Katatonia
"Ich fühle mich nicht immer wie ein Sänger."
Interview
Nicht einmal drei Jahre sind seit dem Release des letzten KATATONIA-Albums „City Burials“ vergangen, was, betrachtet man die letzten Platten der schwedischen Depressive Rocker, eine erstaunlich kurze Zeit ist, um bereits mit neuem Material um die Ecke zu kommen. Warum es so schnell ging, bis „Sky Void Of Stars“ fertig war, wie sich KATATONIA live entwickelt haben und warum man von Peaceville zu Napalm Records gewechselt ist: Reichlich Stoff für Fragen an Sänger und Songwriter Jonas Renkse.
Hey Jonas! Das letzte Album hast Du im Alleingang geschrieben, da die Songs ursprünglich für ein mögliches Solo-Album von Dir gedacht waren. Sind dieses Mal wieder alle Bandmitglieder am Songwriting beteiligt gewesen?
Nein, waren sie nicht, da ich nicht wirklich sicher war, was aus der Musik werden würde, die ich für diese Platte geschrieben habe. Ich wusste dieses Mal, dass ich für KATATONIA schrieb, aber es war der Beginn der Pandemie. Wir hatten gerade „City Burials“ herausgebracht, dann wurde plötzlich, wie wir alle wissen, alles herunter gefahren, keine Möglichkeit zu touren, keine Möglichkeit generell Konzerte zu spielen. Also fing ich an Musik zu schreiben, einfach um mich beschäftigt zu halten. Es dauerte aber tatsächlich bis ich etwa 7 oder 8 Songs hatte, bevor ich realisierte, dass das ein neues Album sein könnte, das da gerade entsteht. Ich war so vertieft in den ganzen Schreibprozess, dass ich gar nicht wirklich darüber nachdachte, dass es wirklich ein neues Album sein könnte.
Als ich dann also eine Handvoll Songs hatte, kontaktierte ich die anderen Jungs das erste Mal und sagte ihnen: „Wisst Ihr was? Möglicherweise können wir sehr bald ein weiteres Album aufnehmen.“ So lief es in etwa ab. Ich hatte noch einige weitere Ideen für Songs, setze alles zusammen und dann gingen wir auch fast schon ins Studio. Es war ein ziemlich geschmeidiger Prozess, was wir eigentlich gar nicht bemerkten, bevor wir tatsächlich ein Studio gebucht hatten. Wir dachten: „OK, wir nehmen also gerade tatsächlich schon ein neues Album auf.“ Das hat ziemlichen Spaß gemacht.
Ja, ich denke alle waren ziemlich überrascht, dass es so schnell ging. Ich meine, es ist noch nicht einmal drei Jahre her, dass wir uns über „City Burials“ unterhalten haben.
Genau. Normalerweise würde es drei oder sogar vier Jahre dauern, bevor wir überhaupt beginnen, an ein neues Album zu denken, aber die Lage der Welt sorgte einfach dafür, dass diese Platte entstand. So ist es wenigstens etwas gutes für uns, dass aus dieser ganzen Sache herausgekommen ist. Naja, vielleicht noch für ein paar mehr Leute als nur für uns (lacht).
Auch wenn Du ja im Moment praktisch das komplette Material schreibst: Wie läuft bei Euch normalerweise das Songwriting ab? Entstehen die Songs klassisch im Proberaum oder schickt Ihr Euch Dateien hin und her?
Wir waren noch nie eine Jam-Band. Wir schreiben niemals Musik im Proberaum. In der Vergangenheit waren es Anders (Nyström, Gitarre, Anmerk. d. Verf.) und ich, die all die Musik schrieben. Was wir also machten war, jeweils für uns Songs zu schreiben, aber meistens haben wir uns dann getroffen, haben uns gegenseitig Material gezeigt oder auch Dateien zugeschickt. Manchmal, wenn jemand bei einem Song irgendwo fest hängt, treffen wir uns auch und arbeiten zusammen weiter daran. Sonst senden wir aber einfach Sachen hin und her und versorgen uns gegenseitig mit Ideen für Änderungen oder Verbesserungen. Wir versuchen also so viel wie möglich zusammen zu arbeiten, weil es eine tolle Sache ist, wenn Du das machen kannst. Du hast da einfach jemanden, mit dem Du Ideen austauschen kannst. Gerade wenn Du fest steckst, kann es sehr dankbar sein, jemanden zu haben, dem man musikalisch vertraut, der als helfende Hand einspringen kann. Allerdings funktionierte es auch ganz gut, wenn ich für mich selbst geschrieben habe, denn wenn ich etwas fertig habe, schicke ich es natürlich den anderen Bandmitgliedern. Es ist also nicht so, dass ich quasi auf den ganzen Songs sitze und dann sage: „Übrigens, das nehmen wir morgen auf.“ Das ist schon relativ demokratisch, würde ich sagen. Ich bin ganz Ohr, wenn jemand Ideen oder eine andere Meinung darüber hat, wie wir etwas machen sollten.
Der erste Gedanke, den ich hatte, als ich die Tracklist von „Sky Void Of Stars“ gesehen habe war: Endlich ein Song namens „Birds“. War das nicht lange überfällig?
Ja, das war es definitiv. Als ich den Song schrieb fand ich, dass er so einen treibenden Impuls hat. Ich stellte mir vor, dass Vögel einfach an einem vorbei ziehen, während man beispielsweise im Auto sitzt. Du kannst Dinge schnell in der Umgebung vorbei ziehen sehen, wie beispielsweise einen Vogelschwarm. Er sprach also quasi in eines Weise zu mir, dass ich mir dachte: „Vielleicht ist das der Song, der „Birds“ heißen sollte.“ Es fühlt sich sehr natürlich an, wenn ich ihn höre, bezogen auf das Thema und die Lyrics. Es war also eine gute Wahl, denke ich.
Ich finde, „Sky Void Of Stars“ hat zwar einen düsteren Titel, ist aber für Eure Verhältnisse weniger düster, als gewohnt, gerade wenn man bedenkt, dass Du zu Beginn der Pandemie angefangen hast, das Material zu schreiben. Zumindest schwingt in den Songs mehr Hoffnung mit. Würdest Du mir da zustimmen? Was könnte aus Deiner Sicht der Grund dafür sein?
Ich versuche immer Licht und Schatten zu mischen. Allerdings kann ich, wie ich immer sage, die Lyrics nicht wirklich reflektieren, bevor ungefähr ein Jahr seit dem Schreiben vergangen ist, wenn ich das Album wieder aufgreife, da das Schreiben der Texte bis zur finalen Veröffentlichung des Albums momentan noch ein sehr frischer Prozess für mich ist. Ich verarbeite praktisch noch, was wir gemacht haben, sowohl musikalisch als auch lyrisch. Ich denke aber, dass auf jeden Fall kleine Teile an Licht enthalten sind. Sie sind natürlich von einer Menge, vielleicht nicht pechschwarzer Dunkelheit umgeben, aber es gibt da sehr viel graues und tristes (lacht).
„Sky Void Of Stars“ klingt erst einmal sehr eingängig, fast schon plakativ. Auf den zweiten Blick zeigen sich aber auch komplexe Riffs und ungewöhnliche Taktwechsel (z.B. im Opener „Austerity“). Es klingt ein wenig so, als hättet Ihr „City Burials“ als Basis genommen und dann sowohl Elemente von Alben wie „Night Is The New Day“ als auch proggiges wie auf „The Fall Of Hearts“ hinzugefügt. War es Absicht, dass das Album einen Querschnitt Eurer Platten der letzten 15 Jahre abbilden soll, oder ist das einfach passiert?
Ich denke, das ist einfach passiert. Bis zu dem was ich heute mache, oder wir als Band, ist das vermutlich alles die gesammelte Erfahrung, mindestens aus den letzten paar Alben, auf denen wir dasselbe Line-up hatten – das haben wir ja auch schon seit „The Fall Of Hearts“ in seiner jetzigen Zusammensetzung. Wir führen also all das Wissen, was Schreiben und Spielen von KATATONIA-Material angeht, zusammen. Ich füge vermutlich unterbewusst Dinge hinzu, über die ich beispielsweise denke, dass sie einen „The Fall Of Hearts“-Vibe haben und will sie dann von da aus weiter ausarbeiten. Andere Dinge sind dann wieder deutlich simpler, gehen vermutlich sogar bis zu „The Great Cold Distance“ zurück.
Es ist also eine Mischung aus all dem, einfach weil es das ist, was ich weiß und was ich kann, in der Songwriting-Abteilung. Ich versuche immer, so viel wie möglich zu variieren, erzwinge es aber nicht. Wie ich immer sage: Wir haben einen Stil, mit dem wir sehr glücklich sind, deshalb ist es nicht so, dass wir versuchen das Rad neu zu erfinden, es wird aber immer eine Mischung aus dem sein, was wir vorher gemacht haben, hoffentlich zusammen mit einigen neuen Elementen. Vielleicht sagst Du, wenn wir uns das nächste Mal unterhalten und wir ein neues Album draußen haben: „Hey, das klingt aber ziemlich nach „Sky Void Of Stars“.“ Das ist eine ganz natürliche Sache, denke ich.
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Stile | Dark Metal, Progressive Metal, Progressive Rock, Rock |
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