besonderes ist, das erste Mal einem Konzeptalbum mit dem Booklet in der Hand zu folgen.
In dieser Hinsicht: Was bedeutet ”Phlegethon“ – einer der Flüsse, welcher in der griechischen Unterwelt fließt – für dich?
Wie du schon sagst, ist der Phlegethon einer der Unterweltflüsse der griechischen Mythologie. Ein Fluss aus Feuer und Blut. In “Dantes Inferno“ werden die Seelen derjenigen, die ihre Eltern erschlagen haben, für immer in diesem Fluss gepeinigt. Es gibt also offensichtliche Verbindungen zwischen Konzept und Titel.
Euer früherer Singer Mauro Gelsomini zeichnet für einen Teil der Lyrics verantwortlich. War es schwierig, das Album ohne ihn zu beenden?
Wir haben damit angefangen, den Gesang aufzunehmen, als Mauro uns verlassen hat. Er war nicht so sehr am neuen Album beteiligt und hat sich mehr auf sein Privatleben konzentriert, so dass wir mit den Resultaten auf dem als ersten aufgenommenen Song nicht so zufrieden waren. Also haben wir uns hingesetzt und überlegt, wie wir die Sache zusammen richtig anpacken können… er entschloss sich dann zu gehen. Er hat uns erlaubt, einige seiner Lyrics für das neue Album zu verwenden. Aber schon nach zwei Wochen ist Diego Marchesi bei uns eingestiegen, also war alles nicht ganz so schwierig. Wir sind sehr glücklich darüber, ihn so schnell gefunden zu haben.
Ja, denn euer neuer Fronter Diego ist schlichtweg ’ne Wucht! Abwechslungsreich, eigensinnig und kraftvoll. Er passt blendend in den KINGCROW-Sound. Wie habt ihr ihn denn gefunden? Wo siehst du zudem die Hauptunterschiede zu eurem alten Sänger, der ebenfalls hervorragende Arbeit geleistet hat. Wie ging die Arbeit mit dem Nachfolger vonstatten?
Zu der Zeit hat mir mein bester Freund Stefano Tissi (der Sänger auf unserem ersten Album ”Something Unknown“) einige Songs eines Musicals gegeben, bei dem Diego eine Hauptrolle hatte. Ich war beeindruckt von seiner Stimme, also hab’ ich ihn angerufen und in mein Aufnahme-Studio eingeladen. Er war sehr von der Idee angetan, bei uns einzusteigen und nachdem wir seine Version von “Fading Out Pt. III“ gehört haben, kamen wir nicht umhin festzustellen, dass seine Stimme perfekt zur Band passt (auf der Band-Facebook-Seite kann man sich auch ein Video ansehen, auf dem Diego diesen Song das erste Mal singt).
Der Hauptunterschied zwischen den beiden ist der, dass Mauro ein Bariton und Diego ein Tenor ist, der über eine größere Bandbreite verfügt. Also haben wir die Gesangslinien ein wenig geändert, um sie von der Bariton-Stimme weg für Diego anzupassen. Die größte Änderung haben wir bei “The Slide“ vorgenommen, es transponiert und eine Oktave höher geschraubt. Es sind einfach zwei unterschiedliche Sänger, aber ich bin sicher, dass Diegos Stimme einfach perfekt zu den neuen Songs passt.
Bitte stell’ uns doch auch die anderen neuen Mitglieder vor. Denkst du, dass das Line-Up dieses Mal stabil bleibt?
Cristian della Polla hat uns bei einigen Gigs auf der “Timetropia“-Tour ausgeholfen und das Keyboard besetzt – am Ende der Tour haben wir ihn als festes Mitglied ins Boot geholt, zumal Keyboards und Synthies mittlerweile einen wichtigen Teil unserer Soundlandschaft ausmachen. Während der Aufnahme-Sessions ist zudem Francesco D’Errico als offizieller Basser dazugekommen, da Angelo Orlando kein fester Bestandteil war. Nun haben wir ein Einhundert-Prozent-Line-Up und ich hoffe, dass es dabei bleibt!
Für mich stellt “Phlegethon” eure bis dato ausgereifteste Arbeit dar. Die Bandbreite reicht von RUSH über VOIVOD zu einigen Einzelkünstlern wie sagen wir BRIAN ENO. Verrate uns, wie zufrieden du mit dem Output bist.
Wie du schon sagtest, ist “Phlegethon“ unsere ausgeklügelste Arbeit, aber in mancher Hinsicht auch eingängiger geworden. Und alle Bands, die du genannt hast, gehören zu unserem musikalischen Hintergrund, vor allem dem meinen. Nach “Timetropia“, das als modernes Musical mit Heavy- und Prog-Einflüssen gedacht war, hatte ich vor, ein modern klingendes Konzept-Album zu schreiben. Wir haben eine tolle Arbeit geleistet, sowohl was mein Songwriting angeht als auch die Arrangements, die wir zusammen ausgearbeitet haben. Ich denke, der ganze Prozess hat alles in allem zwei Jahre Arbeit erfordert, aber jetzt sind wir mit dem Resultat höchst zufrieden; künstlerisch als auch mit dem, was die Produktion angeht. Es hört sich für unsere Ohren sehr gut an.
Obwohl der Sound gleichsam abwechslungsreich wie weit entfernt vom Mainstream ist, kann man die genannte Eingängigkeit nicht leugnen, denn ihr bietet erinnerungswürdige Refrains und Melodien. Ist das eigentlich Absicht oder Zufall?
Wie ich schon erwähnte, ist “Phlegethon“ unser am besten ausgearbeitetes Werk, aber eben auch auf seltsame Weise sehr eingängig, das stimmt. Auf dem Album gibt es einige sehr starke Refrains zu hören (denke an “Evasion“ oder “Washing Out Memories“), aber das war keine reine Absicht. Sicher mag ich es, gute Melodien zu schreiben, besonders für die eher komplexen Songs. Aber ich war nie darauf aus, eingängig zu sein… das kommt alles spontan.
Wer sind eure aktuellen Einflüsse? Wer kann heutzutage die Kerle von Kingcrow beeindrucken?
Ich denke, da gibt es einige interessante Bands da draußen… einige der großen Bands der Vergangenheit haben nicht aufgehört, mich stark zu beeindrucken… Bands wie RUSH, KING CRIMSON, PINK FLOYD, CAMEL, PFM, SAVATAGE, QUEENSRYCHE, MIKE OLDFIELD und FATES WARNING und auf der anderen Seite gibt es auch einige interessante “neuere” Bands wie TOOL, OPETH, MARS VOLTA, PAIN OF SALVATION, PORCUPINE TREE, OSI und viele mehr, die versuchen Prog ins neue Jahrtausend zu bringen.
Der Sound hat sich einmal mehr verbessert und es ist überhaupt ein Vergnügen, sich jedes einzelne Instrument anzuhören, ohne dass man vom Sänger, Bass, Schlagzeug oder den Gitarren erschlagen wird. Wer ist verantwortlich für diesen Fortschritt?
Das Album haben wir in dem Studio aufgenommen, welches Thundra (Schlagzeug/Percussion) und mir gehört, dem “Sound Under Pressure“. Zwischen “Timetropia“ und “Phlegethon“ haben wir nicht nur das Equipment verbessert, sondern auch weitere Erfahrungen gewonnen, wie ein Album zu produzieren ist. Wir haben hart dran gearbeitet, dass sich “Phlegethon“ so gut anhört. Den Mix hat Giampiero Ulacco in seinem eigenen Studio gemacht und das Mastering wurde von Davide Barbarulo in Neapel im “20hz20khz Mastering Lab“ übernommen.
Neben dem prächtigen Sound fällt vor allem auf, dass ihr allesamt ausgezeichnete Musiker seid, die es verstehen, mächtig tight zusammen zu spielen. So ist nicht nur der Sänger phänomenal, auch das Gitarrenspiel ist höchst beeindruckend. Das hört sich nach ganz viel Schweiß im Proberaum an.
Danke für die Blumen. Wir versuchen immer, gut zu spielen, denn musikalisches Können ist wichtig, wenn man die Dinge, die man im Kopf hat, dann auch umsetzen will. Aber zur gleichen Zeit versuchen wir auch, nicht zu zügellos zu sein, was die technische Seite unserer Musik anbelangt. Wir versuchen stets, Komplexes für alle auch hörbar zu machen. Ich als Songwriter versuche ohnehin, immer interessante Musik zu schreiben.
Im Hinblick auf das Gesagte: Wir stark schätzt du KINGCROW heute ein?
Ich denke, wir sind gut darin, die Songs auf der Bühne so zu spielen, wie sie sich auf dem Album anhören, allerdings mit mehr Schmackes. Wenn eine Band das schafft, dann ist es eine gute für mich. Wenn ich selbst zu einem Konzert gehe, möchte ich die Bands auch tight spielen hören und wenn die es dann nicht schaffen, die Songs so vernünftig wie auf CD rüberzubringen, bin ich schon ein wenig enttäuscht. Also versuchen wir immer, besonders darin gut zu sein.
Wir sind stark heutzutage und werden den ganzen “Phlegethon“ auf die Bühne bringen; einige der Songs sind nicht ganz so leicht, aber sie werden live gut funktionieren.
Mit Blick auf die internationalen Mitbewerber: Wo stehen KINGCROW im direkten Vergleich?
Das ist eine gefährliche Frage. Nicht, dass ich mich anmaßend geben will, aber ich denke schon, dass unsere Band in der internationalen Szene mitmischen kann. Wir haben eine Menge Arbeit reingesteckt und geben immer unser Bestes. Das Album läuft gut und die Reviews lesen sich weltweit prächtig. Die Zeit wird’s zeigen, wie immer.
Ihr habt von Lucretia zu Scarlet gewechselt. Was denkst du, können KINGCROW mit diesem Label erreichen?
Scarlet hat ein ausgezeichnetes Vertriebsnetz in Europa und ist das beste Label in Italien. Wir hoffen, dass sie uns dabei helfen, mit “Phlegethon“ die Ohren vieler Leute zu erreichen. Wir haben zwar noch keine offiziellen Verkaufszahlen, das Album ist ja gerade mal drei Monate draußen, aber die Jungs vom Label sagten, dass es gut läuft…
Wie sehen die Chancen aus, KINGCROW demnächst auf deutschen Bühnen zu sehen/hören?
Die sehen gut aus! Wir und unser Management versuchen gerade, für diesen Herbst/Winter eine Europa-Tour klarzumachen; also hoffe ich mal, dass wir unsere deutschen Fans bald treffen können. Hoffen wir das Beste!
Wann können wir mit dem nächsten Output rechnen? Gibt es schon Pläne? Es steht ja zu vermuten, dass es sich wieder um ein Konzept-Album handeln wird. Falls ja, worum könnte es dieses Mal gehen?
Wir haben schon darüber geredet, ob “Phlegethon“ unser letztes Konzept-Album sein wird. Wir haben bereits drei solcher Alben veröffentlicht und wissen nicht, ob das nächste wieder so eins werden wird. Als Songwriter will ich mich von Album zu Album weiterentwickeln; das ist mir sehr wichtig. Ich brauche erst mal eine Pause, um meine kreativen Batterien wieder aufzuladen, bevor wir uns an neue Dinge machen können. Ich habe einige gute Melodien und Riffs in petto; zudem einen vollständigen Song, aber wir werden erst nach der Tour ernsthaft am neuen Album arbeiten. Also werdet ihr bis 2011 warten müssen.
Warum sollte sich jemand KINGCROW anhören: Mach’ mal ein bisschen Eigenwerbung:
Ich denke, unsere Musik ist persönlich in bestimmter Weise und “Phlegethon“ ein starkes Album, das sich großartig anhört. Wer also die emotionale Seite am Prog Metal oder Rock mag, sollte zuschlagen!
Dann bitte noch ein paar abschließende Worte an die Leserschaft:
Danke allen, die uns unterstützen! Ich hoffe, wir sehen uns bald auf Deutschlands Bühnen!
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