Katatonia
Teil 2 des Interviews mit Jonas Renkse und Anders Nyström zu "Night Is The New Day"
Interview
Hier ist er nun, der zweite Teil unseres großen KATATONIA-Interviews. Hier lest Ihr nicht nur, wie wichtig Jonas und Anders KATATONIA tatsächlich ist, sondern erfahrt auch alles über die Zusammenarbeit mit Travis Smith, über die geplante Europatournee und natürlich über die ganz persönliche Meinung der beiden zum neuen Album „Night Is The New Day“.
Lasst uns noch mal etwas näher über „Night Is The New Day“ sprechen. Wir würdet Ihr das Album generell beschreiben? (Pause, Räuspern). Naja, im Grunde haben wir das ja am Anfang schon gemacht…
Jonas: Ja, eigentlich schon. Es ist schwierig, das zu sagen, ohne sich selbst zu wiederholen. Grundsätzlich ist es vielfältiger, denke ich. Es ist sehr stark KATATONIA, aber mit mehr Megapixel.
Anders: Ja, das ist gut: Es ist hochauflösend.
Jonas: Dieses Mal mischen wir Licht und Dunkelheit etwas stärker, das Album ist nicht einfach nur dunkel, und wenn doch, dann auf eine wunderschöne Art und Weise. Es ist auf gar keinen Fall ein fröhliches Album, aber es hat diese wunderbaren Kontraste, die man manchmal braucht, um einen guten Song zu machen. Ich denke, es ist ein bisschen mehr von Allem, aber ohne irgendwas zu übertreiben.
Reden wir mal über Einflüsse: Was ist der Haupteinfluss für Eure Musik?
Jonas: Das ist schwierig. Als ich dieses Album schreib habe ich wirklich überhaupt keine Musik gehört. Ich war mit meiner eigenen Musik am kämpfen und fühlte mich nicht danach, mir die Musik anderer Bands anzuhören. Wir haben einfach versucht, den richtigen Ausdruck für KATATONIA zu finden.
Anders: Es ist ja nicht so, dass wir auf jedem Album neue Einflüsse hätten, wir haben immer dieselben Einflüsse. Es geht eher darum, für jedes neue Album die Inspiration zu finden. Ich meine, die Einflüsse werden auch immer dieselben bleiben, wir werden immer die Bands lieben, die wir in der Vergangenheit liebten, das verändert sich nicht, aber natürlich entdeckt man immer neue Album, aber es ist nicht so, dass wir danach auf der Jagd wären. Du hörst etwas im Fernsehen, WOW!, vielleicht schreibst Du deshalb einen neuen Song. Oder Du hörst Dir ein Album aus den Siebzigern an, das kann Dir auch einen Arschtritt geben. Wir sind vielleicht etwas traditionell, wir nehmen nicht mehr allzu viel neuen Stoff dazu. Wir wissen, worum es bei KATATONIA geht und wohin es sich entwickeln wird. Das ist Frieden und für uns eine gute Grundlage. Wir werden inspiriert von KATATONIA (lacht).
Lasst uns einfach mal das Wort Einfluss durch Inspiration ersetzen, denn darum geht es mir eigentlich. Nicht einfach bloß Bands, sondern eher Emotionen, Euer Leben. Also, was ist eure Hauptinspiration?
Jonas: Das Leben! Genau jetzt hier zu sitzen, lesen… alles was im Leben passiert ist eine Inspiration für KATATONIA, da wir es widerspiegeln.
KATATONIA ist also der Spiegel Eurer Leben?
Anders: Ja, das ist es.
Jonas: Mit dunklem Glas. Und das ist es dann, was dabei raus kommt.
Würdet Ihr sagen, dass Ihr die Musik braucht, um die negativen Emotionen verkraften zu könnten? Vielleicht, um sie zu kanalisieren?
Anders: Ja, es ist zumindest besser, als das alles nicht zu haben, weißt Du? Es hilft. Es macht das Leben lebenswert. Wenn ich das nicht hätte, was sonst hätte ich im Leben?
Vielleicht die Familie?
Anders: Das ist einfach das, was jeder hat. Es ist so als verlöre ich dann meine Identität, ich wäre dann nur Vater oder Ehemann, aber nicht die Person, die man kennt. KATATONIA ist für uns ein Lebensstil, die Leute wissen, wie viel uns das bedeutet. Wir arbeiten mit der Band, seit wir Teenager sind. KATATONIA ist für uns wichtiger als alles andere im Leben.
KATATONIA ist, was Euch besonders macht, was Euch zu den Menschen macht, die Ihr seid?
Anders: Ja, und wir machen KATATONIA so besonders (lacht)!
Jonas: Es ist einfach ein so großer Teil unseres Lebens. Wir haben diese Band seit 1991 und können uns gar nicht vorstellen, wie es ohne sie wäre. Ich glaube, wir könnten vielleicht auch mit etwas anderem, das wir tun, klarkommen…
Anders (unterbricht): Ja, etwas ähnliches, weißt Du, nur hieße es nicht mehr KATATONIA, aber es wäre noch… vielleicht ja sogar noch besser.
Auf Eurer Website habt ihr diese Profile und beantwortet da alle ein paar Fragen. Ihr seid Euch alle einig in dem Punkt, dass „The Great Cold Distance“ das beste Album ist, das Ihr je gemacht habt. Würdet Ihr das immer noch sagen, oder übertrifft „Night Is The New Day“ es sogar noch?
Jonas: Doch, das würde ich sagen. Ich denke, wir haben erreicht, was wir wollten: „The Great Cold Distance“ übertreffen. Aber es ist nicht so, als gäbe es einen Wettbewerb zwischen den einzelnen Alben.
Anders: Das ist sehr wichtig.
Jonas: Ich denke, „The Great Cold Distance“ ist ein fantastisches Album, das mich immer noch sehr, sehr stolz macht.
Anders: Wir könnten nie auf ein Album zurückschauen, nur um ein anderes in ein besseres Licht zu stellen. Weißt Du, das eine erhöhen und das andere dafür erniedrigen. Das ist abartig! Viele Bands machen das, das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Du solltest hinter all Deinen Veröffentlichungen stehen, denn sie sollten das beste sein, was Du zu dieser Zeit leisten konntest. Es ist dann so, dass Dein neues Album raus kommt und Du sagst: „Oh, vergesst das vorige Album, wir hatten damals keine Ahnung, was wir tun, es klingt scheiße, aber das neue ist super!“ Das ist Bullshit!
Es ist eben so promo…
Anders (fällt ins Wort): Es ist Bullshit! Ich hab das so satt, es ist einfach Scheiße! Ich bin sogar stolz auf unser allererstes Album. Es repräsentiert uns heute nicht mehr, aber damals tat es das. Ich mag all unsere Alben und die verschiedenen Aspekte, die sie haben, somit fällt es uns auch schwer, zu sagen, dass das neue Album das beste ist, aber wahrscheinlich fühlen wir uns persönlich einfach glücklicher mit dem aktuellen Album, da es einfach neu, frisch und aufregend ist, sogar für uns.
Ich würde sagen, es ist eben das, das am besten in diesen Zeitpunkt passt.
Jonas: Ja, absolut! Und mir ist auch klar, dass wir uns verbessert haben, jeder in der Band hat sich entwickelt, wir können heutzutage besser spielen und haben eine bessere Produktion und alles. Es ist schwierig zu sagen ob es besser ist, aber es ist wenigstens nicht schlechter (lacht). Das ist es, was Du brauchst. Man kann kein Album veröffentlichen, das nicht so gut ist wie der Vorgänger.
Anders: Dann solltest Du aufhören (lacht).
Jonas: Aber natürlich ist das auch eine Geschmacksfrage. Manche Leute mögen sagen, dass das neue Album scheiße ist, und daran können wir nichts ändern.
Anders: Nein, sie irren sich einfach, es ist ok. [Lachen]
Würdest Du also sagen, dass jeder neuen Veröffentlichung das Ziel, den Vorgänger zu übertreffen, zugrunde liegt?
Anders: Du musst es einfach übertreffen, anderseits…
(Unterbrechend) Würdest Du also sagen, dass „Discouraged Ones“ „Brave Murder Day“ übertrifft? Es ist natürlich schwierig, die beiden überhaupt zu vergleichen.
Anders: Ich denke, das hat es, weil wir mit diesem Album die ganze Welt der Clean Vocals eröffnet haben.
Eigentlich habt Ihr das mit „Day“ getan.
Anders: Ja, das war der Moment, in dem wir wussten, dass wir es tun könnten. Es war ein Experiment. Aber mit „Discouraged Ones“ haben wir uns für Clean Vocals entschieden. Das war ein mutiger Schritt für uns, denn wir hatten zu dieser Zeit überhaupt keineFans, die das wirklich unterstützten, niemand, abgesehen von uns in der Band. Wir waren damals ziemlich verhasst, aber wir kümmerten uns nicht darum, denn KATATONIA ist unsere Band, sie ist nur für uns da und wir können nicht auf das Label oder Fans hören, denn wir wir das täten, würden wir uns anbiedern und kein Album schreiben, das mit dem Vorgänger mithalten kann. Wir biedern uns allerhöchstens dann an, wenn wir live spielen, insofern, als dass wir versuchen, von allen Alben etwas zu spielen. Das ist dann der Kompromiss.
Jonas: Was auch gut ist. Wir mögen auch unser altes Zeug. Aber wir werden kein zweiten „Brave Murder Day“ aufnehmen, niemals. Es wird nicht passieren, nie.
Es ist ganz lustig, „Discouraged Ones“ und „Night Is The New Day“ miteinander zu vergleichen. Dein Gesang hat sich wirklich verbessert. Du hast viel geübt, nicht?
Anders: Singen unter der Dusche?! [Gelächter]
Schlager!
Jonas: Als ich „Discouraged Ones“ machte, sang ich zum ersten Mal mit Clean Vocals, vom kleinen Part bei „Brave Murder Day“ einmal abgesehen. Mit der ganzen Sache fühlte ich mich damals sehr unwohl. Aber mir war klar, dass ich es früher oder später tun müsste, da wir mit Clean Vocals experimentieren wollten. Für das erste Mal war es technisch natürlich nicht gut, aber es hat immer noch ein Gefühl, das ich mag. Ich meine, natürlich habe ich danach sehr viel gesungen, auf den anderen Alben, bei Liveauftritten, bei mir Zuhause, solche Sachen. Ich hab nie Gesangsunterricht genommen. Ich fing an, mich für das Singen zu interessieren. Ich war nie wirklich interessiert darin, aber ich musste ja, weil wir diese Vocals brauchten.
Heutzutage betrachte ich mich eher als Sänger als als Drummer, der ich ja früher war. Das hilft mir, meine neue Rolle in der Band anzunehmen – und natürlich ist das mittlerweile schon zehn Jahre her.
Anders: Kannst Du glauben, dass Du gerade mit einem Ex-Drummer sprichst?
Er ist wie Phil Collins.
Beide: Genau! [Gelächter]
Ihr habt wieder mit Travis Smith zusammengearbeitet, der ja schon viel für Euch gemacht hat. Was ist so besonders an ihm?
Anders: Wir passen zusammen. Es ist ein Klischee, aber es ist sowas wie das externe Bandmitglied. Wir schicken ihm unsere Vorstellungen, lenken die Kunst konzeptionell und er kommt dann mit Skizzen die großartig sind, sodass wir sofort wissen, ob er auf dem richtigen Weg ist. Wir sagen ihm dann einfach „Das ist falsch!“ und „Genau das ist es!“. Wenn er dann diesen kleinen Klick hat, in welche Richtung es gehen soll, beginnt es zu fließen und er weiß hundertprozentig, wie er weiter zu machen hat, wie er mit dem Rest verfährt – und dann kommt er mit all diesem großartigen Zeug.
Es fühlt sich einfach so an, als wären wir mit ihm sehr früh gewesen. Alle Bands greifen heute auf ihn zurück, aber wir waren früh dran. Wir werden die Zusammenarbeit nicht beenden, weil er heute überbeansprucht ist.
Er ist ein großartiger Künstler!
Anders: Das ist er! Im Übrigen auch einer der ersten, die diesen Photoshopstil hatten, in der Metalszene. Wir werden wahrscheinlich so lange mit ihm zusammenarbeiten, wie er es auch interessant findet. Was er tut. Jedes Mal sagt er uns: „Danke, es war eine Ehre.“
Wie wichtig ist Euch das Artwork generell? Ist es einfach schön, ein gut aussehendes Album zu haben, aber im Grunde steht die Musik doch für sich, oder würdet Ihr eher sagen, dass Artwork und Musik Hand in Hand gehen müssen, dass beides als Gesamtkunstwerk perfekt sein muss?
Jonas: Beides, denke ich. Das Artwork vollendet das Album, rundet es ab. Das ist was Du siehst, das erste, bevor Du das Album hörst. Man will da ein exaktes Gefühl von dem Album bekommen und das ist uns wichtig. Wenn wir über Musik sprechen, sprechen wir von Farben, somit ist die Farbe des Covers bereits gegeben.
Man will ja auch etwas anfassen. Man empfängt die CD in einem Brief oder so, packt sie aus und macht erst mal das Booklet auf. Ich kann diese Leute, die sich Musik nur am PC anhören, einfach nicht verstehen.
Jonas: Ich meine, zumindest muss man einen Blick auf das Cover werfen. Als wir das Pre-Listening für dieses Album hatten, hatten wir ein Cover an der Wand. Um die Stimmung zu kriegen.
Das Pre-Listening mit Mikael Akerfeldt, das private?
Anders: Ja, das private. Und das machte einen großen Unterschied, da jeder sich auf etwas konzentrieren konnte.
So eine Art Poster?
Anders: Ja, ein großes. Naja, es war ein Projektor.
Ich würde sagen, dass das Album Elemente von „Viva Emptiness“ und „The Great Cold Distance“ in sich vereint. Man hat diese roten Hochhäuser und diese Dunkler-Engel-Sache, wie auch „Viva Emptiness“ das Mädchen mit dem gebrochen Flügel. Reflektiert das Artwork, dass ihr auch musikalisch Elemente beider Alben kombiniert, von „Viva Emptiness“, das wütender ist, sich mehr um Rache dreht und „The Great Cold Distance“, welches einfach dunkler und trauriger ist?
Anders: Das ist eine gute Art, das zu sehen. All diese Elemente werden in dem Album kombiniert, einige Sachen werden weiterentwickelt, insbesondere von „The Great Cold Distance“, soweit die Farben betroffen sind. Und wir mussten auch noch einige dieser schwarzen, dunklen und grauen Farben entdecken, denn das ist es, wofür das Album für uns steht. Die Konturen und die Nuancen im Schwarzen, sozusagen. Schwarz und Weiß.
Travis missversteht das ein wenig, da er der Schöpfer all dieser Artworks ist hat er auch seinen eigenen Kopf, wenn er einige Elemente einbringt. Er versteht sich sehr gut darauf, er kann zu „Viva Emptiness“ zurückgehen und einige Elemente daraus einbringen, falls das mit dem Titel den Lyrics zusammenpasst. Das ist auch der Grund, warum es eine so fruchtbare Zusammenarbeit ist: Wir müssen ihm nicht zu viel erzählen, wir geben ihm nur die Musik, die Texte und die Konzepte und er schafft etwas geniales.
[Der Promotionmanager macht aus dem Hintergrund klar, dass uns die Zeit ausgeht.] Oh, uns geht die Zeit aus, nur noch zwei Fragen… Ihr werden die brillanten PORCUPINE TREE supporten und einen exklusiven Gig in Deutschland geben. Gibt es die Chance auf eine „Night Is The New Day“-Tour in Deutschland, gibt es da schon Pläne?
Anders: Wir planen das im Moment. Nächsten Frühling?
Jonas: Ja, nächstes Jahr, Anfang nächsten Jahres. Wahrscheinlich eine große Europatour mit vielen Gigs in Deutschland.
Großartig! Ihr wart ja länger nicht mehr hier. Gut, eine abschließende Frage: Werdet Ihr bei Eurem Auftritt in Bremen einen Song des neuen Albums spielen?
Jonas: Einen Song. Ja, einen Song, denke ich. Wir haben nur eine Dreiviertelstunde, das ist nicht viel, also müssen wir unser bestes Set spielen, natürlich mit einem neuen Song. Welchen willst Du denn hören?
Ähm, vielleicht „Liberation“.
Anders: Ok, da denken wir drüber nach. [Lachen]
Jonas: Wir haben das noch nicht entschieden, da wir noch festlegen müssen, welche anderen Songs wir spielen. Außerdem müssen wir proben, sodass wir das noch nicht beschließen konnten.
Ok!
Jonas: Aber „Liberation“ ist eine gute Wahl.
Vielleicht sieht man sich dort ja. Ich weiß nicht, ob ich kommen kann, aber ich steh auch ziemlich auf PORCUPINE TREE.
Jonas: Oh ja, großartige Band.
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