Allegaeon
"Ich glaube der beste Ansatz dazu, solche Themen in einem Song zu verarbeiten, sollte Ehrlichkeit und Authentizität sein"

Interview

 

Metal.de: Die letzten Alben hatten bereits ja cleanen Gesang von dir, aber gefühlt ist der Anteil auf dem neuen Album noch einmal deutlich ausgebaut. Hast du davor oder dafür eigentlich Unterricht genommen und was ist eigentlich schwieriger beim Schreiben und Aufnehmen, Growls oder die Gesangsmelodien?

Riley: Ich singe schon sehr lange, länger als ich tatsächlich screame und growle, also das war eigentlich da, bevor ich überhaupt mit Metal gestartet bin. Ich bin der jüngste von fünf Geschwistern, mein Bruder ist fünfzehn Jahre älter als ich und er ist auch ein Musiker. Mit ihm habe ich Harmonien von THE BEATLES oder ALICE IN CHAINS-Songs gelernt als ich noch sehr jung war, vielleicht fünf Jahre. Und von da an war Singen etwas, was ich ständig getan habe und was Teil meines Lebens war.

Ich hab meine erste Metal-Band während der High-School gefunden und da Screamen gelernt, da war ich vielleicht um die vierzehn Jahre alt. Ich werde nächstes Jahr vierunddreissig, also screame ich erst seit etwa zwanzig Jahren, aber singe beinahe mein ganzes Leben schon. Es ist also etwas, was ich schon die ganze Zeit habe und kann, aber bislang fühlte sich Singen in der Musik die ich heute mache oder auch bei älteren Bandprojekten einfach nie richtig an.

Das waren einfach eher an Death Metal orientierte Sachen und man möchte dann Gesang dazu haben, der möglichst gut passt, also eher Screams und Growls. Auf „Damnum“ gab es einfach mehr musikalische Strecken, wo ich cleane Passagen für wesentlich geeigneter hielt. Also ich konnte von den Fähigkeiten schon immer singen, aber wir sind auch im kollaborativen Prozess jetzt beim neuen Album auch erstmals überein gekommen, dass mehr Platz für cleane Parts in die Musik Einzug erhalten soll.

Was die Frage nach der Schwierigkeit angeht, beides ist schwer, aber sie beanspruchen andere Dinge. Es ist schwer, diese Gesangsstile miteinander zu vergleichen. Death Metal-Vocals sind mehr „perkussiv“ nach meinem Empfinden, es ist mehr rhythmisch, da es keine Melodie gibt. Man muss mehr am Timing arbeiten, damit es zum Rest des Songs passt.

Mit cleanen Vocals ist es das Gegenteil, man braucht eine Melodie die zu dem Rest der Melodien, also von Gitarre oder Synthies, passt und die nicht einfach nur diese kopiert, sondern eigenständig ist und den Rest der Musik komplementiert. Gleichzeitig muss es immer noch etwas eingängiges haben, was die Leute im Kopf behalten und im Song nachverfolgen können. Also beide Gesangsstile sind schwierig aus unterschiedlichen Gründen. Ich bin mittlerweile ziemlich gewohnt und geübt im Umgang mit beiden würde ich behaupten. In Bezug auf ALLEGAEON sind die Death Growls einfacher, da ich die einfach mehr mit der Band in den letzten Jahren gebraucht habe.

Metal.de: Ein weiteres Merkmal von euch das euch schon länger begleitet ist der Anteil von klassischer (Akustik)-Gitarre, den Greg mitbringt. Ist das etwas, was in Zukunft vielleicht noch ausgebaut werden könnte, könntet ihr euch so Sachen wie Akustikshows vorstellen oder vielleicht ein Album mit eher klassisch beeinflusster Gitarrenmusik?

Riley: Ich könnte mir das durchaus vorstellen, auch wenn es wahrscheinlich nicht komplett akustisch wäre. Es ist etwas, was wir definitiv schon zusammen als Gruppe besprochen und drüber nachgedacht haben. Es wird wahrscheinlich nicht in Form eines Akustikalbums oder von reinen Akustikshows existieren, aber wir könnten stilistisch vielleicht ein wenig mehr in die Richtung ausholen.

Metal.de: Von einem Produktionsstandpunkt entfernt sich „Damnum“ auch nicht wahnsinnig viel von „Apoptosis“ ihr habt erneut mit Dave Otero zusammen gearbeitet. Habt ihr mittlerweile mit ihm jemand gefunden, der eurer Wunschvorstellung von ALLEGAEONs Sound nahe kommt und mit dem ihr auch in Zukunft weiter zusammen arbeiten wollt?

Riley: Ja, ich denke, dass Dave einen tollen Job geleistet hat, den Vorstellungen unseres Sounds von ALLEGAEON nachzukommen. Besonders toll an Dave ist, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Producern, die ihren speziellen „Stempel“ haben, den vielleicht auch ein Stück weit hat, aber er arbeitet an so vielen unterschiedlichen Musikstilen, dass er eine ganz andere Herangehensweise hat. Er arbeitet mit verrückten Death-Metal-Bands wie uns oder ARCHSPIRE oder CATTLE DECAPITATION zusammen, aber auch eher Stoner bzw. Heavy Metal oder mehr Old-School beeinflussten Bands wie KHEMMIS oder WAKE zusammen.

Ich habe den Eindruck, dass er auf jede Band mit ihren Notwendigkeiten und Sounds individiuell eingeht, denn alle diese gerade aufgeführen Bands haben einen sehr eigenen Sound finde ich, aber sie wurden alle von derselben Person produziert. Mit Dave geht es glaube ich nicht mehr so darum, gemeinsam als Band unseren Sound zu finden, sondern ihm Alben zu präsentieren, die er mit einer neuen Dynamik und interessanten neuen Experimenten als Produzent für uns dann noch weiter veredeln kann.

Metal.de: Was im Hinblick auf ihn online noch lustigerweise zu verfolgen war, ist die Faszination von vielen Bands, auch euch oder KHEMMIS unter anderem, für seinen Hinterkopf. Was hat es damit auf sich? Ist das eine Art Inside-Joke?

Riley: Es ist tatsächlich eine Art Inside-Joke, den wir von ALLEGAEON meine ich sogar gestartet haben. Es müsste zur Zeit der „Apoptosis“-Sessions sogar gewesen sein. Der Grund dafür ist einfach die Art und Weise, wie sein Studio räumlich aufgesetzt ist. Er arbeitet mit dem Kopf nach vorne und hinter ihm ist eine Couch, auf der die Band sitzen kann und dann natürlich konstant einen Blick auf seinen Hinterkopf hat, während er arbeitet. Und wir haben im Scherz dann gesagt, dass wir mehr von seinem Hinterkopf sehen als sein eigentliches Gesicht, das hat dann zu einer lustigen kleinen Facebook-Seite namens „Der Hinterkopf von Dave Otero“ geführt und es hat sich heraus gestellt, dass fast alle anderen Bands mit denen er zusammen aufgenommen hat, das ähnlich sahen. Und so kam der Schneeball ans Rollen (Centurion Meida Vibes intensify – Anm. d. Red.). Dave hasst es, aber wir finden es alle witzig (lacht).

Metal.de: Ich meine ihr seid ja selbst auch keine humorlosen Menschen, egal ob das die lustigen Weihnachtsversionen von WHAM-Songs sind oder Zeug, was ihr für Metal Injection gemacht habt. Momentan habt ihr ja nicht touren können, aber könntest du vielleicht ein paar lustige Momente aus der Vergangenheit teilen?

Riley: Ich meine, Touren mit Michael Stancel ist immer gut. Er ist definitiv der Spaßvogel innerhalb der Band. Nur zum Spaß hat er während einer der Shows das Gerücht in die Welt gesetzt, dass jemand in die Dusche gekackt hätte (De Mortem Et Diabolum 2017 Vibes intensify – Anm. d. Red) und alle haben sich gefragt wer das gewesen sein könnte und die Toilette bzw. den Raum gemieden, ohne selber nachzugucken, bis er selber irgendwann aufgelöst hat, das ihm langweilig war und er das nur so gesagt hätte.

Es ist ständig ein Abenteuer mit ihm gemeinsam auf Tour zu sein. Wir probieren alle locker und leichtherzig zu bleiben. Wir nehmen unsere Musik sehr ernst, uns selber aber nicht sonderlich. Niemand mag super-egoistische, „bigger-than-life“ Musiker, die meinen sie wären etwas besseres, vor allem nicht im Metal, was einfach auch näheren Publikumskontakt hat, selbst mit den großen Bands. Also positiv, freundlich und witzig bleiben, vor allem auf Tour, ist sehr wichtig für uns.

Metal.de: Diese Lebensfreude kommt vor allem bei euren oft witzigen Videos finde ich auch durch. Habt ihr dieses mal beim Komponieren von „Damnum“ irgendwas anders gemacht? Es gibt natürlich immer noch massig brutale Parts und Shred, aber auf mich wirkt es einerseits zugänglicher durch die gestiegenen cleanen, oftmals sehr eingängigen Parts, aber auch sehr viel abwechslungsreicher. War das etwas, was ihr gerade auch im Livekontext im Sinne hattet?

Riley: Nein, ich glaube um den Livekontext haben wir uns überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich glaube, „Damnum“ repräsentiert einfach nur den Reifeprozess von uns als Band und auch Individuen. Wir hören auch privat sehr viel unterschiedliche Musik und haben verschiedenste Interessen, wir probieren uns auch ständig herauszufordern, abseits der ausgetretenen Pfade auf den jeweiligen Instrumenten zu schreiben und ich glaube das ist dieses mal einfach wesentlich präsenter auf „Damnum“. In der Vergangenheit haben wir uns noch oft drüber Gedanken gemacht, ob das auch zu ALLEGAEON passt.

Mit dem neuen Album war mehr die Idee einfach zu schreiben, worauf wir Lust hatten und in der Hinsicht klingt für mich paradoxerweise das neueste Album mehr nach ALLEGAEON als alle anderen Alben davor. Man kann natürlich die Spielweise von Michael und Greg nicht einfach entfernen, es klingt immer noch nach uns, aber es war für uns einfach eine natürliche Erweiterung unseres Sounds. Wir hatten keine festgesteckten Ziele oder Pläne beim Schreiben vom neuen Album im Kopf, es hat sich einfach so ergeben.

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Quelle: Zoom-Interview mit Riley McShaneAllegaeon,
18.01.2022

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