Stephan Ahlers-Möller
"Diese Struktur des "Self-Publishings" bieten mir nur die großen Konzerne"
Interview
Ok, ich wollte nur wissen, ob du beides gewollt mit drin hast, es gibt ja auch Bücher oder Filme die nur über Suspense oder Anteasern wirken und diese lassen etwa Gewalt bewusst aus. Hier ist ja beides durchaus vorhanden.
Ja, ich wollte beides auf jeden Fall mit drin haben. Ich finde die Achtziger-Sachen von Lucio Fulci etwa bei Filmen – „Haus an der Friedhofsmauer“ als Beispiel hier genannt – sehr brutal, aber gleichzeitig auch atmosphärisch und mir gefällt die Art, wie Splatter mit mysteriösen und hintergründigen Dingen kombiniert wird. Das wollte ich beides ein wenig reinbringen.
Was das Setting angeht, warum akademische, deutsche Protagonistin, Naturwissenschaftlerin? Die Geschichte hätte ja auch von einem kanadischen Einwohner geschildert werden können?
Ja, ursprünglich war es sogar so angedacht, ich hatte vor die Perspektive des Sheriffs zu verwenden, aber das wäre mir zu sehr in Richtung Krimianteile gerutscht und auch die Tochter spielt mittlerweile nur noch eine marginale Nebenrolle im Buch, war ursprünglich aber wesentlich ausgearbeiteter. Am besten funktioniert Horror aber, wenn ein Aussenseiter-Charakter quasi gemeinsam mit dem Leser die Story erleben kann und die Stadt kennen lernt.
Da lag es für mich nahe, eine deutsche Protagonistin zu nehmen, da ich da natürlich auch am meisten weiß und das hat mir auch die Gelegenheit gegeben, die Erlebnisse oder auch den kanadischen Schauplatz quasi aus deutscher Sicht kommentieren zu können. Vieles davon ist allerdings auch wieder rausgeflogen und gar nicht mehr in der jetzigen veröffentlichten Fassung enthalten. Aber das war die Idee dahinter. Eine Naturwissenschaftlerin als Protagonistin bot sich auch beim Thema an.
Was das Schreiben selbst angeht, hattest du bereits eine grobe Rahmenhandlung und hast dich daran entlang gehangelt, dann angefangen zu recherchieren oder standen erst die Recherchen, etwa zum Yukon-Territorium, auf die du dann die Geschichte aufgebaut hast?
Auf Kanada, genauer das Yukon-Territorium, bin ich recht früh gekommen. Ich weiß gar nicht mehr, wie genau ich dazu gekommen bin, ehrlich gesagt. Ich hatte nur gelesen, dass es dieses riesige, zivilisatorisch ziemlich verlassene Gebiet in Kanada an der Grenze zu den USA gab das im Eis liegt. Das bot sich für das Setting perfekt an, da es dort tatsächlich Dörfer gibt, die im Winter Wochen oder Monate auf sich allein gestellt sind. Da bin ich relativ früh drauf gestossen, da das Setting von Anfang an fest stand.
Die naturwissenschaftliche Seite der Story habe ich mir während dem Schreiben ein wenig angeeignet. Ganz fremd war mir das nicht. Grundlegende Kenntnisse hatte ich vor dem Schreiben und ein, zwei Dinge habe ich während dem Schreiben nachrecherchiert. Grundsätzlich mache ich mir während dem Schreiben grobe Eckpunkte der Handlung, anhand derer ich den Verlauf der Geschichte und die Entwicklung der Figuren nachvollziehen kann, der Rest entsteht beim Schreiben. Das ist einfach hilfreich. Wenn man beim Schreiben mal festhängt hat man einen Punkt, auf den man hin arbeiten kann.
Arbeitest du alleine oder schickst du während des Prozesses Iterationen des Skripts an Freunde und Familie für Feedback raus?
Nein, eigentlich nicht. Ich schreibe alleine, erst die Rohfassung. Die ist meist noch sehr chaotisch und wüst und wird mindestens zweimal überarbeitet. Einmal um grob Geschichte und Figuren zu zeichnen und im Zweiten um Dinge einzukürzen, Dialoge zu schleifen und so weiter. Ich tendiere furchtbar dazu, zu labern. Wenn ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, kommen da irre lange Monologe bei heraus. Da kann meist viel gekürzt werden. Danach bin ich an einem Punkt , wo ich das an Freunde und meine Frau raus geben, da kommen dann Anmerkungen zurück, die ich einarbeite. Dann kommt noch einmal ein sprachlicher Feinschliff und dann geht es an den Lektor. So war zumindest bisher meine Vorgehensweise.
Jetzt bist du ja ein selbstverlegender Autor. Was sind Vor- und Nachteile davon?
Ein Vorteil ist ganz klar, dass ich die alleinige Kontrolle habe. Ich muss mich an keinen Verlag anbiedern, damit der das rausbringt, wobei anbiedern da das falsche Wort oder zu hart ist. Ich muss keine Eingeständnisse machen oder irgendwas anpassen. Ich kann schneller veröffentlichen. Mein nächstes Buch kommt im Juli, über den klassischen Verlagsweg wäre das kaum möglich gewesen. Man muss schon den Bekanntheitsgrad eines Stephen King oder ähnliches haben, damit ein Verlag überhaupt in Erwägung zieht, zwei Bücher eines Autoren pro Jahr auf den Markt zu bringen, zumindest bei den großen Verlagen.
Der Nachteil ist, dass wirklich alles an einem hängen bleibt. Also ich darf alles selbst machen, aber ich muss auch alles selbst machen. Und was ich davon nicht kann, muss ich an andere Leute geben und bezahlen. Also etwa Lektorat oder Coverartwork, das kann ich nicht selbst leisten. Das geht natürlich vom Ertrag ab, aber die Freiheit ist mir das wert.
Wäre es zu weit hergeholt, da Parallellen zur Musikindudstrie zu ziehen? Musiker mit starkem Label im Rücken sind wahrscheinlich besser vernetzt, geben aber natürlich auch Kontrolle aus den Händen, haben Verträge und so weiter. Leute, die ihre Musik selbst rausbringen, haben mehr Arbeit und weniger Möglichkeiten, sind aber auch unabhängig. Ähnlich wird es, denke ich, im Verlagswesen sein. Was ist der schwierigste Aspekt dabei, Bücher selbst rauszubringen?
Stephan: Hm, schwer… ich würde sagen das schwierigste ist, Leute zu erreichen. Das mein ich tatsächlich in Bezug auf Werbung und Marketing. Und das fängt im besten Fall eben nicht damit an, Facebook oder Instagram für Werbeschalten Unmengen an Geld in den Rachen zu werfen. Über eine gewisse Blase herauszukommen, die sich mit Horror-Romanen oder Büchern befasst, ist sehr schwer, habe ich festgestellt. Da bin ich momentan noch ein wenig am Arbeiten und Ausprobieren, Leute ausserhalb davon zu erreichen. Also der Start des Buches war so weit gut, ich bin da sehr zufrieden. Über gewisse Hashtags oder so erreicht man Hardcorefans, die nach dem Lesen weiter informiert bleiben wollen und einem folgen, aber eben auch nicht mehr. Und ich habe es noch nicht geschafft, über diesen Kreis heraus zu kommen.
Also das Interesse zu behalten ist das Schwierige? Welche Rolle spielen die sozialen Medien dabei? Helfen Hashtags, Teilen und so weiter tatsächlich oder ist das alles nur Augenwischerei?
Ich habe den Eindruck, dass auf Instagram tatsächlich die Vernetzung und Interaktion hilft. Facebook ist ziemlich tot, was das angeht. Bei Instagram habe ich das Gefühl, Leute noch ohne Unmengen an Geld herein zu stecken erreichen zu können. Auf Facebook bringt dir das ohne Werbe-Schalte kaum organische Reichweite. Das ist auf Instagram einfacher, aber wie bereits gesagt, auch nur innerhalb einer gewissen Blase. Bei beiden ist es schwer, über eine Bubble hinaus Leute zu erreichen, aber bei Instagram bringt Vernetzung gefühlt noch ein wenig was.
Welche Rolle spielt das Internet für Autoren wie dich für die Möglichkeit zum selbst publizieren, aber auch Austausch mit anderen Autoren, dem Lernen des Handwerks und so weiter?
Eine sehr große Rolle. Dass es überhaupt so ein Szene an kleinen Autoren gibt, in Deutschland, aber natürlich auch im englischsprachigen Bereich, Frankreich glaube ich auch, die einigermaßen erfolgreich Bücher herausbringen, ohne auf die großen Verlage als Gatekeeper angewiesen zu sein, hätte es früher nicht als Option gegeben. In der wissenschaftlichen Welt gab es gewissermaßen die Selbstpublikation schon, Belletristik eher nicht, das gab es vielleicht, war aber total verschrien. Heute ist das vollkommen anders.
Es gibt eine Szene von eigenständigen Autoren, die sehr gut miteinander vernetzt sind und auch die ganzen Strukturen im Netz sind dafür prädestiniert, da hilfreich zu sein. Ohne Amazon oder die Konkurrenz im deutschsprachigen Raum, also Plattformen von Thalia, Hugendubel, Weltbild und noch weitere, wäre es nicht möglich, digital Bücher unter die Leute zu bringen. Das mag man alles pessimistischer sehen mit diesen großen Firmen, ich weiß. Aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass sich der Buchmarkt damit im positiven Sinne liberalisiert hat. Weil die Torwächterfunktion der Verlage und Agenturen dadurch ein Stück weit wegfällt.
Das ist natürlich super für Autoren, andererseits haben diese Firmen als Plattformen eben so auch eine monopolistische, marktbeherrschende Stellung inne, was die ganze Sache natürlich ein wenig zwiespältig macht, wobei das auch nicht allzu politisch abdriften soll hier.
Auch wenn mein E-Book exklusiv bei Amazon erscheint, bin ich ebenfalls kein großer Fan von Jeff Bezos. Ich wäre mit Freude zu einem Verband der deutschen Kleinbuchhändler oder so etwas gegangen, wenn die mir eine solche Plattform anbieten könnten, aber so etwas gibt es nun einmal einfach nicht. Natürlich sehe ich die Gefahr für den stationären Buchhandel, den ich auch sehr mag und irgendwie unterstützen möchte, aber dort hätte ich mein Buch zumindest noch nicht jetzt veröffentlichen können. Gäbe es nur diese Form des Buchhandels, hätte ich locker noch ein bis zwei Jahre Verlage und Agenturen abklappern müssen, ehe das Buch eine Chance auf Veröffentlichung überhaupt gehabt hätte. Ich sehe ein wenig Parallelen zur Musikindustrie Anfang der 2000er mit Napster und Co.
Es wurde viel auf Verbraucher geschimpft, die keine CDs mehr kaufen und sich illegal Musik herunterladen. Mittlerweile zeigt die Zeit, dass Verbraucher durchaus willens sind, auch für digitale Inhalte Geld zu bezahlen, man es den Leuten aber auch anbieten muss. Und das haben eben damals hauptsächlich Amazon und andere grosse Konzerne getan, während die deutschen Händler es mal wieder ein wenig verpennt haben. Es ist tatsächlich ein zweischneidiges Schwert, aber ich wage mal die Behauptung, wenn es das Modell nicht gäbe hätte es „Aus dem Eis“ frühestens in zwei bis drei Jahren auf dem heimischen Markt gegeben. Und diese Struktur des Self-Publishings, die ich nun nutzen kann, bieten mir eben nur die großen Konzerne.
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