Trivium
"Härtere Gefilde sind ganz natürlich für uns"

Interview

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Mit kleiner Verspätung erreichte uns der heiß erwartete Anruf aus Berlin an einem schwülen Abend Ende August. Paolo Gregoletto hatte jede Menge Lust, stellvertretend für die in der Hauptstadt verweilenden TRIVIUM, über das neue Album der Band aus Orlando, Florida zu quatschen. Wir hatten im Gegenzug so einige Fragen auf dem Notizblock: Neuer Drummer? Neue Härte? Neue Spielfreude? Der Basser stand uns tapfer Rede und Antwort.

Seit einigen Tagen ist es jetzt offiziell: Euer neues Album „The Sin And The Sentence“ kommt am 20 Oktober. Wann habt ihr mit dem Songwriting und den Aufnahmen begonnen?

Der inoffizielle Start kam direkt nach „Silence In The Snow„. Noch bevor das Album draußen war, begann ich, Riffs zu schreiben. Ich hatte einfach den Drang, wieder zu schreiben. Das war der Anfang – zumindest für mich. Corey (Beaulieu, Lead-Gitarre Anm. d. Red.) ist dann ein paar Monate später eingestiegen. Im November vergangenen Jahres sind wir zusammengekommen, um mit der Vorproduktion zu beginnen – die wir dann nach unserer Tour im März abgeschlossen haben. Wir haben die Sessions aufgeteilt, sechs Songs am Anfang und sechs Songs nach der Tour. Wir hatten das Ziel, das Album bis zum Juni fertig zu haben. Daher hatten wir einen extrem engen Zeitrahmen. Das führte dazu, dass wir wirklich eine Menge üben und vorbereiten mussten, um das zu schaffen. Aber ich glaube, das Album in diesem Tempo fertig zu machen, hat uns sehr geholfen, fokussiert zu bleiben. Wir wollten dieses Album spannend machen. Wir wollten die Melodien und die großen Songs und wir wussten, dass wir wirklich zueinander finden mussten, um das Material optimal zusammenzubringen. Ich glaube, das haben wir mit diesem Album geschafft.

Die Reaktionen auf eure erste Single und den Titeltrack zu „The Sin And The Sentence“ waren zumindest online sehr positiv. Obwohl der Track sich sehr stark von dem Material auf „Silence In the Snow“ unterscheidet, progressiver ist, längere Instrumentalpassagen aufweist und nicht zuletzt dadurch, dass Matt (Heafy Anm. d. Red.) wieder schreit, auch härter ist. Ich habe mich gefragt, ob ihr dazu absichtlich auf euer älteres Material zurückgeblickt habt, um ganz bewusst einige eurer früheren Trademarks auf dem neuen Album wieder aufleben zu lassen?  

Wir mussten uns wirklich keine großen Gedanken machen, denn wir haben sichergestellt, dass Matt, Corey und ich dieses Album quasi im Hinterzimmer zusammengebastelt haben. Wir haben niemanden unsere Ideen hören lassen, bis wir sicher waren, dass wir soweit sind. Wir haben keine Demos an unser Label geschickt. Wir haben niemandem erzählt, dass wir wieder schreiben. Wir haben keine Hinweise darauf gegeben, in welche Richtung es gehen soll. Wir wollten sichergehen, dass diese Musik von TRIVIUM kommt. Dass die Ideen von TRIVIUM den Kern dieser Musik bilden. Und für uns ist es ganz natürlich, dazu auch in härtere Gefilde vorzudringen. Auf „Silence In The Snow“ haben wir uns auf gewisse Art und Weise von dem entfernt, was wir vorher gemacht hatten. Wir konzentrierten uns sehr auf das Songwriting und die Melodien. Einer der Gründe dafür war, dass Matt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr richtig screamen konnte. Er musste das Singen und Screamen wirklich komplett neu lernen, und beim Screamen hat es leider bis nach „Silence In The Snow“ gedauert.

Hatte er eine Verletzung oder eine falsche Gesangstechnik?

Glücklicherweise war es keine ernsthafte Verletzung. Es war eine Art Überbelastung. Aber es war alles auf falsches Screamen und falsches Singen zurückzuführen. Er musste wirklich alles komplett neu lernen. Es hat eine Weile gedauert. Die Screaming-Technik, die er live anwendet, brauchte etwas, um wieder gut zu werden. Aber irgendwie kam dann mit dem Screaming auch der Rest zurück. Wir konnten wieder mehr alte Songs live spielen. Wir konnten sie wieder fühlen. Und dann war da noch Alex (Bent, Schlagzeug Anm. d. Red.), der eine Art „wildcard“ für uns war, von der wir nicht wussten, dass sie uns zugespielt werden würde. Und als wir dann alle zusammenkamen, als wir begannen, neue Musik zu schreiben, als wir wieder alte Songs für die Tour lernen mussten, da fügte sich irgendwie alles.

Wir haben die letzten paar Jahre damit verbracht, unser Songwriting, unsere Melodien und unsere Refrains zu verfeinern. Wir haben catchy Parts und hymnische Songs geschrieben wie „Silence In The Snow“, „Until the World Goes Cold“ und „Strife“. Aber wir haben auch die Fähigkeit, harte, extreme Musik zu schreiben. Und deshalb war es diesmal interessant für uns, zu sehen, ob wir das alles kombinieren können. Kriegen wir das hin? Können wir es so machen, dass es sich immer noch wie dieselbe Band anfühlt, die „Silence In The Snow“ geschrieben hat? Nur halt mit der Heaviness, für die wir in der Vergangenheit bekannt waren. Der Zeitpunkt hat sich einfach richtig angefühlt. Ich meine, ich will harte Musik spielen. Und es fühlt sich an, als hätte ich diesmal all die Sachen, die ich auf dem letzten Album nicht unterbringen könnte, rausbekommen. Ich verspüre aktuell nicht den Drang, nach Hause zu gehen und direkt den nächsten Song zu schreiben. Für den Moment bin ich sehr zufrieden. Dieser Drang wird irgendwann zurückkommen, aber es fühlt sich gut an, ein Album zu machen und den Eindruck zu haben, dass man damit wirklich sein Ziel erreicht hat.

Konzertfotos Trivium - Europatour 2017

TRIVIUM live in Berlin

Aber du bereust „Silence In The Snow“ deswegen nicht, oder?

Ich bin ein Kritiker der Musik, die ich schreibe. Ich betrachte sie objektiv. Und ich versuche, strenger mit ihr ins Gericht zu gehen, weil mich das zu einem besseren Songwriter macht. Das soll nicht heißen, dass wenn ich einen Song nicht mag, er nicht trotzdem eine Existenzberechtigung hat und es für Fans toll sein kann, sich ihn anzuhören. Es ist nur, dass ich immer versuche, besser zu werden. Du genießt die Musik, die du selbst schreibst nicht so, wie Leute die sie nicht schreiben. Ich kenne die Hintergründe. Ich kenne die Härtetests und die Dramen hinter jedem Song und Album. Ich weiß, was es bedarf, einen Song von A nach B zu bekommen. Es ist eine ganze andere Erfahrung und ich glaube, wir haben mit „Silence In The Snow“ sehr gute Arbeit geleistet. Wir mussten mit der schwer wiegenden Tatsache klarkommen, dass Matt nicht screamen konnte. Und wir mussten eine Entscheidung treffen, wie wir damit umgehen wollen. Und ich glaube, wir haben die richtige Entscheidung getroffen, indem wir ein Album wie „Silence In The Snow“ zu diesem Zeitpunkt gemacht haben.

Ein Song wie „Until The World Goes Cold“ war außerdem ein weltweiter Durchbruch für uns. Er hat TRIVIUM wirklich den Zugang zu einer Hörerschaft in Amerika ermöglicht, die wir vorher nicht erreicht haben. Diesen Song beim „Wacken Open Air“ oder bei „Rock On The Range“ oder irgendwo in Japan zu spielen, ist sehr wichtig für uns. Dieser Track hat wirklich einiges verändert. Und nun, da wir diese Tür geöffnet haben, möchte ich sichergehen, dass wir sie auch offen halten können, während wir gleichzeitig wieder härteren Kram hindurchschieben.

Du hast eben Alex erwähnt. Seit wann ist er offiziell in der Band und welche Rolle hat er beim Songwriting für das neue Album eingenommen? Hat er viel beigetragen? Denn für sein Drumming auf euer ersten Single, dem Titeltrack zu „The Sin And The Sentence“, hat er online schon jede Menge Lob von euren Fans bekommen.

Er ist im November zu uns gekommen. Wir haben ihn nach Orlando eingeflogen, drei Wochen nachdem wir unsere letzte Show hier gespielt hatten. Er musste 15 Songs für ein Headliner-Set lernen, das wir im März spielen sollten. Aber gleichzeitig musste er auch mit uns schreiben. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt sechs Songs zusammen. Und Alex‘ Beitrag war enorm. Von Tag eins der Vorproduktion an war er dabei. Er hat eine enorm wichtige Rolle gespielt, weil er den Schreibprozess so sehr beschleunigt hat. Er lernt verdammt schnell.

Wie seid ihr eigentlich ursprünglich mit ihm in Kontakt gekommen?

Das kam durch Mark Lewis. Als Produzent hat er schon mit vielen Bands zusammengearbeitet, und eine davon war BATTLECROSS. Alex hatte zuvor auf einem ihrer Alben gespielt und daher kannten wir ihn. Als wir vor circa einem Jahr schon einmal auf der Suche nach jemandem waren, hatte er leider keine Zeit. Aber diesmal konnte er. Und es war einfach ein Glücksfall für uns, einen Typen wie ihn zu finden. Ich glaube, mit dem Album hat Alex wirklich ein Zeichen gesetzt. Wir wussten, dass wenn die Leute den ersten Song hören würden, sie sein Drumming wirklich fühlen würden. Ich glaube, er fängt diese Energie ein, die die Leute an unseren ersten Alben so schätzen. Gleichzeitig bringt er aber auch etwas in unseren Sound ein, das wir vorher nicht hatten. Er hat eine sehr geschmackvolle Art, technische Musik zu spielen. Sehr interessant und kreativ. Ich bin gespannt darauf, was die Leute zum Rest der Songs sagen. „The Sin And The Sentence“ ist ein super Opener, aber ich finde, einige Sachen weiter hinten auf dem Album sind noch cooler.

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16.10.2017

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