Killswitch Engage
Interview mit Jesse Leach zu "Disarm The Descent"
Interview
Im letzten Jahr ist im Hause KILLSWITCH ENGAGE viel passiert. Frontmann Howard Jones hat die Gruppe nach zehn Jahren und drei Studioalben verlassen. Mit Jesse Leach, der schon einmal bis 2002 bei der Band am Mikrofon stand, hat die Band aber den vielleicht bestmöglichen Nachfolger für den Posten gefunden. Pünktlich zum Realease des neuen Albums „Disarm The Descent“ sprach ein entspannter und zufriedener Jesse Leach mit uns über seinen Weg zurück in die Band und die neue Platte.
Die letzten Jahre waren für KILLSWITCH ENGAGE sehr aufregend, besonders für dich selbst. Ihr wart auf Tour, habt ein neues Album aufgenommen und, was vielleicht am wichtigsten ist, du bist zur Band zurückgekehrt und hast als Ersatz für Howard Jones deinen Platz als Sänger wieder eingenommen. Wie kam es zu deiner Rückkehr zu KILLSWITCH ENGAGE?
Ich bin mit den Jungs seit über 10 Jahren befreundet. Wir standen immer in Kontakt und haben ab und zu zusammen rumgehangen. Deshalb wusste ich, schon bevor es offiziell wurde, dass eine Trennung von Howard unvermeidlich war. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob ich wieder einsteigen wollte, weil ich nicht wusste, ob ich Howards Songs singen könnte. Das war etwas Neues für mich, die Stücke von jemand anders zu singen. Um einen Song zu performen, muss ich eine emotionale Verbindung zu dem Text haben und ich wusste nicht, ob mir das bei Howards Titeln gelingt. Als ich dann die offizielle Meldung über die Trennung las, hatte ich keine Ahnung, was die Jungs planten. Ich rief Adam (Dutkiewicz, Gitarrist der Band, Anm. d. Verf.) an und fragte, ob sie Lust hätten, gemeinsam eine kurze Jubiläums-Tour zum 10-Jährigen von „Alive Or Just Breathing“ oder so etwas in der Art zu spielen, um die Zeit zu überbrücken. Adam fand die Idee super, sagte mir aber, dass er und die anderen Auditions für einen neuen Sänger veranstalteten, mit dem sie langfristig zusammenarbeiten wollten. Das war der erste Anruf. Dann während der Arbeit, ich habe zu dem Zeitpunkt in einer Bar gejobbt, habe ich angefangen nachzudenken, ob ich das wirklich tun könnte, ob ich Howards Songs singen könnte. Ich schlief darüber, wachte am nächsten Tag auf, rief das Management an und fragte: „Hey, könnt ihr mich auf die Liste für die Auditions setzen?“ Ich hatte ungefähr eine Woche, um sieben von Howards Songs zu lernen und dabei habe ich wirklich angefangen, mich in die Songs zu verlieben und mich mit den Texten zu identifizieren. Das gab mir Zuversicht, ich dachte ,wenn ich mich auf die Songs einlassen könnte und in der Lage wäre, sie zu performen, dann könnte ich das schaffen. Ich bin also zum Vorsingen gekommen und wir hatten von Anfang an viel Spaß, haben zusammen gejammt. Gleich am nächsten Tag riefen die Jungs mich an und fragten, ob ich wieder einsteigen wollte. Alles was ich dazu sagen konnte war „HELL YEAH!“ (lacht).
Hast du die gleichen Tests gemacht wie jeder andere Bewerber für den Posten auch?
Ja.
Was denkst du über die Entwicklung der Band während deiner Abwesenheit? Hat sich viel verändert oder war es gleich als wärst du nie weg gewesen?
Nein, es hat sich viel verändert. Die Band als Einheit funktioniert wie eine geölte Maschine. Die Jungs sind unglaubliche Musiker aber auch sehr freundliche und großzügige Menschen, die mich sehr unterstützt haben. Es war eine aufregende Erfahrung, wieder ein Teil dieser Gruppe zu sein und herausgefordert zu werden, ein besserer Musiker zu sein. Es ist alles sehr positiv aber anders als vor 10 Jahren, ganz anders (lacht).
Wie hast du die Veröffentlichung von KILLSWITCH ENGAGE Platten erlebt, während du nicht in der Band warst?
Ich bin eher ein unterstützender Freund als jemand, der wirklich rausgeht und sich die Musik anhört. Ich gebe zu, selbst kein gigantischer Metal Fan zu sein. Ich mag einige klassische Sachen aber wenn ich mir etwas Hartes anhören möchte, ist das oft eher eine Punkrock- oder Hardcoreplatte. Ich habe einige ihrer Singles als Freund gehört und fand sie großartig, aber ich glaube es hat mich nicht wirklich umgehauen, bis ich die Songs mit Hintergedanken hörte, sie zu singen. Da bin ich dann wirklich ein Fan von Howards Sachen geworden. Jetzt kann ich ihr Zeug hören und ich liebe es, sie sind einfach großartige Songwriter.
Du warst mit den Jungs im vergangenen Jahr auch auf Tour. Wie haben die Fans auf dich als neuen-alten Sänger reagiert?
Die Fans waren unwirklich. Ich war beeindruckt davon, wie herzlich sie mich aufgenommen haben. Manche Leute haben ihre Enttäuschung über Howards Ausstieg ausgedrückt aber mich im selbem Atemzug zurückbegrüßt. Ich war 9 Jahre nicht in der Band und Fans von Howard sind in der Lage mich zu akzeptieren, das bedeutet mir viel. Diese Leute sind Fans der Band und unterstützen sie, ganz gleich, was passiert. Das ist für mich unbeschreiblich.
Lass uns nun über euer neues Album „Disarm the Descent“ reden, das im April erscheinen wird. Es wird häufig erwartet, dass deine Rückkehr zur Band entweder eine Rückkehr zum aggressiveren Stil der früheren Songs oder aber den Anfang eines völlig neuen Kapitels bedeuten könnte. Wie würdest du den Sound des Albums beschreiben?
Ich denke es ist eine Balance zwischen Alt und Neu aber zugleich Fortschritt. Es ist definitiv intensiver. Natürlich sind die Texte, die ich schreibe, etwas anders als Howards, aber insgesammt ist es nicht zu weit vom KILLSWITCH-Sound entfernt. Aber ich denke gerne, dass es ein Fortschritt ist, denn wir planen mehr (lacht). Wir wollen noch für eine lange Zeit gemeinsam Musik machen. Ich denke und hoffe, dass dir, wenn du ein KILLSWITCH Fan bist, dieses Album Spaß machen wird, auch wenn es ein wenig anders ist.
Was genau meinst du in diesem Fall mit „anders“?
Insbesondere verglichen mit dem letzten Album. Es kommt mir vor, als wäre das letzte Album etwas weicher gewesen, was die Texte angeht. Beziehungsorientierter. Jetzt geht es wieder mehr um eine breitere Weltanschauung, eine spirituelle Ansicht. Die Texte sind eher introperspektiv und haben mit Beziehungen in diesem Sinne weniger zu tun. Es ist also ein etwas anderer Stil. Aber ich denke, dass trotzdem alles einen durchgehenden, roten Faden hat und das ist der KILLSWITCH-Sound.
Wie groß war dein Einfluss auf das Album? Gab es noch altes Material von Howard oder warst du von Anfang an am Entstehungsprozess beteiligt?
Die Texte und der Gesang kommen zu 100% von mir, verfeinert von Adam. Er hat viele Zeilen wirklich aufpoliert und mir dabei geholfen, die Texte zu vereinfachen und direkter zu sein. Wenn ich mit zwei Seiten Text ankam, konnte er alles auf ein paar Absätze herunterbrechen, ohne dass die Zeilen dabei etwas von meiner Aussage verloren. Er ist ein klasse Produzent und wir arbeiten als Team sehr gut zusammen. Aber ich konnte der Schöpfer des gesamten lyrischen Konzepts für das Album sein.
Gab es einige Riffs und Musikstücke von vor deiner Rückkehr oder wurde auch die Musik komplett danach geschrieben?
Musikalisch war das Album zu 90% fertig, als ich dazukam. Adam und Joel (Stroetzel, Rythmusgitarrist, Anm. D. Verf.) haben jeweils noch einen Song beigesteuert und das war’s. Ich habe alles, was ich gehört habe geliebt, es gab also keinen Anlass zu sagen „Hey, änder dies oder änder das“. Ich fand es großartig.
Wie können sich die Fans den Songwriting-Prozess bei euch vorstellen? Fängt Adam einfach mit einem Riff an und jeder steigt ein oder gibt es da einen anderen, typischen Weg, wie ihr für gewöhnlich eure Sachen schreibt?
Es funktioniert, indem jeder seine eigene Art von Songs schreibt und aufnimmt. Justin (Foley, Schlagzeuger, Anm. d. Verf.) hat Material, Joel, jeder trägt etwas dazu bei. Wir haben die Stücke ausgewählt, die uns am meisten überzeugt haben. Dann habe ich angefangen, etwas dazu zu schreiben und die besseren Songs sind durchgekommen. Wir haben uns entschieden, auf diejenigen, von denen ich persönlich etwas weniger inspiriert war, zu verzichten. Jeder hatte seinen Anteil an der Musik und das ist super, weil es dem Ganzen eine große Vielfalt gibt. Jeder hat seinen eigenen Stil, in dem er schreibt und alle zusammen stellen den Song fertig. Jemand kommt mit einem Riff oder einer Hauptidee für einen Song und die anderen steuern etwas dazu bei.
Als erste Single habt ihr den Song „In Due Time“ gewählt. Warum habt ihr euch genau diesen ausgesucht?
Haben wir nicht. (lacht) Unser Plattenlabel meinte, das wäre ein guter Start und wir sagten nur „Ja, das klingt gut“ (lacht wieder). Es geht eben darum, was am besten funktioniert. Der Refrain ist sehr eingängig und die Fans werden ihn mögen. Nicht unbedingt meine erste Wahl, aber es scheint den Leuten zu gefallen, also ist es ok.
Was wäre deine Wahl gewesen?
Ich hätte vielleicht „Beyond The Flame“ gewählt, das ist für mich ein einzigartiger, ebenfalls sehr eingängier Song. Ich liebe die Message hinter dem Text und allgemein den etwas anderen Klang der Musik. Wir haben den Song in einer anderen Tonart geschrieben und er hebt sich deshalb von den anderen ab. Künstlerisch hätte ich gern diesen Song gewählt. Aber du weißt ja, im Geschäft bestimmt leider nicht immer die Kunst (lacht).
Ja, das ist leider wahr. Was mir an „In Due Time“ gefällt, ist neben dem Refrain auch das recht ausgedehnte Gitarrensolo. Allgemein habe ich den Eindruck, dass auf dem Album mehr und auch längere Gitarrensoli vorkommen als früher. Weißt du, woran das liegt?
Warum das so ist, weiß ich tatsächlich nicht genau. Ich denke, die Jungs haben einfach entschieden, mehr von unseren Metal-Wurzeln zu zeigen. Joel und Adam haben einfach unglaubliche Fähigkeiten als Gitarristen. Wenn du praktisch Songs im Popformat schreibst – 3 bis 4 Minuten lang – ist es sehr schwer, dort ein Solo unterzubringen. Aber die beiden schaffen es eben, diese Parts auf den Punkt zu bringen. Die Tatsache, dass wir große Fans von klassischem Metal sind, ist ein wichtiger Teil unseres Sounds. Ich freue mich, dass die beiden sich entschieden haben, mit dem neuen Album mehr von diesen klassischen Einflüssen ans Licht zu bringen.
Ihr werdet auf Tour sein und auch ein paar Shows in Deutschland spielen. Sicherlich können wir einige Songs vom neuen Album erwarten. Werdet ihr euch abgesehen davon eher auf die Sachen von 2002 und früher konzentrieren oder wirst du auch viele Howards Songs singen?
Es wird definitiv eine Mischung. Ich denke, Howards Songs werden den Großteil ausmachen, weil wir die Fans langsam an das neues Album heranführen und nicht gleich nur neue Sachen spielen wollen. Du wirst einige Stücke von „Alive Or Just Breathing“ hören, eine gute Menge von Howards Material und für den Anfang vielleicht 1-2 neue Songs. Wenn das Album gut läuft und die Fans es lieben, können wir anfangen, mehr neue Stücke vorzustellen. Aber es ist wichtig, die Fans zufriedenzustellen. Viele Leute wollen, wenn sie auf ein Konzert gehen, nicht immer neue Sachen hören. Es wird also ein längerer Prozess, das neue Material einzubinden.
Was ist dein Lieblingssong der Alben, die du singst und welchen magst du von Howards Alben am liebsten?
Ich mag wirklich viele von Howards Songs. Ich würde sagen, „The Arms Of Sorrow“ ist vielleicht mein Liebling, das ist ein brillianter Song. „Rose Of Sharyn“, „End Of Heartache“, von diesen dreien bin ich ein riesiger Fan. Von denen die ich geschrieben habe… hm, ich weiß nicht (lacht). Ich weiß wirklich nicht, ob ich da einen Favoriten habe. Vielleicht „You Don’t Bleed For Me“. Textlich unterscheidet sich dieser stark von allem, was ich sonst geschrieben habe, es ist ein sehr wütender Song. Tatsächlich habe ich dazu auch die Musik geschrieben. Es hat so etwas wie eine Indie-Rock Grundstimmung, die ich sehr mag, es ist für mich fast eine Art Punkrock/Indie-Rock Song. Das Wichtigste bei einem Song ist für mich, dass er ehrlich ist. Allgemein ist das ein sehr wütender Song; und ich schreibe nicht viele wüntende Songs. Deshalb bin ich auf diesen ziemlich stolz.
Mittlerweile ist KILLSWITCH ENGAGE im Metal eine ziemlich große Band, die auch viele jüngere Gruppen inspiriert hat, besonders in der Metalcore-Szene. Was denkst du über euren Einfluss auf neuere Bands?
Wenn Leute sagen, dass die Band sie musikalisch beeinflusst hat, fühle ich mich natürlich geehrt, insbesondere, wenn das meine eigenen Alben betrifft. Ich finde das cool, ich wünsche diesen Typen viel Erfolg. Wenn ich jüngeren Bands einen Tipp geben kann, sage ich aber: Seid kreativ, habt keine Angst, die bekannten Grenzen zu verlassen und dehnt die Genres weiter aus. Seid ihr selbst und versucht nicht nur, eine andere Band zu kopieren.
Hörst du selbst viele neuere Bands oder bist du eher ein Oldschool-Fan?
Was aggressiven Metal angeht, höre ich viele alte Sachen. Drei moderne Bands die mir gut gefallen sind GOJIRA, MASTODON und LAMB OF GOD. Das sind für mich die Top Bands, die zur Zeit im Genre großartige Dinge leisten. Ich liebe aber auch Oldschool Zeug wie AT THE GATES oder CARCASS, die klassischen Death Metal Bands. BLACK SABBATH und natürlich IRON MAIDEN mag ich auch sehr.
Gibt es eine Newcomer Band die du uns als Geheimtipp empfehlen kannst??
Ja, PERIPHERY. Nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich super Typen. Sie machen frische Sachen mit dem Genre und haben ihre ganz eigene Handschrift.
Die letzte Frage ist eine persönlichere. Kannst du beschreiben, was es dir bedeutet, nach all den Jahren wieder Teil von KILLSWITCH ENGAGE zu sein?
Es hat mein ganzes Leben verändert. Ich bin unglaublich dankbar dafür, in meinem Alter und an dem Punkt, an dem ich im Leben bin, noch einmal so weit zu kommen und von der Musik leben zu können. Es ist großartig und ich genieße es jeden Tag.
Dann sage ich vielen Dank für der Interview! Die letzten Worte gehören wie üblich dir.
Danke für das Interview und einfach nur Danke an alle Menschen und Bands, die mich unterstützen. Ich bin sehr glücklich.
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Stile | Metalcore, Modern Metal |
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