Ketzer
Anders ist besser

Interview

Zur Veröffentlichung ihrer neuen Platte „Cloud Collider“ spielen KETZER eine beinharte Release-Show im Oberhausener Helvete. Wir nutzen den Ruhrpott-Abstecher direkt mal für ein Interview. Nach dem Konzert bauen die Bandmitglieder emsig ihr Equipment ab und verladen alles im Bus. Schließlich geht es am nächsten Tag weiter nach England. Die Show ist gleichzeitig auch Auftakt für eine ausgiebige Europatour. Gitarrist Chris stellt sich unseren Fragen trotz allem Stress gut gelaunt und entspannt.

Chris: Mit dem Interview konnte ich mich jetzt ein bisschen vor der restlichen Schlepperei retten.

Das ist natürlich immer eine gute Sache. Ihr habt gerade die Release Show zu „Cloud Collider“ gespielt. Wie war es für euch?

Chris: Also für uns war es geil. Es war heute alles auf einmal. Heute ist das Album raus gekommen und auch unser aller erstes Video zu „Keine Angst“. Das ist natürlich auch aufregend für uns. Dann startet jetzt noch der erste Teil unserer Tour. Wir haben da sehr lange drauf gewartet und heute ist dann alles auf ein Mal. Also gleich dreifach aufregend. Aber es war geil. Wir sind auch gerade erst dabei, die Leute von SLAEGT so richtig kennenzulernen. Wir sind heute noch nicht weit gefahren, aber ich glaube, das passt. Hier im Helvete haben wir auch schon tausend Mal gespielt. Das ist quasi Heimat für uns und wir sind absolut zufrieden mit der Show.

„In Köln waren hippere Sachen angesagt“

Hat mich ehrlich gesagt ein bisschen gewundert, dass ihr die Release Show nicht in Köln gemacht habt.

Chris: Wir spielen tatsächlich sehr selten in Köln. Uns gibt es ja jetzt schon seit 15 Jahren quasi – oder zumindest als KETZER seit 14 Jahren – und in der Zeit haben wir vielleicht drei Mal in Köln gespielt. Es war einfach schon immer so – auch als wir die „Satan’s Boundaries Unchained“ raus gebracht hatten – dass Thrash Metal mehr im Ruhrpott stattfand, im Helvete zum Beispiel oder größere Sachen im Turock. In Köln waren eher die hipperen Sachen angesagt, Doom und Stoner oder diese okkulten Sachen wie THE DEVIL’S BLOOD oder JEX THOTH. Thrash Metal ist in Köln nicht angesagt. Das war schon immer so und wird wohl auch immer so sein.

Du hast ja gerade schon das Video erwähnt. Wie ist es denn dazu gekommen, dass ihr jetzt mal eins gemacht habt?

Chris: Wir wollten tatsächlich für „Starless“ schon ein Video machen und zwar zu „Godface“. Das haben wir noch nie vorher irgendwo offiziell gesagt. Aber ist ja auch egal, denn es gibt keins. Wir hatten schon angefangen, einen Plan zu machen, und wollten das auch mit dem Paul machen, der jetzt das Video gemacht hat. Wir wollten es einfach ausprobieren. Wir hatten ein paar Ideen, die man auch mit wenigen finanziellen Mitteln gut umsetzen konnte. Ich glaub, das ist ganz gut gelungen. Das Budget ist für eine Band wie uns jetzt nicht riesig. Aber ich glaube, daraus haben wir eine Menge gemacht.

„Der Vibe muss stimmen“

Auf der Tour seid ihr jetzt mit SLAEGT unterwegs. Ist es schwierig für euch, passende Bands für gemeinsame Gigs zu finden? Spätestens mit „Starless“ habt ihr die typischen Metal-Pfade ja verlassen und habt euch in eine stilistisch sehr diverse Richtung entwickelt. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Metal-Fans mit so diversen Line-ups eher Schwierigkeiten haben und lieber vier Bands zusammen sehen wollen, die sich ähnlich sind.

Chris: Ja, das ist so. Für uns persönlich ist es nicht so ein Problem. Für uns ist es cool, mit Bands zu spielen, die wir cool finden. Da denken wir nicht daran, ob die Musik jetzt ähnlich ist. Der Vibe muss einfach stimmen und das kann auch bei total unterschiedlichen Genres der Fall sein. Ich glaube aber, was das Publikum angeht, hast du Recht, dass die lieber einheitliche Sachen sehen wollen. Das ist nun mal einfacher.

Wenn wir zu „Satan’s Boundaries Unchained“-Zeiten mit NOCTURNAL oder ANTICHRIST gespielt haben, dann war die Zielgruppe klar definiert. Dann ist es auch leichter, eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Aber ich glaube, man kann auch mit sehr unterschiedlichen Bands, die vielleicht eine Stimmung teilen, coole Line-ups zusammenstellen und es wird immer Leute geben, die das zu schätzen wissen.

Als ich das Artwork für die neue Platte gesehen habe, war ich ziemlich überrascht. Als ich „No Stories Left“ das erste Mal gehört habe, erst recht, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, dass ihr noch mal zu solchen extremen Metal-Sounds zurückkehren würdet. Ich denke, dass „Cloud Collider“ als Nachfolger von „Endzeit Metropolis“ nicht diesen Aufschrei herbeigeführt hätte, den es bei „Starless“ gab. Kannst du das nachvollziehen?

Chris: Ich kann das total nachvollziehen. Ich finde auch, dass man sich gut vorstellen kann, dass „Cloud Collider“ in der Reihe vor „Starless“ kommt. Aber es konnte nur so sein, wie es jetzt ist, weil wir die „Starless“ zu der Zeit einfach machen wollten. Und ich glaube, dass wir jetzt eine Platte gemacht haben, die alle Facetten des KETZER-Sounds miteinander vereint, wäre sonst vielleicht nicht möglich gewesen. Die Elemente, die jetzt was von der „Starless“ haben, auf die wären wir sonst vielleicht nicht gekommen.

Das hat unseren Horizont einfach erweitert. Bei „Starless“ hatte sich zum Beispiel unser Drummer das Ziel gesetzt, keine Blastbeats zu spielen. Solche Vorgaben hatten wir diesmal nicht. Wir haben auch gemerkt, dass wir die „Starless“-Songs live schneller spielen als auf dem Album. Außerdem hatten wir einfach Lust, wieder schneller Sachen zu spielen. Das ist dann von ganz alleine gekommen, aber trotzdem sind wieder Elemente von der „Starless“ enthalten.

KETZER sind beste Freunde

Aber gab es im Vorfeld die Überlegung, den Stil von „Starless“ einfach weiter zu führen?

Chris: Heutzutage lese ich immer wieder, dass manche Bands einen Businessplan haben und viele Jahre im Voraus planen, was sie machen wollen. Das ist bei uns nie so. Wir sind vor allem ein Freundeskreis, die engsten Freunde, die man sich vorstellen kann und die gerne Musik zusammen machen. Wir schreiben einen Song nach dem anderen, wie er gerade zu uns kommt.

Der erste Song, der nach der „Starless“ entstanden ist, war entweder „The Taste Of Rust And Bone“ oder „This Knife Won’t Stay Clean Today“. Das ist einfach so gekommen. Wir haben uns keinen Plan gemacht. Ich muss aber sagen, dass mir persönlich schon klar war, dass ich nicht noch mehr Songs im Stil von „Starless“, „Godface“ oder „Earthbound“ machen will. Wir haben diese Achtel-Downstrokes-Riffs auf der Platte gemacht und das reicht auch.

Du hast jetzt schon erwähnt, dass ihr immer noch sehr enge Freunde seid. Als „Starless“ damals erschien, kam in meinem Bekanntenkreis oft die Frage auf, ob ein Besetzungswechsel zu der musikalischen Neuausrichtung geführt habe. Wie schafft ihr es denn, trotz dieser krassen Entwicklung, zu fünft dahinter zu sehen?

Chris: Das ist einfach genau deshalb, weil wir die Songs zusammen schreiben. Es ist nicht so, wie die Leute das manchmal wahrgenommen haben. Es hat keiner gesagt: „Ich hab jetzt Bock ein Post-Metal-Album zu machen.“ Wenn das einer gesagt hätte, hätte ich gesagt: „Du spinnst doch. Ich hör doch gar kein Post-Metal“, denn ich hör eben keinen Post-Metal. Aber sowas denken die Leute. Es war aber einfach nur das, was rausgekommen ist. Es war nicht die Entscheidung einzelner Personen, sondern das Ergebnis unserer Zusammenarbeit. Das klingt total abgedroschen, aber da kann ich nichts dran ändern.

Ich finde, diesen Zusammenhalt merkt man euch auf der Bühne auch an. Eure Interaktion miteinander spricht sehr für das, was du gerade gesagt hast.

Chris: Na ja, wir kennen uns jetzt halt auch seit wir 13 sind. Nur unser Drummer Sören kam erst 2008 dazu. Aber ich bin mit [Sänger] Gerrit und [Bassist] David zusammen zur Schule gegangen. Wir sind in der gleichen Nachbarschaft aufgewachsen und zusammen erwachsen geworden. In der Zeit haben wir KETZER gemacht und das schweißt natürlich zusammen. Uns allen ist bewusst, wie wertvoll das ist und deshalb machen wir auch immer weiter.

Ketzer – Eindhoven Metal Meeting 2018

Das große Ganze

Du hast vorhin schon erwähnt, dass ihr im Vorfeld von „Cloud Collider“ einfach Lust hattet wieder ein härteres Album zu machen. Aber hatten denn die Fanreaktionen auf „Starless“ auch einen Einfluss auf die Ausrichtung der neuen Platte?

Chris: Zumindest unterbewusst könnte ich mir das schon gut vorstellen. Wir haben natürlich versucht, das auszublenden, weil man eben doch weiß, dass die Leute, die im Internet meckern, immer lauter sind als die, die es gut finden. Und es gab auch genug Leute, die auf unsere Konzerte gegangen sind und die „Starless“-Songs abgefeiert haben. Es gibt auch genug Leute, die durch „Starless“ überhaupt erst zu KETZER gekommen sind und das Album geiler finden als den Rest. Natürlich lässt einen sowas aber nicht kalt.

Trotzdem glaube ich nicht, dass das der Grund war. Wenn das der Grund gewesen wäre, dann wäre es jetzt ein noch thrashigeres Album geworden. Ich bin zu überzeugt davon, dass die Platte sehr natürlich entstanden ist, als das ich jetzt glauben würde, dass da ein äußerer Einfluss besonders groß war. Ich glaube eher, dass diese Enwticklung damit zusammenhängt, dass alle Songs in ein Ganzes passen sollen. Gerade im Hinblick auf die Live-Situation. Ich denke eher, dass unser Gefühl einfach war, dass jetzt wieder etwas schneller werden muss, damit das Gesamtbild passt.

Der entscheidende Unterschied

Tatsächlich bin ich auch erst mit „Starless“ auf euch aufmerksam geworden. Black Thrash war irgendwie nie so mein Ding, obwohl ich total auf Old School Thrash stehe. Als ich mir dann im Nachhinein eure ersten beiden Alben angehört habe, habe ich es allerdings bereut, die so lange ignoriert zu haben. Irgendwie haben die was, was allen anderen Black-Thrash-Bands, die ich kenne, fehlt. Ich fand es interessant, dass ich als jemand, der mit „Starless“ zu euch gefunden hat, diese Geballer-Alben plötzlich auch geil findet.

Chris: Vielen Dank. Ich glaube, wenn man aus deiner Richtung kommt, kann man auch eher die Zusammenhänge verstehen, als wenn man 2009 die „Satan’s Boundaries Unchained“ gekauft hat und dann was von der Band erwartet, was die nicht mehr bringt.

Genau, ich habe mir „Starless“ damals ohne jegliche Erwartungen angehört. Ich hatte nur mitbekommen, dass die Metal-Elite von KETZER angepisst war und wollte wissen, was der Grund dafür ist.

Chris: Das Ding ist, viele Leute haben damals etwas in uns gesehen, was wir nie waren oder zumindest nicht in uns selbst gesehen haben. Wir hatten nicht mal offizielle Bandfotos veröffentlicht. Es kursierten nur diese Bilder von uns, auf denen wir noch 18 sind.

Ketzer – Eindhoven Metal Meeting 2018

KETZER machen, was sie wollen

Diese Aussage, dass die Leute etwas gesehen haben, was ihr vielleicht gar nicht wart, habe ich schon mal in einem Interview mit einem von euch gelesen. Aber ihr hattet ja schon diese typischen Pseudonyme und vor allem auf der ersten Platte sehr plakativ die Black-Thrash-Keule geschwungen.

Chris: Ja klar, sicher. Wir waren natürlich schon vor allem von altem deutschen Thrash beeinflusst. Das ist ja keine Frage. Was ich meinte ist aber, dass wenn du so ein Album machst, die Leute sofort denken, das ist jetzt der krasse Ficker, der permanent nur säuft und Satan abhailt. Dabei waren wir eigentlich immer ziemlich nette Jungs. Wir fanden das halt geil und haben das gemacht.

Aber da wir so wenig in die Öffentlichkeit getreten sind, haben sich die Leute im Kopf selbst ein Bild von uns gemacht, dem wir dann nicht gerecht werden konnten. Und wenn du sagst, dass wir anders als viele andere Black-Thrash-Bands waren, dann liegt das vielleicht daran, dass wir auch damals schon alle einen sehr breiten musikalischen Horizont hatten. Wir hatten damals schon ganz andere Sachen wie Classic Rock oder Kate Bush und Tori Amos gehört. Wir waren nie so konservativ, wie viele unsere Fans dann waren.

Wobei ich nicht benennen könnte, was eure Album so anders macht. Ich empfinde sie definitiv anders als anderen Black Thrash. Aber ich kann nicht genau sagen: „Das und das ist der Grund dafür.“

Chris: Da ist halt schon ein Ding, dass wir nie gesagt haben: „Wir schreiben jetzt ein Black-Thrash-Album.“ Wir haben immer schon gemacht, worauf wir Lust hatten. Damals waren die Einflüsse eindeutiger, aber wir haben immer nur die Musik gemacht, die wir gerade machen wollten.

Unser Hauptsongschreiber Marius, der vor allem damals praktisch alles geschrieben hat, hat sich nicht viel um die Szene geschert. Der hat eben nur SLAYER und BLACK SABBATH gehört und dann seine Riffs geschrieben. Aber das ist eigentlich auch das, was alle Bands ausmacht, die man cool findet. Wenn eine Band anders als alle anderen klingt, das macht sie interessant.

17.04.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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