Ketzer
Vor allem brutaler Black Thrash
Interview
Vor zehn Jahren veröffentlichten KETZER mit „Satan’s Boundaries Unchained“ ein ebenso gnadenloses wie grandioses Debütalbum. Um das zu feiern, wird die Band die Platte dieses Jahr bei einer ganz besonderen Show in voller Länge aufführen. Grund genug also, uns Gitarrist Marius und Bassist David für ein Gespräch über die frühen Tage von KETZER zu schnappen.
Moin Jungs, erst Mal die obligatorische Frage: Wie bewertet ihr die Platte mit zehn Jahren Abstand? Euer Sound hat sich seitdem ja stark weiterentwickelt.
David: Dass unser Sound sich sehr weiterentwickelt hat stimmt natürlich, irgendwie ist diese ständige Arbeit und Suche nach etwas Neuem ja auch Teil unserer DNA. Aber zu dieser DNA gehört unser Debut genauso wie unser neues Album „Cloud Collider“. Wer uns schon live gesehen hat, weiß, dass wir immer einen Querschnitt aus allen vier Alben präsentieren.
Die Songs gehen meist nahtlos ineinander über. Da gibt es keine harten Brüche zwischen unseren einzelnen Alben, wie manch einer vielleicht vermuten mag. Ich kann es zwar nicht genau beschreiben, aber eine gewisse Beständigkeit haben wir schon in unserem Sound. Auch wenn die Alben natürlich alle recht unterschiedlich sind.
Ein magischer Beginn
Mit dem Album konntet ihr direkt sehr viel positive Resonanz in der Presse und bei den Fans einfahren. Wie habt ihr die Zeit nach der Veröffentlichung des Albums erlebt?
David: Rückblickend betrachtet wirkt das alles ziemlich magisch und auch ein bisschen unrealistisch. Wir waren 19 bis 20, hatten ein paar krachige, selbstgebrannte Demos veröffentlicht und mit Kneel Before the Masters Throne auch kein großes Label im Rücken. Trotzdem waren die Reaktionen auf die Scheibe absolut überwältigend und das Album hat uns einige Türen geöffnet. Wir haben im Jahr nach der Veröffentlichung mit dem Party San und dem Rock Hard Open Air auf ziemlich großen Bühnen gespielt, waren mit der Band in Spanien und Portugal und auf unserer ersten Europatour.
Ich erinnere mich auch noch an einen besonders schönen Moment: Ein paar Monate nach der Veröffentlichung hat mich Götz Kühnemund angerufen und gefragt, ob wir Bock hätten beim Rock Hard Open Air den Opener zu machen. Was für eine Frage! Ich habe dann noch versucht, während des Gesprächs cool zu bleiben, aber sobald ich aufgelegt habe, bin ich erst mal vor Freude durch die Wohnung gesprungen. Dann habe ich mein Nokia 3210 rausgeholt und erst mal eine Rund-SMS an alle geschrieben.
Wie fühlt es sich für euch an, die Songs der Platte heutzutage live zu spielen?
Marius: Wir finden, die Songs der „Satan’s Boundaries“ passen nach wie vor sehr gut in unser jetziges Live Set, was primär von der „Cloud Collider“ dominiert wird. Allerdings haben wir einige Songs unseres Debüts sehr lange nicht mehr Live gespielt und freuen uns daher sehr auf unser Konzert am 2. November zum zehnjährigen Jubiläum der „Satan’s Boundaries“ im Club Volta in Köln. An diesem Tag werden wir alles Songs der „Satan’s Boundaries“ live spielen. Das wird in dieser Form sehr wahrscheinlich nur ein einziges Mal passieren.
Die Songs auf „Satan’s Boundaries Unchained“ sind allesamt sehr durchdacht arrangiert, melodische und gleichzeitig ultrabrutal. Was waren damals eure Haupteinflüsse?
David: Seit der Bandgründung haben wir als Haupteinfluss eigentlich immer BLACK SABBATH genannt, das trifft auch, oder sogar vor allem, auf unsere Anfangstage zu. Aber natürlich haben wir damals auch ziemlich viel „aktuelleren“ Underground Metal gehört haben und ich denke, das hört man auch. Band wie DESTRYÖER 666, ABSU und DESASTER fallen mir da direkt als erstes ein – alles Bands, die sich durch epischen Melodien und eine gewisse Härte auszeichnen.
Gerade DESASTER waren auch ganz unabhängig von unserer eigenen Musik absolut prägend für uns. Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, wie ich auf die Band gestoßen bin, nämlich tatsächlich durch den Sampler im Metal Hammer. Die hatten gerade die “Angelwhore” raus, das muss also im Jahr 2005 gewesen sein, da war ich 16, und der Song auf dem Sampler hat mich total umgehauen. Ich habe mir dann über deren damals noch ziemlich oldschoolige Homepage die ersten Alben auf Tape geholt, für die CDs oder LPs hatte ich nämlich nicht genug Kohle. Und über DESASTER haben wir dann auch noch andere tolle Bands aus dem Umfeld kennengelernt, wie zum Beispiel NOCTURNAL und METAL INQUISITOR.
KETZER überlassen nichts dem Zufall
Und wie seid ihr an das Songwriting ran gegangen?
Marius: Im Gegensatz zur „Cloud Collider“ und „Starless“, die wir verstärkt gemeinsam im Proberaum komponiert haben, stammten die Songs damals noch hauptsächlich von mir. Der Prozess an sich war nichts besonderes, aber nahm viel Zeit in Anspruch. Sammeln, ausprobieren, grübeln, stundenlanges Anhören und viel Detailarbeit. Dementsprechend aufgeregt war ich, wenn ich Demoaufnahmen der Songs zum ersten Mal im Proberaum oder auch während der Fahrt zu einem Konzert im Auto allen vorspielte. Wenn mal nicht jeder mitgerissen war, dann aber in der Regel spätestens nachdem Gerrit oder David die Gesangslinie und den Text beigesteuert hatten.
Obwohl der Gesang bei uns meistens erst spät dazu kommt, werden KETZER-Songs immer schon besonders durch den Gesang getragen. Wenn es auch mit dem Gesang nicht zünden sollte, haben wir die Songs wieder verworfen. Es gibt noch einiges an Material aus dieser Zeit. Wir spielen mit dem Gedanken einen dieser unfertigen Songs irgendwann mal fertigzustellen und vielleicht als Bonustrack zu verwenden.
Was war die Idee hinter dem Artwork der Platte und wie ist es entstanden?
Marius: Ich denke, das besondere an dem Artwork der „Satan’s Boundaries“ ist, dass wir uns nicht zu tiefe Gedanken dazu gemacht haben. Es ist, was es ist. Heutzutage wäre uns das Motiv sicherlich zu plakativ. Mit dem Motiv, besonders dem Goat, reihen wir uns stilistisch in eine Gruppe von Bands ein, die uns damals sicherlich mit zu diesem Motiv inspiriert haben. Ursprünglich wollten wir mit dem Artwork der „Satan’s Boundaries“ vor allem zeigen, dass wir brutalen Black Thrash spielen, der jedem ins Gesicht springen würde. Mittlerweile ist eine weitere Bedeutungsebene dazu gekommen. Nun verkörpert das Cover der „Satan’s Boundaries“ für uns zusätzlich die Zeit und die Szene in der es entstanden ist.
Das Cover haben wir damals bei Andrei Bouzikov in Auftrag gegeben. Wir haben uns nach einer Probe gemeinsam in Gummersbach zusammengesetzt und über unsere Vorstellungen gesprochen. Chris hat daraufhin eine rohe Skizze angefertigt, die für Andrei als Vorlage diente. Mit dem Ergebnis waren wir mehr als zufrieden und sind heute noch sehr glücklich mit dem Cover.
Als ich die Tracklisten eurer Demos auf Metal Archives durchgesehen habe, fiel mir auf, dass „Crushing The Holy“ bereits auf „Witchhunter“ war. Warum hat es nur dieser Song vonden KETZER-Demos auf das Album geschafft?
David: Ich glaube, „Crushing the Holy“ war einfach mit Abstand der beste Song der Demo, der es auch einfach verdient hatte, noch einmal in besserer Qualität aufgenommen zu werden. Die anderen Lieder hätten auch vom Stil gar nicht so sehr zum Rest des Albums gepasst.
Das KETZER-Logo auf „Satan’s Boundaries Unchained“ hat sich gegenüber den Demos sehr stark verändert. Wie kam es zu dem Logo, dass letztendlich auf dem Albumcover gelandet ist?
Marius: Chris hat schon das allererste Logo gezeichnet, war aber natürlich nicht zufrieden, und hat dann immer weiter dran rumgefeilt. Ich habe dann auch mal einen Logoentwurf beigesteuert, die hat Chris dann überarbeitet, die Version war auf „Witchhunter“ zu sehen. In der Zeit vor der Arbeit hat Chris dann besonders intensiv an einem neuen Logo gearbeitet, es gibt verschiedene Skizzen, die hat er alle aufgehoben. Die Hörner waren mal detaillierter, mal ganz weg, mal gab es unten ein Kreuz, mal einfach eine Spitze. Die Version auf dem Album war eine Art Best-Of davon, aber vom Stil auch simpler als viele der anderen Versionen.
Das hat gut funktioniert und ist daher auch auf dem Album gelandet. Vielleicht interessant zu wissen: Wir wollten nicht, dass das Logo einfach plump mit Photoshop auf das Cover draufgesetzt wird, deswegen haben wir Andrei Bouzikov gebeten, das Logo einfach freihändig direkt auf das Gemälde abzumalen. Das sah dann auch entsprechend cool aus, weil es nicht perfekt war. Es gibt aber auch Scans des Bildes ohne das Logo, so haben wir für Re-Releases etc. die freie Wahl, wie wir das Layout gestalten.
Pseudonyme? Gar keine Frage
Wie kam die Idee auf, sich Pseudonyme zuzulegen?
David: Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob das so eine richtige „Idee“ war. Ich glaube eher, dass es ganz einfach so war: Fast alle der härten Underground Bands, die wir gehört haben, hatten Pseudonyme, also haben wir das auch so gemacht. Die Frage, ob man mit seinem richtigen Namen im Booklet der ersten Demo CDs und Alben genannt wird, stellte sich erst gar nicht, zumindest habe ich es so in Erinnerung.
Und was bedeuten euch die Pseudonyme heute noch?
David: Ich habe damals viel DARKTHRONE gehört und fand den Namen „Nocturno Culto“ so cool, weil es irgendwie diesen Südamerika Black-Metal-Flair hatte. Ich denke da an Bands wie SARCOFAGO, HOLOCAUSTO und so weiter. So kam ich dann eben auf „Necroculto“. Mittlerweile wäre es mir eigentlich am liebsten, überhaupt keine Namen zu verwenden, also weder das Pseudonym, noch David, oder irgendwelche Initialen oder sonst was. Ist doch scheiß egal, wer in der Band spielt. Aber klar, in Interviewsituationen wie dieser hat es natürlich auch praktische Gründe, wenn man abgrenzen kann, ob die Antwort nun von mir oder Marius kommt.
Zu guter Letzt würde es mich sehr freuen, wenn ihr alle Songs der Platte ein Mal kurz kommentieren würdet:
„Witchcraft (Intro)“
David: Ein bisschen unnützes Wissen: Der kurze Dialogausschnitt, der im Intro zu hören ist, entstammt dem 71er Horror Film „Blood on Satan’s Claw“.
„Satan’s Boundaries Unchained“
David: Live immer ein absoluter Brecher. Wenn nicht schon „The Fire to Conquer the World“ unser „Smoke On The Water“ wäre, dann wäre es wohl dieser Song.
„The Fire To Conquer The World“
Marius: Nach wie vor ein wichtiger Song in unserem Live-Set und ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem das erste Riff für „Fire“ entstanden ist. Eigentlich sollte ich in der Schule sein, habe jedoch, wahrscheinlich nicht ganz unabsichtlich, den Bus verpasst und mich daraufhin dazu entschlossen den Tag lieber der Gitarre zu widmen. Bin leider sitzen geblieben in diesem Jahr und habe die Schule dann abgebrochen.
„Warlust“
Marius: Die ersten beiden Riffs von „Warlust“ sind bei den Aufnahmen der „Witchhunter“-Demo entstanden, 2007 war das. Chris und ich saßen vor dem Studio und Chris spielte diese beiden Riffs und brachte sie mir bei. Darauf basierend habe ich den Song dann später vervollständigt. Bei der Stelle „Soldiers killed by countless shots / In countless wars for countless gods“ muss ich immer an Sören denken. Diese Zeilen hat er damals beigesteuert.
„I Am Your Unholy God“
David: Auch dieser Song hat sich zu einem absoluten Klassiker in unserem Live-Set etabliert.
„To Each Saint His Candle“
David: Den haben wir schon länger nicht mehr live gespielt. „To Each Saint His Candle“ wird mit einer Liveaufnahme vom Party San aus dem Jahr 2010 auf dem CD-Re-Release unseres zweiten Albums „Endzeit Metropolis“ vertreten sein.
„Inverted Cross“
David: Haben wir auch relativ selten live gespielt, was ich vor kurzem auch nochmal festgestellt habe, als ich versucht habe, den Song noch mal auf dem Bass zu spielen. Da ist schon das ein oder andere Riff in Vergessenheit geraten.
„Crushing The Holy“
David: Wenn ich mich richtig erinnere, hat der damalige ZARATHUSTRA-Basser Jonas uns während der Aufnahmen beim Überarbeiten des Textes mit ein paar Zeilen unter die Arme gegriffen. Der Song war auch schon auf unserer Demo „Witchhunter“ vertreten und ist damit wahrscheinlich der älteste Song auf dem Album. Danach kamen „Warlust“ und „Inverted Cross“.
„My Triumph“
David: Ein Lied, das wir ewig nicht mehr live gespielt hatten – bis zum Eindhoven Metal Meeting im vergangenen Jahr. Ich weiß noch, wie wir in einer der Proben zuvor den Song erst mal neu lernen mussten und uns die ganze Zeit dachten “Man, ganz schön schnell”, haha.