Kambrium
"Stumpf ist Trumpf."
Interview
Das wäre aber natürlich nicht so ein starker Kontrast zum Maya-Thema gewesen.
Genau. Wir hatten zwar überlegt, ob das jetzt vielleicht schon Sinn machen würde. Das Problem ist nur, dass zu dem Zeitpunkt, als ich den Jungs das Thema des Albums verraten habe, schon 90% der Songs geschrieben waren, natürlich mit dem Cyberpunk-Thema im Hinterkopf. Ich schreibe meistens schon ein komplettes Album durch. Damit mussten allerdings auch erst einmal alle klar kommen, da außer mir keiner in der Band irgend welche Berührungspunkte mit dem Thema hatte. OK, vielleicht unterbewusst ein wenig. Martin (Simon, Growls und Bass, Anmerk. d. Verf.) hat beispielsweise viel „Deus Ex“ (Computerspielserie, Anmerk. d. Verf.) gespielt, was auch ein wenig in Richtung Cyberpunk geht. Im Nachhinein merkt man erst, wie riesig dieses Thema eigentlich ist. Allein ein Bild von Tokio in rot-blauem Licht und sofort denkt man an Cyberpunk. Mir fallen dazu entsprechend echt tausende Geschichten ein, die ich dann auch in den Texten verwurste.
Als ich das erste Mal hörte, dass das Thema Eures neuen Albums in Richtung Zukunft und Cyber-Technologie geht dachte ich, um ehrlich zu sein, erst einmal: „Ach Du scheiße, dass könnte echt cheesy werden.“ Gerade wenn solche „bleepigen“ Synthesizer stark im Vordergrund stehen, klingt das Ergebnis oft ziemlich nach Plastik. Hast Du diese Gefahr auch gesehen? Was hast Du gemacht, um genau das zu vermeiden?
Tatsächlich hatten wir diese Diskussion zuerst auch innerhalb der Band. Wir machen einmal im Jahr ein größeres Meeting, wo wir die letzten zwölf Monate Revue passieren lassen und natürlich über die Zukunft der Band sprechen. Als ich dann das Thema ansprach, wusste niemand wirklich etwas damit anzufangen. Karsten (Simon, Clean Vocals und Gitarre, Anmerk. d. Verf.) war auch wirklich skeptisch, weil er genau das dachte, was Du gerade angesprochen hast. Allerdings hatte bis zu dem Zeitpunkt auch noch keiner der anderen Synth Wave gehört. Ich selbst war aber schon voll in dieser Welt. Diese Musik übt so einen Sog auf mich aus, wenn ich dann abends im Dunkeln beim Autofahren die richtige Synth-Wave-Playlist an mache, die eben nicht cheesy ist, sich eher in Richtung 80er orientiert. Hier fallen mir vor allem DANCE WITH THE DEAD ein. Ich hatte dazu auch mal ein Erlebnis. Ich war mit ein paar Freunden im Kino und wie es auf der Rückfahrt dann eben öfters ist, wenn alle platt sind, wird nicht mehr so viel geredet. Ich habe dann die besagte Synth-Wave-Playlist gestartet und alle hatten das gleiche Feeling, wurden total in den Bann dieser Mucke gezogen, obwohl sie sowas überhaupt nicht kannten. Cheesy fand das dabei auch niemand.
Für die eigenen Songs habe ich aber natürlich trotzdem darauf geachtet, dass der Mix aus dem, was wir eigentlich im Kern sind und diesem neuen Element, was wir jetzt hinzufügen möglichst ausgewogen bleibt und nicht eines von beiden zu sehr überwiegt. Die Synth-Sounds haben wir dieses Mal außerdem komplett selbst gebastelt und nicht irgend welche Presets verwendet. Die Sounds haben wir von Grund auf am Rechner neu gebaut, darauf sind wir auch sehr stolz. Sie klingen vielleicht an einigen Stellen wie etwas, was man schon einmal gehört hat, aber so gibt es die nicht noch ein zweites Mal. Da hatten wir schon das Gefühl, dass das nicht cheesy oder peinlich ist. Dazu tragen aber auch die Melodien bei, die nicht alle in Dur angelegt sind, sondern viele in Moll, was ja grundsätzlich eher düster-melancholisch klingt, eben weniger poppig.
Es war uns also schon wichtig, dass wir uns nicht selbst unsere Wurzeln heraus reißen, sondern bei dem bleiben, was wir eigentlich können. Karsten meinte dazu, dass das was vorher ein Instrument gespielt hat, jetzt eben von einem anderen übernommen wird und ich finde, das trifft es ganz gut.
Tatsächlich finde ich auch, dass im Vergleich zur letzten Platte, auf der die Gitarren sehr stark im Vordergrund standen, sie dieses Mal etwas weiter in den Hintergrund gerückt sind. Würdest Du das ähnlich sehen?
Sie haben natürlich trotzdem ihre Momente, aber grundsätzlich habe ich dieses Gefühl tatsächlich auch. Die Gitarren sind zwar immer da, wir haben sie aber zugunsten der Atmosphäre etwas zurück genommen. Nicht damit es unbedingt super synthetisch klingt, sondern um damit eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren.
Ich hätte gesagt, dass die Riffs dieses Mal stärker im Fokus stehen, als die melodischen Lead-Gitarren.
Ja, das war auch Maxi (Maximilian Werner, Gitarre, Anmerk. d. Verf.) dieses Mal sehr wichtig, dass wir ein wenig mehr Groove dabei haben. Gerade im langen Titelsong haben wir Riffs dabei, die hätte ich auf keinem anderen Album bisher so geschrieben. Teilweise habe ich sogar das Gefühl, dass das Album ein wenig härter ist, obwohl die Gitarren zurück genommen wurden, was aber auch zu einer düsteren Atmosphäre, einem düsteren Zukunfts-Szenario passt. Die Gitarren sind also vielleicht dieses Mal, betrachtet man die einzelnen Riffs, etwas simpler. Insgesamt, mit allem was drum herum passiert, ist es im Ganzen aber komplexer geworden. Ich habe aber auch versucht, dieses Mal etwas eingängiger zu sein, ganz besonders im Song „Nightly Beast Mode“. Der ist einfach darauf ausgelegt, von vorne bis hinten eingängig zu sein.
Ich habe mich dabei auch gefragt, ob Ihr Euch dachtet: „Hey, lasst uns einfach die eingängigsten Melodien die wir geschrieben haben alle in einen Song packen!“
Ja (lacht). Tatsächlich habe ich mir das in etwa so gedacht. Bei vielen Bands ist es ja so, dass sie für ein Album dreißig Songs schreiben und sich am Ende davon die besten raus suchen. Das ist für mich irgendwie Ressourcenverschwendung. Ich schreibe tatsächlich nur die Songs, die dann auch auf das Album kommen. Dann achte ich aber auch darauf, wenn ich einen Song darauf auslege, dass er eingängig sein soll, dass das am Ende auch wirklich so ist. Das ist bei POWERWOLF beispielsweise auch nicht anders. Wir haben ja das vorletzte Album („The Elders‘ Realm“, Anmerk. d. Verf.) bei Charles Greywolf in seinem Studio aufgenommen. Der meinte auch zu uns, dass bei ihnen eine Melodie, die nicht eingängig ist, sofort verworfen wird. Und bei diesem einen Song habe ich mir das auch so überlegt, dass er einfach von vorne bis hinten eingängig sein muss.
Auch der Gesang sollte sofort im Ohr bleiben. Ich habe allerdings nicht darauf geachtet, ob man den als richtiger Sänger auch so singen würde. Wir hatten damals auf unserem zweiten Album „Dark Reveries“ AMANDA SOMERVILLE als Gast dabei und die meinte zu mir: „Das würde man so aber nicht singen, ich schreibe das mal um“. Das war mir bei „Nightly Beast Mode“ auch total egal, es sollte nur eingängig sein.
Der Song ist außerdem nicht super schnell, sondern eher im Mid-Tempo gehalten, man kann halt mitklatschen und auch mitsingen. Entsprechend werden wir den auch auf jeden Fall live spielen. Das könnte durchaus so eine Art Evergreen werden – ähnlich wie „Season Of The Sea Witch“, den wir auch immer live spielen werden. Erfreulicherweise macht es auch noch verdammt viel Spaß ihn zu spielen, da jeder in jedem neuen Part eine Melodie zu spielen hat und es einfach für keinen langweilig wird, jeder seinen Moment hat.
Das einzige Problem beim Schreiben: Normalerweise ist ein Song ja so aufgebaut, dass der Refrain den Höhepunkt darstellt. Die catchy Melodie vom Anfang stand aber schon. Ich dachte mir: „Wie soll ich die denn bitte nochmal toppen?“. Also habe ich letztlich gesagt: „Stumpf ist Trumpf. Du nimmst einfach diese Melodie nochmal und lässt Karsten dazu singen. Passt.“ Es muss ja nicht immer der super komplexe Songaufbau sein.
„Stumpf ist Trumpf“ ist auf jeden Fall schon mal ein heißer Kandidat für die Headline des Interviews.
Verdammt (lacht).
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