Sweet 8 Bitterness
Nicht ohne meinen Game Boy

Interview

Natürlich müssen wir auch über das Thema Gameboy-Cartridges sprechen. Zunächst einmal eine weitere Vermutung, vermutlich bist du auch mit diesem Handheld aufgewachsen oder? Wie erklärst du dir die Faszination und das Interesse, welches diese heute komplett überaltete Technologie immer noch hervorruft?

Ja, auch ich bin mit diesem Handheld groß geworden. Du hast schlichtweg nicht dazu gehört, wenn du keinen Gameboy hattest. Pokémon war das Thema auf dem Schulhof! Als die ersten Emulatoren für Handys kamen, ging das ganze ja wieder von vorne los. Wie viele Unterrichtsstunden hab ich damit verbracht, immer wieder die gleichen Zelda-Teile durchzuspielen?! Ich denke die Faszination rührt daher, dass es einfach extrem die Kindheit unserer Generation geprägt hat. Menschen im Allgemeinen lieben Nostalgie, die „einfache alte Zeit“, romantische Verklärungen der Vergangenheit. Und bei uns kommen da diese Konsolen ins Spiel.

Ich hab nicht schlecht geguckt, als ich gesehen hab, WIE dunkel so ein Gameboy-Bildschirm doch war. In meiner Erinnerung sah das nicht so aus. Aber der Unterschied zu den Konsolen davor und danach ist: Die Grafik vom Gameboy kannst du dir heute noch anschauen, ohne Augenkrebs zu kriegen. 2D-Pixelgrafik ist zeitlos. Leute entwickeln heute noch richtige Spiele für den Gameboy, und wer nicht glaubt, dass Pixelgrafik gut ankommt, darf sich gerne die Indie-Rubrik auf Steam anschauen.

Game Boy - NIHILISTIC WARLOCK

Der menschenverachtende Zaubermeister in Aktion

Gibt es heute noch Spiele, die du für den Game Boy spielst, welche sind das und welche Musik aus der 8-Bit-Welt hat dich beinflusst selbst ähnliche Musik zu machen? Wie bist du auf diese Idee gekommen, derart obskure Musik & Medien zu nutzen?

Ich habe letztes Jahr erst wieder alle Zelda-Titel durchgespielt, die für den Gameboy kamen. Die Lieder aus Zelda und Pokémon haben sich in mein Hirn gebrannt. Aber wie oben bereits geschrieben, der größte Einfluss dürfte FVRFVR mit „Bitmancer“ gewesen sein. Diese ganze Dungeon-Synth-Welt war neu für mich und ich war völlig begeistert – und dann kommt da auch noch Musik mit Gameboy-Sounds? WAS? Da war klar, das muss ich auch machen, nur mit Release direkt FÜR den Handheld. Dadurch hab ich quasi auch erfahren, dass „Dungeon Chip“ existiert. THE DARK OLD WIZARD, MAGIC ADVENTURE, LICH LORD, NECROMANCER TOWER, SWORDSMAN, BOOK OF SKELOS. Hört euch durch!!

Kannst du uns etwas zum technischen Prozess der Veröffentlichung von Cartrigdes und Floppy-Discs berichten? Wie läuft das Ganze technisch ab und wer stellt sowas heute noch her?

Wo fang ich an!

Die Hardware
Die Gameboy-Moddingszene ist wirklich riesig, und deshalb gibt es da auch für alles Mögliche bereits technische Lösungen. Als fest stand, dass ich Tatsache ein Album auf Cartridge rausbringe, hab ich mich schlau gemacht, wie das ganze umgesetzt werden kann. Anleitungen gibts zur Genüge! Um eine Schnittstelle vom PC zur Cartridge zu haben, hab ich mir „GBxCart RW“ besorgt. Ans eine Ende kommt die Blanko-Cartridge, ans andere USB-C, und die ROM wird rüberkopiert.

Für die Cartridges selbst gibt es dank der großen Moddingszene ebenfalls einige wenige Hersteller. Angefragt, Details geklärt (wie groß darf die ROM überhaupt sein? Welche Cartridges brauche ich dafür?), bestellt! Ich mach an der Stelle mal Werbung für InsideGadgets! Dank denen haben alle Cartridges eine bedruckte Rückseite mit dem Logo des Labels – außer die NIHILISTIC VAMPIRE Cartridges. Hier gibts eine Zeichnung vom Vampir selbst. Soviel zur Hardware. Aber wir brauchen ja auch erstmal die ROM.

MUMMELRATZ - Modul

Der Mummelratz wird bespielt

Die Software
Auch für den Gameboy gibt es mittlerweile eine Entwicklungsumgebung – GB Studio. Wer schon Erfahrung in Spieleentwicklung hat wird sich hier sofort zurechtfinden. Aber auch wer keine hat, dürfte schnell zurechtkommen – Programmiererfahrung wird jedenfalls nicht benötigt. Das Ganze ist noch in Entwicklung und hat im letzten Jahr riesen Sprünge gemacht! Tutorials gibt es zu Hauf, eine Dokumentation, ein Subreddit, einen eigenen Discord – die Community ist sehr hilfsbereit! Und dann ist das ganze auch noch Open Source – vielen Dank an dieser Stelle an die Entwickler! Abseits der Musik hat man hier unfassbar viele Möglichkeiten um das ganze auch visuell rüberzubringen. Theoretisch könnte man das ganze Album interaktiv machen. Hauptsache es passt auf 160x144px.

Für NIHILISTIC VAMPIRE hab ich mich entschieden, die ganze Optik im Stile der Zelda-Titel zu halten (und viele Grafiken sind auch direkt daher). Also die Map in Photoshop zusammengestellt, die Spielerfigur, den Hund, den Titelbildschirm….alles eben – bis auf die Hintergründe für die einzelnen Lieder. Die wurden alle mit einer Gameboykamera geschossen! Mit dem GBxCart-Modul kann man diese nämlich auch auf den PC transferieren.

Man kann verschiedene „Szenen“ anlegen. Das Labellogo ist eine Szene, das Bandlogo, die Liederauswahl, jedes einzelne Lied, die Map. Salopp gesagt, ist der technische Part nur zu schauen, wie die Szenen miteinander verbunden werden. Die ganzen technischen Limitierungen würden hier wohl noch mehr den Rahmen sprengen. Wer sich dafür interessiert, findet Online wirklich mehr als genug – und Beispiele in GB Studio selbst!

In NIHILISTIC VAMPIRE startet man in der Hütte eines Priesters im Wald. Dein loyaler Hund ist an deiner Seite, sowie die Gewissheit dass der Vampir gestoppt werden muss. Du gehst raus, läufst durch einen kurzen Waldabschnitt (auf dem dir verdächtig viele Fledermäuse über den Weg fliegen), und betrittst die Gruft des Vampirs. Hier steht ein Grabstein, auf dem eine Liste an Liedern eingemeißelt ist. Und das Lied wählt man aus und die Kiste spielts ab. Aber am besten ihr seht es euch einfach selbst an.

Jeder Liedtitel ruft jeweils die entsprechende Szene auf, in der das Hintergrundbild sowie der Titel hinterlegt sind. Ich hoffe, ich rede nicht zu wirr – wie gesagt, man findet alles dazu Online und es ist kein Hexenwerk.

Die Musik an sich
In GB Studio eingebaut, ist eine Software um Musik für den Gameboy zu komponieren, ein sogenannter „Tracker“. Im Prinzip legst du fest, an welcher Stelle welche Note gespielt werden soll. Dazu Parameter, wie sich die „Note“ verhalten soll. Und der Tracker läuft diese vordefinierten Noten ab und gibt das in Echtzeit an den Soundchip des Gameboys weiter – der interpretiert die Befehle und gibt den entsprechenden Ton aus.

Zu den Floppy-Discs
Floppy-Discs kriegt man sogar noch original eingeschweißt! Ich weiß, dass manche noch uralte Rechner mit internen Laufwerken benutzen, um Floppys zu bespielen – ich hab mir allerdings ein USB-Laufwerk dafür geholt. Angeklemmt, Lieder drauf, fertig! Obwohl, ganz so einfach dann doch nicht. Dadurch, dass nur 1,4 MB drauf passen, bist du gezwungen das ganze extrem zu komprimieren. In Zeiten von Online-Konvertern alles gar kein Problem mehr. Da muss man aber ehrlicherweise sagen, dass das nur noch annehmbar klingt, wenn man wirklich nur 1-2 Lieder drauf macht. Bei kompletten Alben geht es dann doch eher um das „Sammlerding“. Es ist schlichtweg obskur, umständlich, völlig veraltet. Aber das macht es dann aus.

Durch Zufall kam ich dabei auf die neonfarbigen transparenten Floppys. Die sehen nicht nur schick aus, sondern sind auch noch extrem selten (in Europa). Jedenfalls hab ich einen Händler in Chemnitz gefunden, der noch 3 Packungen auf Lager hatte – die hab ich natürlich direkt alle aufgekauft. Und ein paar weitere Packungen hab ich dann bei einem Händler für Druckerzubehör in Kanada gefunden. Damit ist demnächst auch ein größerer Release geplant, also gespannt sein.

Was sind deine Empfehlungen für alle Leserinnen und Leser, welche nun noch tiefer in das Thema Chiptune und Dungeon Synth eintauchen möchten?

Wie gesagt, ich denke das kommt ganz drauf an aus welcher „Richtung“ ihr kommt. Wer puren Black Metal mag, sollte bei den Releases von Narbentage reinschauen. Wer auf kuriosen Elektro steht, bei Personal Uschi. Und wer direkt in das Rabbit Hole reinspringen will, sollte definitiv alles hören was ich rausbringe (lacht). Quatsch, hört euch bei Bandcamp durch.

WEREGNOME RECORDS aus den USA bringt ebenfalls eine sehr wilde Mischung an Genre raus, von purem Black Metal zu kuschliger Synthiemusik ist alles dabei. DIY wird auch hier großgeschrieben.

Auch muss ich mich vielmals bei Dungeon Noise Cavern bedanken. Ich habe alle meine Alben mit Gameboy Emulator abgefilmt und der Channel hat die Videos hochgeladen.
Der Channel ist gut sortiert in verschiedenste Dungeon Synth Genre, also vorbeischauen!

Wie geht es mit den Projekten rund um Sweet 8 Bitterness weiter? Kannst du uns dazu einen kurzen Überblick geben?

Derzeit werkel ich an einem eigenen neuen Album. Stiltechnisch auch wieder ganz anders als die Vorgänger! Aber auch andere Dungeon Chipler arbeiten gerade an Alben die ich als Cartridge veröffentlichen darf, aber Namen nenn ich erstmal keine, sonst fühlt sich noch jemand unter Druck gesetzt (lacht). Abgesehen davon ist eine „größere“ Reihe an Floppy-Releases geplant! Die neon-farbigen Floppys müssen ja unter die Leute.

Vielleicht mach ich nochmal eine Neu-Auflage von NIHILISTIC VAMPIRE auf Cartridge. Die Qualität der Boxen ist seit dem Release von NIHILISTIC WARLOCK viieeel besser geworden. Abgesehen davon gibt es demnächst NIHILISTIC VAMPIRE erstmals auf Floppy und Tape, und den WARLOCK gibts nochmal auf Tape rausgebracht.

Vielen Dank nochmal für die Möglichkeit hier! Beep Boop.

Seiten in diesem Artikel

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Quelle: Interview mit Dennis, November 2022
26.12.2022

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4 Kommentare zu Sweet 8 Bitterness - Nicht ohne meinen Game Boy

  1. Watutinki sagt:

    Ganz interessanter Artikel! Dungeon Chip muss ich ehrlich sagen, ist neu für mich. Liegt daran, da mir das Zeugs, so spannend und kreativ ich es auch finde, doch etwas zu schräg ist. ich bin auch eher ein Zeitgenoße des 16 Bit Sounds, besonders Musik die bei Spielen auf dem Amiga uns SNES begleitet wurden, haben sich in meine Gehörgänge gebrannt. Chiptune, Dungeon Chip und wie das Zeugs alles heißt, absoluter Geek Faktor und dann noch auf Cartridges veredelt, das ist schon ziemlich abgedrehte Kunst.

    Ach ja, und dann haben Personen hier darüber gelacht, als ich in einer vergangenen Diskussion den eindeutigen Bezug zwischen DS und BM gezogen habe. Lest den Artikel und verstummt, wäre mein Vorschlag.

  2. nili68 sagt:

    Einen gewisse Trash-Charme will ich dem nicht absprechen und irgendwie lustig ist es auch, aber ernsthaft Kunst? Muss (natürlich) jeder selber entscheiden. Heutzutage kann ja alles Kunst sein und wenn irgendeine Verbindung, selbst um 666 Ecken, zum Black Metal besteht, dann für manche sowieso.

  3. Watutinki sagt:

    Hier werden viel einzelne Elemente, die häufig gar nicht so im Einzelnen betrachtet werden, zu einem Gesamtkunstwerk verwoben. Bei vielen Metal Bands – und ich nenne jetzt kein spezielles Label – geht es doch darum, immer das Maximale herauszuholen, sei es aus der Produktion, musikalisch, vielleicht auch visuell… je teurer, je größer, je moderner, je Maximaler, desto besser. Genau das ist für mich keine künstlerisch ansprechende Herangehensweise. Dieses Dungeon Dings Zeugs hat dagegen ein rein künstlerisches Ziel vor Augen, dazu zählt natürlich auch ein großer Batzen Nostalgie. Darauf aufbauend wird in jeder einzelne Facette darauf hingearbeitet, diesem künstlerischne Anspruch gerecht zu werden, ohne jedwede Kompromisse einzugehen. Ob man das als künstlerisch wertvoll ansehen möchte, sei jedem selbst überlassen, aber die Herangehensweise entspricht für mich dem, wie ich wertvolle Kunst definiere.

  4. nili68 sagt:

    In maximal oder minimalistisch selber liegt keine eigene Qualität. Es kommt auf den Einzelfall an. 😉