James Plotkin
Interview mit James Plotkin

Interview

James Plotkin ist ein erstaunlich vielfältiger Musiker, der bereits einige Stationen durchlaufen und zudem mit etlichen, mitunter bekannten anderen Musikern zusammengearbeitet hat. Besonders im Bereich der avantgardistischen, experimentellen Musik ist er eine Szenegröße und hat mit Bands wie KHANATE, KHLYST oder früher mit den OLD LADY DRIVERS sowie diversen Solo-Veröffentlichungen und Kooperationen mit Muskern wie Michael Gira von den SWANS kleine aber prägnante Musikgeschichte geschrieben. Das alles dürfte Grund genug sein, sich mit dem Künstler James Plotkin näher auseinander zu setzen, und so kontaktierte ich kurzerhand Herrn Plotkin direkt, um ihn ein paar interessante Fragen über seine Bands, seine Musik und die Kunst dahinter zu stellen. Das Resultat dürfte nicht nur für Kenner und Liebhaber interessant sein, sondern vielleicht auch für Neugierige und Spontanleser den ersten Anreiz darstellen, sich mit der musikalischen Kunst Plotkins auseinander zu setzen. Bitte beachten: Das Interview wurde bereits Ende vergangenen Jahres (2008) geführt, demnach vor dem letzten KHANATE-Release „Clean Hands Go Foul“, wovon unter anderem in diesem Interview die Rede ist.

James Plotkin

Hallo James, erstmal vielen Dank, dass du dich bereit erklärst, mir ein paar Fragen zu beantworten.
Ich würde hier in diesem Interview gerne jeweils kurz einige deiner (vielleicht wichtigsten?) musikalischen Stationen durchgehen, das eine oder andere Revue passieren lassen und dann natürlich einen Blick auf das werfen, was du noch planst, bzw. was noch kommen mag.

Ich denke, jeder, der sich für experimentelle und auch avantgardistische Musik interessiert und diese zudem im Zusammenhang mit Härte versteht, wird nicht an deinem Namen vorbeikommen, bzw. ihn mindestens schonmal irgendwo gelesen haben. Allen anderen dürften dene Alben mit den OLD LADY DRIVERS und, um besonders auf die letzten Jahre zu schauen, KHANATE sollte natürlich auch genannt werden.

Wir erinnern uns zunächst an die OLD LADY DRIVERS, einer der wie ich denke ersten wichtigen Stationen für dich, die damals ihrer Zeit weit voraus waren, jedoch nie die gebührende Anerkennung für ihre Musik erhalten haben.
Was trieb euch damals an, zu einer Zeit, wo Death-, Thrash- und anderer Metal am aufleben waren, den eher unkonventinellen Weg einzuschlagen und Musik völlig abseits der angesagten Normen zu kreieren?

Ich bin generell dagegen, mich irgendwelchen Normen zu beugen, wenn es um Musik oder Kunst geht. Mir scheint es, dass die meisten Musiker zu direkt von dem beeinflusst werden, was sie hören, und das führt letztendlich zu Imitation. An dieser Art des Komponierens und der Performance habe ich kein Interesse. Allerdings versuche ich auch nicht bewusst, etwas anderes zu kreieren. Wenn man einfach das Denken überspringt und die Dinge ihren natürlichen Lauf gehen lässt, werden die Ergebnisse viel interessanter.

Was brach der Band letztendlich das Genick? Ich habe in den Jahren einiges darüber gelesen aber nie wirklich erfahren warum O.L.D. gestorben sind…

Im Grunde war es Dubin, der das Interesse und die Hingabe zu O.L.D. verlor. Da wurde mir bewusst, dass es an der Zeit war, weiterzugehen. Dadurch, dass ich von O.L.D. ohnehin nicht leben konnte, kann ich ihm das auch nicht übel nehmen. Ganz ähnliche Gründe führten auch zum Ende von KHANATE. Man hat einfach unterschiedliche Prioritäten in seinem Leben.

Mitte der 90er hast du dann einige Arbeiten im Bereich der elektronischen Musik abgeliefert, unter anderem hast du auf dem SCORN-Album „Evanescence“ mitgewirkt, der (damals noch) Spielwiese von Mick Harris und Nick Bullen (beide Ex-NAPALM DEATH). Wie kam dein Interesse für elektronische Sounds zustande?

Es war die Beschäftigung mit anderen Formen von Klängen und Musik, so wie es praktisch jeder irgendwie macht. Man hört Sachen, die einen interessieren, und dann geht man in die Tiefe.

Dass du ein experimentierfreudiger Musiker bist, kann man definitiv hören und deiner persönlichen Discography gut entnehmen. Als sich dann 1998 die Kooperation mit Michael Gira (Ex-SWANS) unter dem Banner BODY LOVERS/BODY HATERS manifestierte, scheint mir ein neues Kapitel in deiner Schaffensphase aufgeschlagen worden zu sein. Die SWANS, bzw. die Musik von Gira war bislang ja eigentlich gar nicht so das, was man bis dato mit dem Namen James Plotkin in Verbindung gebracht hätte…
War dieser Abschnitt ein wichtiger künstlerischer Schritt für dich, bzw. hat er dich auf deinen Wegen die noch folgen sollten, stark beeinflusst?

Mit der Gründung dieser Projekte hatte ich weniger zu tun, vielmehr kontaktierte mich Michael Gira und fragte, ob ich die SWANS auf ihrer Tour begleiten könnte, was dazu führte, dass ich an diesen Aufnahmen beteiligt war. Es war eigentlich nicht viel mehr, als dort zu erscheinen und ein paar Tracks einzuspielen. Ich war schon mein ganzes Leben ein Fan von Giras Musik gewesen, deshalb hat mir diese Zusammenarbeit viel bedeutet, auch wenn es ansonsten keinen großen Effekt auf mein eigenes Schaffen gehabt hat.

Im Jahre 2001 erschien dann nach einigen Solo-Alben und weiteren Kooperationen das KHANATE-Debüt. Erstaunlicherweise haben KHANATE besonders bei den Metal-Hörern einen starken Eindruck hinterlassen, was sich mit dem Folgealbum „Things Viral“ noch mehr bestätigte. Neben Stephen O’Malley von SUNNO))) war auch dein alter O.L.D-Kollege Alan Dubin wieder mit von der Partie und gemäß eurer kranken Ader habt ihr Sounds kreiert, die stellenweise fast bis zum Stillstand führten. Wieder entgegen sämtlichen Szenetrends habt ihr ultralangsam gespielt und eher kriechende Vernichtungsorgien zelebriert, anstatt flüssige Songs zu präsentieren. Auch mit Doom lässt sich die Musik nicht wirklich in einen Topf werfen. Was um Himmels Willen war der Ansatz bei KHANATE? Gab es eine tiefere Bedeutung für euch, bzw. wolltet ihr unbedingt etwas erschaffen, das so gar nicht in eine vorgefertigte Schublade passen soll? Die Musik ist ja sowas von krank…

Wir fingen ohne eine konkrete Idee an, was wir tun wollten, aber es dauerte nicht lange, bis sich etwas von selbst entwickelte. Man kann den zeitlichen Unterschied zwischen den ersten beiden Alben deutlich hören, alles wurde langsamer und minimalistischer. Mein Gedanke war, alles zu reduzieren und gleichzeitig die Kraft und Spannung in der Musik aufrechtzuerhalten. Dies ist nach meinem Gefühl bei „Capture & Release“ verloren gegangen, da ich bei diesem Album auch kaum in den Kompositionsprozess involviert war. Die Unterschwelligkeiten und dynamischen Wechsel gerieten in Vergessenheit, was dem Album meiner Meinung nach viel Kraft raubt.

Leider habe ich nach „Capture & Release“ (2005) die Meldung, bzw. dein Statement im Internet gelesen, dass KHANATE am Ende wären und die Band aufgelöst sei. Dann war erstmal Stille und vor nicht allzu langer Zeit habe ich dann gelesen, dass es nun doch noch eine Veröffentlichung von KHANATE geben wird. Wie, bzw. warum kam es zur Trennung und was hat es mit dieser Meldung auf sich, die besagt, dass es doch noch ein neues Lebenszeichen geben wird?

Es wird ein abschließendes Album mit Improvisationen sein, die während der Sessions zu „Capture & Release“ aufgenommen wurden; es wird Ende 2008 / Anfang 2009 herauskommen. Dubin hat drei Jahre gebraucht, um den ganzen Gesang aufzunehmen, aber er wurde Anfang dieses Jahres vollendet. Hydra Head werden das Album als CD und LP in den USA veröffentlichen, in Japan kommt die CD auf Daymare, sowie eine Picture-LP auf Trust No One.

Es gab eine ganze Reihe von Gründen, sowohl persönliche als auch professionelle, woran ich merkte, dass ich kein Teil mehr von KHANATE sein wollte. Schwindende Begeisterung, andere Prioritäten und meine Unzufriedenheit mit dem Material auf „Capture & Release“ gehörten dazu. Ich verließ die Band im September 2006 und ein paar Wochen später verkündeten sie das Ende. Betrachtet man mal die Stärken und Unterschiede aller Beteiligten, erstaunt es mich, dass es überhaupt so lange gehalten hat.

Waren KHANATE noch nicht schräg genug, traten KHLYST im Jahre 2006 in Erscheinung und ich muss gestehen, dass das Album „Chaos Is My Name“ dem Hörer von Geduld über Toleranz bis hin zur Höchststrapazierung der Nerven alles abverlangt. Ich möchte mich nicht wiederholen und Fragen, wieso ihr diesen Weg gewählt habt, deshalb Frage ich einfach mal anders herum: Kam dir nicht mal in den Sinn, in deiner Karriere etwas gemäßigtere Wege einzuschlagen und es dem Hörer nicht so schwer zu machen? Du fügst deinen Zuhörern gerne Schmerzen zu oder?

Ich halte mich ehrlich gesagt nicht fähig dafür, ein geradliniges Werk zu erschaffen. Es könnte sein, dass ich meine Arbeit auf einer unterbewussten Ebene selbst sabotiere, aber es interessiert mich ehrlich gesagt überhaupt nicht, ob jemand meine Musik mag oder gar versteht. Meiner Meinung nach ist es ein Zeichen der Schwäche und der Abnutzung von Kunst, wenn zuviele Leute sie genießen können. Ich habe kein Interesse daran, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bedienen.

Der künstlerische Aspekt wird in deiner Musik stets sehr groß geschrieben, bzw. nimmt er die wichtigste Position ein, was definitiv bemerkenswert ist, da dir klar sein dürfte, dass man mit derartiger Musik nicht das ganz große Geld machen kann. Kannst du trotzdem von deiner Musik und deiner allgemeinen Arbeit als Musiker leben oder kämpfst du um jeden Dollar?

Meinen Lebensunterhalt verdiene ich eher mit technischer als mit kreativer Arbeit. Ich habe mittlerweile so viele Veröffentlichungen, dass ich damit finanziell über die Runden komme, aber es ist vor allem die Arbeit im Bereich Produktion, Mix und Mastering für andere Künstler, die mir ein Dasein als Künstler ermöglichen. Es ist trotzdem ein steter Kampf, und es reicht, um die Rechnungen und ein paar Kleinigkeiten zu bezahlen. Ich hoffe ja, dass die Welt irgendwann in einen Zustand degeneriert, in dem Geld absolut nutzlos sein wird.

Wie siehst du dich selbst? Eher als Künstler in weitem Sinne oder ganz klar einfach nur als Musiker, der halt seinen Kram macht?

Semantik ist nicht so mein Ding, aber wenn mich jemand fragen würde, was ich mache, dann wäre meine Antwort sicherlich Musiker und Produzent. Solange man nicht gut davon leben kann, bedeutet „Musiker“ ja eher, dass man nur faul rumhängt, und wenn man sagt man sei „Künstler“, dann heißt das nix anderes als das man ein ziemlich abgehobenes Arschloch ist.

Woran arbeitest du derzeit und/oder was hat momentan für dich Priorität?
Auf welcher Veröffentlichung steht als nächstes der Name James Plotkin hinten drauf?

Nun, auf dem bereits erwähnten letzten KHANATE-Album, sowie auf dem Debüt von JODIS, einer neuen Band mit Aaron Turner (ISIS) und Tim Wyskida (Ex-KHANATE). Das JODIS-Album ist mein liebstes Projekt seit KHLYST, welches im nächsten Frühjahr auf LP mit ein paar unveröffentlichten Tracks neu aufgelegt wird.
Mit Scott Slimm (Archive CD) betreibe ich ein kleines DVD-Label, deshalb arbeite ich eigentlich ständig an neuen Veröffentlichungen. Ich hab immer zu tun, egal ob mit meiner eigenen Musik oder der von jemand anderem, aber womit ich mich auch beschäftige, es genießt höchste Priorität.

Wenn du drei Alben deines kompletten Schaffens ganz besonders empfehlen müsstest, welche würdest du nennen und warum?

KHLYST „Chaos Is My Name“, wegen seiner Vielfältigkeit und seines extremen Charakters. KHANATE „Things Viral“ für seine Originalität und das Erdrückende dieser Platte. JAMES PLOTKIN „Kurtlanmak/Damascus“ für seine Atmosphäre. Und in alle diese Kategorien fällt auch das aktuelle JODIS.

Wie bereits weiter oben erwähnt hast du einige Kooperationen hinter dir. Darunter befindet sich auch die eine oder andere Szenegröße (z.B. John Zorn, Franz Teichler, Mick Harris, uvm.). Mit wem würdest du ansonsten gerne noch etwas zusammen machen, bzw. wer fehlt dir persönlich noch auf deiner Liste?

Ich würde gerne, aber die Liste ist einfach zu lang und erweitert bzw. verändert sich ständig. Die meisten Künstler, mit denen ich gern zusammenarbeiten würde, haben entweder keine Vorstellung davon, wer ich überhaupt bin, oder sind bereits tot.

Ist dein Musikgeschmack eigentlich genauso fordernd wie deine eigene Musik? Ich meine, du scheinst viel beschäftigt zu sein, wenn ich mir die Anzahl der Veröffentlichungen anschaue an denen du beteiligt bist (wobei es in den letzten Jahren durchaus etwas weniger geworden ist als noch in den 90ern). Du wirst sicher nicht viel Zeit haben, wirklich intensiv neue Musik zu hören oder?! Falls doch: Was hat dich zuletzt begeistert?

Da gibt es einfach zuviel, um es angemessen zu erwähnen. Die bessere Hälfte meines Lebens hat sich dem Sammeln und Erforschen riesiger Musikmengen gewidmet. Ich genieße es hauptsächlich auf einem intellektuellen Level, aber kann mir die Sachen auch einfach so für das spontane Gefühl anhören. Ich habe Vorlieben für die minimalistische Bewegung der 60er, frühe, deutsche Synthklänge der 80er und die dunklere Seite der Neuen Deutschen Welle; japanischer, europäischer und amerikanischer Punk und Hardcore der 80er, und so weiter und so fort.

Bevor wir das kleine Portrait-Interview beenden noch eine Frage zu REGURGITATION. 2005 erschien „Backwash“, eine Best-of mit den Demos und Live-Kram. Ist diese Veröffentlichung eigentlich abgesegnet? Scheint mir eher ein Bootleg zu sein oder?

Und ein überaus grauenhaft produzierter noch dazu. Es gab eine offizielle Veröffentlichung des Materials vom ersten Master, auf einem kleinen japanischen Label in den 90ern. Leider habe ich davon keine einzige Kopie bekommen, so dass ich nicht weiß, wie diese Veröffentlichung tatsächlich aussieht. Ich habe nur ein paar Exemplare des Bootlegs vom Label, was sie produziert hat, bekommen, quasi als Entschuldigung.

Bereust du REGURGITATION heute? So ganz sauber unterm Helm seid ihr damals jedenfalls scheinbar nicht gewesen…

Ich war 14 oder 15 Jahre alt, als ich die Band gegründet habe, und hatte mit ihr meine erste Vinylveröffentlichung. Ich war der Einzige in meiner High School, der mit seiner Musik ein paar hundert Dollar die Woche machen konnte, und schon dafür bereue ich es kein bißchen.

Ich danke dir für deine Geduld. Ich werde akribisch und kritsch beobachten wie es mit deiner Kreativität weitergeht. Mach’s gut!

26.06.2009

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