Versengold
"...also machen wir doch eine Versengold-Schublade draus" - Interview mit Malte und Eike

Interview

VERSENGOLD – Der persönliche Blick auf den Erfolg

Wer die Geschichte von VERSENGOLD in den letzten Jahren verfolgt hat, dem dürften einige Sachen aufgefallen sein. Zum einen ging es mit der Band durch die Decke: Ausverkaufte Shows und Platz 2 in den Albumcharts sprechen wohl für sich. Doch mit der damit verbundenen musikalischen Entwicklung war offenbar nicht jeder zufrieden, so las man doch vermehrt negative Äußerungen in den Kommentaren in sozialen Netzwerken. Wie die Band zu Erfolg und Kritik steht, wie es zum Ausstieg Thomas Heuers kam und weswegen sie ein ganz besonderes Verhältnis zu Dresden haben erzählten uns Sänger Malte Hoyer und Bassist Eike Otten im ausführlichen Interview. Geführt wurde dies mit jeder Menge Gelächter und mindestens genauso vielen nachdenkliche Momenten zum Konzert der “Funkenflug“-Tour in Dresden.

metal.de: Für dieses Interview habe ich mich durch die Kommentarspalten auf Facebook und Youtube gewühlt, denn ich habe die Band über viele Jahre hinweg verfolgt und mir fiel auf, dass es für das jüngste Album “Funkenflug“ deutlich mehr negative Kritik gab, als für die Alben davor. Wie habt ihr das wahrgenommen? Gab es tatsächlich mehr negative Kritik oder war der Großteil doch positiv? Was bleibt eher hängen?

Malte Hoyer: Natürlich das Positive. Ich habe da ja auch schon mal bei Facebook reagiert, denn ich lese mir ja auch immer aufmerksam die Kommentare durch, ob es nun bei Youtube ist oder Facebook. Man will es nicht meinen, aber ich bekomme tatsächlich so gut wie alles mit, was da passiert. Was einem dabei auffällt ist, dass es Leute gibt, die mit bestimmten Sachen nicht zufrieden sind, aber es sind vor allem fast immer die gleichen. Das relativiert sich ein bisschen. Wenn man dann den Namen zum fünften Mal liest, dann fragt man sich auch: “Och Mensch, Junge, wenn du Frust abbauen musst, dann mach das, aber muss das denn drei Mal in Folge sein?“ oder “Was willst du damit erreichen?“. Man kann ja Kritik auch höflich formulieren und man darf ja auch sagen, dass man irgendwas nicht mehr mag oder einem ein Stilwandel nicht gefällt. Da hat ja überhaupt keiner etwas dagegen. Leider neigen einige Leute dazu, eher in eine persönliche Richtung zu gehen und dann Behauptungen aufzustellen, die völlig abwegig sind. Mich persönlich nervt das. Ich müsste mich davon mehr distanzieren. Im Großen und Ganzen ist es so, um mal auf deine Frage vollständig zu antworten, dass die Taten der Leute ausschlaggebender sind als die Worte. Abgesehen davon, haben wir natürlich auch viele positive Kommentare bekommen. Es ist so, dass wir mit der neuen CD super viel bewegt haben und ich noch nie so viel Feedback für die einzelnen Songs auch privat über mein Profil bekommen habe. Und du siehst es: Hier haben wir in Dresden mal eben unsere Publikumszahl mehr als verdreifacht, ohne dass wir irgendwie damit gerechnet hätten. Also die Leute nehmen es im großen Teil sehr gut auf und wir freuen uns darüber.

Eike Otten: Es ist wirklich ein gefühlt sehr kleiner Teil von Leuten, die sich negativ positioniert haben. Von daher ist alles super.

Malte: Genau, für einige ist es ja auch ok. Wir gehen stringent unseren Weg seit ein paar Jahren. Unsere Musik wächst ja mit uns. Dann ist es ja völlig ok, wenn einer sagt: “Ich fand die ersten sechs CDs geil und mit den letzten beiden kann ich nicht mehr so viel anfangen.“ Da kann man nur sagen: “Ey man, dann freu dich doch, dass du sechs CDs hast, da kannst du einen halben Tag Musik haben.“ Wir haben jetzt gerade ein anderes Feeling und wir wollen authentisch bleiben und nicht irgendwie eine Form erfüllen.

metal.de: Wie reagiert ihr, wenn solche Kommentare euch gegenüber geäußert werden? Beispielsweise, wenn ein Fan nach einem Konzert vorbeikommt und sagt: “Früher war alles besser!“

Eike: Also im Grunde passiert so etwas eigentlich selten.

Malte: Das liegt natürlich auch daran, dass die Hemmungen größer sind. Naja, a) liegt es daran, dass die Leute, die mit unserer Musik nichts mehr anfangen können, in der Regel nicht mehr auf unsere Konzerte kommen und b): Wenn sie etwas auszusetzen haben, dann ist die Hemmschwelle größer an die Musiker heranzutreten. Das wird dann lieber übers Gästebuch oder Facebook gemacht, aber es kommen auch Leute zu uns. Wir haben ja ein recht enges Verhältnis zu unseren Fans. Daher kommen auch Leute mit Kritik zu uns. Wir nehmen das alles auf! Wir sind ja selbst nicht kritiklos. Wir sehen ja auch, was funktioniert und was nicht, und welcher Song live funktioniert. Es gibt Songs, die wir jetzt auf der Tour spielen aber bei denen wir wissen, dass wir sie danach nicht mehr spielen werden. Der gehört aber jetzt einmal rauf auf die Bühne. Wir verarbeiten das. Das arbeitet auch in einem drin. Das ist nichts, was hinten über fällt. Wenn es eine gute Kritik ist, dann werden wir sie in der Band besprechen und tatsächlich auch in Produktionen mit einbauen. Wenn du eine CD mit etwa zwölf Stücken machst, und du liest in allen Rezensionen und hörst von 1000 Fans: “Lied Nummer 5 und Lied Nummer 7 sind nicht so schön“, dann sitzt du bei der nächsten Produktion da und denkst, dass du an dem Stil nicht unbedingt weiter arbeiten musst. Aber ausprobieren tun wir es trotzdem.

metal.de: Malte, du hast mit dem Post “Was ist VERSENGOLD?“ sehr private Einblicke gegeben. Hattest du das Gefühl zu solch einer Ansage genötigt worden zu sein oder musste das einfach mal raus?

Malte: Das musste einfach mal raus! Es sind genau diese Leute, die da kommentieren und über die wir gerade gesprochen haben, die ein ganz verzerrtes Bild davon haben, wie das auf dem Musikmarkt heutzutage läuft. Es mag ja vor 20 oder 30 Jahren mal anders gewesen sein, aber wenn man heute denkt, auch mit unserem Erfolg mit dem zweiten Platz in den Albumcharts: “Die sind jetzt Millionäre“ – das ist sowas von albern. Aber es gibt wohl einige Leute, die leben noch in den Neunzigern. Die sind was das angeht noch ein wenig uninformiert. Was mich dann ärgert, wenn man so uninformiert ist oder nur über Halbwissen verfügt, sollte man nicht irgendwelche Theorien aufstellen. Und ich musste oft lesen, dass ich jetzt reich bin und nur noch alles für das Geld mache und sowas. Das ist dann echt hart. Wenn du, wie ich es geschrieben habe, über 14 Jahre diese Band aufbaust und zehn oder elf Jahre davon nicht mal im Ansatz davon leben kannst, sondern das nebenbei machst – da hatte ich echt harte Zeiten. Da habe ich gedacht, dass ich da mal ein paar persönliche Eindrücke vermitteln muss, damit die Leute wissen, dass da ein Mensch dahinter steht. Genau diese Leute! Damit die mal sehen, das ist nicht nur diese Rolle auf der Bühne, das ist nicht nur der Malte der da gerade erfolgreich ist. Es ist auch der Malte, der ein Leben hat und das trag ich nun mal mit mir herum. Wir sind weit davon entfernt, uns nach hinten lehnen zu können oder uns finanziell oder auf sonst eine Art zu entspannen. Deswegen ärgert mich das manchmal. Ich muss aber öfter solche Kommentare lesen. Mittlerweile reagiere ich darauf mit Ironie. Ich weiß nicht, was mir dazu noch anderes einfällt. Vielleicht haben sie ja mal irgendwann recht und wir sind wirklich reich, dann dürfen sie das alles schreiben.

metal.de: Könnt ihr denn die negativen Reaktionen auf eure Musik, wenn sie denn einmal auftreten, ein Stück weit nachvollziehen?

Eike: Die Musik hat sich ja mit jedem Album immer weiterentwickelt. Wenn du jetzt das aktuelle Album mit den älteren Sachen vergleichst, würdest du im ersten Moment denken, dass das zwei verschiedene Bands sind. Es ist ja auch eine Geschmackssache. Wenn die Leute mit den ursprünglicheren Sachen mehr anfangen können, dann kann ich es nachvollziehen, wenn unser Zeug vom neuen Album vielleicht nicht mehr ganz so durchschlägt. Es ist eine musikalische Entwicklung, die auf vielen Punkten basiert, zum Beispiel auf mehreren Besetzungswechseln, die es in der Band gegeben hat.

Malte: Aber es gibt ja nach wie vor Parallelen. Ich bin ja von Anfang an dabei und habe die Band gegründet. Dementsprechend ist das für mich eine andere Sichtweise. Ich sehe mich in den alten Alben und ich sehe mich in den neuen Alben. Es gib da Parallelen. Sachen, die ich früher in irgendwelche Märchengeschichten verpackt habe, weil VERSENGOLD ja auch aus einem Theaterprojekt entstanden ist… Ich nenne das so. Das soll jetzt nicht abfällig klingen! Ich war LARPer, das bin ich auch immer noch, habe nur kaum noch Zeit dazu. In diesem Rahmen habe ich sogar mal eine Kneipe organisiert, eine mittelalterliche Schenke. Da ist VERSENGOLD entstanden. Das war von vornherein so ein Rollenspiel und deswegen wollten wir auch aussehen wie Spielleute. Wir wollten gar nicht irgendwo rein und bezahlt werden, wir wollten Lagerfeuermusik machen. Das hat sich dann so entwickelt. Irgendwann kam dann, was ich auch geschrieben habe, dieser Moment, wo sich aufgrund dessen, dass ich nicht mehr viel unterwegs bin, außer in irgendwelchen Konzerthallen, mein Leben geändert hat. Ich bin nicht mehr 20. Ich bin 37 Jahre alt – da hat sich viel getan. Ich habe derzeit kaum Lust meine eigenen Empfindungen und meine Kritik an der Gesellschaft wieder zu verklausulieren und in irgendwelche Märchen zu packen. Das kann ich tun und es gibt auch eine Menge Ideen. Ich bin mir sicher, irgendwann werde ich auch mal wieder darauf zurückgreifen, denn es ist ja auch eine Leidenschaft von mir. Jetzt gerade ist aber der authentischste Malte und das authentischste VERSENGOLD genau das, was wir machen. Und das ist eine Parallele, die sich durch die CDs zieht. Wir haben immer das gemacht, was wir machen wollten. Wir haben ja auch immer in den ersten CDs schon Steigerungen drin. Das vergessen die Leute ganz gern. Auf der “Im Namen des Folkes“ ist schon ein Bass mit drauf, auch das vergessen die Leute ganz gern. Die sagen dann: “Den Bass gibt es seit 2015“ – das stimmt gar nicht, wir haben es nur nicht an die große Glocke gehangen. Wir haben auch mit Instrumenten experimentiert, auf der “Ketzerey“ schon. Wir haben immer geguckt, dass wir etwas Neues reinbringen, dass wir uns immer weiterentwickeln. Damit ist auch unsere Musik um das ganze Projekt gewachsen. Das ist halt ein stringenter Verlauf. Klar, wenn du die erste und die letzte CD anhörst, ist das ein Weltunterschied, aber ich behaupte Mal es gibt wenige Bands, bei denen das anders ist, wenn sie schon seit über zehn Jahren musizieren.

metal.de: Ich habe mal einen Kommentar aus Youtube rausgesucht, der unter eurem Video zu “Niemals Sang- und Klanglos“ stand: “wieder ein toller song, wirklich, aber ich vermisse richtige räuberlieder 🙁 (MrtacoO). Du meintest ja gerade, dass es nicht ganz ausgeschlossen ist. Könntest du dir vorstellen mit VERSENGOLD auch wieder solche Thematiken zu bearbeiten oder sind die moderneren und persönlicheren Texte der Pfad der nächsten Jahre?

Malte: Ich bin ja nicht derjenige, der entscheidet, welche Songs wir machen. Ich stelle eine Textmappe auf und dann besprechen wir gemeinsam. Und derzeit machen wir das auf keinen Fall. Da geht es nicht irgendwie “back tot he roots“ in die Räuberthematik oder so. Sondern wir werden erstmal den Weg verfolgen, mit dem wir uns am besten fühlen. Es gibt natürlich Sachen, die ich noch liegen habe und an denen ich schreibe. Ich will ja nicht ausschließen, dass wir uns irgendwann mal wieder diesem Themenbereich widmen. Es wäre ja schade um die Musik, die da noch ist, aber das wäre ja auch jetzt ein Stück weit unehrlich, obwohl wir noch einen Riesenspaß dabei haben “Wem? Uns!“ oder solche Sachen zu spielen. Das ist immer noch im Programm und das ist geil! Wir ziehen das durch. Eike hat da seinen Dance…

Eike: Meine Lieblingsstelle im Konzert!

Malte: Genau. Das ist ja nicht so, als wenn wir jetzt sagen: “Oh das Material ist von früher, das lassen wir weg! Das sind wir nicht mehr!“ oder so. Nein! Und das ist ja auch der Witz. Viele Leute sind auch zu mir gekommen und haben gesagt: “Ich kann mit der “Zeitlos“ nichts anfangen, aber dann habe ich ein Konzert von euch gehört und habe gemerkt, da ist eigentlich gar kein großer Unterschied.“ Wenn wir dann irgendwie “Paules Beichtgang“ spielen und danach “Schon Immer Mal“, einen Song der sehr in Kritik geraten ist und mittlerweile super beliebt ist, dann stieß das auf einmal gar nicht mehr auf, denn irgendwie sind die Leute doch die selben. Die merken, wir sind mit der selben Leidenschaft dabei. Und danach kommt dann “Halunken betrunken“ oder so. Insgesamt hast du dann ein Konzert sowohl mit alten und als auch neuen und persönlichen Stücken. Das funktioniert in der Mischung. Das passiert mit der neuen Scheibe gerade auch wieder. Wir mischen wieder durch.

metal.de: Da kann ich mir vorstellen, dass euer Livealbum “Live 2015“ ziemlich viel bei einigen Leuten gerettet hat. Die haben dann gemerkt, dass ihr neben den neuen auch die alten Songs spielt.

Malte: Wir wissen ja auch, was wir den Leuten präsentieren wollen. Du gehst ja auf Konzerte, um bestimmte Songs zu hören, die auch vielleicht schon leichten Kultcharakter in der Szene bekommen haben. Da haben wir schon ein bis zwei Kandidaten. Das ist doch klar, dass wir die spielen. Das werden wir doch den Leuten nicht vorenthalten, auch nicht in fünf Jahren.

metal.de: Wenn mal Kritik an der Musik aufkommt, dann wird hauptsächlich die Nähe zu Pop und Schlager kritisiert. Denkt ihr, dass es in den Szenen, in denen ihr unterwegs seid, zu viel Schubladendenken gibt?

Malte: Es gibt insgesamt zu viel Schubladendenken auf der Welt, um das einmal festzuhalten. Und daher: Ja, auf jeden Fall. Das Ding ist halt, wenn die Leute die Schlager- oder Popkeule rausholen … “Pop“ heißt Popularmusik, populäre Musik, also alles, was einen gewissen Grad an Bekanntheit erreicht hat. Es gibt keine wirkliche Definition dafür. Es ist ein Gefühl. Gerade der neue deutsche Pop, ich nenne das einfach mal so, ist ja sehr schlageresk. Die Frage ist halt: “Wo setzt du an?“. Ich habe für mich den Schluss gezogen, dass es eine Gefühlsebene ist. Nehmen wir zum Beispiel mal “Ich Und Ein Fass Voller Wein“ – das ist Schlager! Das war auf der zweiten CD drauf. Wenn irgendwas von uns je Schlager war, dann ist das dieser Song! Da hat aber nie jemand etwas dazu gesagt. Die Leute, die mit unserer Entwicklung unzufrieden sind, besetzen das mit bestimmten Dingen, die sie als negativ empfinden. Dann sind wir zum Beispiel im ZDF Fernsehgarten, was für uns eine Superchance ist, uns einfach mal zu präsentieren. Ich hatte ja geschrieben, dass ich selbst meine Vorurteile dem Ganzen gegenüber hatte. Letztendlich machen wir halt unsere Mucke! In welche Schublade du die dann reinsteckst, das kann dir doch egal sein. Es geht den Leuten um Identifikation. Es geht denen darum, dass sie sagen: “Ich höre keinen Schlager, denn Schlager ist nur für olle Omis“. Dann sagen sie aber: “Meine Lieblingsband spielt auf der selben Bühne wie Schlagerleute, die sind jetzt auch Schlager. Also bin ich dann auch Schlager?“. Ich glaube das ist so ein bisschen die Denke dahinter. Das ist natürlich total bekloppt. Letztendlich geht es darum, dass den Leuten die Musik gefällt und es ist doch scheiß egal wie alt die sind, aus welcher Szene sie kommen oder sonst was. Solange das keine rechtradikalen Vollidioten sind, die meine Musik hören, ist mir das völlig egal, aus welchem Bereich unserer Welt oder aus welchem Lebensstil sie kommen, solange sie sich dafür begeistern können. Dann gibt es doch auch die Gemeinsamkeit zwischen den Leuten und das ist das Schöne auf unseren Konzerten. Zwischen 6 und 89 haben wir alles stehen. Leute aus dem Metal, aus dem Gothic, aus dem Folk, aus dem ganz “normalen“ Bereich – die feiern alle zusammen und keiner fühlt sich dabei unwohl. Dann sollte man das vielleicht lieber positiv herausheben und sagen: “Wir sind in nicht in eine Schublade zu stecken und wir sprechen viele Leute an, die dann gemeinsam feiern.“ Wir heben diese Schublade auf, also machen wir doch eine VERSENGOLD-Schublade draus. Die ist dann eben verdammt groß. Da kann jeder rein, der will.

metal.de: Auf der aktuellen Tour begleiten euch DARTAGNAN, die selbst mit viel Kritik leben müssen. Schweißt sowas enger zusammen? Tauscht ihr euch über solche Sachen auch privat aus?

Malte: DARTAGNAN sind ja auch nicht die einzigen. Im Grunde sind alle Bands, die sich weiterentwickeln, wie SALTATIO MORTIS zum Beispiel… wir tauschen uns alle aus! Wir mögen uns auch alle sehr gern. Oder auch FAUN, alle Bands, die so in eine bestimmte Richtung gehen und sich weiterentwickeln, solange es auf freiwilliger Basis ist. Die unterliegen dem Problem, dass sie nicht mehr das gewohnte oder auf den Hörer genormte Hörmuster abliefern und dementsprechend dann Kritiken sammeln. DARTAGNAN hat natürlich einen schwierigen Weg gewählt. Sie sind durch das Fernsehen gekommen und sind jetzt dabei, sich ihr Live-Publikum zu erspielen. Das schafft natürlich Raum für Vorurteile, gerade wenn man in einer Szene unterwegs ist, wo die Leute leicht mit Kritik um sich werfen. Ich kann nur sagen, dass die Leute urteilen sollten, wenn sie DARTAGNAN mal live gesehen haben. Daran siehst du dann, dass das sechs Musiker sind und keine gecasteten Leute, die da irgendein Playback abziehen. Es sind sechs Mucker, die machen eine Show, die haben Bock, die feiern das, was sie machen, die stehen da komplett hinter. Wer Kritik an einer Band üben soll, der soll sich das reinziehen und nicht aufs Blaue hinein raten und, wenn es schlimm kommt, den Ruf von jemandem schädigen. Gerade in der heutigen Zeit wäre es schöner, wenn die Leute ein bisschen klüger agieren würden und nicht immer ihre eigene Meinung… ok, was heißt immer? Es gibt genug Leute die es nicht so machen, aber genau diese Leute ihre eigene Meinung als eine Wahrheit verkaufen und dann irgendwelche Pseudo-Rezis schreiben und sich bei Amazon einen abtippen, welches Lied gut ist und welche scheiße. Da denkt man: “Es kann ja sein, dass du deinen Geschmack hast, das ist ja alles gut, aber du kannst ja mal ein bisschen von deinem Absolutismus abweichen und dir vorstellen, dass man andere Leute damit berührt und dass da wirklich etwas dahinter steht.“

metal.de: Gibt es musikalische Grenzen, über die ihr mit VERSENGOLD nicht gehen würdet? Würdet ihr zum Beispiel nie elektronische Elemente verwenden?

Eike: Wir schränken uns eigentlich nie von Anfang an ein. Das ist auch bei der letzten Platte der Fall gewesen, zum Beispiel beim Song “Herz Durch Die Wand“. Da haben wir zum Beispiel durch das Hackbrett in Kombination mit dem Klang der Nyckelharpa und einer Uilleann-Pipe ein Klangbild erzeugt, was relativ ungewohnt war. Ist zwar jetzt nicht die Elektroschiene, aber wir sind weiterhin experimentierfreudig. Malte meinte ja vorhin auch schon, dass bei der “Ketzerey“ schon viel rumexperimentiert wurde. Wovon ich ausgehe ist, dass wir jetzt nicht unbedingt mit Hip-Hop Beats arbeiten werden. Aber man kann den musikalischen Horizont ja immer erweitern.

Malte: Ich kann mir derzeit auch nicht vorstellen mit Elektro-Sachen zu arbeiten. Ich will aber auch nichts mehr ausschließen. Man merkt ja, wo die Reise hingeht. Wer weiß, wenn wir irgendwann mal 60 sind, können wir ja mal ne Techno-Platte machen. Also ich kann mir das wirklich nicht vorstellen. Wir sind Folk-Mucker und auch wenn uns jetzt irgendwelche Begrifflichkeiten um die Ohren fliegen, früher war es “Mittelalterband“, jetzt ist es “Schlagerband“ oder Country oder Folk Rock… wir hatten ja eben schon diese Schubladen. Wir sind Folker, auf unsere Art und Weise. Wir haben unsere Stammbesetzung und die werden wir natürlich nicht ändern. Wir werden immer mit Akustikgitarren, Geigen, der Nyckelharpa und jetzt Bass und Schlagezug arbeiten. Und alles was darauf noch kommt, das steht noch in den Sternen.

metal.de: Zum Thema Stammbesetzung: Es deutete sich schon einige Zeit lang an, dass sich Thomas “Pínto“ Heuer bei euch musikalisch nicht mehr wohl gefühlt hat. Wie bewertet ihr rückblickend diese komplexe Situation rund um seinen Ausstieg?

Malte: Ja das ist natürlich auch so komplex, dass es schwierig ist, das in einem Interview darzustellen. Und auch was dieses Thema angeht ist es schwierig, es in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Da sind ja viele Befindlichkeiten mit im Spiel, wir sind ja alle Menschen. Wir hatten natürlich eine Stellungnahme, die wir in Absprache miteinander veröffentlicht haben. Also da gibt es nichts, was wir nicht ohne ein gewisses Bedürfnis nach Harmonie mit Thomas abgewickelt haben. Wir waren uns auch einig darüber, wie das Ganze laufen sollte und dass es so laufen sollte. Dieser Prozess geht ja schon seit vielen Jahren und auch nicht erst seit der “Zeitlos“. Eine Band ist ein komplexes Gebilde, da wird es umso schwieriger, je erfolgreicher man wird, weil viele Leute ihre Interessen verfolgen und wir müssen als Band komplett als einziges Team operieren und nach vorne gehen. Das ist das Wichtigste, sonst bleiben wir irgendwann auf der Strecke. Wir müssen alle wahnsinnig viel an uns arbeiten. Wir müssen wahnsinnig viel Selbstkritik an den Tag legen und sehr kompromissbereit sein. Wir müssen uns auch in allen Richtungen weiterbilden. All das gehört dazu und man könnte meinen, das sei selbstverständlich. Sowas kann über Jahre tatsächlich frustrierend werden, wenn man nicht komplett an einem Strang zieht. Was ich hier nochmal deutlich sagen will: Es gibt kein Opfer in dieser ganzen Geschichte! Diese Sache ist wirklich über Jahre gewachsen und das sind Thematiken, die da zum Problem geworden sind, das ging ja nicht mit der Krankheit von Thomas los. Es ist schwierig, dass in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Ich hoffe auch, dass das Verhältnis zwischen uns bleibt.

metal.de: Also seid ihr eher im Guten auseinander?

Malte: Wir sind auf jeden Fall im Einverständnis auseinander! Es war ja nicht so, dass wir jemanden gefeuert haben. Das geht ja bei uns auch gar nicht. Wir sind ja eine GbR, das heißt wir sind alle Chefs und wir können nicht einfach sagen, wir schmeißen einen raus. Im Grunde ist es dann so, dass wir uns zusammensetzen und das ausdiskutieren müssen. Es ist dann auch schwierig, dass dann so darzustellen. Ich war auch nicht ganz glücklich mit ein, zwei Darstellungsweisen, die da im Netz kursierten. Dazu will ich mich aber auch nicht weiter äußern. Ich habe da ja nochmal meinen eigenen Kommentar verfasst, um da ein bisschen gegen zu wirken, weil es eben kein Opfer gibt.

Eike: Die Leute machen sich schnell ihr eigenen Bild von so einer Situation, was als Außenstehender komplett unmöglich ist. Wie denn auch? Wir sind eine interne Gruppe und das ist eine Sache, die unter uns passiert.

Malte: Ich habe neun Jahre mit Thomas musiziert. Wir haben wahnsinnig viele Dinge erlebt – schlechte und gute. Und wir sind natürlich über diese Zeit miteinander sehr verwachsen. Das gilt auch für die anderen Jungs aus der Band. Da wird so eine Entscheidung nicht leitfertig gefällt, weder von Thomas noch von uns. Auch da sollten die Leute mal ein bisschen drüber nachdenken, dass dahinter Menschen stehen, die ein Leben zusammen haben und teilen und dass das wahrscheinlich begründet und komplex ist, wenn das in so eine Richtung geht.

metal.de: Kommen wir mal zu angenehmeren Thematiken. “Funkenflug“ war insgesamt ein riesiger Erfolg. Konnte man das nach dem Erfolg von “Zeitlos“ erwarten oder wart ihr total Baff?

Eike: Die Platte “Zeitlos“ war vom Musikstil auf jeden Fall wegweisend, gerade mit dem Besetzungswechsel. Als die dann auf Platz 22 gegangen ist, was für uns in der Hinsicht der bis dato größte Erfolg war, haben wir immer weiter am Bandsound geschliffen. Das ist ja auch ein Prozess, dieses organische Wachstum. Der Musikstil schleift sich und bringt sich in Form. Beim neuen Album haben wir dann mehr in Richtung “Rockband“ geschrieben.

Malte: Ach weiß ich gar nicht. Deine Frage war ja, ob wir mit der Top 10 gerechnet haben. Ja! Unabhängig vom Weg. Na gut, nein, wir haben nicht damit gerechnet. Wir haben darauf gehofft und wir wussten, dass es nicht unmöglich ist. Aber wir haben auch ein wenig gezweifelt. Im Gegensatz zu anderen Bands in der Szene, auch witzigerweise Bands, die niemals mit dem Wort “kommerziell“ in Verbindung gebracht werden, haben wir keine TV-Kampagne am Start gehabt. Wir haben ein Major Label, aber keine fette deutschlandweite Plakat-Kampagne gehabt. Deswegen haben wir gesagt: “Ok, wir wissen, dass wir viele Fans haben. Wir wissen, dass wir uns viel erspielt haben. Es müsste also heutzutage für die Top 10 reichen.“. Dass es Platz 2 geworden ist, damit haben wir nicht gerechnet. In der Woche haben wir das natürlich verfolgt. Irgendwann haben wir dann gedacht: “Woah, kann es wirklich sein, dass wir vor ACCEPT landen?“ und dann ist es echt passiert. Das war schon ziemlich überraschend. Aber wir haben natürlich ab dem Zeitpunkt darauf spekuliert, als wir wussten, dass es funktionieren könnte. Bei den Charts kommt es ja auch immer darauf an, wer so alles released. Also wenn du irgendwie eine Woche hast, in der HELENE FISCHER, ANDREA BERG und die AMIGOS gleichzeitig releasen, dann hast du die ersten drei Plätze. Am besten hast du dann noch ein paar Hip Hopper dabei, die gerade so unfassbar viel verkaufen. Dann kannst du auch mal wieder schnell auf Platz 12 oder 13 landen.

metal.de: Das Konzert in Dresden wurde sogar zwei Mal hochverlegt. Habt ihr eine besondere Beziehung zu den Dresdner Fans oder zu Dresden allgemein?

Malte: Also ich schon. Ich war ja schon oft hier. Wir haben Dresden immer gefeiert. Ich muss dazu auch sagen, dass Dresden lange Zeit die einzige Stadt im Osten war, die wir auf Tour angefahren haben, soweit ich mich erinnere. Berlin ist dann irgendwann mit dazu gekommen. Wir haben ja damals mit FEUERSCHWANZ, mit Samo [SALTATIO MORTIS, Anm. d. Red.] und 2012 auf unserer eigenen Tour hier im Puschkin gespielt. Was man von Dresden immer erwarten konnte ist, dass die Leute da richtig durchgedreht sind. Es war einfach ‘ne richtig harte Party – auch manchmal ein bisschen drüber. Ich habe wirklich viele Erinnerungen an Dresdner Fans, die wirklich sehr lieb sind, also ganz begeisterte Menschen. Und sehr laut! Das war eigentlich immer so das Besondere in Dresden. Ich bin mir sicher, dass es keine Stadt im Osten gibt, die wir so oft bespielt haben, auch mit dem MPS [Mittelalterlich Phantasie Spectaculum, Anm. d. Red.], wo wir dann auch immer dafür gesorgt haben, dass wir in Dresden mit dabei sind, sofern nicht irgendwas komplett dazwischen kommt. Wir haben sogar schon WACKEN-Geschichten nur bis Freitag gelegt, um dann Samstag und Sonntag in Dresden zu spielen. Letztes Jahr zum Beispiel auch mit KNASTERBART und VERSENGOLD, das haben wir mit der Booking Agentur von Anfang an so terminiert. Das MPS in Dresden gibt es ja jetzt leider nicht mehr. Deswegen freut es uns umso mehr, dass wir hier unsere Besucherzahlen mit dem letzten Album in den letzten zwei Jahren mehr als verdreifacht haben. Wir sind total geflasht. Wir freuen uns alle MEGA auf das Konzert heute. Wir wissen ja, was mit 400 Leuten los ist, das wäre ja schon geil gewesen. Da haben wir uns ja schon drauf gefreut. Die aktuellen Zahlen liegen wohl so bei 1200. Da ist in den letzten Tagen nochmal richtig viel passiert.

Eike: Ich glaube der zahlenmäßig zweitgrößte Termin. Schon krass!

Malte: Ja genau! Das ist jetzt auf Tour der zweitgrößte Termin überhaupt geworden. Naja in Westdeutschland, in Bochum oder Köln, das ist ja jetzt nicht so weit voneinander weg. Bochum haben wir ausverkauft und in Köln kamen auch über 1000 Leute, aber Dresden wird die toppen und damit ist das unser zweitgrößter Tourtermin. Das werden wir natürlich in Zukunft auch honorieren. Es ist also klar, dass Dresden auf der Tour eh gesetzt ist. Wenn das so läuft wie hier, dann wird das eine unserer wichtigsten Städte werden. Wir sind megaglücklich und das werde ich den Leuten heute auch nochmal sagen. Wir haben richtig Bock!

metal.de: Ein kleiner Blick in die Zukunft muss auch gewagt werden. Wie geht es nach der “Funkenflug“-Tour und der Nacht der Balladen weiter? Prinzipiell wäre es ja mal wieder Zeit eine Themen-EP auf den Markt zu bringen. Das Muster der Cover ist noch nicht vollständig.

Malte: Ja damit haben wir uns was aufgebrummt. Tatsächlich ist es Thema bei uns in der Band. Ich will jetzt nichts versprechen, aber ich gehe davon aus, dass wir mit diesen Themengeschichten weiter machen werden. Jetzt werden wir aber erstmal Alben produzieren, aus verschiedenen Gründen. Damals haben wir ja jedes Jahr ein Album rausgebracht. Da gab es Leute die gemeckert haben, dass da nur acht Lieder drauf sind. “Ja Moment mal, vor sechs Monaten haben wir doch eine CD mit 14 Titel released?“ Das ist eben nicht Standard. Das geht eben gerade aufgrund des zeitlichen Rahmens nicht. Wir müssen alle zwei Jahre ein richtiges Album raushauen. Das ist unser eigener Anspruch und das wollen auch die Leute haben. Es gibt schon Ideen für weitere Themenalben. Die Frage ist, wann wir anfangen können, die umzusetzen. Ich lass mir ja die Cover meiner CDs auf so Glaszeug ausdrucken und dann häng ich mir die an die Wand, weil ich mich daran erfreue. Da habe ich auch die beiden Themenalben nebeneinander hängen und guck da auch immer so drauf “Noooaaarrrrhhhhhh mein Perfektionismus! Wo sind die anderen beiden?“ Ich muss es vervollständigen! Irgendwann werden wir uns dem Ganzen schon mal widmen, da bin ich mir ziemlich sicher.

metal.de: Dann freue ich mich schon darauf. Vielen Dank für das Interview.

30.12.2017
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