Versengold
"...also machen wir doch eine Versengold-Schublade draus" - Interview mit Malte und Eike
Interview
metal.de: Könnt ihr denn die negativen Reaktionen auf eure Musik, wenn sie denn einmal auftreten, ein Stück weit nachvollziehen?
Eike: Die Musik hat sich ja mit jedem Album immer weiterentwickelt. Wenn du jetzt das aktuelle Album mit den älteren Sachen vergleichst, würdest du im ersten Moment denken, dass das zwei verschiedene Bands sind. Es ist ja auch eine Geschmackssache. Wenn die Leute mit den ursprünglicheren Sachen mehr anfangen können, dann kann ich es nachvollziehen, wenn unser Zeug vom neuen Album vielleicht nicht mehr ganz so durchschlägt. Es ist eine musikalische Entwicklung, die auf vielen Punkten basiert, zum Beispiel auf mehreren Besetzungswechseln, die es in der Band gegeben hat.
Malte: Aber es gibt ja nach wie vor Parallelen. Ich bin ja von Anfang an dabei und habe die Band gegründet. Dementsprechend ist das für mich eine andere Sichtweise. Ich sehe mich in den alten Alben und ich sehe mich in den neuen Alben. Es gib da Parallelen. Sachen, die ich früher in irgendwelche Märchengeschichten verpackt habe, weil VERSENGOLD ja auch aus einem Theaterprojekt entstanden ist… Ich nenne das so. Das soll jetzt nicht abfällig klingen! Ich war LARPer, das bin ich auch immer noch, habe nur kaum noch Zeit dazu. In diesem Rahmen habe ich sogar mal eine Kneipe organisiert, eine mittelalterliche Schenke. Da ist VERSENGOLD entstanden. Das war von vornherein so ein Rollenspiel und deswegen wollten wir auch aussehen wie Spielleute. Wir wollten gar nicht irgendwo rein und bezahlt werden, wir wollten Lagerfeuermusik machen. Das hat sich dann so entwickelt. Irgendwann kam dann, was ich auch geschrieben habe, dieser Moment, wo sich aufgrund dessen, dass ich nicht mehr viel unterwegs bin, außer in irgendwelchen Konzerthallen, mein Leben geändert hat. Ich bin nicht mehr 20. Ich bin 37 Jahre alt – da hat sich viel getan. Ich habe derzeit kaum Lust meine eigenen Empfindungen und meine Kritik an der Gesellschaft wieder zu verklausulieren und in irgendwelche Märchen zu packen. Das kann ich tun und es gibt auch eine Menge Ideen. Ich bin mir sicher, irgendwann werde ich auch mal wieder darauf zurückgreifen, denn es ist ja auch eine Leidenschaft von mir. Jetzt gerade ist aber der authentischste Malte und das authentischste VERSENGOLD genau das, was wir machen. Und das ist eine Parallele, die sich durch die CDs zieht. Wir haben immer das gemacht, was wir machen wollten. Wir haben ja auch immer in den ersten CDs schon Steigerungen drin. Das vergessen die Leute ganz gern. Auf der “Im Namen des Folkes“ ist schon ein Bass mit drauf, auch das vergessen die Leute ganz gern. Die sagen dann: “Den Bass gibt es seit 2015“ – das stimmt gar nicht, wir haben es nur nicht an die große Glocke gehangen. Wir haben auch mit Instrumenten experimentiert, auf der “Ketzerey“ schon. Wir haben immer geguckt, dass wir etwas Neues reinbringen, dass wir uns immer weiterentwickeln. Damit ist auch unsere Musik um das ganze Projekt gewachsen. Das ist halt ein stringenter Verlauf. Klar, wenn du die erste und die letzte CD anhörst, ist das ein Weltunterschied, aber ich behaupte Mal es gibt wenige Bands, bei denen das anders ist, wenn sie schon seit über zehn Jahren musizieren.
metal.de: Ich habe mal einen Kommentar aus Youtube rausgesucht, der unter eurem Video zu “Niemals Sang- und Klanglos“ stand: “wieder ein toller song, wirklich, aber ich vermisse richtige räuberlieder 🙁 “ (MrtacoO). Du meintest ja gerade, dass es nicht ganz ausgeschlossen ist. Könntest du dir vorstellen mit VERSENGOLD auch wieder solche Thematiken zu bearbeiten oder sind die moderneren und persönlicheren Texte der Pfad der nächsten Jahre?
Malte: Ich bin ja nicht derjenige, der entscheidet, welche Songs wir machen. Ich stelle eine Textmappe auf und dann besprechen wir gemeinsam. Und derzeit machen wir das auf keinen Fall. Da geht es nicht irgendwie “back tot he roots“ in die Räuberthematik oder so. Sondern wir werden erstmal den Weg verfolgen, mit dem wir uns am besten fühlen. Es gibt natürlich Sachen, die ich noch liegen habe und an denen ich schreibe. Ich will ja nicht ausschließen, dass wir uns irgendwann mal wieder diesem Themenbereich widmen. Es wäre ja schade um die Musik, die da noch ist, aber das wäre ja auch jetzt ein Stück weit unehrlich, obwohl wir noch einen Riesenspaß dabei haben “Wem? Uns!“ oder solche Sachen zu spielen. Das ist immer noch im Programm und das ist geil! Wir ziehen das durch. Eike hat da seinen Dance…
Eike: Meine Lieblingsstelle im Konzert!
Malte: Genau. Das ist ja nicht so, als wenn wir jetzt sagen: “Oh das Material ist von früher, das lassen wir weg! Das sind wir nicht mehr!“ oder so. Nein! Und das ist ja auch der Witz. Viele Leute sind auch zu mir gekommen und haben gesagt: “Ich kann mit der “Zeitlos“ nichts anfangen, aber dann habe ich ein Konzert von euch gehört und habe gemerkt, da ist eigentlich gar kein großer Unterschied.“ Wenn wir dann irgendwie “Paules Beichtgang“ spielen und danach “Schon Immer Mal“, einen Song der sehr in Kritik geraten ist und mittlerweile super beliebt ist, dann stieß das auf einmal gar nicht mehr auf, denn irgendwie sind die Leute doch die selben. Die merken, wir sind mit der selben Leidenschaft dabei. Und danach kommt dann “Halunken betrunken“ oder so. Insgesamt hast du dann ein Konzert sowohl mit alten und als auch neuen und persönlichen Stücken. Das funktioniert in der Mischung. Das passiert mit der neuen Scheibe gerade auch wieder. Wir mischen wieder durch.
metal.de: Da kann ich mir vorstellen, dass euer Livealbum “Live 2015“ ziemlich viel bei einigen Leuten gerettet hat. Die haben dann gemerkt, dass ihr neben den neuen auch die alten Songs spielt.
Malte: Wir wissen ja auch, was wir den Leuten präsentieren wollen. Du gehst ja auf Konzerte, um bestimmte Songs zu hören, die auch vielleicht schon leichten Kultcharakter in der Szene bekommen haben. Da haben wir schon ein bis zwei Kandidaten. Das ist doch klar, dass wir die spielen. Das werden wir doch den Leuten nicht vorenthalten, auch nicht in fünf Jahren.
metal.de: Wenn mal Kritik an der Musik aufkommt, dann wird hauptsächlich die Nähe zu Pop und Schlager kritisiert. Denkt ihr, dass es in den Szenen, in denen ihr unterwegs seid, zu viel Schubladendenken gibt?
Malte: Es gibt insgesamt zu viel Schubladendenken auf der Welt, um das einmal festzuhalten. Und daher: Ja, auf jeden Fall. Das Ding ist halt, wenn die Leute die Schlager- oder Popkeule rausholen … “Pop“ heißt Popularmusik, populäre Musik, also alles, was einen gewissen Grad an Bekanntheit erreicht hat. Es gibt keine wirkliche Definition dafür. Es ist ein Gefühl. Gerade der neue deutsche Pop, ich nenne das einfach mal so, ist ja sehr schlageresk. Die Frage ist halt: “Wo setzt du an?“. Ich habe für mich den Schluss gezogen, dass es eine Gefühlsebene ist. Nehmen wir zum Beispiel mal “Ich Und Ein Fass Voller Wein“ – das ist Schlager! Das war auf der zweiten CD drauf. Wenn irgendwas von uns je Schlager war, dann ist das dieser Song! Da hat aber nie jemand etwas dazu gesagt. Die Leute, die mit unserer Entwicklung unzufrieden sind, besetzen das mit bestimmten Dingen, die sie als negativ empfinden. Dann sind wir zum Beispiel im ZDF Fernsehgarten, was für uns eine Superchance ist, uns einfach mal zu präsentieren. Ich hatte ja geschrieben, dass ich selbst meine Vorurteile dem Ganzen gegenüber hatte. Letztendlich machen wir halt unsere Mucke! In welche Schublade du die dann reinsteckst, das kann dir doch egal sein. Es geht den Leuten um Identifikation. Es geht denen darum, dass sie sagen: “Ich höre keinen Schlager, denn Schlager ist nur für olle Omis“. Dann sagen sie aber: “Meine Lieblingsband spielt auf der selben Bühne wie Schlagerleute, die sind jetzt auch Schlager. Also bin ich dann auch Schlager?“. Ich glaube das ist so ein bisschen die Denke dahinter. Das ist natürlich total bekloppt. Letztendlich geht es darum, dass den Leuten die Musik gefällt und es ist doch scheiß egal wie alt die sind, aus welcher Szene sie kommen oder sonst was. Solange das keine rechtradikalen Vollidioten sind, die meine Musik hören, ist mir das völlig egal, aus welchem Bereich unserer Welt oder aus welchem Lebensstil sie kommen, solange sie sich dafür begeistern können. Dann gibt es doch auch die Gemeinsamkeit zwischen den Leuten und das ist das Schöne auf unseren Konzerten. Zwischen 6 und 89 haben wir alles stehen. Leute aus dem Metal, aus dem Gothic, aus dem Folk, aus dem ganz “normalen“ Bereich – die feiern alle zusammen und keiner fühlt sich dabei unwohl. Dann sollte man das vielleicht lieber positiv herausheben und sagen: “Wir sind in nicht in eine Schublade zu stecken und wir sprechen viele Leute an, die dann gemeinsam feiern.“ Wir heben diese Schublade auf, also machen wir doch eine VERSENGOLD-Schublade draus. Die ist dann eben verdammt groß. Da kann jeder rein, der will.
metal.de: Auf der aktuellen Tour begleiten euch DARTAGNAN, die selbst mit viel Kritik leben müssen. Schweißt sowas enger zusammen? Tauscht ihr euch über solche Sachen auch privat aus?
Malte: DARTAGNAN sind ja auch nicht die einzigen. Im Grunde sind alle Bands, die sich weiterentwickeln, wie SALTATIO MORTIS zum Beispiel… wir tauschen uns alle aus! Wir mögen uns auch alle sehr gern. Oder auch FAUN, alle Bands, die so in eine bestimmte Richtung gehen und sich weiterentwickeln, solange es auf freiwilliger Basis ist. Die unterliegen dem Problem, dass sie nicht mehr das gewohnte oder auf den Hörer genormte Hörmuster abliefern und dementsprechend dann Kritiken sammeln. DARTAGNAN hat natürlich einen schwierigen Weg gewählt. Sie sind durch das Fernsehen gekommen und sind jetzt dabei, sich ihr Live-Publikum zu erspielen. Das schafft natürlich Raum für Vorurteile, gerade wenn man in einer Szene unterwegs ist, wo die Leute leicht mit Kritik um sich werfen. Ich kann nur sagen, dass die Leute urteilen sollten, wenn sie DARTAGNAN mal live gesehen haben. Daran siehst du dann, dass das sechs Musiker sind und keine gecasteten Leute, die da irgendein Playback abziehen. Es sind sechs Mucker, die machen eine Show, die haben Bock, die feiern das, was sie machen, die stehen da komplett hinter. Wer Kritik an einer Band üben soll, der soll sich das reinziehen und nicht aufs Blaue hinein raten und, wenn es schlimm kommt, den Ruf von jemandem schädigen. Gerade in der heutigen Zeit wäre es schöner, wenn die Leute ein bisschen klüger agieren würden und nicht immer ihre eigene Meinung… ok, was heißt immer? Es gibt genug Leute die es nicht so machen, aber genau diese Leute ihre eigene Meinung als eine Wahrheit verkaufen und dann irgendwelche Pseudo-Rezis schreiben und sich bei Amazon einen abtippen, welches Lied gut ist und welche scheiße. Da denkt man: “Es kann ja sein, dass du deinen Geschmack hast, das ist ja alles gut, aber du kannst ja mal ein bisschen von deinem Absolutismus abweichen und dir vorstellen, dass man andere Leute damit berührt und dass da wirklich etwas dahinter steht.“
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Naja, ich gehöre in diesem Fall zu der „Früher war alles besser“-Fraktion. Zumindest die ZEITLOS war mir etwas zu schlagerlastig. Mal sehen, wie sich das so entwickelt…
Der fehlende weibliche Gesang ist auch nicht gerade ein Pluspunkt.