Iron Maiden
Interview zu "The Final Frontier"
Interview
Man könnte meinen, kaum sind IRON MAIDEN aus dem Flieger ausgestiegen, haben sie schon wieder alle Hände voll zu tun. „The Final Frontier“ erschien am 13. August, und was wurde da nicht unter den Fans geunkt, ob das nicht der Anfang vom Ende des britischen Metal-Schwergewichts wäre. Bruce Dickinson (BD), Steve Harris (SH), Adrian Smith (AS), Dave Murray (DM), Nicko McBrain (NM) und Janick Gers (JG) hatten zwar keine Zeit, persönlich vorbeizuschauen, aber eines machen sie unmissverständlich klar: Am Ende sind IRON MAIDEN noch lange nicht.
„The Final Frontier“ fühlt sich eher wie eine Liveperformance an als ein Studioalbum. Was meinst du dazu?
BD: Es sind eine Menge Prog-Einflüsse drauf und gleichermaßen ist es sehr direkt. Man könnte es fast als Jam-Session sehen, was es natürlich nicht ist, aber es hört sich eben so an. Es ist etwas ganz anderes als das, was man von Maiden bisher kennt, ein ganz anderer Vibe.
SH: Es klingt sehr „live“ und so sind wir auch an das Album herangegangen. Es war ein gutes Gefühl, die Songs in den Rehearsals zu den Aufnahmen so leicht spielen zu können, auch wenn darin eigentlich ziemlich viel passiert. Ich meine, wir haben schon immer versucht im Studio das nachzubilden, was wir auch auf der Bühne präsentieren, auch wenn das natürlich nicht das Gleiche ist, nicht vergleichbar mit dem Live-Ereignis.
Seid ihr in punkto Komposition und Spieltechnik anders an „The Final Frontier“ herangegangen, als an eure früheren Alben?
AS: Abgesehen vom ersten Stück könnte man sagen, dass wir ziemlich geradlinig unterwegs sind. Vielleicht habe ich mich auch unbewusst ein bisschen von der Machart unserer letzten Album entfernen wollen, um mal etwas Anderes zu machen. Gerade weil wir so einen Fokus auf die Gitarrenarbeit legen, haben wir an einigen Stellen einiges Neues ausprobiert, was man so von Maiden noch nicht gehört hat, und was uns wiederum beim Schreiben der Songs inspiriert hat.
DM: Wenn die Fans das erste Stück hören, werden sie vermutlich denken, „Wow, das klingt aber ziemlich ungewöhnlich für Maiden-Verhältnisse“. Und wenn man dann so langsam ins Album reinkommt wird man merken, dass es eins der progressivsten Alben ist, die wir je gemacht haben, vor allem, wenn man es aus Nickos Perspektive betrachtet, der rhythmische Teil… Es gibt natürlich Momente auf dem Album, die ganz typisch Maiden sind, aber wie Adrian schon sagte, gibt es auch diese progressiven Passagen, die in meinen Augen hervorragend zu dieser Band passen. Das sind Maiden anno 2010, nicht die Maiden aus den Achtzigern.
Steve überlegt sich immer schon im Voraus, was in den einzelnen Songs geschehen wird, während Adrian und ich quasi freie Bahn hatten, ebenfalls Ideen beizusteuern, die dann im Studio entweder passen oder nicht. Das Album lässt viel von dieser Freiheit spüren.
Was könnt ihr uns zu den Aufnahmen zu „The Final Frontier“ erzählen?
SH: Die waren wirklich toll, weil wir dafür in die Compass Point Studios zurückgekehrt sind, in denen wir seit 1996 nicht mehr gewesen sind. Wir haben bereits drei Alben dort aufgenommen, und auch dieses Mal war es einfach großartig. Die Stimmung war toll und wir haben die Zeit dort echt genossen. Wir waren dort alle zusammen in einem Raum, und dank der hervorragenden Kopfhörertechnik, die Produzent Kevin Shirley dort hatte, konnten wir beim Einspielen ständig in Kontakt bleiben. Das war für alle ein Erlebnis.
Der Titelsong klingt wie eine Jamsession – wurde der live eingespielt?
SH: Nein, an „The Final Frontier“ sind wir etwas anders rangegangen. Ich sagte den Jungs, dass ich verschiedene Ideen hatte, wie ich den Song aufnehmen will, nicht zwingenderweise in einem Durchgang. Wir haben deshalb hinterher geschaut, welche Teile sich am besten miteinander kombinieren lassen, und es hat wunderbar funktioniert. Es war das erste Mal, dass wir das so gemacht haben, aber wir werden das in Zukunft sicherlich noch öfter machen.
„Satellite 15“ sticht unter allen Songs, die man von euch kennt, ziemlich heraus. Wie ist dieses Stück entstanden?
SH: Nun, ich hatte verschiedene Ideen, auf denen ich aufgebaut habe, die ich miteinander kombiniert habe um zu sehen, ob sie funktionieren und mich dadurch manchmal auf etwas Unerwartetes einzulassen. Also im Prinzip auch die Art und Weise, wie das Album letztendlich zustande gekommen ist.
AS: Ich habe einen ganzen Monat lang jeden Tag neues Material geschrieben… und irgendwann ist dann das dabei herausgekommen. Ich weiß nicht, woher es kam… es ist heavy, moderner, ungewöhnlicher. Ich spielte es Steve vor, er mochte es und schlug vor, es für das Intro zu verwenden. Wir experimentierten damit noch eine Weile herum, und dann kam der Gesang dazu.
„El Dorado“ wurde als erster Vorgeschmack auf das Album veröffentlicht. Warum dieser spezielle Song?
SH: Wir haben ihn ausgewählt weil wir dachten, dass das einfach ein guter Livesong wäre. Es ist schon schwierig einen ersten Singletrack zu finden, wenn ein Album so mannigfaltig ist wie „The Final Frontier“, weil man sich fragen muss, ob dieser Track auch wirklich repräsentativ ist. Bei „El Dorado“ hatten wir während der Rehearsals dieses Gefühl.
NM: Was ich wirklich an diesem Song mag, ist die Geschichte die er erzählt. Damit meine ich nicht die Wahl der Wörter sondern einfach die Machart, er geht gleich richtig los und die Leute fragen sich dann, „Was kommt als Nächstes?“ Er ist nicht zu anspruchsvoll, es geht vor allem darum, wo der Groove drinsteckt. Wenn ich in den Solopassagen und dem Chorus ein wenig vorauseile, kann das dem Song den Schwung nehmen. In der Essenz geht es nicht darum, wie ein Uhrwerk genau den Takt anzugeben, sondern Bewegung hineinzubringen. Ich mag die Arrangements, den Break in der Mitte und das Finale – er hört genauso auf, wie er anfängt.
„El Dorado“ passt ja thematisch sehr gut in die gegenwärtige Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrisen…
BD: Es war irgendwie komisch… vor fünf Jahren meinen Vater zu sehen, wie er da in seinem Stuhl sitzt, in Tränen aufgelöst. „Alles wird den Bach runtergehen, und am Ende wird jeder pleite sein“, sagte er. Für mich ist es die dritte, richtig große Rezession, die ich erlebe. Die erste war in den frühen 70ern, als man auf dem Land plötzlich den Strom abstellte und wir buchstäblich bei Kerzenlicht zusammensaßen. Die nächste war unter der ‚eisernen Lady‘ Thatcher. Die Schuldenberge wuchsen ins Astronomische und all diese Leute verloren ihre Häuser. Die waren vorher alle noch überzeugt, dass so ein Haus eine bombensichere Angelegenheit sei… endloser Wachstum, nicht aufzuhalten. Und dann fangen die Leute an, mit ihrem Leben wie in einem Casino zu spielen.
Und darum dreht sich „El Dorado“, um die menschliche Natur, menschliches Verhalten. Es ist eine zeitlose Geschichte, die Leute glauben, dass die Straßen mit Gold gepflastert sind, und dann finden sie nur einen Haufen Scheiße vor.
Würdet ihr sagen, dass „The Final Frontier“ ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum letzten Album ist?
SH: Jedes neue Album ist musikalisch gesehen auf seine Weise ein Fortschritt, und speziell auf uns bezogen würde ich sagen, dass die Prog-Einflüsse, die schon seit geraumer Zeit hörbar waren, immer stärker geworden sind. Für uns ist es eine natürliche Entwicklung. Vielleicht ist es so, weil wir älter werden, weil wir solche Songs wie früher nicht mehr schreiben können oder wollen. Auf jeden Fall werden unsere Songs immer länger, keine Ahnung warum.
JG: Jedes neue Album, das du machst, ist aufregend, weil man neue Ideen einbringt und ausprobiert; und ich denke, es ist ein Standpunkt, wo man sich gerade befindet. Man bündelt alle Kräfte, vereint das Beste, was man an diesem Zeitpunkt aufbringen kann, und macht das beste Album, was einem in diesem Moment möglich ist. Nicht nur ich, wir alle sind mehr als zufrieden mit „The Final Frontier“. Wir haben uns ein paar neue Perspektiven eröffnet… ich meine, man muss als Band organisch sein, in Bewegung bleiben. Es bringt nichts, in der Vergangenheit festzuhängen und sich selbst zu parodieren, man muss sich weiterentwickeln. Und das tun wir mit Iron Maiden, mit jeder neuen Platte. Jede Platte hat den Maiden-Stempel, weil wir so klingen wie wir spielen. Das Wichtigste ist immer, bei jeder Entwicklung nicht die eigene Identität zu verlieren.
Ihr habt wieder mit Produzent Kevin Shirley zusammengearbeitet. Was gefällt euch an der Arbeit mit ihm?
SH: Kevin ist großartig, wir haben ja schon einige Male zusammengearbeitet und mit jedem Mal ist sein Gespür für unsere Stärken gewachsen, so dass er stets versucht das Beste aus uns herauszuholen. Auf gewisse Weise ist es mit ihm wie mit Martin Birch, man hat immer was zu lachen, gleichzeitig ist er bei den Aufnahmen voll konzentriert und ernsthaft bei der Sache. Die Balance zwischen diesen beiden Polen stimmt bei ihm, deshalb macht das Arbeiten mit ihm auch so einen ungeheuren Spaß.
„Coming Home“ scheint ein sehr persönlicher Song zu sein. Was hat dich dazu inspiriert?
BD: Anfangs habe ich den Song nur über andere Menschen geschrieben, die ‚heimkehren‘. Dann habe ich mir überlegt, „warum schreibst du nicht einen Song über uns als Band?“ Wir verbringen sozusagen unser ganzes Leben mit dieser Heimkehr. Wir waren auf dieser riesigen Tour mit dem Flugzeug, haben allerlei fantastische Dinge gemacht und erlebt… und über darüber wollte ich schreiben, ohne ins Kitschige abzudriften. Es sollte vor allem um zwei Dinge gehen: Um das komische Gefühl, wenn du deine Stadt verlässt, oder wie in unserem Fall dein Land, ja sogar den ganzen Kontinent. Dann trifft man mit zehntausenden von Leuten zusammen, ist quasi high durch Adrenalin und Euphorie, und am nächsten Morgen trinkst du ’ne Tasse Kaffee und bist schon wieder unterwegs. Und zweitens geht es um meine persönliche Perspektive, einmal auf der Bühne zu stehen und dann im Cockpit dieses Flugzeugs zu sitzen. Das war für uns alle nicht einfach so wie mit einem Tourbus, wo man einsteigt und zum Abschied winkt… der gesamte Tourzirkus stieg in dieses Flugzeug und hob dann von der Erde ab.
…was in eurer Dokumentation „Flight 666“ zu sehen war. Was könnt ihr uns noch von dieser Tour erzählen?
SH: In dieser 747 zu sitzen war absolut fantastisch. Einerseits war das ganze eine ziemlich stressige Angelegenheit für Bruce, weil er sich um einen Großteil der Organisation dieses ganzen Unternehmens kümmerte. Es war ja lange nicht klar, ob das überhaupt alles klappen würde, ob es Probleme mit der Logistik gibt etc. Und natürlich war die Tour, wie jede andere auch, anstrengend, vor allem die ersten Wochen. Andererseits hatten wir auch unglaubliche Freiheiten, wir konnten praktisch dorthin gehen, wo wir wollten.
Viele Fans haben ja gemutmaßt, dass der Albumtitel auf das baldige Ende eurer Karriere anspielt, dass „The Final Frontier“ euer letztes Album sein könnte…
SH: Na hoffentlich nicht. Ja, viele Leute dachten, „ist das jetzt der Anfang vom Ende oder sogar das Ende selbst?“ Ich persönlich möchte gern noch viele Jahre weitermachen, ein weiteres Album produzieren. Natürlich muss man auch immer die physischen Kräfte im Hinterkopf behalten, denn auch jetzt werden wir wieder auf eine große Tour gehen, und die muss man körperlich überstehen können. Wir werden sehen, was danach kommt.
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