Alexander Schröder
"Wir werden bis zur letzten Minute kämpfen."

Interview

Als am 28. Oktober verkündet wurde, dass im November der Kulturbetrieb bundesweit eingestellt wird, löste das Entsetzen in der Veranstaltungswirtschaft aus. Nachdem Monate lang Konzerte untersagt waren, haben sich zunächst lokale Veranstalter und dann auch immer mehr Big Player an einem Restart versucht. Das neue Veranstaltungsverbot hat die dadurch entstandenen Hoffnungen zunichtegemacht. Unter den enttäuschten Clubbetreiben ist auch Alexander „Schnalli“ Schröder, der den Bastard Club betreibt. Mit ihm haben wir über seinen Restart, Hygienekonzepte und düstere Zukunftsaussichten gesprochen.

Welche Auswirkungen hat die neue Verordnungslage auf euch und den geplanten Konzertbetrieb?

Die Auswirkungen sind wohl wie bei gerade jedem Veranstalter. Alles wurde wieder abgesagt, wir versuchen möglichst viele Konzerte zu retten und warten ab, wie sich die Verordnungslage entwickelt.

Wie hart trifft dich die erneute Schließung finanziell?

Die Pachten und Nebenkosten müssen weiter gezahlt werden. Ich arbeite seit einigen Wochen fünf Nachtschichten die Woche bei einem Postunternehmen, damit ich privat auch meine Kosten decken kann. Zudem habe ich vor kurzem nach zehn Jahren Pachtvertrag eine Entscheidung treffen müssen. Entweder aufgeben oder anders weitermachen können. Es gab keine Hilfen vom Staat mehr, die ich durch ihre komischen Berechnungen noch beantragen konnte. Also haben wir uns mit unseren Verein HC Family eV., der ja schon seit einigen Jahren die Konzerte durchführt, dafür entschieden, dass der Verein den Club übernimmt und ich Pächter der Gastronomie werde. Da ändert sich nach Außen nichts, da ich seit Jahren ja sowieso fast alle Veranstaltungen „ehrenamtlich“ buche und nur noch von den Einnahmen des Getränkeverkaufs lebe.

Was war eure Motivation die unprofitablen 5€-Konzerte anzubieten?

Wir haben im Bastard damals mit den berühmten 5€-Konzerten angefangen. Wir wussten auch, dass bei 60 Sitzplätzen und dem Preis nichts übrig bleibt. Aber wir brauchten selber wieder einen dicken Schub an Motivation und den Sound eines Konzerts. Nicht nur für uns, sondern auch für die Bands und die Gäste. Deshalb haben wir ein tolles Programm bis Jahresende erstellt, mit vielen Arten der Musik, die unseren Club repräsentiert.

80 Prozent davon waren die berühmten 5€-Konzerte. Aber nach den ersten Praxiswochen müssen wir konstatieren, dass es leider nicht mehr möglich ist, die Konzerte zu diesem Preis durchzuführen. Vor 10 bis 15 Jahren waren die Kosten wie GEMA, Künstlersozialkasse und Technik noch nicht so hoch. Wir werden also auch im neuen Jahr die Preise auf 8€ im Vorverkauf erhöhen müssen. Aber ich glaube fest daran, dass unseren Gästen dieser Betrag es auch wert ist, um uns und die Künstler weiterhin zu unterstützen.

Waren diese 5€ nur für den BC oder haben auch die Künstler einen Anteil davon bekommen?

Viel bleibt bei so einem Konzert nicht übrig. Die Bands konnten dann entscheiden ob sie uns damit unterstützen. Von den Konzertkosten konnten wir nicht einen Cent abziehen, damit wir die Pacht und Nebenkosten des Clubs tragen konnten. Einige Bands haben sogar noch zusätzlich einen Teil ihres Merchverkaufs gespendet und einige Gäste haben noch zusätzlich was in unsere Spendenbox vorne an der Kasse gepackt. Hier auch nochmal vielen Dank dafür.

Der Bastard Club mit Bestuhlung

Wie sah euer Hygienekonzept aus?

Unser Hygienekonzept war in Zusammenarbeit mit den städtischen Ämtern abgeklärt. Wir haben die Erlaubnis für 60 Sitzplätze im Konzertraum bekommen. Die Gäste durften nur an den Sitzplätzen die Masken abnehmen. Getränke wurden nur im seperaten Bar-Bereich ausgeschenkt. Wir hatten an jedem wichtigen Punkt Desinfektionsgeräte. Dann haben wir natürlich die Daten aufgenommen, was wirklich sehr gut bei unseren Gästen geklappt hat. Wir haben zusätzliche Reinigungen nach Veranstaltungsende durchgeführt. Von unserer Seite kam dann noch die Idee mit dem Stirnthermometer. Das macht man ja auch in Krankenhäusern und Altenheimen. Am Veranstaltungstag selber ist das die beste Absicherung für beide Seiten. Bei unseren neun Veranstaltungen die wir durchführen konnten, gab es auch nicht einen einzigen Meldefall vom Gesundheitsamt.

Wie hoch schätzt du das Infektionrisiko bei euren Veranstaltungen ein?

Ich bin kein Schwurbler und ich kann die Bundesregierung in ihrer Situation auch teilweise verstehen. Aber so wie die Zahlen momentan aussehen und besonders wenn man in Lockdown-Länder wie Frankreich, Belgien und Spanien schaut, die ja schon seit Wochen härtere Lockdowns haben, und die heutigen Zahlen  sieht, müssen wir einfach lernen mit diesem Virus zu leben. Die AHA + L Regel wird in der Gastronomie und Veranstaltungsbranche mit Sicherheit besser eingehalten als bei privaten Feiern und Innenstädten.

Kann das Hygienekonzept ohne eine funktionierende Kontaktverfolgung überhaupt aufgehen?

Nein. Momentan kann ich mir es selber auch gar nicht vorstellen, Konzerte anzubieten ohne dass man ein vernünftiges Konzept hat.

Wird die Klubschließung einen signifikanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben?

Das glaube ich nicht. Besonders nicht bei unserem Publikum.

Wie läuft das Booking für zukünftige Konzerte angesichts der schlechten Planbarkeit?

Sehr chaotisch. Seit März 2020 habe ich versucht knapp 130 Veranstaltungen zu verschieben. Richtig schwer war es für unseren Tontechniker Dirk, der die Internetseite ständig ändern musste. Eigentlich haben wir fast noch mehr Arbeit als vor Covid, die aber nicht bezahlt wird, da wir als Selbständige keine Gelder beantragen konnten. Wir haben schon sehr sehr viele tolle Konzerte bis Ende 2021, zum Teil schon für 2022. Aber erstmal müssen wir schauen wann die ersten nordamerikanischen Bands wieder einreisen dürfen. Wann wieder einigermaßen normale Konzerte stattfinden können und ob es uns kleine Läden dann noch gibt.

Wie fühlst du dich von der Bundesregierung behandelt?

Politiker sind am Reden und am Reden. Aber letztendlich passiert am Ende zehn Prozent davon in der Praxis. Das ist traurig. Wir brauchen hier ja auch nicht großartig über die Kulturszene reden. Denn mal ehrlich, wir waren denen da oben schon immer egal. Bis auf ein paar wenige Sätze hört man nichts positives von Oben. Man sieht es an der momentanen Lage. Altmaier hat uns vor drei Wochen 75 Prozent von unseren Umsatzes des Vorjahres schnell versprochen. Jetzt sind wir mitten im Monat und es gibt noch nicht mal die Online-Anträge für unsere Steuerberater. Zusätzlich haben die Politiker schon wieder ihr Wort nicht gehalten als sie von 75 % des Umsatzes sprachen. Dort werden vorher Ausgaben wie Getränkerechnungen, Steuern, Mitarbeiterkosten abgerechnet und schon ist es wieder ein Betrag, der mit dem Umsatz nichts mehr zu tun hat und den man nur mit einem traurigen Schmunzeln entgegennimmt.

Die ehemalige Ton-Steine Scherben-Managerin Claudia Roth meinte, dass die Veranstaltungsbranche eine Lobby braucht. Was hältst du von der Aussage?

Ich wäre bei einer Lobby dabei, wenn es dort verschiedene Ansprechparter geben würde und nicht der Theater-Intendant auch die Interessen der Metal-Clubs vertreten soll. Da muss ein Verband entstehen, der jede Musikszene präsentieren kann.

Was bedeutet das für die Branche, wenn noch bis weit in’s nächste Jahr Veranstaltungen nur mit Beschränkungen stattfinden können?

Da es sehr schwierig werden wird und die Bundesregierung nicht ein ein zufriedenstellendes Unterstützungs-Konzept präsentiert, wird es bald viele Läden nicht mehr geben.

Hast du für dich schon einen Punkt festgelegt, an dem du den Bastard Club schließen würdest?

Wenn sich in den nächsten Monaten nichts ändert, müssen auch wir irgendwann aufgeben. Aber wir werden bis zur letzten Minute kämpfen. Ich mache nun schon seit 27 Jahren Veranstaltungen und das wollte ich eigentlich bis zu meinem Lebensende machen. Wirtschaftlich ist es in den letzten Jahren ja nochmal schwieriger für die Kleinen geworden. Aber durch Corona sind unabhängig von der Größe alle am Arsch.

14.11.2020
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