Tom Morello
Seine Mission: Die Rettung der E-Gitarre!
Interview
Demnächst veröffentlicht der aus Funk, Fernsehen und Bands wie RAGE AGAINST THE MACHINE und AUDIOSLAVE bekannte Gitarrist, den nächsten Teil seines Solo-Projekts unter dem Titel “The Atlas Underground Fire”. Auch dieses Mal hat TOM MORELLO eine illustre Schar an Künstler:Innen um sich versammelt, um ein individuelles Stück Musik zu produzieren. Wir sprachen mit ihm über den Highway To Hell, seine unerwartete Freundschaft zum Redneck TED NUGENT, sein Schaffen in BRUCE SPRINGSTEENs E-STREET BAND und vieles mehr…
Hey Tom, wie geht´s?
Danke, gut. Und bei Dir auch alles klar?
Alles gut, danke. Lass uns mal über das AC/DC-Cover zu “Highway To Hell” sprechen. Wie kam es, dass Du Eddie Vedder und Bruce Springsteen dafür gewinnen konntest?
Oh – ich erzähle Dir die ganze Geschichte! Als ich mit der E-STREET BAND in Australien auf Tour war, spielten wir auch in Perth. Das ist bekanntlich die Geburtsstätte von Bon Scott. Als ich eines Abends sein Grab aufsuchen wollte, konnte ich es zunächst nicht finden. Es war 23 Uhr und das Grab nicht gekennzeichnet. Man konnte es unmöglich finden. Und dann, mitten in der Nacht auf dem Friedhof, kam ein Motorrad aus dem Nebel. Darauf saß ein Typ mit Army-Helm auf dem Kopf. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: “I don´t give a shit. But if I did, you´re the one I´d give it to.” Also dachte ich, der Junge weiß bestimmt wo Bon Scotts Grab zu finden ist. Und so war es dann auch.
Als ich zurück ins Hotel kam traf ich Bruce und fragte ihn: “Denkst Du, das die E-STREET BAND und AC/DC etwas gemeinsam haben könnten?” Und er: “Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, aber ich werde es nachher tun.” Und so haben wir “Highway To Hell” während des Soundchecks geprobt. Als wir in Melbourne in einer Football-Arena mit einem Fassungsvermögen von 80.000 Menschen ankamen, war auch Eddie Vedder dort. Er war gerade auf Solo-Tour in Australien.
Backstage unterhielten wir uns dann darüber, dass wir ja gerade in Australien, AC/DCs Heimatland sind. Und das “Highway To Hell” so etwas wie die inoffizielle Nationalhymne der hiesigen Rock-N-Roll-Bewegung ist. Wie wäre es da, wenn wir die Show mit “Highway To Hell” eröffnen würden? Mit Eddie Vedder. So machten wir das. Man kann sich kaum vorstellen, wie die Leute ausrasteten.
Und als ich jetzt das neue Album zusammen mit all den jungen Künstlern wie BRING ME THE HORIZON, Damien Marley, PHANTOGRAM und Chris Stapleton gemacht habe und fast fertig war, dachte ich mir, dass nur noch ein Song mit meinen Rock-Brüdern fehlte. Mit RAGE AGAINST THE MACHINE haben wir damals bei unserem zwölften Auftritt für PEARL JAM eröffnet. Ich kenne Eddie ewig und mit Bruce bin ich jetzt seit Jahren in einer Band. Als ich mich an den Abend in Melbourne erinnerte war klar, einen der größten Rock-Songs mit zwei der größten Rock-Sänger überhaupt aufzunehmen.
Verstehe mich nicht falsch… Ihr drei teilt ja eine sehr ähnliche politische Haltung. Wäre es da nicht eine Chance gewesen, gerade jetzt ein starkes Statement mit einem entsprechenden Song zu setzen, anstatt die Zusammenarbeit an einen alten Klassiker zu “verschwenden”? Immerhin hättet Ihr Drei zusammen eine unglaubliche Reichweite…
Nö. Dieses Album entstand während einer besonderen Situation, während alle im Lockdown und isoliert waren. Es ging dabei weniger um kreative Prozesse als vielmehr darum, einfach weiterzumachen. Dieses mal war ich allein im Studio und normaler Weise darf ich gerade mal den Lautstärkeregler berühren. Also habe ich die Riffs durch die Mailbox von meinem Telefon aufgenommen und habe sie dann an Produzenten und Tontechniker auf der ganzen Welt geschickt. Während dieser Zeit der Isolation, Depression und Angst war es belebend diese weltweiten Verbindungen mit Freunden aufzubauen. Dabei ging es darum sich auszutauschen, wie es dem anderen geht. Wie man seine Kinder davor bewahrt, während dem Schulbesuch via Zoom den Verstand zu verlieren und so weiter.
Weißt Du, ich habe jetzt 21 Alben aufgenommen. Und 20 davon sind explizit politisch. Und auch auf “The Atlas Underground Fire” gibt es wichtige politische Themen. Genau in dieser Zeit wollten wir den Menschen aber auch wieder authentischen Rock geben, denn genau das gab es jetzt sehr lange nicht.
Planst Du eine Tour zum neuen Album und kann man sich dann auf eventuelle Gastauftritte der beteiligten Künstler freuen?
Es gibt aktuell keine Pläne mit “The Atlas Underground Fire” auf Tour zu gehen. Aber hoffentlich haben wir 2022 eine US-Tour mit RAGE AGAINST THE MACHINE. Wir müssen im Hinblick auf die Pandemie die Daumen drücken, denn ich möchte es auch nur durchziehen, wenn keine Gefahr für die Fans, die Crew und die Band besteht.
Kanntest Du alle Gastmusiker, die für “The Atlas Underground Fire” in Frage kamen persönlich oder hattest Du vielleicht sogar eine Art Wunschliste?
Einige, wie Bruce und Eddie sind alte Freunde. Chris Stapleton habe ich beim CHRIS-CORNELL-Memorial-Konzert kennengelernt. Mit Damien Marley hatte ich schon gespielt und auch Dennis von REFUSED ist ein guter Freund.
Wie ich vorhin schon erzählt habe, hat alles damit begonnen, dass ich ein paar Riffs aufnahm. Danach stellte ich mir die Frage, wem ich das schicken könnte. Wer mit mir gerade jetzt einen Song aufnehmen würde. Als sich jeder Tag wie der Tag davor anfühlte habe ich mich beispielsweise durch Spotify auf der Suche nach dem besten Dub-Step-Artist von 2017 oder sowas durchgehört. Auf diese Weise habe ich zum Beispiel PROTOHYPE entdeckt. Über Sama Abdulhadi habe ich einen Artikel in der New York Times gelesen. Sie ist ein junger DJ aus Palästina. Unseren Song haben wir gerade zu der Zeit aufgenommen, als Israel Palästina bombardierte.
Mike Posner kommt ja eigentlich eher aus dem Bereich der Popmusik. Als ich ihn am Telefon hatte, sagte ich zu ihm: “Ich liebe Deine Stimme und ich mag Deine Lyrics. Aber lass uns jetzt etwas richtig düsteres machen.” Und so entstand “Naraka”, was auf Hindi Hölle heißt. Mike hat die Vocals dazu aufgenommen, als er gerade den Mount Everest bestiegen hat.
Das waren schon verrückte globale Geschichten, während ich alleine und abgeschirmt im Studio saß.
Wenn Du einen Wunsch frei hättest: Mit welchen Musikern, die vielleicht auch schon verstorben sind, würdest Du gerne einmal zusammenarbeiten oder hättest es gerne getan?
Da gibt es so ausdrucksstarke Künstler wie POST MALONE und 21 PILOTS, mit denen ich gerne abrocken würde und die ich wirklich mag. Ich denke zusammen mit meiner E-Gitarre könnten sehr interessante Sachen entstehen.
Wenn es um historischere Persönlichkeiten geht… Schau mal, ich trage gerade dieses RANDY-RHOADS-Shirt… Von ihm hing ein Poster an meiner Wand, während ich das Gitarrespielen übte. Also auf jeden Fall schon mal mit ihm. Es wäre auch großartig gewesen, mit Jon Bonham (LED ZEPPELIN) in einem Raum zu sein.
Gibt es auch Künstler, mit denen Du nicht zusammenarbeiten würdest, wenn sie Dich fragen würden? Du musst natürlich keine Namen nennen, wenn Du nicht willst…
(Lacht) Ach das passiert die ganze Zeit! Aber zunächst einmal liebe ich es einfach Musik zu machen. Und während der Pandemie… Sagen wir mal so, in den ersten vier Monaten während des Lockdowns habe ich keine Gitarre angerührt. Und ich drehte mich im Kreis während ich der Frage nachging, wer ich eigentlich bin. Ein Musiker war ich in dieser Zeit jedenfalls nicht. Und dann fragte ich mich, mit wem man einfach mal jammen könnte. Letztlich habe ich einen Song mit Dennis DeYoung von STYX und einen mit THE STRUTS gemacht. Ich habe auch zwei EPs veröffentlicht. Eine mit SLASH und eine mit THE BLOODY BEETROOTS. Und so wurde diese vermeintlich ruhige Zeit zu einer der aktivsten Zeiten meines Lebens.
Vor ein paar Jahren habe ich von Deiner Freundschaft zu TED NUGENT gelesen, finde den Gedanken aber immer noch unvorstellbar. Was ist an dieser Geschichte wirklich dran?
(Lacht) Natürlich gibt es sehr klare Unterschiede in unserer Weltanschauung. Aber ich denke, man kann Menschen mit einem offenen Herzen erreichen. Wayne Kramer von MC5 zum Beispiel, gehört ja auch zur extrem linken Szene und er ist auch mit Ted befreundet. Das ist schon verrückt. Und Ted sagt immer: “Seid Ihr wirklich immer noch meine Freunde nach all der Scheiße, die ich rede?”. Und ich sage dann: “Ja Mann, Du redest manchmal Scheiße…” (lacht).
Aber mir ist es einige Male gelungen, dass ich zu ihm durch diese Offenherzigkeit durchgedrungen bin. Manche seiner Fans, fühlen sich durch einige von Teds Aussagen in ihren rassistischen Ansichten bestätigt. Ein multikultureller Mensch wie ich muss nicht “Fuck You, Ted” schreien. Ich kann mit ihm darüber reden, welchen Einfluss solche Dinge auf mich haben. Das mich solche Sachen verunsichern. Nicht weil er es sagt, sondern weil einige seiner Fans in der Vergangenheit gewalttätig darauf reagiert haben und es vielleicht wieder tun könnten und mir und meiner Familie dann Schaden zufügen könnten. Er hört mir dann zu. Letztlich kann ich befreundet sein mit wem ich will und gleichzeitig den verschiedenen Ansichten die wir haben, kritisch gegenüberstehen.
Noch einmal zurück zu “The Atlas Underground Fire”… Was bedeutet das Album für Dich persönlich?
Es ist eine kreative Legierung aus einem Marshall-Turm, bloßen Händen, einer elektrischen Gitarre und Power. Letztlich steht es dafür, dieses großartige Instrument durch unerwartete Kollaborationen, die zwischen den Genres hin und her hüpfen, in die Zukunft zu projizieren. Die Reise geht mit Chris Stapleton in die Country-Welt, über Sama Abdulahadi, die für Dance-Music steht, bis hin zu Bruce in die Welt des traditionellen Rock´N´Roll. Es geht darum sicher zu stellen, dass das großartigste Instrument, das jemals erfunden wurde – die elektrische Gitarre – auch eine Zukunft besitzt und nicht nur eine Vergangenheit.
Wird es in absehbarer Zeit auch etwas neues von THE NIGHTWATCHMAN geben? Dort geht es ja eher akustisch zu.
Ja, die Sachen mag ich sehr und sie sind eine sehr wichtige Seite von mir. Ich habe ein paar Songideen, aber aktuell konzentriere ich mich natürlich auf “THE ATLAS”.