John Wesley
Interview zu "Disconnect"
Interview
John Wesley dürfte den meisten als Live-Gitarrist von PORCUPINE TREE und Steven Wilson bekannt sein, daneben hat er aber bspw. auch auf „Fellini Days“ von FISH als Gitarrist und Songwriter, sowie bei SOUND OF CONTACT, dem Prog-Projekt von Phil Collins Sohn Simon, mitgewirkt. Der vielseitige Musiker veröffentlicht aber auch bereits seit 1994 immer wieder Soloalben, und nun liegt mit „Disconnect“ das neueste Album des Amerikaners vor, das stilistisch irgendwo zwischen Pop, Alternative-, Prog- und Artrock liegt. Wir sprachen mit John über sein neuestes Baby.
Zuerst möchte ich gerne wissen, wie du damals in Florida mit der Musikszene in Berührung gekommen bist, und wie du mit Steven Wilson zusammengekommen bist und um dann PORCUPINE TREE beizutreten.
Ich begann in sehr jungen Jahren, mit 13 oder 14, Live zu spielen. Ich spielte während meiner gesamten Schulzeit in Bands. Ich wechselte zum College und spielte die ganze Zeit über Gitarre, wir probten und schrieben Songs mit der Band, aus der später AUTODRIVE wurde. Nach dem College tourte ich mit AUTODRIVE bis 1991, da veröffentlichten wir ein Album. Dann startete ich meine Solokarriere, traf die Jungs von MARILLION und spielte für Sie viele Shows als Support. Danach wurde ich als Gitarrist für FISH weiterempfohlen, und während dieser Zeit lernte ich Steven Wilson kennen. Ich verließ FISH zu der Zeit, als Steven einen Plattenvertrag bei Atlantic unterschrieb und er einen Gitarristen benötigte, der Rest ist Geschichte.
Dein neues sechstes Studioalbum heißt „Disconnect“. Diese Veröffentlichung ist dein erstes Soloalbum in nahezu neun Jahren. Wie fühlt es sich an, wieder mit neuem Material aus deiner Feder zurück zu sein?
Es fühlt sich richtig an. Es macht mir großes Vergnügen, mit anderen Bands zu spielen, auch wenn ich immer an meiner eigenen Musik schreibe und arbeite. Ich hatte meinen Fokus lediglich nicht darauf gelegt, diese Musik zu veröffentlichen. Nachdem ich also SOUND OF CONTACT verlassen hatte, wusste ich, dass ich viele Stücke zusammen hatte, die man zum Leben erwecken müsste und die ich veröffentlichen wollte, damit die Leute sie hören können. Ich änderte also meinen Fokus darauf mich stärker auf meine eigene Karriere zu konzentrieren und das Album fertigzubekommen.
Welche Musiker waren dann im Songwritingprozess als auch bei den Albumaufnahmen von „Disconnect“ involviert?
Was das Songwriting anbelangt, habe ich mich meist im Laufe meiner Karriere selbst um alles gekümmert, aber vor wenigen Jahren traf ich Dean Tidey, ein sehr talentierter Gitarrist und Produzent. Er stieß hinzu und hatte einige tolle Ideen für die musikalische Seite der Songs. Was die Texte anbelangt stammen diese noch immer alle aus meiner Feder. Das Schlagzeug stammt von meinem langjährigen Drummer und Freund Mark Prator, Geri X macht den Hintergrundgesang und Patrick Bettison den Bass.
In welchem Zeitraum wurden die Songs geschrieben? Und hat sich dieser Prozess innerhalb der Jahre irgendwie verändert?
Diese Songs nahmen 2009 richtig Gestalt an, als ich noch immer mit PORCUPINE TREE unterwegs war. Aber ich war damals so sehr mit den Tourneen beschäftigt, dass ich sie nicht fertig stellen konnte. Mein Songwriting entwickelte sich von einem eher Singer/Songwriter Feeling in der Vergangenheit zu einem aggressiveren Stil. Ich wollte schon immer diesen aggressiveren Stil, aber Songwriting ist ein Pfad, und ich hatte auf diesem Weg früher andere Geschichten zu erzählen. Und nun habe ich den Punkt erreicht, an welchem ich fühle, dass ich nun den Stil habe, mit welchem ich mich am Wohlsten fühle, und „Disconnect“ ist der Höhepunkt all dieser Jahre des Songwriting Weges.
Wenn du die neuen Songs mit „Shiver“ von 2005 und der 2011er EP „The Lilypad Suite“, vergleichst, worin siehst du selbst die Unterschiede? Welche Entwicklung kannst du mit „Disconnect“ fühlen?
„Disconnect“ ist der nächste Schritt nach „Shiver“ und „The Lilypad Suite“. Ich wählte wirklich zwischen den verschiedenen Arten von Sounds der Gitarre und den Arrangements die ich erschaffen wollte. Ich hatte immer die Vision, dass meine Gitarrensolos eine Erweiterung des Gesanges wären, ich höre Melodien in meinem Kopf und nachdem die Worte ihre Geschichten erzählt haben, höre ich oftmals, wie die Gitarre von da an weiterführt, wo die Texte aufgehört haben. Ich höre, wie die Gitarre die Geschichte weitererzählt, und auf diesem Album fühle ich, dass ich dieses Ziel erreicht habe.
Denkst du, dass deine Zusammenarbeit mit PORCUPINE TREE, Steven Wilson, FISH oder SOUND OF CONTACT einen Einfluss oder eine Inspiration war für das, was du mit „Disconnect“ erschaffen hast?
Meine Zusammenarbeit mit solch kreativen Künstlern wie diesen hat mich dazu gebracht, meine vergangenen Arbeiten zu hinterfragen und meine eigenen persönlichen Grenzen zu durchbrechen. Mein frühes Songwriting entwuchs in Sprüngen und erweiterte die Grenzen mit jedem Album. Keine zwei Alben klingen gleich, aber wenn man auf diese zurückschaut, passen sie alle in den Weg, welcher mich dahin geführt hat, wo ich heute stehe. Die Zusammenarbeit mit diesen Künstlern über diese vielen Jahre hat mir einige wirklich kreative Türen geöffnet. Ich schreibe bereits Sachen für mein nächstes Album, was die Dinge, die ich mit „Disconnect“ erschuf, sogar noch weiter führen wird. Ich muss mich dafür bedanken, dass ich durch die Arbeit mit diesen Künstlern gelernt habe.
Was waren die größten Herausforderungen, denen du dich während der Arbeit an „Disconnect“ stellen musstest? Bitte erzähle uns etwas von der technischen Seite von „Disconnect“!
Ich bin genauso Tontechniker wie Musiker, also ist eine Herausforderung, dass ich bei den Aufnahmen sehr schnell weitermache, die meiste Zeit über nehme ich mich selbst auf. Wenn ich an einem Gitarrensolo oder am Gesang arbeite, höre ich in meinem Kopf, wo ich mit diesen Parts hingelangen möchte. Wenn ich also den Gesang oder Gitarrensolos aufnehme, muss ich alleine daran arbeiten, ohne den Einfluss von den Ideen von anderen Personen. Ich habe in diesen beiden Bereichen eine starke Vision und arbeite besser und schneller ohne äußere Einflüsse. Was die Arrangements und das Songwriting selbst anbelangt, haben wir das eher wie eine Band gelöst, zusammenspielen mit Dean, Mark und ich in einem Raum. Dadurch hat sich ein richtiges Bandfeeling in den Songs entwickelt, was sich wirklich mit dem Gefühl des Albums verbindet.
Inwiefern hat der Albumtitel „Disconnect“ das Material auf dem Album beeinflusst? Wovon handeln die Texte?
Die letzten Jahre waren geprägt durch viele Veränderungen in meinem Leben, die mich dazu zwangen, nicht mehr mit Dingen verbunden zu sein, mit welchen ich glücklich war. Ich war in dieser Position, in der es zu einer Änderung kommt, egal ob man es möchte oder nicht. Zur selben Zeit war ich mit einigen Jungs befreundet, die im Irak und Afghanistan waren, als sie zurückkamen hatten sie sich verändert. Ich bemerkte, wie sich auch in verschiedener Weise ihre Verbindungen verloren hatten, aus anderen Gründen. Auch registrierte ich jüngere Leute in ihren Zwanzigern, wie sie unglücklich damit sind, wohin sie die Gesellschaft drängt, wodurch sie durch Drogen und Videospiele ihre Verbindungen verlieren. Und dann habe ich auch in meinem Leben mit vielen Leuten zu tun, die aufgrund mentaler Krankheiten ihre Verbindungen verloren hatten. Ich sah sie, wie sie Dinge taten und Menschen wurden, die sie nicht tun und sein wollten, wie sie aufgrund der Krankheit die Kontrolle über sich und alles verloren. All diese Faktoren erschufen die Geschichten und Charaktere auf diesem Album.
In der Vergangenheit hattest du deine Musik zum freien Download Online zur Verfügung gestellt. Nun arbeitest du für „Disconnect“ zusammen mit InsideOut Music. In Retrospektive, denkst du, es war die richtige Entscheidung, dein Material damals online zu stellen? Denkst du, das hat dir geholfen, bekannter zu werden?
Als ich mich dazu entschlossen hatte, meine Musik zum freien Download zur Verfügung zu stellen, war ich in der Situation, dass ich wollte, dass überhaupt jemand meine Musik hört. Die Leute wären teilweise dazu gezwungen gewesen, die CD für 29 Dollar zu importieren, weshalb nur wenige sie gehört hatten. Das erschuf einen richtigen innerlichen Kampf, was für mich wichtiger ist. Das war mein Lebenswerk, und sollte ich mir nun eher über die paar Pennies, die es mir einbrachte, Gedanken machen, oder war es nicht doch wichtiger, dass die Leute das hören können, was ich erschaffen hatte? Die Antwort war einfach. Ich könnte nicht weitermachen mit Musik, wenn niemand sie jemals hören würde. Also hatten meine Frau und ich einen Weg gefunden, um all meine Songs upzuloaden und den Leuten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Server brachen in den ersten 10 Tagen unter der Last der Downloads zusammen, das war sehr lohnend.
Wirst du auch dein Solo-Material live spielen?
Die Band, welche die Aufnahmen machte, spielt gerade live, und weitere Auftritte werden gebucht. Also ja, wir hoffen, dass wir viel Zeit mit Touren verbringen.
In welchen Bands und Projekten bist du eigentlich derzeit involviert?
Im Augenblick eigentlich nur diese Band. PORCUPINE TREE sind Steven zufolge noch nicht fertig, und wenn er sich bereit fühlt damit zurückzukehren, hoffe ich dabei zu sein.
Was hast du in nächster Zukunft geplant?
Mehr Musik, mehr Konzerte, mehr Musik…
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!
Ich hoffe, die Leute werden dem Album eine Chance geben. Wenn man eintaucht in die Charaktere in den Songs und lässt die Musik den Rest der Geschichte erzählen, ist es eine gute Sache.