Allegaeon
"Ich glaube der beste Ansatz dazu, solche Themen in einem Song zu verarbeiten, sollte Ehrlichkeit und Authentizität sein"

Interview

ALLEGAEON sind nur zwei Jahre nach ihrem letzten Album „Apoptosis“ mit „Damnum“ zurück. Und dazwischen liegt nicht nur die Pandemie, sondern auch persönlicher Verlust für die Band, der auch vor allem in einer sowohl neu gefundenen Härte wie auch Verletzlichkeit auf dem neuen Album zu finden ist. Genau darüber haben wir mit Sänger Riley McShane gesprochen, aber auch über seine Liebe zu Anime, warum er ALLEGAEON trotzdem nicht als „Themen“-Band ansieht, wieso es nach so viel Wissenschaft auf den vorigen Alben nun persönlicher wird und vieles mehr!

Metal.de: Hi Riley, wie geht‘s dir?

Riley McShane (ALLEGAEON): Hey, alles gut so weit, und selbst? Ich hab heute noch ein paar mehr Interviews.

Metal.de: Danke, kann nicht klagen. Ist die Promophase anstrengend? Wie geht es dem Rest der Band? Ihr hattet letztens einen weiteren Line-Up-Change mit Jeff Saltzmann, wie hat er sich in die Band mittlerweile eingefügt?

Riley. Ja, Promo ist eine Herausforderung, aber ich mach das auch gerne und probiere, auf dieselben Fragen anders zu antworten (lacht). Dem Rest der Jungs geht es auch super, Jeff hat sich toll mit eingefügt, überaus kompetenter Schlagzeuger und er hat eine neue Dynamik mit hinein gebracht.

In der Vergangenheit haben unsere Schlagzeuger nie ihre eigenen Parts geschrieben, sondern nur was die Gitarristen vorgeschrieben haben probiert so gut wie möglich umzusetzen. Jeff ist selber mit Ideen und und Fills im Studio um die Ecke gekommen, bei jedem Song. Er war immens mit in den kreativen Input involviert. Er ist ein wertvoller neuer Teil der Band geworden.

Metal.de: War „Damnum“ allgemein ein kollaborativerer Prozess als in der Vergangenheit? Ich meine, Greg und Michael sind wahrscheinlich immer noch für den Großteil des Songwritinges zuständig oder?

Riley: Ja, bis zu diesem Album war das unsere Hauptarbeitsweise. Wir haben meist nur probiert nur noch oberflächliche Dinge zu ändern oder den Songs hinzuzufügen. Bei diesem neuen Album gab es viel mehr Gruppen-Feedback zu Songs, wie wir generell die Songs finden oder fühlen und was wir vielleicht nicht so toll finden. Es war schon oft ein sehr schwieriger Prozess, sicherlich, aber nach meinem Empfinden hat das dem Album nur gut getan, dass wir uns verschiedene Ideen um die Ohren gehauen und darum gestritten haben. Aber es war alles immer noch auf sehr respektvoller Ebene und produktiv.

Metal.de: Ist es schwer, neue Ideen zu entwickeln? „Apoptosis“ ist erst zwei Jahre alt und dann kam auch schon die Pandemie, da hattet ihr vielleicht auch mehr Zeit als wenn ihr noch getourt wärt, aber nichtsdestotrotz ist es beeindruckend, wie schnell schon wieder ein neues Album steht.

Riley: Es ist nicht unbedingt schwer, neue Ideen zu finden. Zum Zeitpunkt wo wir ein Album veröffentlichen haben wir meist schon einen Haufen neues Material geschrieben. Das ist einfach so wie wir funktionieren und arbeiten, auch in der Vergangenheit. Wir sind alle Musiker und es ist für uns nicht nur jetzt in der Pandemie natürlich auch ein toller Bewältigungsaspekt und Ablenkung gewesen, sondern ist einfach etwas, nachdem wir alle unser Leben ausrichten. Also oft sitzen wir einfach alleine rum und entwickeln Ideen, nehmen diese auf.

Man greift sich Gitarre, Bass, Piano, was auch immer, entwickelt Ideen, nimmt diese auf und stellt sie den anderen dann vor. Wenn es nicht der Schreibprozess selber ist, üben wir meist und Üben kann dann schnell zu Songwriting werden. Ich denke es war weniger ein Problem neues Material zu erdenken, sondern dieses mal eher, das dann in Form zu bringen auf eine Art und Weise, die uns allen gefällt.

Metal.de: „Damnum“ handelt thematisch von Verlust, fühlt sich wesentlich persönlicher als das noch sehr wissenschaftliche, nerdige „Apoptosis“ an. Das fande ich natürlich als ehemaliger Biologe super, in nerdiger Musik auch noch nerdige Themen zu finden, aber „Damnum“ involviert ja auch persönliche Geschichten, war es deshalb für euch oder speziell dich schwieriger zu schreiben?

Riley: In einigen Aspekten würde ich sagen ja, es war schwieriger, für andere würde ich eher das Gegenteil sagen. Die alten, mehr in wissenschaftlichen Themen verankerten Texte fühlten sich beim Schreiben immer mehr wie Nachforschen, wie Arbeit für mich an. Ich komme auch von einem wissenschaftlichen Hintergrund und habe deshalb den Anspruch an mich, es so präzise, akkurat und genau wie möglich herüber zu bringen. Wenn ich mich also mit einem für mich neuen Gebiet beschäftige, möchte ich die korrekte Terminologie verwenden, gleichzeitig muss es sich nach Lyrics und nicht dem Vorlesen eines Textbuches anfühlen.

Das ist manchmal schwer miteinander zu verbinden. Das war also schwierig am Schreiben davon, also quasi ein Linke-Gehirnhälfte-Problem mit diesen Lyrics. Im Gegensatz dazu war es beim neuen Album persönlicher und eine Herausforderung von Gefühlen zu schreiben, was ich vorher nie gemacht habe, oder diese Gefühle auch einfach nur zu durchleben, meist als solche, die ich selber erlebt, aber dann nicht zugelassen habe. In der Musik hatte ich die Gelegenheit, die noch einmal zu verarbeiten. Also ja, das war auch eine Herausforderung, nur in einer anderen Art und Weise.

 

Metal.de: Die letzten Alben hatten bereits ja cleanen Gesang von dir, aber gefühlt ist der Anteil auf dem neuen Album noch einmal deutlich ausgebaut. Hast du davor oder dafür eigentlich Unterricht genommen und was ist eigentlich schwieriger beim Schreiben und Aufnehmen, Growls oder die Gesangsmelodien?

Riley: Ich singe schon sehr lange, länger als ich tatsächlich screame und growle, also das war eigentlich da, bevor ich überhaupt mit Metal gestartet bin. Ich bin der jüngste von fünf Geschwistern, mein Bruder ist fünfzehn Jahre älter als ich und er ist auch ein Musiker. Mit ihm habe ich Harmonien von THE BEATLES oder ALICE IN CHAINS-Songs gelernt als ich noch sehr jung war, vielleicht fünf Jahre. Und von da an war Singen etwas, was ich ständig getan habe und was Teil meines Lebens war.

Ich hab meine erste Metal-Band während der High-School gefunden und da Screamen gelernt, da war ich vielleicht um die vierzehn Jahre alt. Ich werde nächstes Jahr vierunddreissig, also screame ich erst seit etwa zwanzig Jahren, aber singe beinahe mein ganzes Leben schon. Es ist also etwas, was ich schon die ganze Zeit habe und kann, aber bislang fühlte sich Singen in der Musik die ich heute mache oder auch bei älteren Bandprojekten einfach nie richtig an.

Das waren einfach eher an Death Metal orientierte Sachen und man möchte dann Gesang dazu haben, der möglichst gut passt, also eher Screams und Growls. Auf „Damnum“ gab es einfach mehr musikalische Strecken, wo ich cleane Passagen für wesentlich geeigneter hielt. Also ich konnte von den Fähigkeiten schon immer singen, aber wir sind auch im kollaborativen Prozess jetzt beim neuen Album auch erstmals überein gekommen, dass mehr Platz für cleane Parts in die Musik Einzug erhalten soll.

Was die Frage nach der Schwierigkeit angeht, beides ist schwer, aber sie beanspruchen andere Dinge. Es ist schwer, diese Gesangsstile miteinander zu vergleichen. Death Metal-Vocals sind mehr „perkussiv“ nach meinem Empfinden, es ist mehr rhythmisch, da es keine Melodie gibt. Man muss mehr am Timing arbeiten, damit es zum Rest des Songs passt.

Mit cleanen Vocals ist es das Gegenteil, man braucht eine Melodie die zu dem Rest der Melodien, also von Gitarre oder Synthies, passt und die nicht einfach nur diese kopiert, sondern eigenständig ist und den Rest der Musik komplementiert. Gleichzeitig muss es immer noch etwas eingängiges haben, was die Leute im Kopf behalten und im Song nachverfolgen können. Also beide Gesangsstile sind schwierig aus unterschiedlichen Gründen. Ich bin mittlerweile ziemlich gewohnt und geübt im Umgang mit beiden würde ich behaupten. In Bezug auf ALLEGAEON sind die Death Growls einfacher, da ich die einfach mehr mit der Band in den letzten Jahren gebraucht habe.

Metal.de: Ein weiteres Merkmal von euch das euch schon länger begleitet ist der Anteil von klassischer (Akustik)-Gitarre, den Greg mitbringt. Ist das etwas, was in Zukunft vielleicht noch ausgebaut werden könnte, könntet ihr euch so Sachen wie Akustikshows vorstellen oder vielleicht ein Album mit eher klassisch beeinflusster Gitarrenmusik?

Riley: Ich könnte mir das durchaus vorstellen, auch wenn es wahrscheinlich nicht komplett akustisch wäre. Es ist etwas, was wir definitiv schon zusammen als Gruppe besprochen und drüber nachgedacht haben. Es wird wahrscheinlich nicht in Form eines Akustikalbums oder von reinen Akustikshows existieren, aber wir könnten stilistisch vielleicht ein wenig mehr in die Richtung ausholen.

Metal.de: Von einem Produktionsstandpunkt entfernt sich „Damnum“ auch nicht wahnsinnig viel von „Apoptosis“ ihr habt erneut mit Dave Otero zusammen gearbeitet. Habt ihr mittlerweile mit ihm jemand gefunden, der eurer Wunschvorstellung von ALLEGAEONs Sound nahe kommt und mit dem ihr auch in Zukunft weiter zusammen arbeiten wollt?

Riley: Ja, ich denke, dass Dave einen tollen Job geleistet hat, den Vorstellungen unseres Sounds von ALLEGAEON nachzukommen. Besonders toll an Dave ist, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Producern, die ihren speziellen „Stempel“ haben, den vielleicht auch ein Stück weit hat, aber er arbeitet an so vielen unterschiedlichen Musikstilen, dass er eine ganz andere Herangehensweise hat. Er arbeitet mit verrückten Death-Metal-Bands wie uns oder ARCHSPIRE oder CATTLE DECAPITATION zusammen, aber auch eher Stoner bzw. Heavy Metal oder mehr Old-School beeinflussten Bands wie KHEMMIS oder WAKE zusammen.

Ich habe den Eindruck, dass er auf jede Band mit ihren Notwendigkeiten und Sounds individiuell eingeht, denn alle diese gerade aufgeführen Bands haben einen sehr eigenen Sound finde ich, aber sie wurden alle von derselben Person produziert. Mit Dave geht es glaube ich nicht mehr so darum, gemeinsam als Band unseren Sound zu finden, sondern ihm Alben zu präsentieren, die er mit einer neuen Dynamik und interessanten neuen Experimenten als Produzent für uns dann noch weiter veredeln kann.

Metal.de: Was im Hinblick auf ihn online noch lustigerweise zu verfolgen war, ist die Faszination von vielen Bands, auch euch oder KHEMMIS unter anderem, für seinen Hinterkopf. Was hat es damit auf sich? Ist das eine Art Inside-Joke?

Riley: Es ist tatsächlich eine Art Inside-Joke, den wir von ALLEGAEON meine ich sogar gestartet haben. Es müsste zur Zeit der „Apoptosis“-Sessions sogar gewesen sein. Der Grund dafür ist einfach die Art und Weise, wie sein Studio räumlich aufgesetzt ist. Er arbeitet mit dem Kopf nach vorne und hinter ihm ist eine Couch, auf der die Band sitzen kann und dann natürlich konstant einen Blick auf seinen Hinterkopf hat, während er arbeitet. Und wir haben im Scherz dann gesagt, dass wir mehr von seinem Hinterkopf sehen als sein eigentliches Gesicht, das hat dann zu einer lustigen kleinen Facebook-Seite namens „Der Hinterkopf von Dave Otero“ geführt und es hat sich heraus gestellt, dass fast alle anderen Bands mit denen er zusammen aufgenommen hat, das ähnlich sahen. Und so kam der Schneeball ans Rollen (Centurion Meida Vibes intensify – Anm. d. Red.). Dave hasst es, aber wir finden es alle witzig (lacht).

Metal.de: Ich meine ihr seid ja selbst auch keine humorlosen Menschen, egal ob das die lustigen Weihnachtsversionen von WHAM-Songs sind oder Zeug, was ihr für Metal Injection gemacht habt. Momentan habt ihr ja nicht touren können, aber könntest du vielleicht ein paar lustige Momente aus der Vergangenheit teilen?

Riley: Ich meine, Touren mit Michael Stancel ist immer gut. Er ist definitiv der Spaßvogel innerhalb der Band. Nur zum Spaß hat er während einer der Shows das Gerücht in die Welt gesetzt, dass jemand in die Dusche gekackt hätte (De Mortem Et Diabolum 2017 Vibes intensify – Anm. d. Red) und alle haben sich gefragt wer das gewesen sein könnte und die Toilette bzw. den Raum gemieden, ohne selber nachzugucken, bis er selber irgendwann aufgelöst hat, das ihm langweilig war und er das nur so gesagt hätte.

Es ist ständig ein Abenteuer mit ihm gemeinsam auf Tour zu sein. Wir probieren alle locker und leichtherzig zu bleiben. Wir nehmen unsere Musik sehr ernst, uns selber aber nicht sonderlich. Niemand mag super-egoistische, „bigger-than-life“ Musiker, die meinen sie wären etwas besseres, vor allem nicht im Metal, was einfach auch näheren Publikumskontakt hat, selbst mit den großen Bands. Also positiv, freundlich und witzig bleiben, vor allem auf Tour, ist sehr wichtig für uns.

Metal.de: Diese Lebensfreude kommt vor allem bei euren oft witzigen Videos finde ich auch durch. Habt ihr dieses mal beim Komponieren von „Damnum“ irgendwas anders gemacht? Es gibt natürlich immer noch massig brutale Parts und Shred, aber auf mich wirkt es einerseits zugänglicher durch die gestiegenen cleanen, oftmals sehr eingängigen Parts, aber auch sehr viel abwechslungsreicher. War das etwas, was ihr gerade auch im Livekontext im Sinne hattet?

Riley: Nein, ich glaube um den Livekontext haben wir uns überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich glaube, „Damnum“ repräsentiert einfach nur den Reifeprozess von uns als Band und auch Individuen. Wir hören auch privat sehr viel unterschiedliche Musik und haben verschiedenste Interessen, wir probieren uns auch ständig herauszufordern, abseits der ausgetretenen Pfade auf den jeweiligen Instrumenten zu schreiben und ich glaube das ist dieses mal einfach wesentlich präsenter auf „Damnum“. In der Vergangenheit haben wir uns noch oft drüber Gedanken gemacht, ob das auch zu ALLEGAEON passt.

Mit dem neuen Album war mehr die Idee einfach zu schreiben, worauf wir Lust hatten und in der Hinsicht klingt für mich paradoxerweise das neueste Album mehr nach ALLEGAEON als alle anderen Alben davor. Man kann natürlich die Spielweise von Michael und Greg nicht einfach entfernen, es klingt immer noch nach uns, aber es war für uns einfach eine natürliche Erweiterung unseres Sounds. Wir hatten keine festgesteckten Ziele oder Pläne beim Schreiben vom neuen Album im Kopf, es hat sich einfach so ergeben.

Metal.de: Ihr habt auch immer wieder interessante Cover, natürlich gab es die zu RUSH oder auch etwas Klassisches von Bach, habt ihr für spezielle Editionen von „Damnum“ etwas besonderes geplant?

Riley: Nein, aus dem Grund haben wir uns diesmal gegen ein Cover entschieden, wir hatten so viele bereits in der Vergangenheit, wir haben nicht mehr wirklich Bock darauf. Wir wollen uns momentan einfach mehr auf unsere originelle Musik fokussieren, ohne Hörer noch zu verwirren. Denn was wir schreiben und was wir covern ist oft sehr unterschiedlich. In der nahen Zukunft werden wir Cover erst einmal an die Seite stellen. Wer weiß, in ein paar Jahren gibt es vielleicht sogar mal ein Cover-Album oder eine EP, aber momentan ist das nichts, dem wir noch mehr Aufmerksamkeit schenken wollen.

Metal.de: Da ich gerade im Hintergrund von dir das wunderschöne Prinzessin Mononoke-Poster sehe, wäre Filmmusik oder so etwas in der Art interessant für euch? EPICA haben ja etwa auch eine Attack-On-Titan-Ep herausgebracht.

Riley: Für mich persönlich wäre das definitiv etwas, was ich in Erwägung ziehen würde. Ich bin ständig auf der Suche nach kleinen Projekten, wo ich singen oder vielleicht auch ein Instrument spielen kann, also als private Kollaboration könnte ich mir das durchaus vorstellen. Ich bin ein großer Videospiel- und Animefan. Wenn eine solche Kollaboration sich irgendwann mal in Zukunft ergeben würde, sofort.

Ich meine ein paar unserer Labelmates machen das ja auch, BRAND OF SACRIFICE haben Berserk als Vorlage, CAPRA die Dark Souls-Reihe, viele Metalbands sind in den letzten Jahren auf den Zug aufgesprungen und ich finde es cool. Es ist immer gut, Homage für andere Kunst zu zollen. Für ALLEGAEON eher weniger. Wir sind grundsätzlich solchen Dingen nicht abgeneigt, aber ich sehe die Gefahr, irgendwann als „Gimmick-Band“ angesehen zu werden, was wir definitiv nicht sind oder sein wollen.

Es wird irgendwann einfach unoriginell, da man quasi fremde Ideen nimmt und es in ein anderes Medium überträgt. Wir wollen unsere originelle Musik spielen und nicht zur Cover-Band werden. Nichts gegen Bands die diesen Weg gegangen sind oder als Coverbands gestartet sind oder das als Springbrett für ihr eigenes originelles Material verwenden, wie es im Prinzip SHADOW OF INTENT gemacht haben, aber das ist einfach nichts für uns. Wir würden das einfach als Musiker persönlich nicht verwenden wollen und Freizeitdinge quasi in der Freizeit lassen und lieber andere, originelle Dinge in unserer Musik verwenden und darüber zu schreiben.

Metal.de: Ich würde das gar nicht so streng sehen, die „normalen“ Metalbands haben ja auch oftmals sehr thematisch beschränkte, aber oft auch trotzdem ziemlich ergiebige Themen. Die meisten Black oder Power Metal Bands halten Tolkien hoch und auch CANNIBAL CORPSE haben nach all den Jahren immer noch Wege gefunden, über Gore schreiben interessant zu halten. Es kann eine Limitation sein, sich einen thematischen Rahmen und Grenzen zu setzen, kann aber vielleicht auch helfen, die Kreativität neu zu befeuern indem man probiert, das irgendwie frisch zu halten.

Riley: Ja, absolut. Ich meine ALLEGAEON haben das ja selber gemacht mit unserem Fokus auf Wissenschaft. Ich denke es ist wichtig für eine „Themen“-Band, das nicht als Limitierung zu betrachten. Klar, benutze es als Leitlinie für Design, Cover, Texte, was auch immer, aber ich finde wenn man es zu sklavisch nutzt und das Thema MUSS jetzt damit unbedingt in Verbindung stehen oder es MUSS diese Lyrics haben, kann es kreativ auch ganz schnell klaustrophobisch werden.

THE BLACK DAHLIA MURDER ist ein gutes Beispiel, sie haben Horror als grobes Oberthema, aber finden immer noch viele neue Themen über die man schreiben kann und bringen konsistent gute, hochqualitative neue Alben heraus, die keine blossen Kopien sind.

Metal.de: Gibt es hinsichtlich „Damnum“ irgendetwas, was in dieser Hinsicht wichtig ist oder das Leute nicht wissen, es aber sollten?

Riley: Nein, eigentlich nicht wirklich. Wie schon gesagt haben wir uns vom „Wissenschaftsgebiet“ thematisch entfernt, es hat sich für uns fad und nicht wichtig in den momentanen Umständen angefühlt. Das neue Album hat definitiv eine „humanere“ Seite, manche Leute werden das wissen wenn sie es hören, weil sie Promomaterial oder Interviews wie dieses lesen, aber viele werden das vielleicht auch nicht wissen. Und ich denke für beide Personengruppen sollte es eine gute Erfahrung sein. Also eine Überraschung für Leute die uns kennen, aber auch interessant für Leute, die uns vielleicht noch nicht kennen. Viel mehr gibt es eigentlich nicht dazu zu sagen. Wir wollten das Album nur mehr nach „uns“ klingen lassen.

Metal.de: Wie seid ihr einen Song wie „Called Home“ angegangen, in dem es um Suizid euch nahe stehender Personen geht, da ihr dort ja teilweise Originalmaterial wie Zitate aus einem Abschiedsbrief verwendet? Wie kann man die feine Linie zwischen Bewahrung der Würde des Opfers und vielleicht etwas Sensationsheischendem bei so einem delikaten Thema betreten?

Riley: Der Song war hauptsächlich von mir und Greg, bei mir natürlich textlich, Greg musikalisch. Wir haben uns beide im jeweils anderen Bereich aber unterstützt. Wir haben beide über die letzten paar Jahre jeweils uns wichtige Personen an Suizid verloren. Für mich ist es einfach aus mir herausgeflossen, ich musste darüber schreiben um meine Gedanken und Gefühle herauszulassen, für Greg war das nicht notwendigerweise ebenfalls so erforderlich, er hat sich hauptsächlich über die Musik ausgedrückt.

Wenn man jemanden so verliert, fühlt man viele verschiedene Sachen. Natürlich die Trauer über den Verlust, der mit Tod natürlicherweise einher geht, aber auch Schuld, da man sich fragt was man hätte tun können, um das zu verhindern. Dann auch natürlich Ärger über den vermeintlichen Egoismus dieser Person. Es ist ein weites Spektrum von Emotionen, die mit dem Verlust einer geliebten Person einher gehen und ich denke Greg hat es gut geschafft, die musikalisch alle mit einzufangen.

Greg hat mir ein paar Dinge gegeben, die er gerne eingearbeitet sehen wollte, genauer von einer Notiz der Person die er verloren hatte, teilweise auch Dinge die er selber geschrieben hatte und ausdrücken wollte und für mich gab es textlich ebenfalls Gefühle und Gedanken, die ich teilweise von mir selber aber auch aus anderen Quellen genommen habe. Ich habe mich teilweise aus Literatur bedient, die in einer Beziehung mit mir und der Person stand, die ich verloren habe und andere kleine Erinnerungen. Ich glaube der beste Ansatz dazu, solche Themen in einem Song zu verarbeiten, sollte Ehrlichkeit und Authentizität sein.

Es muss nicht aus einer falschen Ebene kommen, aufklärerisch nach dem Motto: Wir haben hier dieses wichtige Thema und ihr solltet euch da alle mit beschäftigen. Wenn man das so angeht, kommt es finde ich aus der falschen Motivation. Für uns war es einfach eine Möglichkeit und Herausforderung, mit uns selber ehrlich zu sein und unsere Gefühle in einer Art und Weise zu konfrontieren, die sich durch diese Verluste ergaben. Ich denke es ist uns ganz gut geglückt. Musikalisch ist es sehr verschieden von unserem normalen Material. Der erste Teil hat für mich ziemliche OPETH-Vibes, die Mittelstrecke ist sehr zurück genommen und das Ende ist ziemlich angepisst, denn so fühlt man sich auch teilweise während des Trauerprozesses.

Metal.de: Da die Touren bisher schon so oft verschoben wurden weiß ich nicht, ob ihr momentan für europäische Termine Voraussagen treffen könnt, in den USA scheint ja wieder einiges anzulaufen. Habt ihr schon genaueres?

Riley: Leider nein, es ist eine sehr flüchtige Situation momentan und wir arbeiten so, dass wir momentan annehmen, dass alle geplanten Touren stattfinden können. Wenn der Zeitpunkt nämlich kommt, müssen wir vorbereitet sein. Also genug geprobt haben, Tickets gebucht und so weiter. Wenn wir also unter der Vorstellung weiter machen, dass wir nicht touren können, die Situation weiterhin schlecht ist und bleibt, kommen wir so auf keinen grünen Zweig.

Was wenn eine als abgesagt geltenden Tour dann doch stattfindet und wir sind nicht vorbereitet? Es ist ja auch organisatorisch keine Kleinigkeit. Es ist trotzdem wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass Touren auch kurzfristig abgesagt werden können. Die Situation ist sehr unterschiedlich je nach Ort. Jedes mal wenn es nach Licht am Ende Tunnels aussieht, kommt was anderes um die Ecke. Es ist natürlich frustrierend, aber ich würde eher für die Gesundheit meiner Fans gesorgt haben, als die Tour durchgezogen zu haben.

Ich war letztes Jahr mega angepisst, nicht touren zu können, ich hatte mich sehr auf die Faces Of Death Tour gefreut und Europa ist generell eine unserer liebsten Touring-Stationen, wir lieben es dort zu spielen, aber auch die Städte zu sehen. Aber dann kam Omikron, Grenzen wurden geschlossen und ich bin mittlerweile dankbar, dass wir nicht touren konnten. Stell dir vor wir wären getourt und dann eingeschlossen, könnten nirgendwo ein oder ausreisen, das wäre ein Albtraum gewesen. Also bin ich dankbar dafür, dass Leute eher die richtigen Schlüsse aus den Erwartungen gezogen haben und das jetzt, vielleicht auch um ein weiteres Jahr, verschoben haben. Lieber sicher und geplant, als ständig sich ändernd, was neue Probleme mit sich bringt.

Metal.de: Was wäre ein Tourpackage, was ihr gerne noch spielen wollen würdet? Vielleicht auch für musikalische Kollaborationen?

Riley: Es gibt Tonnen von Bands mit denen ich gerne touren wollen würde. Ich bin ein großer Fan von SHADOW OF INTENT, der Sänger Johann von OPHIDIAN I lebt sogar ziemlich bei mir in der Nähe in San Diego, Kalifornien und mit ihm hab ich auch schon gesprochen und abgehangen.

ARCHSPIRE sind Kollegen die wir schon lange kennen, mit denen wir aber tatsächlich noch nicht gemeinsam getour haben, deshalb bin ich mega happy, dass nun auf dieser Tour nachholen zu können. Ich hab auch Dean für eine Interviewserie bereits gesprochen, er hat für seine „4 Levels Of Death Metal“-Reihe letztens noch ALLEGAEON-Songs gelernt, also es gibt schon Crossover zwischen uns. Es gibt unzählige mehr, aber das sind vermutlich momentan meine Top 3.

Metal.de: Daumen gedrückt, dass das Package dann demnächst auch stattfinden kann, danke dir für deine Zeit und viel Erfolg mit Tour und Album.

Quelle: Zoom-Interview mit Riley McShaneAllegaeon,
18.01.2022
Exit mobile version