Varg
Wenn Wölfe auf Wikinger treffen

Interview

Das neue Album „Zeichen“ soll ein Neuanfang für VARG sein. Was das für neue und alte Fans bedeutet, welche Trademarks erhalten bleiben und welche gehen mussten, das erfahrt ihr in unserem Interview mit Bandleader Freki.

Jannik Kleemann führte dieses Interview für metal.de.

Wie kam es zu dem Reboot der Band und was dürfen wir uns genau unter dem Begriff „Reboot“ vorstellen? Was darf man von VARG 2020 erwarten?

Ein Reboot ist ja, wenn du zum Ursprung zurück gehst und eine ähnlichen, aber etwas anderen Pfad einschlägst. Das ist das, was wir gemacht haben. Wir haben uns auf unsere Wurzeln besonnen, die im Pagan Metal liegen. Wir sind zurück zu unserem „Wolfszeit“-Album gegangen, haben das noch einmal neu aufgenommen, um einen Grundstein zu legen für den neuen Pfad, den wir gehen wollen. Wir haben in unserer Karriere viel herumprobiert mit verschiedenen Stilen und waren auch lyrisch teilweise ins Moderne abgedriftet.

Jetzt sind Fenrir und ich als Bandgründer verblieben nach dem Line-Up-Wechsel und haben überlegt, was wir machen wollen. So haben wir uns entschieden, unseren eigenen Weg noch einmal neu zu schreiben und der ist jetzt etwas authentischer und lyrisch wie optisch voll fokussiert auf die Ära der Wikinger und ihre Sagen. Wir haben unsere Optik weg vom TURISAS-Corpsepaint hin zu einem authentischeren Warpaint verändert. Bei der Musik kann man die klaren VARG-Melodien noch erkennen.

Jedes Album der Bandgeschichte hatte bisher irgendeinen Bezug zur Wolfsthematik, z. B. durch einen Song. Hat sich das mit dem Reboot nun auch verändert?

Die Thematik ist noch da, aber nicht mehr so im Vordergrund, zum Beispiel kommen sie im Song „Schildwall“ noch vor. Es ist aber vor allem optisch noch Thema, denn die Rune unseres neuen Albumcovers ist unsere sogenannte „Wolfsrune“. Es ist eine Bindrune, was bedeutet, dass man mehrere Runen übereinander legt. Wenn man die Runen für W, die eher wie ein P aussieht, O, L und F übereinander legt, bekommst du diese Bindrune, die so in der Art unser neues Bandlogo zusätzlich zum Schriftzug ist. Wir legen den Wolfskult nicht wirklich ab, haben aber versucht, ihn authentischer einzubinden.

Erkläre doch bitte einmal das Konzept des neuen Albums. Mit der Geschichte der Wikinger haben sich ja nun schon einige Bands befasst.

Der erste Song „793“ beschreibt das Jahr 793, in dem die Wikinger das erste Mal nachgewiesen in der Weltgeschichte auftauchen, als sie das Kloster Lindisfarne (Nordostengland) plündern. Damit beginnt unser Album. Wir holen den Hörer zurück in das Jahr 793, beziehen uns aber nicht auf den Angriff von Lindisfarne selbst, sondern wirklich auf den Start der Wikingerära und das Streben, etwas Neues zu entdecken. Wir versuchen weniger, Geschichten zu erzählen, die schon 100 Mal erzählt wurden, sondern eher die Mythen und Gefühlswelten der Wikinger so darzustellen, wie sie damals stattgefunden haben. Das ganze Album geht von vorne bis hinten um diese Ära mit den Gedanken und Geschichten der Wikinger.

Wie kam es zu der gesanglichen Veränderung? Neben den bekannten, keifenden Screams verwendest du auch deutlich mehr Growls im AMON-AMARTH-Stil, stellenweise sogar klar-gesprochenen Gesang und mit Fylgja habt ihr nun auch eine Sängerin dabei.

Die Fylgia hat bereits das Outro der „Wolfszeit II“ eingesungen („Weltenbrand“) und das hat uns so gut gefallen, dass wir das auf der letzten Tour als Intro eingebaut haben. Sie hat das live gesungen und das hat super gepasst. Es hat einfach keiner damit gerechnet. Die Besucher*innen haben gedacht, sie gehen auf ein VARG-Konzert und da kommen jetzt diese vier bärtigen Typen raus und dann kommt aber eine Walküre auf die Bühne und singt mit ihrer klassischen Stimme etwas. Das hat den Grundstein gelegt, dass wir gesagt haben, dass wir das gerne auf dem Album einbauen wollen.

Was die Growls angeht, habe ich mir erst zu dem „Wolfszeit II“-Album angefangen, ein paar Growls anzueignen und als wir dann für „Zeichen“ im Studio waren, habe ich gedacht, ich doppel viele Sachen einfach mit tiefer Stimme. Da hat mir tiefe Stimme so gut gefallen, dass wir es gewagt haben, die klassischen Screams an vieler Stelle einfach wegzulassen und nur die tiefe Stimme zu benutzen. Dadurch haben wir auch mehr Möglichkeiten, uns gesanglich auszudrücken. Es ist auch live cool, abwechslungsreicher auftreten zu können.

Fylgja ist von euch als neues Bandmitglied vorgestellt worden. Inwiefern fügt sie sich, neben den Vocals, zu euch in die Band ein? Wird sie in der Zukunft gar einen größeren Gesangspart übernehmen?

Fylgia ist in der nordischen Mythologie sehr verwurzelt und geschichtlich daran sehr interessiert und sie kümmert sich neben den paar Gesangsparts auch noch um das lyrische Gesamtkonzept und auch generell für die Neuasrichtung der Band verantwortlich, sodass das alles authentisch ist, was man in den Videos sieht. Du musst sie nicht in jedem Song dabei haben, aber trotzdem ist sie bei jedem Song hinter den Kulissen dabei. Es wird künftig wieder Lieder mit ihr geben, allerdings auch Lieder ohne sie, sodass wir zwischen harten und melodischen Songs eine gute Mischung haben.

Auf eurer Bonus-CD arbeitet ihr mit einigen Gastmusikern zusammen und auch mit dem YouTuber Alexander Prinz (Der dunkle Parabelritter). Ich habe noch in Erinnerung, er wäre kein großer Fan der Band, warum wirkt er nun auf eurem Album mit?

Er war am Anfang seiner Metal-Karriere großer VARG-Fan, aber dann hat ihm nicht mehr so gefallen, wie wir uns entwickelt haben. Es war aber dann auch so, dass seine Zielgruppe viele VARG-Fans beinhaltete. Es war also eine Art Hassliebe, er hat uns zwar erwähnt, fand uns aber nicht mehr so gut. Dann hatte er die Idee zu dem „Alle hassen VARG“-Video und hat uns gefragt, ob wir das machen wollen. Da haben wir ihn zu einer Show nach Leipzig eingeladen und dann haben wir uns super gut verstanden. Ich glaube, wir wussten beide nicht so, was da auf uns zu kommt und hatten ganz andere Erwartungen. Letzten Endes ist es so, dass unser Schlagzeuger und er jetzt quasi beste Freunde geworden sind, sie waren sogar zusammen im Urlaub in Irland. Ich denke, dadurch, dass er uns nun persönlich kennengelernt hat, hat sein Verhältnis zu VARG verändert und auch, dass wir nun zu den Anfangszeiten zurückgekehrt sind, was ihm gut gefällt. Da hat unser Schlagzeuger gefragt, ob er sich nicht auch mal gesanglich ausprobieren möchte und da ihm der Song gefällt, kam es so zu der Zusammenarbeit.

Zum Thema Liveauftritte: Wenn Bands sich rebooten, lassen sie oft das Material vor dem Reboot aus ihren Setlisten raus. Bedeutet das für die Fans nun, dass sie auf Songs wie „Rotkäppchen“ live in Zukunft verzichten müssen?

Also mit „Rotkäppchen“ hast du vermutlich den einzigen Titel angesprochen, auf den die Leute in Zukunft verzichten müssen. Der Song hat nicht so richtig in unser Konzept gepasst, deswegen war er auf der „Wolfskult“ ja auch nur auf der Bonus-CD drauf. Es ist ein sehr starker Song mit starken Melodien, aber der passt tatsächlich nicht mehr ins Image. Wir haben ihn auch schon drei Jahre nicht mehr gespielt.

Ansonsten kann man aber ein Best-Of aus allen Alben erwarten. Natürlich legen wir den Fokus extrem auf die Wikinger-Songs, also auf die ersten drei Alben und unser neues Album, aber du wirst trotzdem Songs wie „Guten Tag“ oder „Achtung!“ noch live sehen.

Wäre, angesichts der aktuellen Pandemie, ein Konzert im Livestream für euch auch denkbar oder ist zum Release etwas anderes geplant?

Wir kämpfen dafür, live spielen zu können. Wir haben vor vier Wochen eine Open-Air-Show gespielt, die eigentlich als Indoor-Show geplant war. Es war eins der sehr wenigen Abstandskonzerte, die bisher im Metalbereich in Deutschland überhaupt stattgefunden haben. Es war limitiert auf 500 Personen auf einem Areal, auf dem sonst 3000 Platz gefunden hätten. Die haben tatsächlich für uns und ASENBLUT als Support das ganze Programm aufgefahren, mit Aggregat, Bühne, Absperrungen und so weiter. Die Leute haben das sehr dankbar angenommen.

Ich finde, in dieser Pandemiezeit ist es sehr wichtig, den Fans irgendwas zu bieten. Deswegen machen viele vielleicht diese Livestream-Konzerte, aber das ist nicht dasselbe wie ein Livekonzert.
Genau so ist neue Musik wichtig. Viele Bands haben wegen fehlender Promo-Möglichkeiten sich zum Verschieben ihres Albumreleases entschlossen, aber wir haben gesagt, egal ob wir live spielen können oder nicht, werden wir unser Album veröffentlichen. Die Leute haben es verdient, etwas Neues zu hören. Wir hoffen natürlich, bald wieder live spielen zu können, denn irgendwann muss es ja irgendwie wieder funktionieren.

Zum Abschluss eine Anekdote: ihr wurdet einst als „MANOWAR-ONKELZ“ des Viking-Metals bezeichnet. Das neue Album lässt davon aber nichts mehr spüren. Mission geglückt oder waren die Vergleiche mit solchen Bands sowieso unverständlich?

Die Mission ist auf jeden Fall geglückt, dass man auf dem neuen Album nichts mehr hört, denn von diesem Stil sind wir absolut weg. Der MANOWAR-Vergleich rührt vermutlich von den Texten her. Wir sind mit VARG ja schon immer sehr martialisch gewesen, gerade auf den ersten Alben und haben den Dicken raushängen lassen und das machen MANOWAR halt auch. Auf „Zeichen“ haben wir das komplett reduziert.

Der ONKELZ-Touch, der uns angedichtet wird, kommt weniger daher, dass wir musikalisch was mit den ONKELZ gemeinsam haben, sondern daher, dass wir mit den vergangenen Alben sehr gespaltene Reaktionen hervorgerufen haben. Es gab entweder VARG-Fans oder VARG-Hasser. Und das ist wahrscheinlich das, was mit den ONKELZ in Verbindung gebracht wurde.

Quelle: Interview mit Freki
22.09.2020

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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